Instanzenzug: ArbG Schwerin Az: 2 Ca 1398/09 Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern Az: 2 Sa 237/10 Urteil
Tatbestand
1Die Parteien streiten über die Dauer der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit und eine damit zusammenhängende Zeitgutschrift auf einem Arbeitszeitkonto der Klägerin.
2Die Klägerin, die seit langem Mitglied der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft (Gewerkschaft ver.di) ist, ist seit 1981 bei der Beklagten und ihren Rechtsvorgängerinnen beschäftigt. Im schriftlichen Arbeitsvertrag mit der Deutschen Bundespost Telekom vom heißt es ua.:
3Im Zuge der sog. Postreform II wurden die Geschäftsbereiche der Deutschen Bundespost durch das Gesetz zur Umwandlung der Unternehmen der Deutschen Bundespost in die Rechtsform der Aktiengesellschaft (vom , BGBl. I S. 2325, 2339 - Postumwandlungsgesetz - PostUmwG) privatisiert. Aus dem Geschäftsbereich, in dem die Klägerin tätig gewesen war, entstand kraft Gesetzes die Deutsche Telekom AG (nachfolgend DT AG). Die DT AG vereinbarte in der Folgezeit mit der Deutschen Postgewerkschaft (DPG) Tarifverträge, die ua. die zuvor zwischen der Deutschen Bundespost und der DPG geschlossenen Tarifverträge für die Arbeiter und Angestellten der Deutschen Bundespost in Ost und West für den Bereich der DT AG abänderten. Eine weitgehende Ablösung der vormals mit der Deutschen Bundespost geschlossenen und nachfolgend geänderten Tarifverträge erfolgte anlässlich der Einführung des „Neuen Bewertungs- und Bezahlungssystems - NBBS“ zum in einem gesonderten Übergangstarifvertrag, dem Tarifvertrag zur Umstellung auf das NBBS. Auf das Arbeitsverhältnis der Klägerin wurden die jeweiligen für sie einschlägigen Tarifverträge der Deutschen Bundespost Telekom und später die der DT AG angewendet, unter anderem der Manteltarifvertrag der Deutschen Telekom AG in der Fassung vom (MTV DT AG), der in § 11 eine regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit von 34 Stunden vorsieht.
4Mit Wirkung ab dem wurde der Beschäftigungsbetrieb, in dem die Klägerin tätig ist, im Wege des Betriebsübergangs von der V C S GmbH (VCS), einer Tochtergesellschaft der DT AG, übernommen. Die Klägerin widersprach dem Übergang ihres Arbeitsverhältnisses nicht. In der Folgezeit wendete die VCS auf das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin den zwischen ihr und der Gewerkschaft ver.di geschlossenen, zum in Kraft getretenen Tarifvertrag zur Umsetzung des Beschäftigungsbündnisses (Umsetzungs-Tarifvertrag, UTV) an, der Abweichungen von den Tarifverträgen der DT AG ua. bei der Arbeitszeit und beim Entgelt enthält. Der UTV sieht ua. eine regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit von 38 Stunden vor.
5Zum übernahm die nicht tarifgebundene Beklagte den Beschäftigungsbetrieb der Klägerin im Wege eines weiteren Betriebsübergangs.
6Mit ihrer Klage hat die Klägerin nach vorheriger erfolgloser Geltendmachung zuletzt noch die Feststellung einer wöchentlichen Arbeitszeit von 34 Stunden sowie eine Gutschrift auf dem Arbeitszeitkonto von 140 Stunden aufgrund der im Zeitraum bis abverlangten Arbeitszeit von 38 Stunden begehrt. Sie hat die Auffassung vertreten, aufgrund der arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklausel seien auf das Arbeitsverhältnis der Parteien die Tarifverträge der DT AG mit dem Regelungsstand vom anzuwenden, darunter der MTV DT AG mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 34 Stunden.
7Die Klägerin hat, soweit für die Revision von Bedeutung, beantragt,
8Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Die Feststellungsanträge seien unzulässig. Die arbeitsvertragliche Bezugnahmeklausel erfasse auch den UTV der VCS. Der UTV bestimme nach dem letzten Betriebsübergang das Arbeitsverhältnis der Klägerin statisch mit dem Tarifstand . Selbst wenn die Tarifverträge der DT AG noch aufgrund der Bezugnahmeklausel daneben anwendbar sein sollten, würden sie sowohl bei einem Gesamtvergleich als auch bei einem Sachgruppenvergleich durch die Regelungen des UTV verdrängt, da letztere nicht per se ungünstiger seien. Die Klägerin verdiene bei der Beklagten mit einer Wochenarbeitszeit von 38 Stunden mehr als früher mit einer Wochenarbeitszeit von 34 Stunden bei der DT AG. Zudem seien mögliche Ansprüche der Klägerin verwirkt.
Die Vorinstanzen haben der Klage im noch streitigen Umfang stattgegeben. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag, die Klage insgesamt abzuweisen, weiter. Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Gründe
10Die zulässige Revision der Beklagten ist begründet.
11Mit der Begründung des Landesarbeitsgerichts konnte der Klage im noch streitigen Umfang nicht stattgegeben werden. Aufgrund unzureichender Tatsachenfeststellungen konnte der Senat nicht abschließend entscheiden, ob die Klage zulässig und begründet ist. Die Sache war deshalb zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
121. Der Antrag zu 1., mit dem die Klägerin eine Gutschrift von 140 Stunden auf ein für sie geführtes Arbeitszeitkonto begehrt, ist unzulässig. Er ist nicht hinreichend bestimmt (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO).
13a) Bei einer Leistungsklage muss der Klageantrag hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO sein. Aus dem Klageantrag hat sich unter Heranziehung des Sachvortrages der Klägerin zu ergeben, welche Leistung von der Beklagten begehrt wird. Eine mögliche Verurteilung muss einen vollstreckungsfähigen Inhalt haben ( - Rn. 70 mwN, AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 91; - 4 AZR 79/89 -; - 3 AZR 694/85 - zu II 3 c der Gründe, AP BetrAVG § 1 Lebensversicherung Nr. 4 = EzA BetrAVG § 1 Lebensversicherung Nr. 2).
14b) Diesen Anforderungen wird der Antrag zu 1. nicht gerecht.
15aa) Ein Antrag, einem Arbeitszeitkonto Stunden „gutzuschreiben“, kann hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO sein, wenn der Arbeitgeber für den Arbeitnehmer ein Zeitkonto führt, auf dem zu erfassende Arbeitszeiten nicht aufgenommen wurden und noch gutgeschrieben werden können (vgl. - Rn. 9, AP TVG § 1 Tarifverträge: Lufthansa Nr. 42 = EzA TVG § 4 Luftfahrt Nr. 16; - 5 AZR 417/01 - AP EntgeltFG § 2 Nr. 10 = EzA EntgeltfortzG § 2 Nr. 4) und die von der Klägerin geforderte Leistungshandlung sich zumindest ihrem Sachvortrag entnehmen lässt.
16bb) Vorliegend bleibt nach dem klägerischen Vorbringen bereits offen, ob und in welcher Weise die Beklagte ein Arbeitszeitkonto für die Klägerin führt und wie dort Arbeitsstunden im Rahmen der geforderten „Gutschrift“ erfasst werden können und erfasst werden (vgl. - Rn. 11, BAGE 136, 152; - 5 AZR 43/01 - zu I der Gründe, EzA ZPO § 253 Nr. 22). Bei einem stattgebenden Urteil bliebe nach der Antragsformulierung ungeklärt, welche Handlungen genau die Beklagte vorzunehmen hat (vgl. ebenso - Rn. 72, AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 91).
17c) Die Unzulässigkeit des Antrages führt im Entscheidungsfall dennoch nicht zu einer Klageabweisung, sondern zu einer Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht. Die Klägerin hat bisher noch keinen gerichtlichen Hinweis (§ 139 ZPO) zur Unzulässigkeit dieses Antrages erhalten. Vielmehr haben beide Tatsacheninstanzen den Antrag ohne weitere Erörterung implizit für hinreichend bestimmt iSd. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO erachtet und ihm sogar stattgegeben. Auch die Beklagte hat seine Zulässigkeit bisher nicht beanstandet. Deshalb muss der Klägerin aus Gründen ihres verfassungsrechtlichen Anspruchs auf rechtliches Gehör Gelegenheit zu einer Konkretisierung ihres Antrages und zu ergänzendem Vorbringen gegeben werden.
18Bei der weiteren Behandlung der Sache wird das Landesarbeitsgericht die erforderlichen Feststellungen zu den Grundlagen und den Maßgaben des bei der nicht tarifgebundenen Beklagten ggf. geführten Arbeitszeitkontos zu treffen haben (vgl. für einen Rechtsstreit mit einer tarifgebundenen Beklagten im Bereich der Privatisierung der Deutschen Bundespost - Rn. 74, AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 91). Weiterhin wird es zu beachten haben, dass die Klägerin bisher die Leistung der der geforderten Zeitgutschrift zu Grunde liegenden Arbeitsstunden nicht im Einzelnen dargelegt, sondern lediglich pauschal - offenbar vier Stunden wöchentlich - berechnet hat. Es ist ferner offen, ob und wie beispielsweise Urlaubs- und Krankheitszeiten oder andere Zeiten der Arbeitsbefreiung Berücksichtigung gefunden haben, was nach der zu ermittelnden Rechtsgrundlage für das laut dem Antrag zu 1. „für sie geführte“ Arbeitszeitkonto von Bedeutung sein kann. Aus dieser Rechtsgrundlage müsste sich auch ein Anspruch der Klägerin ergeben, eine über 34 Wochenstunden hinausgehende Arbeitszeit - in welcher Form auch immer - zu verbuchen (vgl. - Rn. 13, BAGE 136, 152). Zudem wird zu beachten sein, dass ein Arbeitszeitkonto den Umfang der vom Arbeitnehmer geleisteten Arbeit wiedergibt und damit nur in anderer Form den Vergütungsanspruch ausdrückt ( - Rn. 54, BAGE 138, 287; - 5 AZR 521/09 - Rn. 13, BAGE 135, 197). Die Gutschrift von Arbeitsstunden setzt damit voraus, dass die gutzuschreibenden Stunden nicht vergütet wurden (vgl. näher - Rn. 25, EzA BGB 2002 § 611 Arbeitszeitkonto Nr. 8). Ferner ist die Anwendung und ggf. die Einhaltung durch Arbeitsvertrag in Bezug genommener tarifvertraglicher Ausschlussfristen zu beachten.
192. Ob der zulässige Antrag zu 2., mit dem die Klägerin die Feststellung einer wöchentlichen Arbeitszeit von 34 Stunden begehrt, begründet ist, kann aufgrund der bisherigen Tatsachenfeststellungen nicht abschließend beurteilt werden.
20a) Der Antrag ist nach einer gebotenen Auslegung (dazu - Rn. 11, AP ZPO § 253 Nr. 50 = EzA ZPO 2002 § 253 Nr. 3) zulässig.
21aa) Der Antrag bedarf der Auslegung. Der auf die Feststellung gerichtete Antrag, „die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit (beträgt) 34 Wochenstunden“, ist dahin auszulegen und zu verstehen, dass die Klägerin damit ihre vertraglich geschuldete Arbeitszeit festgestellt wissen will. Dabei ist der gegenwartsbezogen formulierte Antrag zukunftsbezogen zu verstehen. Davon gehen auch die Parteien übereinstimmend aus.
22Die Klägerin hat dagegen nicht ausdrücklich dargelegt, für welchen vergangenen Zeitraum sie diese Feststellung begehrt. Auch das Landesarbeitsgericht hat hierzu keine Angaben im Tenor oder in den sonstigen Teilen des Berufungsurteils gemacht. Aus dem Vorbringen der Klägerin ergibt sich jedoch mit hinreichender Klarheit, dass das Bestehen des genannten Rechtsverhältnisses für den Zeitraum ab dem festgestellt werden soll. Für den Zeitraum bis zum hat die Klägerin mit der am eingegangenen Klage aus dem begehrten Rechtsverhältnis einen Leistungsanspruch, nämlich im Antrag zu 1. eine Gutschrift einer bestimmten Stundenanzahl auf ihrem Arbeitszeitkonto, geltend gemacht. Sie hat ihren Willen, die Feststellung erst für den Zeitraum ab dem zu beantragen, dadurch klargestellt, dass sie in ihrem erstinstanzlichen Schriftsatz vom zum Feststellungsinteresse ausgeführt hat, mit der Entscheidung über den Leistungsantrag zu 1. und einem seinerzeit noch gestellten Zahlungsantrag betreffend denselben Zeitraum sei die Frage der Tarifgeltung lediglich für bestimmte Zeiträume zu entscheiden und damit sei keine Entscheidung über die zukünftige Vergütung verbunden. Es sei insofern notwendig, eine weitere Klärung darüber zu erzielen, welche Arbeitsbedingungen zukünftig für ihr Arbeitsverhältnis gelten würden. Sie habe deshalb über den Leistungsantrag hinaus, der nur einen bestimmten Zeitraum erfasse, ein Interesse an der Klärung der zukünftigen tariflichen Bedingungen.
23bb) Dieser Antrag ist zulässig (§ 253 Abs. 2 Nr. 2, § 256 Abs. 1 ZPO).
24Die Klägerin hat ein rechtliches Interesse, den gegenwärtigen Streit über die Dauer ihrer Arbeitszeit abschließend klären zu lassen. Das ergibt sich bereits aus der Zukunftsgerichtetheit der Feststellung. Für den vergangenen Zeitraum ab dem käme inzwischen zwar auch eine Umstellung auf eine Leistungsklage in Betracht; eine solche bloße Möglichkeit lässt das ursprüngliche Feststellungsinteresse jedoch nicht entfallen ( - BAGE 85, 306). Anhaltspunkte, dass die Beklagte einer gerichtlichen Feststellung nicht Folge leisten wird, sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Der Antrag in dieser Auslegung ist auch hinreichend bestimmt.
25b) Aufgrund der bisher unzureichenden tatrichterlichen Feststellungen steht noch nicht fest, dass die Klägerin nur zur Arbeitsleistung von 34 Stunden wöchentlich verpflichtet ist.
26aa) Das Landesarbeitsgericht ist zunächst zutreffend davon ausgegangen, dass aufgrund der arbeitsvertraglichen Bezugnahme, die nach gebotener Auslegung im Ergebnis ua. auf den MTV DT AG verweist, die für die Klägerin insoweit maßgebende wöchentliche Arbeitszeit nach § 11 MTV DT AG 34 Stunden beträgt.
27(1) Die individualvertragliche, konstitutive Bezugnahme der Tarifverträge der DT AG ist unabhängig von deren normativer Geltung gemäß § 4 Abs. 1, § 3 Abs. 1 TVG im Arbeitsverhältnis der Klägerin und ihrer damaligen Arbeitgeberin Deutsche Bundespost Telekom. Im Fall des Betriebsübergangs geht die arbeitsvertraglich vereinbarte Anwendung der Tarifverträge der DT AG als vertragliche Rechtsposition gemäß § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB ohne Weiteres und uneingeschränkt auf das mit der jeweiligen Erwerberin fortbestehende Arbeitsverhältnis über ( - Rn. 23, BAGE 136, 184).
28(2) Aufgrund der arbeitsvertraglichen Bezugnahme ergibt sich iVm. § 11 MTV DT AG eine wöchentliche Arbeitszeit von 34 Stunden.
29(a) Bei der Bezugnahmeregelung des Arbeitsvertrages handelt es sich um eine sog. Gleichstellungsabrede iSd. früheren Rechtsprechung des Senats (ausf. - Rn. 17 ff., BAGE 138, 269). Sie verweist auf die fachlich einschlägigen Tarifverträge, an die die damalige Arbeitgeberin der Klägerin, die Deutsche Bundespost Telekom, tarifgebunden war. Auf diese Weise sind deren Regelungen mit der sich aus dem Charakter als Gleichstellungsabrede ergebenden Maßgabe Inhalt des Arbeitsvertrages der Klägerin geworden.
30(b) Die arbeitsvertragliche Bezugnahmeklausel, deren Auslegung vom Senat ohne Einschränkung überprüft werden kann (zum Maßstab - Rn. 21 mwN, BAGE 138, 269), enthält nur eine zeitdynamische Bezugnahme auf die Bestimmungen des Tarifvertrages für die Angestellten bzw. Arbeiter der Deutschen Bundespost im Beitrittsgebiet in seiner jeweiligen Fassung. Sie erfasst nach ihrem Wortlaut hingegen nicht die ersetzenden Tarifverträge der DT AG im Zuge der Vereinbarung der Tarifverträge des NBBS. Diese sind keine „jeweilige Fassung“ des Tarifvertrages für die Angestellten bzw. Arbeiter der Deutschen Bundespost im Beitrittsgebiet. Der Arbeitsvertrag ist hinsichtlich der Bezugnahme nur zeitdynamisch auf den Tarifvertrag für die Angestellten bzw. Arbeiter der Deutschen Bundespost im Beitrittsgebiet, nicht aber inhaltsdynamisch auf die Tarifverträge der DT AG ausgestaltet (ausf. - Rn. 22 ff. mwN, aaO).
31(c) Die Anwendung auch der Tarifverträge der DT AG folgt jedoch aus einer ergänzenden Auslegung der im Arbeitsvertrag enthaltenen Bezugnahmeklausel.
32(aa) Der Arbeitsvertrag der Parteien enthält aufgrund des Übergangs der Deutschen Bundespost Telekom im Wege der partiellen Gesamtrechtsnachfolge auf die DT AG zum und durch die Ablösung der fortgeschriebenen Regelungen des Tarifvertrages für die Angestellten bzw. Arbeiter der Deutschen Bundespost im Beitrittsgebiet und der sonstigen Tarifverträge durch die Einführung des NBBS und der in diesem Zusammenhang geschlossenen Tarifverträge jedenfalls spätestens seit dem eine nachträglich eingetretene Regelungslücke. Diese ist im Wege einer ergänzenden Vertragsauslegung zu schließen. Danach waren zum Zeitpunkt des Betriebsübergangs auf die VCS kraft vertraglicher Vereinbarung die Tarifverträge der DT AG mit dem Stand „im Zeitpunkt“ des Betriebsübergangs anzuwenden. Dies hat der Senat in vergleichbaren Fällen bereits mehrfach entschieden und ausführlich begründet ( - Rn. 25 ff. mwN, BAGE 138, 269; weiterhin - 4 AZR 494/09 - Rn. 34 ff. mwN, AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 90; - 4 AZR 822/09 - Rn. 21 ff.; - 4 AZR 179/10 - Rn. 28 ff.; zuletzt: - 4 AZR 231/10 - Rn. 15). Da im Streitfall keine Besonderheiten erkennbar sind, verweist der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Begründungen in den genannten Entscheidungen.
33(bb) Die von der VCS geschlossenen Tarifverträge werden von der Bezugnahmeklausel nicht erfasst. Diese kann weder als eine sog. Tarifwechselklausel noch als eine solche Verweisungsklausel verstanden werden, die zumindest auch auf die im Konzern der DT AG für die einzelnen Konzernunternehmen jeweils geschlossenen Tarifverträge verweist. Auch dies hat der Senat in vergleichbaren Fällen bereits mehrfach entschieden und ausführlich begründet ( - Rn. 36 ff. mwN, BAGE 138, 269; weiterhin - 4 AZR 494/09 - Rn. 45 ff. mwN, AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 90; - 4 AZR 822/09 - Rn. 21, 42 ff.; - 4 AZR 179/10 - Rn. 38 ff.; zuletzt: - 4 AZR 231/10 - Rn. 16).
34(cc) Die diesbezüglich von der Beklagten erhobene Verfahrensrüge, das Landesarbeitsgericht habe es versäumt, sich mit acht im Einzelnen aufgeführten, „für die (ergänzende) Auslegung der Bezugnahme zwingend zu berücksichtigende(n) besondere(n) Umstände(n)“ auseinanderzusetzen, aus denen sich die Erfassung der Tarifverträge der einzelnen Konzerngesellschaften durch die Verweisungsklausel ergebe, ist unbegründet. Die von der Beklagten erwähnten Umstände stehen der Feststellung nicht entgegen. Das hat der Senat in parallelen Fällen bezüglich vergleichbaren Sachvortrages der Beklagten bereits mehrfach entschieden und ausführlich begründet (ua. - Rn. 40 ff., BAGE 138, 269; - 4 AZR 494/09 - Rn. 49 ff., AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 90; - 4 AZR 822/09 - Rn. 46 ff.; - 4 AZR 179/10 - Rn. 42 ff.). Besonderheiten sind im Entscheidungsfall nicht erkennbar; der Senat verweist zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Begründungen in den genannten Entscheidungen.
35(3) Einer solchen Feststellung steht der Verwirkungseinwand der Beklagten (§ 242 BGB) nicht entgegen. Das hat das Landesarbeitsgericht zutreffend erkannt.
36(a) Die sog. Verwirkung schließt als Sonderfall der unzulässigen Rechtsausübung (§ 242 BGB) eine illoyal verspätete Geltendmachung von Rechten aus. Sie dient dem Vertrauensschutz und verfolgt nicht den Zweck, den Schuldner stets von seiner Verpflichtung zu befreien, wenn der Gläubiger längere Zeit seine Rechte nicht geltend gemacht hat (Zeitmoment). Der Berechtigte muss vielmehr unter Umständen untätig geblieben sein, die beim Verpflichteten den Eindruck erweckt haben, der Berechtigte wolle sein Recht nicht mehr geltend machen, so dass der Verpflichtete sich darauf einstellen durfte, nicht mehr in Anspruch genommen zu werden (Umstandsmoment). Weiterhin muss das Vertrauen des Verpflichteten, der Berechtigte werde sein Recht nicht mehr geltend machen, das Interesse des Berechtigten derart überwiegen, dass ihm die Erfüllung des Anspruchs nicht mehr zuzumuten ist (Zumutbarkeitsmoment; vgl. zu den Voraussetzungen ua. - Rn. 26 und - 4 AZR 579/10 - Rn. 43, jeweils mwN).
37(b) Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Insbesondere sind keine Umstände gegeben, aus denen die Beklagte schließen konnte, die Klägerin werde sich nicht mehr auf eine vertraglich geschuldete Arbeitszeit von 34 Stunden berufen.
38Das Landesarbeitsgericht hat im Ergebnis zutreffend erkannt, dass die Beklagte nicht auf eine Untätigkeit der Klägerin vertrauen konnte. Ein Verhalten der Klägerin, aus dem die Beklagte ein berechtigtes Vertrauen hätte ableiten können, sie werde in Kenntnis der ihr zustehenden Rechte diese nicht mehr geltend machen, hat die Beklagte weder vorgetragen noch ist ein solches ersichtlich. Insbesondere hat die Klägerin ihr angebotene neue Arbeitsverträge weder nach dem ersten noch nach dem zweiten Betriebsübergang unterschrieben. Allein aus dem Umstand, dass die Klägerin sowohl bei der VCS als auch bei der Beklagten über einen längeren Zeitraum zu den veränderten Arbeitsbedingungen (38 Stunden), die ihr in Unterrichtungsschreiben mitgeteilt worden und ua. aus Vergütungsabrechnungen ersichtlich sind, tätig gewesen ist, ergibt sich ein solches vertrauensbegründendes Verhalten nicht. Dies hat der Senat in vergleichbaren Fällen bereits entschieden und ausführlich begründet (vgl. ua. - Rn. 32 und - 4 AZR 579/10 - Rn. 45 ff. sowie Rn. 51 f. zum „Zumutbarkeitsmoment“). Im Streitfall liegen auch keine Besonderheiten vor, aus denen geschlossen werden kann, die Klägerin sei von der „bisherigen Vertragslage gestaltend abgewichen“.
39(c) Es bedarf deshalb keiner Entscheidung über die Frage, ob die Grundsätze der Verwirkung bei der Feststellung der verbindlichen vertraglichen Arbeitsbedingungen überhaupt zur Anwendung kommen können oder ob hier nicht allein die Maßstäbe für eine konkludente Vertragsänderung anzulegen sind.
40bb) Der Feststellung einer von der Klägerin arbeitsvertraglich geschuldeten wöchentlichen Arbeitszeit von nur 34 Stunden könnte aber die kollektivrechtliche - eingeschränkte - Weitergeltung der von der VCS mit der Gewerkschaft ver.di geschlossenen Tarifverträge und die im UTV geregelte Arbeitszeit von 38 Stunden in der Woche entgegenstehen, wenn sich diese tariflichen Regelungen nicht als ungünstiger erweisen. Zwar hat das Landesarbeitsgericht erkannt, dass die entstandene Kollision zwischen den arbeitsvertraglich in Bezug genommenen Tarifregelungen der DT AG und den mit kollektiv-rechtlichem Charakter fortwirkenden Regelungen des UTV nach dem Günstigkeitsprinzip zu lösen ist. Es hat jedoch nicht dargelegt, nach welchen Kriterien es einen Günstigkeitsvergleich vorgenommen hat.
41(1) Die weitere Anwendung der arbeitsvertraglich in Bezug genommenen Tarifverträge der DT AG auf das Arbeitsverhältnis der Klägerin mit der VCS und später mit der Beklagten gemäß § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB ist von der kollektiv-rechtlichen Weitergeltung von tariflichen Normen nach § 613a Abs. 1 Satz 2 bis 4 BGB zu trennen.
42(a) Die zwischen der Klägerin und der DT AG zum Zeitpunkt des Betriebsübergangs auf die VCS geltenden Tarifnormen sind nach § 613a Abs. 1 Satz 3 BGB iVm. § 4 Abs. 1, § 3 Abs. 1 TVG durch die Firmentarifverträge der VCS, insbesondere den UTV, abgelöst worden. Während der Dauer des Arbeitsverhältnisses der Klägerin mit der VCS galten allein die von der VCS abgeschlossenen Firmentarifverträge normativ.
43(b) Mit dem Betriebsübergang von der VCS auf die Beklagte zum wurden die tariflich geregelten Rechte und Pflichten der Klägerin zum Inhalt des Arbeitsverhältnisses der Parteien (§ 613a Abs. 1 Satz 2 BGB). Dabei behalten die transformierten Tarifnormen ihren kollektiv-rechtlichen Charakter (dazu ua. - Rn. 20, AP TVG § 1 Auslegung Nr. 225; - 4 AZR 100/08 - Rn. 61 ff., BAGE 130, 237). Da die Beklagte nicht tarifgebunden ist, kommt weder eine Fortgeltung des bisher normativ geltenden UTV noch eine Ablösung durch einen anderen Tarifvertrag, an den die Parteien kongruent gebunden sein müssten ( - BAGE 97, 107; - 4 AZR 581/99 - BAGE 95, 296), in Betracht.
44(c) Bestehen neben transformierten Tarifnormen abweichende Invidualvereinbarungen - hier die arbeitsvertragliche Verweisung auf die Tarifverträge der DT AG -, ist die daraus erwachsene Kollision nach dem Günstigkeitsprinzip (§ 4 Abs. 3 TVG) zu lösen (vgl. ausführlich - Rn. 27 ff., BAGE 130, 237). Dies gilt nicht nur gegenüber Tarifnormen, an die der Erwerber und der Arbeitnehmer durch Mitgliedschaft gebunden sind, sondern auch gegenüber solchen Tarifnormen, die nach § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB in das Arbeitsverhältnis transformiert worden sind. Ein Günstigkeitsvergleich ist ohne Weiteres möglich, auch wenn es zu einem zweiten Betriebsübergang auf einen tarifungebundenen Erwerber kommt ( - Rn. 66; - 4 AZR 100/08 - Rn. 30, aaO).
45(2) Hiervon ist das Landesarbeitsgericht zunächst auch ausgegangen. Es hat jedoch keinen hinreichenden Günstigkeitsvergleich vorgenommen.
46(a) Bei einem Günstigkeitsvergleich nach § 4 Abs. 3 TVG sind alle Regelungen miteinander zu vergleichen, die in einem sachlichen Zusammenhang stehen. Es hat ein „Sachgruppenvergleich“ zu erfolgen (st. Rspr., vgl. nur - Rn. 55; - 9 AZR 522/09 - Rn. 19 mwN, AP BUrlG § 11 Nr. 69; - 4 AZR 261/08 - Rn. 60 mwN, BAGE 131, 176). Es sind nur die Regelungen des Tarifvertrages mit den abweichenden vertraglichen Abmachungen zu vergleichen, die jeweils in einem inneren, sachlichen Zusammenhang stehen. Bei einem Vergleich verschieden langer Arbeitszeiten ist zumindest das dem gegenüberstehende Entgelt einzubeziehen (dazu Greiner in Henssler/Moll/Bepler Der Tarifvertrag Teil 9 Rn. 176 - „synallagmatische Kernfrage des Arbeitsverhältnisses“). Hierbei sind alle Vergütungsbestandteile von Bedeutung, die sich als Gegenleistung zu der zu erbringenden Arbeitsleistung darstellen. Dabei geht es primär um einen Vergleich der Regelungen. Dementsprechend reicht der Umstand, dass die Klägerin bei der Rechtsvorgängerin oder der Beklagten letztlich mehr verdient haben soll - wie die Beklagte in den Vorinstanzen ausgeführt hat -, allein nicht aus, eine „günstigere“ Regelung anzuerkennen. Es bedarf vielmehr einer umfassenden Betrachtung der Einzelfallumstände der einzubeziehenden Gestaltungsfaktoren der Sachgruppen.
47(b) Einen entsprechenden Sachgruppenvergleich hat das Landesarbeitsgericht erkennbar nicht vorgenommen. Es fehlen bereits nähere Feststellungen, welche Faktoren das Berufungsgericht in seinen Vergleich einbezogen haben will. Sollte es sich - wie seine Formulierungen nahe legen - lediglich auf einen Vergleich der Arbeitszeiten beschränkt haben, ist bereits die Bildung der Sachgruppe fehlerhaft, da die synallagmatischen Gegenleistungen nicht berücksichtigt wurden. Sollte es hingegen die Gegenleistungen einbezogen haben, lässt sich dies aus seinen Formulierungen nicht ausreichend erkennen.
48(3) Der Senat konnte aufgrund der bisherigen tatrichterlichen Feststellungen den notwendigen Sachgruppenvergleich nicht selbst vornehmen.
49(a) Es fehlen bereits nähere Feststellungen des Landesarbeitsgerichts zum Verhältnis der wöchentlichen Arbeitsleistung und der proportionalen Vergütung, insbesondere zur Höhe und Zusammensetzung der Vergütungen der Klägerin bei der DT AG und der Beklagten nach Maßgabe der in Frage stehenden Tarifverträge. Zwar lassen sich die ggf. zu vergleichenden Regelungen aus den Tarifverträgen der DT AG und der VCS ersehen. Insbesondere der UTV enthält aber zahlreiche, nicht aus sich heraus - ohne weitere Parameter - einer Bewertung zugängliche tarifliche Regelungen. So sieht er neben dem regelmäßig zu zahlenden Monatsentgelt ua. leistungs- und ergebnisbezogene Entgeltbestandteile, Einmalzahlungen, Sonderzuwendungen und Zulagen vor, die ggf. bei der Bestimmung des für die Arbeitsleistung zu zahlenden Entgelts zu berücksichtigen sein können.
50(b) Im Übrigen war den Parteien auch aus Gründen ihres verfassungsrechtlichen Anspruchs auf rechtliches Gehör Gelegenheit zur Stellungnahme zum Sachgruppenvergleich und ggf. zu ergänzendem Vortrag einzuräumen.
513. Ob ein weitergehendes Feststellungsinteresse der Klägerin nach § 256 Abs. 1 ZPO für den Antrag zu 3., mit dem sie die Feststellung der Anwendbarkeit der Tarifverträge der Deutschen Telekom AG (Stand ), begehrt, gegeben ist, lässt sich zur Zeit ebenfalls nicht abschließend beurteilen. Es fehlt bisher an einem hinreichenden Vortrag der Klägerin, dass zwischen den Parteien neben der Frage der Dauer der Arbeitszeit, die bereits mit den ersten beiden Anträgen zur Klärung gestellt ist, weitere Streitpunkte bestehen. Es kann jedoch nicht ausgeschlossen werden, dass solche iVm. dem hier nicht abschließend geklärten Klageantrag zu 2. bestehen.
Fundstelle(n):
YAAAE-37828