Formelle Voraussetzungen für die Anordnung der Sicherungsverwahrung: Berücksichtigung einer früher verhängten Einheitsjugendstrafe
Gesetze: § 66 Abs 1 Nr 2 StGB, § 66 Abs 3 StGB, § 31 JGG
Instanzenzug: Az: 25 KLs 4/12
Gründe
1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit Körperverletzung und mit versuchtem sowie mit vollendetem Diebstahl zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt und seine Unterbringung in der Sicherungsverwahrung angeordnet. Die auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge den aus der Beschlussformel ersichtlichen Erfolg; im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
21. Während der Strafausspruch keinen Rechtsfehler aufweist, hat der Maßregelausspruch – entsprechend dem Antrag des Generalbundesanwalts – keinen Bestand.
3Das Landgericht hat die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in der Sicherungsverwahrung auf § 66 Abs. 1 StGB gestützt. Nach § 66 Abs. 1 Nr. 2 StGB setzt die Anordnung der Maßregel jedoch in formeller Hinsicht voraus, dass der Täter wegen vor der Anlasstat begangener vorsätzlicher Straftaten schon zweimal zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist. Die vom Landgericht hierzu herangezogene Verurteilung des Angeklagten durch das Amtsgericht Tiergarten in Berlin aus dem Jahr 1996, wonach gegen den Angeklagten wegen Vergewaltigung in zwei Fällen sowie wegen Herbeiführens einer Sprengstoffexplosion in Tateinheit mit versuchtem Diebstahl eine Jugendstrafe von einem Jahr verhängt worden ist, genügt hierfür nicht. Eine in einem früheren Verfahren ausgesprochene einheitliche Jugendstrafe nach § 31 JGG kann als Vorverurteilung im Sinne von § 66 Abs. 1 Nr. 2 StGB nur dann berücksichtigt werden, wenn zu erkennen ist, dass der Angeklagte wenigstens bei einer der ihr zugrundeliegenden Straftaten eine Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verwirkt hätte, sofern sie als Einzeltat gesondert abgeurteilt worden wäre (vgl. , NStZ-RR 2007, 171 mwN). Dies ist angesichts der Höhe der Jugendstrafe bei drei tatmehrheitlich abgeurteilten Straftaten ausgeschlossen.
42. Der Senat verweist die Sache an das Landgericht zurück, weil er nicht ausschließen kann, dass ausreichende Feststellungen für eine Maßregelanordnung nach § 66 Abs. 3 StGB getroffen werden können. Das neue Tatgericht wird im Rahmen der Ermessensentscheidung insbesondere den nach dem (BVerfGE 128, 326) geltenden erhöhten Gefährlichkeitsmaßstab (vgl. , NStZ-RR 2012, 205, und vom – 2 StR 305/11, StV 2012, 213, BGH, Beschlüsse vom – 4 StR 362/11, NStZ-RR 2012, 109, und vom – 3 StR 208/11, BGHR StGB § 66 Strikte Verhältnismäßigkeit 1) zu beachten haben; dieser ist aus Gründen des rechtsstaatlichen Vertrauensschutzes im vorliegenden Fall weiterhin anzuwenden ( und 5 StR 617/12). Angesichts einer vom Landgericht angenommenen „mittleren Wahrscheinlichkeit“ weiterer Vergewaltigungsstraftaten (UA S. 32) wird die Ermessensausübung einer sorgfältigen Begründung bedürfen (vgl. ), wobei die von der Sachverständigen dargestellten Ergebnisse psychiatrischer Prognoseinstrumente lediglich Anhaltspunkte über die Ausprägung eines strukturellen Grundrisikos liefern, eine fundierte Einzelfallanalyse jedoch nicht zu ersetzen vermögen (vgl. , NStZ-RR 2010, 203; ).
Basdorf Raum Sander
Schneider Bellay
Fundstelle(n):
RAAAE-37852