BGH Urteil v. - III ZR 417/12

Kleingarten-Pachtvertrag im Beitrittsgebiet: Abgrenzung zwischen Vertragsänderung und Novation; Fortbestehen eines Kleingarten-Pachtvertrags mit dem Rechtsnachfolger eines eingetragenen Verbands der Garten- und Siedlerfreunde

Gesetze: § 581 BGB, § 8 Nr 1 BKleingG, § 20a BKleingG

Instanzenzug: Az: 1 S 26/11vorgehend Az: 33 C 244/10

Tatbestand

1Die Parteien streiten um ein von der Klägerin geltend gemachtes Besitzrecht an einer Kleingartenparzelle.

2Die Beklagten sind seit 1998 (in Gesellschaft bürgerlichen Rechts) Eigentümer eines im Jahre 1986 parzellierten Grundstücks in G.   , auf dem sich, wie im Verhältnis zwischen den Parteien rechtskräftig festgestellt worden ist (Teil- und Schlussurteil des Amtsgerichts P.    vom - 20 C 475/03), Kleingärten im Sinne des Bundeskleingartengesetzes befinden. Die Klägerin nutzt die Parzelle 22 dieses Grundstücks. Für diese Parzelle schloss sie am einen "Kleingarten-Pachtvertrag" mit dem Verband der Garten- und Siedlerfreunde e.V. Kreisvorstand P.     (im Folgenden: VGS), der indes, wie zwischen den Parteien ebenfalls rechtskräftig festgestellt worden ist (Teilurteil des Amtsgerichts P.    vom - 20 C 475/03), für die Beklagten nicht verpflichtend ist. Im September 2010 ließen die Beklagten auf ihrem Grundstück neue Elektroleitungen verlegen und im Zuge dieser Maßnahme auf der von der Klägerin genutzten Parzelle einen Teil des Maschendrahtzauns und der Ligusterhecke entfernen, um an dieser Stelle einen Stromkasten aufzustellen.

3Die Klägerin verlangt von den Beklagten die Entfernung des Stromkastens, die Wiederanpflanzung der Hecke und die Wiederherstellung des Zauns. Sie stützt sich auf ein vertragliches Besitz- und Nutzungsrecht und hat dieses (zuletzt) aus einem "Nutzungsvertrag für Wochenendsiedlergärten in Wochenendsiedlungen des VKSK" mit dem Verband der Kleingärtner, Siedler und Kleintierzüchter, Kreisvorstand P.    (im Folgenden: VKSK) vom hergeleitet. Die Beklagten begehren im Wege der Widerklage die Räumung und Herausgabe der Parzelle. Sie haben die Wirksamkeit des Nutzungsvertrags bestritten und sich hilfsweise auf eine am ausgesprochene fristlose Kündigung dieses Vertrags wegen Zahlungsverzugs der Klägerin berufen.

4Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen und der Widerklage stattgegeben. Das Landgericht hat das Ersturteil auf die Berufung der Klägerin abgeändert, der Klage stattgegeben und die Widerklage abgewiesen. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision erstreben die Beklagten die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

Gründe

5Die Revision ist unbegründet.

I.

6Das Berufungsgericht hat ausgeführt, die Klägerin könne wegen verbotener Eigenmacht der Beklagten die Beseitigung der Besitzstörung verlangen. Ein Räumungs- und Herausgabeanspruch stehe den Beklagten nicht zu, weil die Klägerin aufgrund des Nutzungsvertrags vom in Verbindung mit § 20a BKleingG zum Besitz und zur Nutzung der Kleingartenparzelle berechtigt sei. Nach der Aussage des Zeugen     N.         stehe fest, dass der Nutzungsvertrag vom zwischen der Klägerin und dem VKSK wirksam abgeschlossen worden sei. Soweit die Beklagten die Echtheit dieses Vertrags bestreiten, sei dies "ins Blaue hinein" erfolgt und mithin unbeachtlich. Der Nutzungsvertrag sei gemäß § 20a BKleingG in den Geltungsbereich des Bundeskleingartengesetzes übergeleitet und nicht durch den Pachtvertrag zwischen der Klägerin und dem VGS vom ersetzt worden. Mangels Identität der Vertragsparteien sowie in Anbetracht des Vertragsinhalts liege keine Umgestaltung des alten Schuldverhältnisses durch eine Novation vor. Das sonach bestehende Vertragsverhältnis sei auch nicht durch die fristlose Kündigung der Beklagten beendet worden, da es an einem Zahlungsverzug der Klägerin fehle. Die Klägerin habe die Pachtzinsen über die von ihr Bevollmächtigten -     E.        und den VGS - mit Erfüllungswirkung geleistet. Die Beklagten seien zur Zurückweisung dieser Zahlungen nicht berechtigt gewesen. Die Zuordnung der zusammengefassten Pachtzahlungen zu den einzelnen Pächtern sei den Beklagten offengelegt und für diese erkennbar gewesen. Ihnen sei auch bekannt gewesen, dass die Klägerin über einen "Altvertrag" verfüge.

II.

7Diese Beurteilung hält den Angriffen der Revision stand.

81. Die Würdigung des Berufungsgerichts, der Nutzungsvertrag vom sei wirksam zustande gekommen und durch den Pachtvertrag vom nicht in Wegfall geraten, begegnet keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken.

9a) Gestützt auf die Aussage des Zeugen N.    , des damaligen Sekretärs des Kreisverbands des VKSK, hat das Berufungsgericht die Überzeugung von der Echtheit des vorgelegten Nutzungsvertrags gewonnen.

10Die in diesem Zusammenhang von der Revision erhobene Rüge der Verletzung des § 286 ZPO hat der Senat geprüft und für nicht durchgreifend erachtet. Von einer Begründung wird gemäß § 564 Satz 1 ZPO abgesehen.

11b) Der Nutzungsvertrag vom ist auch nicht im Wege der Schuldumschaffung (Novation) durch den Pachtvertrag vom in Wegfall geraten.

12aa) Zutreffend hat das Berufungsgericht darauf hingewiesen, dass der VGS schon nicht befugt gewesen ist, durch Vereinbarung mit der Klägerin den Nutzungsvertrag vom aufzuheben und durch einen anderen Vertrag zu ersetzen, weil er unstreitig nicht Rechtsnachfolger des VKSK (als bisherige Vertragspartei) ist (vgl. hierzu Senatsurteil vom - III ZR 179/04, NZM 2005, 475 f).

13bb) Unbeschadet dessen lässt die vom Berufungsgericht vorgenommene Auslegung des Pachtvertrags vom als bloße (freilich: mangels Sachbefugnis des VGS fehlgeschlagene) Änderung des Nutzungsvertrags vom (im Sinne einer Anpassung an die Vorschriften des Bundeskleingartengesetzes) einen Rechtsfehler nicht erkennen.

14Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist bei der Abgrenzung zwischen einer Vertragsänderung und einer Novation durch Auslegung zu ermitteln, was die Parteien im Einzelfall gewollt haben. Bei dieser Auslegung ist die anerkannte Auslegungsregel zu beachten, dass bei der Feststellung des Willens der Parteien, das alte Schuldverhältnis aufzuheben und durch ein neu begründetes Rechtsverhältnis zu ersetzen, im Hinblick auf die damit verbundenen einschneidenden Folgen große Vorsicht geboten ist und von einer Novation nur ausnahmsweise ausgegangen werden darf, sofern die Parteien einen solchen Willen unzweifelhaft zum Ausdruck bringen; im Zweifel ist daher nur von einer Vertragsänderung auszugehen (s. zu alldem etwa Senatsurteil vom - III ZR 80/84, NJW 1986, 1490; , NJW 2003, 59; Beschluss vom - VIII ZR 192/09, BeckRS 2010, 19644 Rn. 12; Urteile vom - VI ZR 159/09, BGHZ 187, 156, 165 Rn. 21; vom - XI ZR 367/07, NJW-RR 2011, 403, 405 Rn. 28 und vom - VIII ZR 50/12, BeckRS 2013, 00692 Rn. 20).

15Diese Maßgaben hat das Berufungsgericht beachtet und seiner Auslegung zu Grunde gelegt. Einen Rechtsfehler zeigt die Revision insoweit nicht auf. Sie möchte lediglich - in revisionsrechtlich unzulässiger Weise - ihre eigene Auslegung an die Stelle der Auslegung des Berufungsgerichts setzen.

162. Nicht zu beanstanden ist schließlich auch die Auffassung des Berufungsgerichts, dass der Nutzungsvertrag nicht wirksam gemäß § 8 Nr. 1 BKleingG gekündigt worden sei, weil kein Zahlungsverzug der Klägerin vorgelegen habe.

17Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts, welche die Revision als solche nicht in Zweifel zieht, hat die Klägerin die Pachtzinszahlungen über Bevollmächtigte, nämlich     E.          und den VGS, im Rahmen von Sammelüberweisungen - gemeinsam mit anderen Nutzern der Kleingartenanlage - an die Beklagten geleistet.

18Entgegen der Ansicht der Revision waren die Beklagten nicht zur Zurückweisung dieser Zahlungen berechtigt. Für die Beklagten war ohne weiteres erkennbar, dass es sich bei diesen Zahlungen um Entgelte für die Nutzung der Kleingartenparzelle(n) handelte. Ihnen war zuvor mitgeteilt worden, dass der VGS bei der Vornahme der Überweisungen als (Unter-)Bevollmächtigter der Kleingartennutzer, insbesondere auch der Klägerin, handelte und welche Zahlungsanteile auf die einzelnen Pächter entfielen. Zudem war den Beklagten seit dem Jahre 2003 bekannt, dass die Klägerin ihr Besitz- und Nutzungsrecht an dem Kleingarten - auch - auf einen "Altvertrag", nämlich den Nutzungsvertrag mit dem VKSK vom , stützte.

19Das Berufungsgericht ist daher zu Recht zu dem Schluss gekommen, dass die Pachtzinsforderungen der Beklagten gegen die Klägerin mit Gutschrift der Überweisungen auf dem Konto der Beklagten durch Erfüllung erloschen sind (vgl. dazu , NJW 1999, 210 mwN).

20Im Übrigen wäre die Klägerin auch dann nicht in Schuldnerverzug gekommen, wenn die Erfüllungswirkung infolge der Rücküberweisung der Pachtzinszahlungen - mangels Annahme der Zahlungen durch die Beklagten - gehindert worden sein sollte. Denn durch die Ablehnung der angebotenen Zahlungen wären die Beklagten ihrerseits in Annahmeverzug geraten (§§ 293, 294 BGB), der einen Schuldnerverzug entfallen lässt (vgl. , NJW 2007, 2761, 2762 Rn. 7 und vom - IX ZR 34/11, BeckRS 2012, 07964 Rn. 7).

213. Mangels wirksamer Kündigung besteht zwischen den Parteien nach wie vor ein Kleingartennutzungsverhältnis. Dies bedeutet nicht nur, dass den Beklagten kein Anspruch auf Räumung und Herausgabe der Parzelle zusteht (Widerklage), sondern zugleich, dass die eigenmächtige Beseitigung eines Teils der Ligusterhecke und des vorhandenen Maschendrahtzauns eine schuldhafte Vertragspflichtverletzung (§ 280 Abs. 1 BGB) darstellte. Es kann deshalb dahinstehen, ob es insoweit (Wiederherstellung des vorherigen Zustands) – wie das Berufungsgericht gemeint hat - (noch) um die Beseitigung einer (Besitz-)Störung oder aber um Schadensersatz geht.

Schlick                         Hucke                          Seiters

               Tombrink                     Remmert

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:


Fundstelle(n):
SAAAE-33167