Instanzenzug: BVerwG
Gründe
1Die Anhörungsrüge ist teilweise unzulässig und teilweise unbegründet. Der Senat hat den Anspruch der Klägerin auf rechtliches Gehör nicht in entscheidungserheblicher Weise verletzt (§ 152a Abs. 1 VwGO).
21. Art. 103 Abs. 1 GG verpflichtet ein Gericht, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Der Anspruch auf rechtliches Gehör verlangt aber nicht, dass jedes Vorbringen der Beteiligten in den Gründen einer gerichtlichen Entscheidung ausdrücklich beschieden wird. Es ist daher verfehlt, aus der Nichterwähnung einzelner Begründungsteile der Revisionsbegründung in den gerichtlichen Entscheidungsgründen zu schließen, das Gericht habe sich mit den darin enthaltenen Argumenten nicht befasst (stRspr, vgl. BVerwG 5 B 10.10 - [...] Rn. 2; u.a. - BVerfGE 87, 363 <392 f.>). Nur wenn im Einzelfall besondere Umstände den eindeutigen Schluss zulassen, dass dies nicht der Fall ist, wird der Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs verletzt (stRspr, vgl. etwa BVerwG 6 B 70.08 - [...] sowie BVerfG, u.a. - BVerfGE 86, 133 <146>).
32. Im vorliegenden Fall liegen diese Voraussetzungen nicht vor oder werden nicht einmal im Sinne von § 152a Abs. 2 Satz 6 VwGO dargelegt. Die Rügeschrift (RS) macht im Wesentlichen geltend,
- dass der Senat eine vorgetragene und aktenkundige frühere Antragstellung vom übergangen habe (RS S. 1 - 3),
- dass der Senat die für die Erfüllung der Spätaussiedlereigenschaft sprechenden und vom Oberverwaltungsgericht festgestellten Umstände nicht ausreichend berücksichtigt habe und zu Unrecht vom Erfordernis einer zeitnahen Antragstellung ausgegangen sei (RS S. 4 - 10),
- dass er durch das Abstellen auf eine "Ausschlussfrist" eine unzulässige Überraschungsentscheidung getroffen habe (RS S. 10 - 12) und
- dass der Senat durch eine nicht nachvollziehbare Begründung dieses entscheidungstragenden Gesichtspunkts das rechtliche Gehör verletzt habe (RS S. 12 - 13).
4Nicht ausreichend dargelegt wird ein Gehörsverstoß, soweit die Klägerin den vom Senat im Urteil vom aufgestellten Grundsatz in Zweifel zieht, dass der Antrag auf Aufnahme als Spätaussiedler auch in den von § 27 Abs. 2 Satz 1 BVFG erfassten Härtefällen in zeitlichem Zusammenhang mit der Spätaussiedlung gestellt werden muss. Insoweit erschöpft sich die Rügeschrift in einer rein materiell-rechtlichen Kritik der Urteilsgründe (RS S. 4 - 10). Auch soweit die Klägerin eine mangelnde Befassung mit den Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts zum Vorliegen der materiell-rechtlichen Spätaussiedlereigenschaft beanstandet, wird kein Gehörsverstoß dargetan. Es wird weder die mangelnde Berücksichtigung eigenen Sachvortrags geltend gemacht noch die Entscheidungserheblichkeit der diesbezüglichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts aufgezeigt. Es wird insbesondere nicht erläutert, weshalb es auf das Vorliegen der materiell-rechtlichen Spätaussiedlervoraussetzungen ankommen soll, wenn das Rechtsmittel nach der Rechtsauffassung des Senats schon wegen des formellen Kriteriums der zeitlichen Verspätung des Aufnahmeantrags keinen Erfolg haben kann.
5An der erforderlichen Darlegung eines Gehörsverstoßes fehlt es auch bei der abschließenden Bewertung der Rügeschrift, dass das vom Senat festgestellte Erfordernis eines zeitlichen Zusammenhangs von Aussiedlung und Antragstellung "nicht nachvollziehbar" sei bzw. "eine willkürliche Grenze von 4 Jahren" (RS S. 12 f.) enthalte. Damit wird allenfalls ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG behauptet, nicht aber der im Rahmen der Gehörsrüge allein rügefähige Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG dargetan.
6Soweit die Klägerin den Vorwurf einer Überraschungsentscheidung erhebt, wird das Grundrecht aus Art. 103 Abs. 1 GG zwar angesprochen. Eine unzulässige Überraschungsentscheidung liegt aber nur vor, wenn ein Gericht seine Entscheidung auf Anforderungen an den Sachvortrag oder auf sonstige rechtliche Gesichtspunkte stützen will, mit denen auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter nach dem bisherigen Prozessverlauf - selbst unter Berücksichtigung der Vielfalt vertretbarer Rechtsauffassungen - nicht zu rechnen brauchte (Beschlüsse vom - BVerwG 5 B 11.11 - [...] Rn. 3 und vom - BVerwG 9 B 23.04 - [...] Rn. 3 m.w.N.). So liegen die Dinge hier jedoch nicht. Der Senat hat bereits die Revision der Beklagten mit Beschluss vom (BVerwG 5 B 43.11) wegen der Frage zugelassen, ob die Erteilung eines Aufnahmebescheids nach §§ 26, 27 Abs. 2 BVFG davon abhängig gemacht werden kann, dass der Aufnahmeantrag in einem hinreichenden zeitlichen Zusammenhang mit der Begründung des ständigen Aufenthalts in der Bundesrepublik Deutschland gestellt wird. Dementsprechend hat die Beklagte ihre Revisionsbegründung vom ganz wesentlich darauf gestützt, dass der Aufnahmeantrag nicht zeitnah zur Aussiedlung gestellt worden und dass in ihren Verwaltungsvorschriften ein zeitlicher Rahmen von einem Jahr vorgesehen sei. Da diese Rechtsfrage auch im Zentrum der mündlichen Verhandlung des Senats vom stand, konnte es die Klägerin nicht überraschen, dass ihr mehr als 4 Jahre nach Aussiedlung gestellter Antrag am Kriterium des fehlenden zeitlichen Zusammenhangs scheitern könnte.
7Schließlich liegt eine Verletzung des Art. 103 Abs. 1 GG auch nicht darin, dass der Senat im Urteil vom von einer Antragstellung am ausgegangen ist. Zum einen hat die Klägerin während des Revisionsverfahrens nicht vorgetragen, der Antrag sei bereits früher gestellt worden. Es fehlt daher bereits an der für Art. 103 Abs. 1 GG wesentlichen Nichtberücksichtigung von Parteivorbringen. Zum anderen ist auch die Erwartung der Klägerin unberechtigt, dass im Revisionsverfahren von Amts wegen oder auf Grund vorinstanzlichen Vorbringens auf ein früheres Datum abgestellt wird. Denn das Bundesverwaltungsgericht ist nach § 137 Abs. 2 VwGO grundsätzlich an die in dem angefochtenen Urteil getroffenen tatsächlichen Feststellungen gebunden. Das Oberverwaltungsgericht hat im Berufungsurteil ausdrücklich festgestellt, dass der Antrag "am " bzw. "rund 4 1/2 Jahre nach Wohnsitzaufgabe (Ende 2002)" gestellt worden ist (UA S. 5, 28). Es hat damit erkennbar dem Schreiben vom , mit dem nach Angaben der Klägerin im Wesentlichen nur das Antragsformular angefordert worden ist, noch keine verfahrenseinleitende Bedeutung beigemessen. Da diese Wertung jedenfalls nicht evident und zweifelsfrei fehlerhaft ist, kann die tatrichterliche Feststellung des Antragsdatums auch nicht - wie die Klägerin meint - als eindeutig aktenwidrig angesehen und vom Revisionsgericht korrigiert werden (vgl. Beschlüsse vom - BVerwG 6 B 73.08 - Buchholz 310 § 108 Abs. 1 VwGO Nr. 60 Rn. 4 und vom - BVerwG 5 B 24.11 - [...] Rn. 3).
8Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (§ 133 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO).
9Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Einer Streitwertfestsetzung bedarf es nicht, weil sich die Gerichtsgebühr unmittelbar aus Nr. 5400 der Anlage 1 zum Gerichtskostengesetz ergibt.
Fundstelle(n):
JAAAE-39213