Keine Altersdiskriminierung durch Differenzierung nach Beschäftigungszeit bei Anrechnung von allgemeinen Entgelterhöhungen auf persönliche Zulage nach § 6 TV UmBw
Gesetze: § 1 TVG, § 3 Abs 2 AGG, § 10 AGG, § 2 Abs 1 Nr 2 AGG
Instanzenzug: ArbG Siegburg Az: 1 Ca 919/09 Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht Köln Az: 2 Sa 1246/10 Urteil
Tatbestand
1Die Parteien streiten über die Höhe einer der Klägerin auf der Grundlage des Tarifvertrags über sozialverträgliche Begleitmaßnahmen im Zusammenhang mit der Umgestaltung der Bundeswehr vom (TV UmBw) gezahlten persönlichen Zulage zur Einkommenssicherung.
2Die 1964 geborene Klägerin ist seit dem bei der Beklagten beschäftigt. Arbeitsvertraglich war die Geltung des Manteltarifvertrags für Arbeiterinnen und Arbeiter des Bundes und der Länder (MTArb) vom und der diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträge in der jeweils gültigen Fassung vereinbart. Zum wurde die Klägerin in den TVöD übergeleitet. Sie wurde wie zuvor nach dem Leistungslohnverfahren auf der Grundlage der Gedingerichtlinien vom vergütet.
3Die Klägerin war seit ihrer Einstellung im damaligen Gerätehauptdepot K beschäftigt. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts wurde dieses Depot im Jahr 2007 zum Materiallager K umgegliedert. Der Klägerin wurden Aufgaben der Nachschubhelferin D/Gabelstaplerfahrerin C übertragen. Dadurch änderte sich ihre Tätigkeit „grundsätzlich“ nicht.
4Am stellte die Beklagte im Einvernehmen mit ver.di den Wegfall der Voraussetzungen für die Weiterführung des Leistungslohnverfahrens im Materiallager K fest. Die Umgliederung von einem Gerätehauptdepot zu einem Materiallager habe zu einem verminderten Arbeitsaufkommen geführt. Sie ordnete die Einstellung des Leistungslohnverfahrens mit Ablauf des an. Gemäß Erlass des Bundesministeriums der Verteidigung vom (18-20-12/03) war dies eine Maßnahme iSd. § 1 Abs. 1 TV UmBw. Seit dem bezieht die Klägerin keinen Leistungslohn mehr. Sie erhält seitdem eine Lohnsicherung nach § 6 TV UmBw. Die persönliche Zulage betrug zunächst 265,44 Euro brutto.
Die maßgeblichen Bestimmungen des TV UmBw idF des Änderungstarifvertrags Nr. 2 vom lauten:
6Der TV UmBw ist durch Änderungstarifvertrag Nr. 3 vom mit Wirkung zum geändert worden. Die Änderungen haben für den vorliegenden Rechtsstreit keine Bedeutung.
7Aufgrund der Erhöhung des tariflichen Entgelts um 2,8 % zum kürzte die Beklagte zum die persönliche Zulage der Klägerin unter Anwendung der Regelung in § 6 Abs. 3 Satz 2 Buchst. b TV UmBw um 37,14 Euro auf 235,73 Euro brutto monatlich. Mit ihrer am eingegangenen Klage begehrt die Klägerin - soweit für die Revision noch von Bedeutung - die Weiterzahlung einer ungekürzten persönlichen Zulage.
8Die Klägerin hat angeführt, § 6 Abs. 3 TV UmBw enthalte eine unmittelbare und mittelbare Diskriminierung wegen des Alters. Diese Regelung sei eine reine Besitzstandswahrung zu Lasten jüngerer Beschäftigter. Dies diskriminiere jüngere Beschäftigte wie die Klägerin.
Die Klägerin hat zuletzt beantragt
10Die Beklagte hat geltend gemacht, der TV UmBw finde Anwendung. Ein Wegfall des Arbeitsplatzes iSd. § 1 TV UmBw liege bereits dann vor, wenn ein Wechsel in der Beschäftigung erfolge, der einen niedrigeren Lohn zur Folge habe, auch wenn die wesentliche Tätigkeit des Beschäftigten und der Arbeitsort unverändert bleibe. Die Regelung zur Einkommenssicherung in § 6 Abs. 3 TV UmBw sei nicht altersdiskriminierend. Nicht das Alter der Klägerin, sondern der Umstand, dass sie ihr Arbeitsverhältnis mit der Beklagten erst im Jahr 2001 begründet habe, führe zu ihrem Ausschluss aus dem von § 6 Abs. 3 TV UmBw besser geschützten Personenkreis. Die Ungleichbehandlung aufgrund der Betriebszugehörigkeit sei durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt. Insoweit hat die Beklagte ua. angeführt, die tarifliche Regelung solle die besondere Betriebstreue von langjährigen (15 Jahre) bzw. sehr langjährigen (25 Jahre) Beschäftigten honorieren. Auch falle es jüngeren Beschäftigten aufgrund ihrer höheren Leistungsfähigkeit leichter, im Rahmen der leistungsorientierten Bezahlung nach § 18 TVöD ein höheres Leistungsentgelt zu erreichen. § 6 Abs. 3 TV UmBw diene daher auch dem Ausgleich der altersbedingten Minderung der Leistungsfähigkeit. Schließlich könnten Beschäftigte, die das 55. Lebensjahr vollendet hätten und/oder eine entsprechende Beschäftigungszeit aufwiesen, Bestands- und Vertrauensschutz für sich in Anspruch nehmen.
11Finde der TV UmBw keine Anwendung, gelte der Grundsatz des Normvollzuges. Dann stünde der Klägerin keine Einkommenssicherung aus § 6 TV UmBw zu. Vielmehr sei sie verpflichtet, bis zur Verfallgrenze die an sie dann zu Unrecht gezahlte Einkommenssicherung zurückzuzahlen.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben, das Landesarbeitsgericht hat sie auf die Berufung der Beklagten abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Klageziel weiter.
Gründe
13Die Revision ist unbegründet. Die Anrechnungsregelungen in § 6 Abs. 3 Satz 2 Buchst. b und Satz 4 Buchst. b TV UmBw verletzen das Verbot der Altersdiskriminierung nicht. Soweit die Regelung in § 6 Abs. 3 Satz 2 Buchst. a iVm. Satz 4 Buchst. a TV UmBw zu einer unmittelbaren Diskriminierung wegen des Alters von Beschäftigten führt, die jünger als 55 Jahre sind und eine Betriebszugehörigkeit von mindestens 15, aber weniger als 25 Jahren aufweisen, ist die Klägerin von dieser diskriminierenden Regelung nicht betroffen. Das hat das Landesarbeitsgericht zutreffend erkannt.
14I. Der Feststellungsantrag zu 1. ist dahin auszulegen, dass die Klägerin Feststellung erst für die Zeit ab dem begehrt, dh. für den Zeitraum, der von dem Leistungsantrag zu 2. nicht mehr umfasst ist.
15II. Es kann dahinstehen, ob der TV UmBw unmittelbar Anwendung findet oder von der Beklagten lediglich übertariflich angewandt worden ist. Das Landesarbeitsgericht hat nicht geprüft, ob ein Anwendungsfall des TV UmBw vorliegt. Es ist allerdings stillschweigend von der unmittelbaren Anwendbarkeit des TV UmBw ausgegangen. Auf die (unmittelbare) Anwendbarkeit des TV UmBw kommt es jedoch nicht an (zu den Voraussetzungen des Wegfalls eines Arbeitsplatzes iSd. § 1 Abs. 1 TV UmBw - und - 6 AZR 298/03 -). Die Beklagte hat jedenfalls durch den Erlass vom die durch diese Maßnahme betroffenen 19 Beschäftigten einheitlich nach den Maßstäben des TV UmBw behandelt. Dies eröffnet ebenso wie eine unmittelbare Geltung des TV UmBw eine Überprüfung darauf, ob die tarifliche Anrechnungsregelung in § 6 Abs. 3 Satz 2 und Satz 4 TV UmBw zu einer Altersdiskriminierung führt. Darum kann dahinstehen, ob die Feststellung im Tatbestand des Berufungsurteils, die Arbeitstätigkeit der Klägerin habe sich durch die Umgliederung „grundsätzlich“ nicht geändert, die die Beklagte weder mit Gegenrügen noch mit einem Tatbestandsberichtigungsantrag angegriffen hat, zu einer Bindung des Senats gemäß § 559 Abs. 2 ZPO führt.
161. Der Prüfungsmaßstab, nach dem zu ermitteln ist, ob § 6 Abs. 3 TV UmBw altersdiskriminierend ist, hängt nicht davon ab, ob der TV UmBw auf die Einstellung des Leistungslohns im Materiallager K unmittelbar zur Anwendung gelangt oder von der Beklagten, sei es bewusst, sei es unbewusst, lediglich übertariflich auf diese Maßnahme angewandt wird.
17a) Ist der TV UmBw unmittelbar anwendbar, ist die tarifliche Norm am Maßstab des Art. 3 GG sowie des AGG zu messen (zu Letzterem vgl. - Rn. 13, AP BAT § 27 Nr. 12 = EzA EG- Vertrag 1999 Richtlinie 2000/78 Nr. 25; vgl. zur Bindung der Tarifvertragsparteien an das Verbot der Altersdiskriminierung - [Hennigs] Rn. 62 - 68, AP Richtlinie 2000/78/EG Nr. 22 = EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 2000/78 Nr. 21).
18b) Hat die Beklagte den TV UmBw bewusst übertariflich angewandt, hat sie das von ihr und ver.di ausgehandelte Regelwerk für den durch den Erlass vom erfassten Personenkreis zu ihrem eigenen, selbst gesetzten Ordnungsgefüge gemacht und muss dieses am Maßstab des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes messen lassen. Dieser wird ungeachtet seiner umstrittenen dogmatischen Herleitung inhaltlich durch den Gleichheitssatz bestimmt. Er verbietet damit die sachlich ungerechtfertigte Schlechterstellung einzelner Arbeitnehmer gegenüber anderen Arbeitnehmern in vergleichbarer Lage sowie die sachfremde Gruppenbildung (vgl. - Rn. 29, AP BGB § 620 Aufhebungsvertrag Nr. 41 = EzA BGB 2002 § 623 Nr. 10; - 1 AZR 147/98 - zu III 1 b bb der Gründe, AP BGB § 242 Gleichbehandlung Nr. 162 = EzA BGB § 242 Gleichbehandlung Nr. 79). Auch Art. 3 Abs. 1 GG untersagt ungerechtfertigte Ungleichbehandlungen wegen des Alters (vgl. - zu C II der Gründe, BVerfGE 103, 172; vgl. auch Adomeit/Mohr AGG 2. Aufl. § 1 Rn. 151). Auch mittelbare Diskriminierungen werden dabei von Art. 3 Abs. 1 GG und deshalb auch durch den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz verboten. Eine solche Berücksichtigung der mittelbaren Diskriminierung im Rahmen des Gleichbehandlungsgebots entspricht der Rechtsentwicklung im Europarecht (vgl. für Art. 3 Abs. 2 GG - Rn. 65, BVerfGE 126, 29; für Art. 3 Abs. 3 GG - Rn. 48 f., BVerfGE 121, 241; - 1 BvR 496/87 - zu II 2 b aa der Gründe, AP EWG-Vertrag Art. 119 Nr. 32 unter Übertragung der Ausführungen - zu B III 2 der Gründe, BVerfGE 8, 51 zum Gleichheitssatz bei der Parteienfinanzierung auf die mittelbare Geschlechtsdiskriminierung; vgl. dazu auch Hanau/Preis ZfA 1988, 177, 185).
19c) Auch wenn die Beklagte den TV UmBw unbewusst übertariflich auf einen tatsächlich nicht von ihm erfassten Fall angewandt hätte, müsste sie ihre Handhabung am AGG messen lassen. Zwar macht sie im Ausgangspunkt rechtlich zutreffend geltend, dass bei vermeintlichem Normvollzug der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz nicht eingreift (vgl. - Rn. 23, NZA 2011, 1426; - 4 AZR 928/08 - Rn. 56, NZA-RR 2011, 45). Dies führt jedoch nicht dazu, wie die Beklagte anzunehmen scheint, dass bei vermeintlichem Normvollzug die Gerichte eine altersdiskriminierende Handhabung des Arbeitgebers nicht unterbinden könnten. Auch in diesem Fall wären unmittelbare oder mittelbare Diskriminierungen wegen des Alters bei den Entgeltbedingungen unwirksam, §§ 1, 2 Abs. 1 Nr. 2, § 6 Abs. 2, § 7 Abs. 2 AGG. Es stellte sich lediglich die Frage, ob in einem solchen Fall der unbewusst übertariflichen Anwendung eines Tarifvertrags die Unwirksamkeit der Norm die von der Klägerin angenommene Rechtsfolge einer uneingeschränkt dynamisierten Einkommenssicherung hätte oder ob dann gar keine Einkommenssicherung erfolgte, wie die Beklagte annimmt. Diese Frage kann der Senat offenlassen, weil die tarifliche Regelung in § 6 Abs. 3 Satz 2 Buchst. b TV UmBw, die allein für die Klägerin Wirkung entfaltet, nicht altersdiskriminierend und damit wirksam ist.
202. Die Anträge der Klägerin erfassen auch eine etwaige (bewusste oder unbewusste) übertarifliche Anwendung des TV UmBw. Das gilt auch für die Feststellungsklage, die bei der gebotenen Auslegung nicht nur auf die Feststellung eines anrechnungsfesten Anspruchs nach § 6 TV UmBw selbst zielt. Deshalb kann auch unter diesem Gesichtspunkt dahinstehen, ob der TV UmBw unmittelbar oder nur aufgrund übertariflicher Anwendung durch die Beklagte Anwendung findet.
21a) Die Klägerin nimmt im Feststellungsantrag zwar § 6 TV UmBw ausdrücklich in Bezug. Sie macht jedoch geltend, die von der Beklagten auf sie angewandte Anrechnungsregelung sei altersdiskriminierend. Ausgehend von diesem Rechtsstandpunkt will die Klägerin festgestellt wissen, dass auf sie die Anrechnungsregelung des § 6 Abs. 3 TV UmBw unabhängig von der Rechtsgrundlage, auf der diese Anwendung beruht, nicht anzuwenden ist.
22b) Diese Auslegung steht im Einklang mit § 308 ZPO. Dadurch ändert sich der Streitgegenstand nicht.
23aa) Allerdings hat das Bundesarbeitsgericht angenommen, es lägen zwei Streitgegenstände vor, wenn eine Eingruppierungsklage zum einen auf die Erfüllung der tariflichen Voraussetzungen und zum anderen auf eine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes durch den Arbeitgeber gestützt wird ( - Rn. 18, AP ZPO § 551 Nr. 63 = EzA ZPO 2002 § 551 Nr. 2; - 5 AZR 400/00 - zu I 1 der Gründe, AP ZPO § 322 Nr. 34 = EzBAT BAT §§ 22, 23 M. Lehrer Nr. 100). Dem hat sich der Senat angeschlossen und ausgeführt, es handele sich um zwei selbstständige Streitgegenstände, wenn der Anspruch auf eine Zulage zum einen auf §§ 6, 7 TV UmBw und zum anderen auf eine einzelvertragliche Zusage gestützt werde. Die zusammentreffenden Ansprüche seien erkennbar unterschiedlich ausgestaltet und erforderten unterschiedlichen Tatsachenvortrag zum jeweiligen Lebenssachverhalt ( - Rn. 15, BAGE 120, 239).
24bb) Von diesen Fällen unterscheidet sich die vorliegende Konstellation jedoch. Die Klägerin hält bereits die tarifliche Regelung für altersdiskriminierend und will die im TV UmBw vorgesehene Anrechnung von Tariflohnerhöhungen auf die persönliche Zulage auf sich nicht zur Anwendung kommen lassen. Ob sich dies aus einer Unwirksamkeit der Tarifnorm selbst oder aus einer diskriminierenden übertariflichen Anwendungspraxis der Beklagten ergibt, spielt für dieses Begehren keine Rolle und erfordert keinen unterschiedlichen Tatsachenvortrag. Es liegt lediglich eine Anspruchskonkurrenz vor.
25III. Die Anrechnungsregelung in § 6 Abs. 3 Satz 2 Buchst. a iVm. Satz 4 Buchst. a TV UmBw führt wohl zu einer unmittelbaren Diskriminierung jüngerer Beschäftigter, soweit sie Beschäftigte mit einer Betriebszugehörigkeit von mindestens 15, aber weniger als 25 Jahren wegen der Vollendung des 55. Lebensjahres begünstigt. Zu diesem Personenkreis gehört die Klägerin jedoch nicht. Hinsichtlich der Differenzierung nach der Betriebszugehörigkeit in § 6 Abs. 3 Satz 2 Buchst. b und Satz 4 Buchst. b TV UmBw, von der die Klägerin erfasst wird, fehlt es bereits an den tatbestandlichen Voraussetzungen einer mittelbaren Altersdiskriminierung.
261. Gemäß § 6 Abs. 3 Satz 1 TV UmBw wird die nach § 6 Abs. 1 Satz 1 TV UmBw zu zahlende persönliche Zulage dynamisiert. Nach Ablauf der in § 6 Abs. 3 Satz 2 TV UmBw genannten Frist wird diese Zulage jedoch in Abhängigkeit von Beschäftigungszeit und Lebensalter abgebaut. Sofern nicht der Anrechnungsschutz in § 6 Abs. 3 Satz 4 TV UmBw eingreift, wird in den meisten Fällen die Einkommenssicherung durch Anrechnung von Tariflohnerhöhungen vollständig abgeschmolzen (Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese BAT Stand Juni 2006 Teil VI - Begleitmaßnahmen Umgestaltung Bundeswehr Erl. 8.1 Bl. 374.103). Nach § 6 Abs. 3 Satz 2 TV UmBw verringert sich nämlich die Zulage bei jeder „allgemeinen Entgelterhöhung“ um den in Buchst. a und Buchst. b in dieser Vorschrift genannten Teil „des Erhöhungsbetrages“. Anknüpfungspunkt für die Anrechnung ist also schon aufgrund des Wortlauts der Bestimmung der sich aus der allgemeinen Entgelterhöhung ergebende Steigerungsbetrag und nicht der Betrag, um den isoliert betrachtet die Zulage aufgrund der in § 6 Abs. 3 Satz 1 TV UmBw angeordneten Dynamisierung steigt (zutreffend - und - 2 Sa 22/11 -; vgl. ver.di TV UmBw vom Tarifvertragstext und Erläuterungen zu § 6 Abs. 3; Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese aaO Bl. 374.104). Anderenfalls hätte es am Ende des Satzes 2 heißen müssen „des Erhöhungsbetrages nach Satz 1“ bzw. „des Erhöhungsbetrages der persönlichen Zulage“.
27Aus der Entscheidung des Senats vom (- 6 AZR 33/08 - ZTR 2009, 325), insbesondere den Ausführungen in Rn. 25 dieser Entscheidung, folgt nichts anderes. In dem dieser Entscheidung zugrunde liegenden Rechtsstreit war ausschließlich die Höhe der persönlichen Zulage nach § 6 TV UmBw nach der Korrektur einer zunächst unzutreffenden Überleitung des Klägers in den TVöD streitbefangen. Um die Berechnung des Abschmelzungsbetrages nach § 6 Abs. 3 Satz 2 TV UmBw haben die Parteien nicht gestritten, der Senat ist der insoweit unstreitigen Berechnungsweise der Vorinstanzen gefolgt. Aus den Ausführungen in dieser Entscheidung lässt sich deshalb für die Frage, wie die Zulage nach allgemeinen Tariflohnerhöhungen zu verringern ist, nichts entnehmen.
2. Bei dieser Anrechnung von Einkommenserhöhungen auf die persönliche Zulage differenziert die Anrechnungsregelung in § 6 Abs. 3 Satz 2 und Satz 4 Buchst. a und Buchst. b TV UmBw hinsichtlich Alter und Betriebszugehörigkeit:
293. Diese unterschiedliche Anrechnung führt wohl zu einer unmittelbaren Diskriminierung jüngerer gegenüber älteren Beschäftigten wegen des Alters, soweit sie nach der Vollendung des 55. Lebensjahres differenziert.
30a) Eine solche Differenzierung erfolgt nur bei Beschäftigten mit einer Beschäftigungszeit von mindestens 15 Jahren, aber weniger als 25 Jahren. Bei identischer Beschäftigungszeit kommt es bei diesem Personenkreis abhängig vom Lebensalter zu Unterschieden in der Einkommenssicherung. So erfolgt bei einem 56-jährigen Beschäftigten mit einer 20-jährigen Beschäftigungszeit keine Anrechnung, seine persönliche Zulage wird uneingeschränkt dynamisiert. Dagegen wird bei einem 44-jährigen Beschäftigten mit einer ebenfalls 20-jährigen Beschäftigungszeit der allgemeine Erhöhungsbetrag zu einem Drittel angerechnet und die persönliche Zulage entsprechend abgebaut. Bei diesem Personenkreis der Beschäftigten mit einer Beschäftigungszeit zwischen 15 und 25 Jahren werden damit jüngere gegenüber älteren Beschäftigten zurückgesetzt und damit benachteiligt.
31b) Ein legitimes Ziel iSd. § 10 AGG, das eine derartige Benachteiligung rechtfertigen könnte, ist nicht ersichtlich. Dabei müsste es sich um ein sozialpolitisches Ziel, zB aus den Bereichen Beschäftigungspolitik, Arbeitsmarkt oder berufliche Bildung, handeln (vgl. - Rn. 19, EzA AGG § 10 Nr. 5; - 7 AZR 112/08 - Rn. 41, EzA BGB 2002 § 620 Altersgrenze Nr. 13; vgl. für Art. 6 der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf - [Prigge] Rn. 81, AP Richtlinie 2000/78/EG Nr. 23 = EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 2000/78 Nr. 22).
32aa) Als Rechtfertigungsgrund kommt der von der Beklagten genannte Ausgleich eines angeblichen höheren finanziellen Bedarfs älterer Arbeitnehmer von vornherein nicht in Betracht, weil es sich dabei nicht um ein sozialpolitisches Ziel handelt. Zudem fehlt es an jeglicher nachvollziehbaren Korrelation von Alter und finanziellem Bedarf (vgl. bereits - [Hennigs] Rn. 70, AP Richtlinie 2000/78/EG Nr. 22 = EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 2000/78 Nr. 21).
33bb) Zwar ist das Ziel der Honorierung der von einem Arbeitnehmer erworbenen Berufserfahrung, die es diesem ermöglicht, seine Arbeit besser zu verrichten, in der Regel ein legitimes Ziel der Entgeltpolitik (vgl. - [Hennigs] Rn. 72, AP Richtlinie 2000/78/EG Nr. 22 = EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 2000/78 Nr. 21). Für eine gerade nach dem 55. Lebensjahr typischerweise vorliegende besondere Berufserfahrung gibt es jedoch keinerlei Anhaltspunkte.
34cc) Der Ausgleich schlechterer Chancen älterer Arbeitnehmer auf dem Arbeitsmarkt kann ein legitimes, sozialpolitisches Ziel iSd. § 10 AGG sein ( - Rn. 53 ff., EzA KSchG § 1 Soziale Auswahl Nr. 84; - 1 AZR 743/09 - Rn. 14 ff., BAGE 137, 310). Ob ein an sich legitimes Ziel tatsächlich eine Benachteiligung wegen des Alters rechtfertigt, kann jedoch nicht ohne Berücksichtigung des Regelungszusammenhangs, in dem die fragliche Bestimmung steht, geprüft werden. Nur so lässt sich beurteilen, ob das zur Erreichung dieses Ziels eingesetzte Mittel geeignet und erforderlich zur Erreichung dieses Ziels und damit verhältnismäßig ist.
35§ 6 TV UmBw bezweckt nicht den Schutz des Beschäftigten vor dem Verlust seines Arbeitsplatzes und will nicht schlechtere Chancen Älterer auf dem Arbeitsmarkt ausgleichen. Durch § 6 TV UmBw soll vielmehr jedenfalls vorübergehend der Einkommensverlust ausgeglichen werden, der dadurch eintritt, dass ein Beschäftigter durch die Umstrukturierung der Bundeswehr zwar seinen konkreten Arbeitsplatz verloren hat, für ihn aber im Bereich der Bundeswehr eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit besteht. Der von einem solchen Einkommensverlust Betroffene ist nicht gehindert, sich auf dem freien Arbeitsmarkt einen neuen, ihn besser vergütenden Arbeitgeber zu suchen. Vor einer solchen Arbeitsplatzsuche will ihn aber § 6 TV UmBw nicht schützen.
36dd) Ob auch der von der Beklagten erstinstanzlich angeführte Ausgleich alterungsbedingter Minderungen der Leistungsfähigkeit durch eine Verdienstsicherungsklausel ein legitimes Ziel iSv. § 10 AGG darstellen kann, kann dahinstehen (bejahend Linsenmaier RdA 2003, Sonderbeil. zu Heft 5, 22, 29; Adomeit/Mohr AGG 2. Aufl. § 10 Rn. 98; Bauer/Göpfert/Krieger AGG 3. Aufl. § 5 Rn. 18; zweifelnd und differenzierend Glajcar Altersdiskriminierung durch tarifliche Vergütung 158 ff., der Verdienstsicherungsklauseln nur für zulässig hält, wenn es sich um Tätigkeiten handelt, bei denen ein höheres Alter nachweisbar zu geringerer Produktivität führt, und darüber hinaus verlangt, dass die Verdienstsicherungsregelung die Beschäftigten positiv und negativ an den Änderungen der alten Tarifgruppe teilhaben lässt). Die Beklagte hat sich insoweit darauf berufen, dass es jüngeren Beschäftigten aufgrund ihrer höheren Leistungsfähigkeit leichter falle, im Rahmen der leistungsorientierten Bezahlung nach § 18 TVöD ein höheres Leistungsentgelt zu erreichen. Sie hat jedoch nicht vorgetragen, dass bei der Bundeswehr in größerem Umfang die zur Ausgestaltung des § 18 TVöD und des Tarifvertrags über das Leistungsentgelt für die Beschäftigten des Bundes (LeistungsTV-Bund) vom erforderlichen Dienst- bzw. Betriebsvereinbarungen geschlossen worden sind und damit überhaupt ein differenziertes Leistungsentgelt gezahlt wird. Zudem steht dieser Vortrag in einem von der Beklagten nicht aufgelösten Widerspruch zu ihrer Behauptung, ältere Beschäftigte hätten eine größere Berufserfahrung und würden deshalb eine bessere Arbeitsqualität erbringen.
37c) Zu dem durch § 6 Abs. 3 Satz 2 Buchst. a iVm. Satz 4 Buchst. a TV UmBw diskriminierten Personenkreis gehört die Klägerin jedoch nicht. Zwar lässt sich dieser Regelung nicht der Wille der Tarifvertragsparteien entnehmen, dass die für die Einkommenssicherung nach diesen Bestimmungen maßgeblichen Parameter Beschäftigungszeit und Lebensalter im Sinne einer Stichtagsregelung bereits bei Beginn der Einkommenssicherung erfüllt sein müssen. Vielmehr kann der Beschäftigte während der Dauer der Einkommenssicherung, sofern noch ein zu sichernder Betrag vorhanden ist, in die begünstigenden Regelungen des § 6 Abs. 3 Satz 2 Buchst. a und Satz 4 Buchst. a und Buchst. b TV UmBw hineinwachsen. Die seit dem beschäftigte Klägerin wies jedoch weder bei Beginn der Einkommenssicherung am noch im Zeitpunkt des Schlusses der letzten mündlichen Verhandlung am eine Beschäftigungszeit von mindestens 15 Jahren auf.
384. Soweit § 6 Abs. 3 Satz 2 Buchst. b und Satz 4 Buchst. b TV UmBw bei der Anrechnung von allgemeinen Erhöhungen nach der Beschäftigungszeit differenzieren, führt dies nicht zu einer mittelbaren Diskriminierung wegen des Alters, weil die dadurch erfolgende mittelbare Begünstigung älterer Beschäftigter gerechtfertigt ist. Diese tarifliche Regelung belohnt die Betriebstreue langjährig Beschäftigter.
39a) Die Regelungen in § 6 Abs. 3 Satz 2 Buchst. b und Satz 4 Buchst. b TV UmBw knüpfen nicht unmittelbar an das Lebensalter, sondern an die Betriebszugehörigkeit an. Bis zu einer Beschäftigungszeit von 15 Jahren erfolgt eine Anrechnung von zwei Dritteln des allgemeinen Erhöhungsbetrages, ab einer Beschäftigungszeit von mindestens 25 Jahren unterbleibt die Anrechnung völlig. In beiden Fällen kommt es nach der tariflichen Regelung auf das Lebensalter nicht ausdrücklich an. Bei einem 44-jährigen Beschäftigten mit einer Beschäftigungszeit von 25 Jahren erfolgt keine Anrechnung der Erhöhung, bei einem 60-jährigen Beschäftigten mit einer 14-jährigen Beschäftigungszeit werden dagegen zwei Drittel des Erhöhungsbetrages angerechnet. Zu dem von § 6 Abs. 3 Satz 2 Buchst. b TV UmBw erfassten Personenkreis gehört die Klägerin, die auch im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung am noch keine Beschäftigungszeit von mindestens 15 Jahren aufwies.
40b) Die Anrechnungsregelungen in § 6 Abs. 3 Satz 2 Buchst. b und Satz 4 Buchst. b TV UmBw sind damit dem Anschein nach hinsichtlich des Merkmals „Alter“ neutral. Die Differenzierung nach der Betriebszugehörigkeit führt jedoch regelmäßig zu einer mittelbaren Benachteiligung jüngerer Arbeitnehmer. Arbeitnehmer mit längerer Betriebszugehörigkeit sind jedenfalls typischerweise älter als Arbeitnehmer mit kürzerer Betriebszugehörigkeit. Zwar können auch ältere Arbeitnehmer eine nur kurze Betriebszugehörigkeit haben, wie das soeben gebildete Beispiel zeigt. Eine lange Betriebszugehörigkeit können aber Arbeitnehmer in jungen Jahren noch nicht erlangt haben. Auch der Gesetzgeber geht davon aus, dass Differenzierungen nach der Betriebszugehörigkeit zu einer unterschiedlichen Behandlung wegen des Alters führen können. Andernfalls wäre es nicht erforderlich, in § 10 Satz 3 Nr. 6 AGG eine derartige Differenzierung als „unterschiedliche Behandlung wegen des Alters“ ausdrücklich zu gestatten (vgl. - Rn. 29 f., BAGE 131, 61; vgl. auch - 2 AZR 42/10 - Rn. 58, EzA KSchG § 1 Soziale Auswahl Nr. 84).
41Angesichts dieser offenkundigen mittelbaren Ungleichbehandlung jüngerer Beschäftigter durch das Abstellen auf die Beschäftigungszeit und damit Betriebszugehörigkeit in § 6 Abs. 3 Satz 2 TV UmBw kommt es nicht darauf an, dass die Klägerin zum Nachweis einer mittelbaren Altersdiskriminierung nichts vorgetragen hat (zu den entsprechenden Anforderungen - Rn. 20 f., BAGE 134, 160).
42c) Eine mittelbare Ungleichbehandlung wegen eines verpönten Merkmals kann gemäß § 3 Abs. 2 Halbs. 2 AGG durch ein legitimes Ziel und die Wahl von verhältnismäßigen Mitteln zu seiner Durchsetzung gerechtfertigt werden. Rechtmäßige Ziele iSd. § 3 Abs. 2 AGG können alle nicht ihrerseits diskriminierenden und auch sonst legalen Ziele sein. Es muss sich also nicht wie bei der Rechtfertigung einer unmittelbaren Benachteiligung wegen des Alters gemäß § 10 AGG bzw. Art. 6 RL 2000/78/EG um sozialpolitische Ziele handeln. Die differenzierende Maßnahme muss allerdings zur Erreichung des legitimen Ziels geeignet und erforderlich sein und einen im Verhältnis zur Bedeutung des Ziels noch angemessenen Eingriff in die Rechte des Benachteiligten darstellen ( - Rn. 27, AP BGB § 626 Nr. 237 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 38; - 2 AZR 764/08 - Rn. 19, BAGE 133, 141; - 1 ABR 47/08 - Rn. 30 f., BAGE 131, 342; vgl. für eine Rechtfertigung einer mittelbaren Geschlechtsdiskriminierung - [Jenkins] Rn. 12, Slg. 1981, 911). In einem solchen Fall führt die Ungleichbehandlung zu keiner mittelbaren Diskriminierung (vgl. für Art. 2 RL 2000/78/EG - [Age Concern England] Rn. 59, Slg. 2009, I-1569 und - Rn. 26, aaO; vgl. für § 3 Abs. 2 AGG - Rn. 30, aaO).
43d) Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. Die Tarifvertragsparteien differenzieren mit den Regelungen in § 6 Abs. 3 Satz 2 Buchst. b und Satz 4 Buchst. b TV UmBw nach der Beschäftigungsdauer und honorieren damit eine längere Betriebstreue (vgl. zu diesem Zweck des Abstellens auf die Betriebszugehörigkeit - Rn. 58, EzA KSchG § 1 Soziale Auswahl Nr. 84). Beschäftigte mit längerer Betriebstreue können in besonderem Maße darauf vertrauen, dass ihr durch § 6 TV UmBw gesicherter Besitzstand erhalten bleibt. Darüber hinaus fällt es Beschäftigten mit längerer Betriebszugehörigkeit und damit typischerweise höherem Lebensalter erfahrungsgemäß schwerer, den erreichten Besitzstand auf andere Weise, insbesondere durch einen Arbeitsplatzwechsel innerhalb der Bundeswehr, aber auch zu einem privaten Arbeitgeber, zu sichern. Ältere Arbeitnehmer sind insoweit häufig weniger flexibel als jüngere Arbeitnehmer (vgl. - Rn. 56, aaO).
C. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
Fundstelle(n):
BB 2013 S. 500 Nr. 9
DB 2013 S. 588 Nr. 11
OAAAE-30452