BGH Urteil v. - VII ZR 122/12

Zustandekommen eines Abwasserentsorgungsvertrages zwischen den Berliner Wasserbetrieben und einem Grundstückseigentümer

Leitsatz

Zwischen den Berliner Wasserbetrieben und einem Grundstückseigentümer kommt kein Abwasserentsorgungsvertrag allein dadurch zustande, dass die Pächter des Grundstücks als Nutzungsberechtigte Abwasser aus abflusslosen Abwassersammelbehältern durch einen Fachbetrieb haben abfahren lassen und an einer von den Berliner Wasserbetrieben bezeichneten Übergabestelle den öffentlichen Abwasseranlagen zugeführt haben.

Gesetze: § 133 BGB, § 29e WasG BE

Instanzenzug: Az: 16 S 4/11vorgehend AG Pankow-Weißensee Az: 2 C 317/10

Tatbestand

1Die Klägerin, eine Anstalt öffentlichen Rechts, beseitigt in Berlin aufgrund landesgesetzlichen Auftrages den Inhalt von dezentralen Abwasseranlagen (abflusslose Abwassersammelbehälter und Kleinkläranlagen). Dies geschieht in der Weise, dass die Nutzer der Abwasseranlagen Fuhrunternehmen beauftragen, die den Inhalt abfahren und bei der Klägerin zur Reinigung anliefern (so genannter "rollender Kanal"). Der Beklagte ist Eigentümer von Grundstücken in Berlin, auf denen sich eine Kleingartenanlage mit 150 verpachteten Parzellen befindet, die aus Brunnen mit Wasser versorgt wird und deren Abwasser zunächst in abflusslosen Abwassersammelbehältern gesammelt und sodann bei der Klägerin angeliefert wird.

2Die Klägerin verlangt von dem Beklagten Entgelt für bei ihr angelieferte Abwassermengen im Zeitraum vom bis zum .

3Die "Allgemeinen Bedingungen für die Entwässerung in Berlin" der Klägerin enthalten u.a. folgende Bestimmungen:

"§ 1

Vertragsverhältnis

(1) Die B. [Klägerin] leiten im Rahmen der Leistungsfähigkeit ihrer Entwässerungsanlagen Abwasser von Grundstücken und Straßen ab und reinigen es, soweit erforderlich. Sie reinigen auch das in abflusslosen Abwassersammelbehältern anfallende Abwasser sowie den nicht separierten Klärschlamm aus Kleinkläranlagen (dezentrale Abwasserentsorgungsanlagen).

(2) Die B. führen die Entwässerung aufgrund eines privatrechtlichen Entsorgungsvertrages durch. Für das Vertragsverhältnis gelten diese Allgemeinen Bedingungen für die Entwässerung in Berlin - ABE -. Der Entsorgungsvertrag kommt durch die Inanspruchnahme der Entwässerungsleistungen zustande. Der Entsorgungsvertrag über die Annahme und Reinigung von Abwasser aus dezentralen Abwasserentsorgungsanlagen beginnt am ; spätestens jedoch mit der Zuführung des in abflusslosen Abwassersammelbehältern anfallenden Abwassers sowie des nicht separierten Klärschlamms aus Kleinkläranlagen an einer von den B. bezeichneten Übergabestelle rückwirkend ab dem .

Vertragspartner der B. sind der Grundstückseigentümer oder der Erbbauberechtigte. In Ausnahmefällen kann der Entsorgungsvertrag auch mit Nutzungsberechtigten, z.B. Mieter, Pächter, Nießbraucher abgeschlossen werden, wenn der Eigentümer sich zur Erfüllung des Vertrages mitverpflichtet. Dies gilt für alle in den ABE genannten Arten der Abwasserbeseitigung."

4Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung des Beklagten hat das Berufungsgericht die Klage abgewiesen. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision begehrt die Klägerin die Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Urteils.

Gründe

5Die Revision ist unbegründet.

I.

6Das Berufungsgericht hat offen gelassen, ob die Klägerin dem Beklagten ein Angebot auf Abschluss eines Abwasserreinigungsvertrages gemacht hat. Jedenfalls habe der Beklagte ein solches Angebot der Klägerin nicht angenommen. Zwar nehme nach ständiger Rechtsprechung derjenige, der aus einem Verteilungsnetz eines Versorgungsunternehmens Elektrizität, Gas, Wasser oder Fernwärme entnehme, das Angebot zum Abschluss eines entsprechenden Versorgungsvertrages konkludent an. Geschehe die Entnahme durch einen Mieter, gegenüber dem der Eigentümer seinen vertraglichen Verpflichtungen nur durch die vom Versorger gewährleistete Wasserversorgung nachkommen könne, und lasse er die Versorgungsleistungen auf seinem Grundstück zu, so sei auch dieses Verhalten als konkludente Annahme des Vertragsangebots des Versorgers zu werten. Hier liege es aber anders. Bei der Inanspruchnahme der Abwasserreinigung komme dem Beklagten keine der soeben beschriebenen gleichartige bestimmende Stellung zu. Die Inanspruchnahme durch die Nutzer der Parzellen beruhe bei einer gebotenen schwerpunktmäßigen Betrachtung nicht darauf, dass der Beklagte die Abfuhr zulasse, sondern vielmehr darauf, dass die Klägerin die entsprechenden Anlieferungen der von den Nutzern beauftragten Fuhrunternehmen annehme.

II.

7Das hält der rechtlichen Nachprüfung stand.

81. Auch der Senat muss nicht entscheiden, ob und gegebenenfalls wodurch die Klägerin dem Beklagten ein Angebot auf Abschluss eines Abwasserentsorgungsvertrages gemacht hat. Zutreffend hat das Berufungsgericht jedenfalls erkannt, dass es an einer Annahmeerklärung durch den Beklagten fehlt. Ebenso wenig hat der Beklagte selbst ein entsprechendes Angebot gemacht, das die Klägerin hätte annehmen können. Damit sind die Parteien nicht durch einen Abwasserentsorgungsvertrag miteinander verbunden. Auch in Fällen, in denen durch einen Anschluss- und Benutzungszwang ein Kontrahierungszwang besteht, muss der Vertragswillige der Gegenseite ein annahmefähiges Angebot unterbreiten, das diese annehmen muss; anderenfalls kommt kein Vertrag zustande (vgl. , zur Veröffentlichung in BGHZ 193, 10 vorgesehen, Rn. 11; , juris Rn. 11 m.w.N.).

92. Der Beklagte hat keine Willenserklärung dahin abgegeben, mit der Klägerin einen Abwasserentsorgungsvertrag schließen zu wollen. Mangels einer ausdrücklichen Erklärung kommt, wie auch die Revision nicht verkennt, nur in Betracht, eine solche in einem Verhalten des Beklagten als schlüssig erklärt anzusehen. Die Voraussetzungen hierfür liegen jedoch nicht vor.

10a) Allerdings nimmt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs regelmäßig ein Grundstückseigentümer, der seinen mietvertraglichen Verpflichtungen als Vermieter nur durch die von einem Wasserversorgungsunternehmen gewährleistete Wasserversorgung nachkommen kann, konkludent das Angebot zum Abschluss eines Versorgungsvertrages an, wenn er die Versorgungs-leistungen auf seinem Grundstück zulässt (, NJW 2003, 3131 unter II. 1. b); Urteil vom - VIII ZR 293/07, NJW 2009, 913 Rn. 6, 10). Vergleichbares gilt für den Vertrag über Entwässerungsleistungen (, aaO unter II. 3.; vgl. auch , BGHZ 115, 311, 314 m.w.N.) und kommt entsprechend auch bei Abfallentsorgungs- und Straßenreinigungsleistungen in Betracht (vgl. , aaO).

11Das Angebot eines Wasserversorgungsunternehmens auf Abschluss eines Versorgungsvertrages richtet sich typischerweise deshalb an den Grundstückseigentümer, weil nur diesem ein Anspruch auf Anschluss an die Versorgung zusteht (, aaO). Umgekehrt kann der Grundstückseigentümer regelmäßig seinen mietvertraglichen Verpflichtungen nur durch die so gewährleistete Wasserversorgung nachkommen. Deshalb ist die Zulassung dieser Versorgungsleistung auf seinem Grundstück als konkludente Annahme des Vertragsangebots des Versorgers zu werten (, aaO).

12b) Anders als etwa bei einer Entwässerung von Grundstücken durch Anbindung an die Kanalisation fehlt es hier jedoch an einer vergleichbaren Situation, die eine entsprechende Auslegung des Verhaltens des Beklagten ermöglicht.

13aa) Es besteht für den Beklagten weder ein Benutzungszwang hinsichtlich der von der Klägerin erbrachten Leistung (Annahme und weitere Beseitigung des angelieferten Abwassers) noch hat nur er einen Anspruch auf die Leistung.

14Nach § 18a Abs. 2 Satz 1 WHG in der bis zum gültigen Fassung regeln die Länder, welche Körperschaften des öffentlichen Rechts zur Abwasserbeseitigung verpflichtet sind. Gemäß § 29e Abs. 1 Satz 2 BWG obliegt in Berlin der Klägerin diese Abwasserbeseitigungspflicht. Sie nimmt diese Aufgabe mit Ausschließlichkeitswirkung im Wege des Anschluss- und Benutzungszwangs nach Maßgabe der einschlägigen Bestimmungen wahr (§ 29e Abs. 1 Satz 3 BWG). Ihr obliegt nach § 29e Abs. 1 Satz 4 BWG auch die Pflicht zur Beseitigung des in abflusslosen Abwassersammelbehältern anfallenden Abwassers sowie des nicht separierten Klärschlamms aus Kleinkläranlagen.

15Nach § 44 BauO Bln besteht ein Anschlusszwang an die öffentliche Entwässerung für Grundstücke, die an betriebsfähig kanalisierten Straßen liegen oder von solchen Straßen zugänglich sind. Nur in diesen Fällen besteht nach § 4 Abs. 2 Berliner Betriebe-Gesetz (BerlBG) auch ein Benutzungszwang für die Anlagen. Demgegenüber regelt § 45 BauO Bln die Gestaltung von Kleinkläranlagen und Abwassersammelbehältern, ohne verpflichtende Regelungen zur Entsorgung des Inhalts dieser Anlagen zu treffen. Gemäß § 29e Abs. 2 Satz 1 BWG haben die Nutzungsberechtigten das Abwasser aus abflusslosen Abwassersammelbehältern sowie den nicht separierten Klärschlamm aus Kleinkläranlagen durch einen Fachbetrieb mit geeigneten Fahrzeugen rechtzeitig vor Füllung abfahren zu lassen und an einer von der Klägerin bezeichneten Übergabestelle den öffentlichen Abwasseranlagen zuzuführen.

16Ein Zwang des Eigentümers zur Nutzung der öffentlichen Abwasseranlagen an den von der Klägerin bezeichneten Übergabestellen für auf seinem Grundstück angefallenes Abwasser aus abflusslosen Abwassersammelbehältern besteht damit nicht. Vielmehr wird diese Pflicht nur den Nutzungsberechtigten der Sammelbehälter auferlegt. Das sind hier die Pächter. Diese und jedenfalls nicht nur die Eigentümer haben korrespondierend damit einen Anspruch darauf, dass die zur Beseitigung des Abwassers verpflichtete Klägerin die Anlieferungen entgegennimmt.

17bb) Hieraus ergibt sich zugleich, dass der Beklagte zur Erfüllung seiner Verpflichtungen aus dem Pachtvertrag, die möglicherweise die Gewährleistung ordnungsgemäßer Abwasserentsorgung umfassen, nicht eine irgendwie geartete Entsorgung durch die Klägerin auf seinem Grundstück zulassen musste. Die Pächter als Nutzer selbst können für die Beseitigung des Abwassers sorgen, wie sie es durch die Beauftragung der Fuhrunternehmer auch tatsächlich getan haben. Es fehlt deshalb anders als in den oben genannten Fällen an einem, sei es auch nur gestattenden Verhalten des Beklagten, dem ein Erklärungswert beigemessen werden kann. Aus diesen Gründen kann entgegen der Auffassung der Revision auch in der Verpachtung der einzelnen Parzellen bzw. in der Weiterverpachtung nach dem selbst keine Annahme eines eventuellen Angebots zum Abschluss eines Abwasserentsorgungsvertrages mit der Klägerin gesehen werden. Mit den als Verpächter bestehenden Pflichten war der Abschluss eines solchen Vertrages nicht verknüpft.

18cc) Ebenso wenig liegt eine solche Willenserklärung des Beklagten darin, dass die Pächter Abwasser an einer von der Klägerin bezeichneten Übergabestelle den öffentlichen Abwasseranlagen zugeführt haben. Die Revision irrt, wenn sie meint, der Eigentümer und damit der Beklagte müsse sich diese Handlung im Sinne einer konkludenten Willenserklärung zurechnen lassen. Hierfür gibt es keine Rechtsgrundlage. Entgegen der Meinung der Revision handelt es sich bei dem Transport auch nicht um eine Aufgabe des Eigentümers, die die Pächter nur für ihn übernommen hätten. Nach § 29e Abs. 2 Satz 1 BWG obliegt gerade den Pächtern als Nutzungsberechtigten die Pflicht zum Abtransport zur Klägerin. Abweichende Vereinbarungen zwischen dem Beklagten und seinen Pächtern im Innenverhältnis, die der Klägerin zudem hätten bekannt sein müssen, macht die Klägerin selbst nicht geltend.

19dd) Schließlich kann sich die Revision auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass die Rechtsprechung dann ausnahmsweise keinen stillschweigenden Vertragsschluss des Entsorgungsunternehmens mit dem Grundstückseigentümer angenommen habe, wenn es bereits mit dem Grundstücksnutzer einen entsprechenden Vertrag geschlossen habe, was hier nicht der Fall ist. Hierbei verkennt sie, dass diese Besonderheit trotz Vorliegens derjenigen Umstände, die im Allgemeinen die Auslegung des Verhaltens als Vertragsschluss mit dem Eigentümer begründen, ausnahmsweise zu einem anderen Ergebnis führen kann. Ihr Fehlen ersetzt jedoch nicht umgekehrt die notwendigen Voraussetzungen für die Annahme eines konkludenten Vertragsschlusses (vgl. , NJW 2009, 913 Rn. 6 ff.). An diesen fehlt es hier gerade.

20c) Die von der Klägerin geltend gemachten Schwierigkeiten bei der Abrechnung mit den einzelnen Nutzern können ebenfalls nicht zur Begründung eines Vertragsverhältnisses mit den Eigentümern derartiger Grundstücke führen. Sie beruhen vor allem auf der von der Klägerin selbst vorgesehenen Art der Berechnung des Entgelts nach der Frischwassermenge oder einer Schätzung dieser Menge aufgrund der Art der Nutzung. Sollte ihr eine solche Abrechnung mit den einzelnen Nutzern nicht möglich sein, könnte sie - wie es bis zum offenbar wohl gegenüber den Fuhrunternehmen geschehen ist - eine Abrechnung nach den gelieferten Mengen vorsehen.

III.

21Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Kniffka                          Safari Chabestari                           Halfmeier

                 Kosziol                                      Jurgeleit

Fundstelle(n):
MAAAE-29784