Instanzenzug:
Gründe
1 Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Mordes in Tateinheit mit Raub mit Todesfolge zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt und seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet.
2 Schuld- und Strafausspruch weisen keine Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf. Die Verfahrensrügen, die sich mit den Anträgen der Verteidigung beschäftigen, das Fehlen einer (weiteren) Röntgenuntersuchung an dem Tatopfer zu beweisen, sind jedenfalls unbegründet. Bei dem Geschehen, das letztlich zum Tod des Geschädigten führte, handelte es sich, wie das Landgericht rechtsfehlerfrei dargelegt hat, um eine im Rahmen des Erwartbaren liegende, aber stets spontan auftretende Komplikation nach Intubierung älterer Patienten. Eine prophylaktische Behandlung ist nicht möglich; eine Röntgendiagnostik könnte den Eintritt der Komplikation weder verhindern noch vorab anzeigen. Der Tod des 89jährigen Geschädigten in der Folge der erforderlichen Operation stellt keine erhebliche Abweichung des tatsächlichen vom vorgestellten Kausalverlauf dar und war dem Angeklagten daher zuzurechnen.
3 Der Maßregelausspruch kann nicht bestehen bleiben. Das Landgericht hat zur Prognose im Sinne von § 64 StGB ausgeführt, die Behandlung sei "nicht völlig aussichtslos", auch der Sachverständige Dr. B. habe darauf hingewiesen, "dass von einer Aussichtslosigkeit nicht gesprochen werden könne".
4 Das ist rechtsfehlerhaft. Bereits im Jahr 1994 hat das Bundesverfassungsgericht die damalige Regelung des § 64 Abs. 1 aF StGB für verfassungswidrig erklärt (BVerfGE 91, 1). In einer großen Vielzahl von Entscheidungen haben danach alle Strafsenate des Bundesgerichtshofs immer wieder Urteile aufgehoben, die auf einer Anwendung des verfassungswidrigen Kriteriums der "Aussichtslosigkeit" beruhten. Bei der ab geltenden Neufassung des § 64 StGB hat der Gesetzgeber auch den Wortlaut des § 64 Satz 2 StGB angepasst und klargestellt, dass es einer "hinreichend konkreten Erfolgsaussicht" bedarf; dies ist mit dem Fehlen von "Aussichtslosigkeit" ersichtlich nicht gleichbedeutend. Wenn Tatgerichte beinahe 20 Jahre nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts und mehr als fünf Jahre nach der Gesetzesänderung immer noch auf das vom Bundesgerichtshof vielfach bemängelte verfassungswidrige Kriterium abstellen, mag das auch darauf beruhen, dass fehlerhafte, ihrerseits uninformierte Sachverständigengutachten kritiklos übernommen werden. Dies zeigt zunächst - jedenfalls hier - eine die Sachkunde in Frage stellende Unkenntnis des Sachverständigen von den normativen Grundlagen seines Gutachtensauftrags. Verantwortlich ist aber in jedem Fall das Gericht, das den Sachverständigen anzuleiten und Fehler seines Gutachtens kritisch zu hinterfragen hat.
5 Vorliegend lässt sich auch aus dem Zusammenhang der Urteilsgründe nicht entnehmen, dass das Landgericht inhaltlich den richtigen Prognosemaßstab angewendet hat. Über die Maßregelanordnung ist daher neu zu entscheiden.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
NJW 2013 S. 6 Nr. 23
EAAAE-35963