BAG Urteil v. - 10 AZR 809/11

Wettbewerbsverbot - Herausgabe anderweitiger Vergütung

Leitsatz

Ein Anspruch aus § 60 iVm. § 61 Abs. 1 Halbs. 2 HGB auf Herausgabe bezogener Vergütung setzt voraus, dass diese unmittelbar aus Drittgeschäften erzielt wird, die der Arbeitnehmer unter Verstoß gegen das Wettbewerbsverbot am Markt tätigt. Der Anspruch erstreckt sich nicht auf das für eine sonstige wettbewerbswidrige Tätigkeit erzielte Festgehalt.

Gesetze: § 242 BGB, § 285 Abs 1 BGB, § 611 BGB, § 615 BGB, § 667 BGB, § 681 BGB, § 687 Abs 2 BGB, § 812 Abs 1 BGB, § 60 Abs 1 HGB, § 61 Abs 1 Halbs 2 HGB

Instanzenzug: ArbG Freiburg (Breisgau) Az: 5 Ca 147/10 Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg Az: 9 Sa 45/11 Urteil

Tatbestand

1Die Parteien streiten über Zahlungsansprüche.

Der Beklagte war für die Klägerin als Produktionsmanager und technischer Leiter tätig. Die Parteien schlossen in einem Kündigungsschutzverfahren einen durch festgestellten Vergleich mit auszugsweise folgendem Wortlaut:

3Der Beklagte steht spätestens seit dem in einem Arbeitsverhältnis mit einer Wettbewerberin der Klägerin. Er bezog dort für Dezember 2009 und Januar 2010 jeweils eine Vergütung von 6.000,00 Euro brutto. Der Beklagte schlug der Klägerin Anfang Dezember 2009 vor, das Arbeitsverhältnis vorzeitig zu beenden. Die Klägerin reagierte nicht. Sie zahlte dem Beklagten für Dezember 2009 die im Vergleich vereinbarte Vergütung. Unmittelbar nach Kenntnisnahme von der neuen Tätigkeit des Beklagten am kündigte sie das Arbeitsverhältnis fristlos. Der Kündigungsschutzklage des Beklagten ist rechtskräftig stattgegeben worden. Die Klägerin hat dem Beklagten für Januar 2010 keine Vergütung gezahlt.

4Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, der Beklagte sei auch während der vereinbarten Freistellung an das Wettbewerbsverbot gebunden gewesen und deshalb nach § 61 Abs. 1 HGB verpflichtet, die von der Wettbewerberin in dieser Zeitspanne bezogene Vergütung herauszugeben. Zumindest müsse er sich diese Vergütung auf seine Ansprüche gegen die Klägerin anrechnen lassen; er sei deshalb ungerechtfertigt bereichert und müsse die von der Klägerin im Dezember 2009 bezogene Vergütung in entsprechender Höhe zurückzahlen. Für den Monat Januar 2010 schulde sie nach Anrechnung der von der Wettbewerberin bezogenen Vergütung von 6.000,00 Euro brutto nur noch 200,00 Euro brutto.

5Die Klägerin macht mit dem Hauptantrag die Herausgabe der Vergütung des Beklagten bei der Wettbewerberin in den Monaten Dezember 2009 und Januar 2010 zuzüglich der Arbeitgeberanteile zum Gesamtsozialversicherungsbeitrag geltend. Mit den Hilfsanträgen fordert sie die von ihr geleistete Vergütung für Dezember 2009 zuzüglich der Arbeitgeberanteile überwiegend zurück und begehrt Feststellung der verbleibenden Vergütungspflicht für Januar 2010.

Die Klägerin hat zuletzt beantragt,

7Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihre Zahlungsanträge weiter.

Gründe

9Die Revision ist unbegründet. Die Vorinstanzen haben die Klage zu Recht abgewiesen.

10I. Die Klage ist mit dem Hauptantrag unbegründet. Für einen Anspruch auf Herausgabe der bei der Wettbewerberin bezogenen Vergütung gibt es keine Anspruchsgrundlage.

111. Ein Anspruch ergibt sich nicht aus §§ 60, 61 Abs. 1 Halbs. 2 HGB.

12a) Nach § 60 Abs. 1 HGB darf der Handlungsgehilfe ohne Einwilligung des Prinzipals weder ein Handelsgewerbe betreiben noch in dem Handelszweig des Prinzipals für eigene oder fremde Rechnung Geschäfte machen. Nach § 61 Abs. 1 Halbs. 2 HGB kann der Prinzipal bei einer Verletzung der dem Handlungsgehilfen aus § 60 HGB obliegenden Verpflichtung statt Schadensersatz ua. verlangen, dass dieser die aus Geschäften für fremde Rechnung bezogene Vergütung herausgibt.

13b) Die Vorschriften der §§ 60, 61 HGB finden Anwendung. Der Beklagte war zwar nicht Handlungsgehilfe iSv. § 59 HGB, weil er keine kaufmännischen Dienste geleistet hat; das Wettbewerbsverbot gilt aber in gleicher Weise für andere Arbeitnehmer (st. Rspr.,  - Rn. 15, BAGE 134, 43; - 10 AZR 511/06 - Rn. 17 f., BAGE 124, 133).

14c) Der Beklagte war während der Freistellung an das Wettbewerbsverbot gebunden.

15aa) Das Wettbewerbsverbot des § 60 Abs. 1 HGB gilt während der gesamten rechtlichen Dauer des Arbeitsverhältnisses ( - Rn. 22, AP BGB § 626 Nr. 227 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 30) und damit nach einer Kündigung auch bis zum Ablauf der Kündigungsfrist ( - zu II 1 der Gründe, AP HGB § 60 Nr. 9 = EzA HGB § 60 Nr. 11).

16bb) Die Parteien haben das Wettbewerbsverbot in dem Prozessvergleich vom nicht aufgehoben. Die Freistellung des Arbeitnehmers hebt das Wettbewerbsverbot nicht auf ( - zu I 2 b der Gründe; - 2 AZR 598/76 - zu II 1 der Gründe, AP HGB § 60 Nr. 9 = EzA HGB § 60 Nr. 11). Der Arbeitgeber hat auch dann ein erkennbares Interesse an der Einhaltung des Wettbewerbsverbots, wenn der Arbeitnehmer von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung freigestellt ist. Eine andere Auslegung einer Freistellungsvereinbarung ist denkbar, wenn die Anrechnung anderweitigen Verdienstes ausdrücklich vereinbart ist ( - Rn. 22, BAGE 119, 232). Dies ist vorliegend nicht der Fall.

17d) Der Beklagte hat mit seiner Tätigkeit für die Wettbewerberin gegen das vertragliche Wettbewerbsverbot verstoßen. Das Landesarbeitsgericht hat zwar zu der konkret ausgeübten Tätigkeit keine Feststellungen getroffen (zur Bestimmung der Reichweite des Wettbewerbsverbots: vgl.  - Rn. 15 ff., BAGE 134, 43); die herausgehobene Tätigkeit des Beklagten bei der Klägerin und die in nahezu gleicher Höhe vereinbarte Vergütung bei der Wettbewerberin lassen aber begründete Zweifel an einem Verstoß nicht zu.

18e) Der Anspruch auf Herausgabe der Vergütung besteht nicht, weil das von der Wettbewerberin bezogene Festgehalt des Beklagten keine iSv. § 61 Abs. 1 Halbs. 2 HGB „aus Geschäften für fremde Rechnung bezogene Vergütung“ ist.

19aa) „Geschäfte machen“ iSd. Norm ist eine, wenn auch nur spekulative, auf Gewinn gerichtete Teilnahme am Geschäftsverkehr ( - zu II 3 c der Gründe, AP BGB § 611 Haftung des Arbeitnehmers Nr. 90 = EzA BGB § 611 Arbeitnehmerhaftung Nr. 43; - 3 AZR 324/69 - zu I 1 b der Gründe, AP HGB § 60 Nr. 5 = EzA HGB § 60 Nr. 3). Untersagt ist der Abschluss von Umsatzgeschäften im Handelszweig des Arbeitgebers ( - Rn. 26, BAGE 119, 294) oder das Anbieten von Diensten und Leistungen gegenüber Dritten im Marktbereich des Arbeitgebers ( - zu II 1 der Gründe, AP BGB § 611 Treuepflicht Nr. 8 = EzA BGB § 611 Treuepflicht Nr. 1). Der Arbeitnehmer muss als Wettbewerber seines Arbeitgebers am Markt auftreten, also zu seinem Vorteil die gleichen Marktchancen nutzen ( - aaO). Tätigt der Arbeitnehmer im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses mit einer Wettbewerberin „Geschäfte für fremde Rechnung“, indem er aktiv werbend im Handelszweig des Arbeitgebers auftritt und für Rechnung der Wettbewerberin Geschäfte abschließt oder anbahnt, kann unmittelbar aus solchen Drittgeschäften bezogene Vergütung nach § 61 Abs. 1 Halbs. 2 HGB herausverlangt werden.

20bb) Dass der Beklagte für die Wettbewerberin im Marktbereich der Klägerin Drittgeschäfte getätigt hat, hat diese nicht vorgetragen. Der Beklagte hat einen Arbeitsvertrag mit einer Wettbewerberin geschlossen. Dies ist kein „Geschäft“ iSd. §§ 60, 61 HGB ( - zu II 2 b der Gründe, AP HGB § 61 Nr. 1); der Arbeitnehmer tritt beim Abschluss eines weiteren Arbeitsvertrags nicht am Markt im Wettbewerb zu seinem bisherigen Arbeitgeber auf.

21cc) Der Anspruch auf ein Festgehalt ist regelmäßig auch keine „Vergütung“ iSd. § 61 Abs. 1 Halbs. 2 HGB, deren Herausgabe verlangt werden kann (Oetker/Kotzian-Marggraf HGB 2. Aufl. § 61 Rn. 9). „Vergütung“ ist demnach das für einen bestimmten Geschäftsabschluss bezogene Entgelt, nicht aber das Gehalt für eine sonstige (wettbewerbswidrige) Tätigkeit. Dies ergibt die Auslegung der Norm.

22(1) Hierfür spricht bereits der Gesetzeswortlaut. § 61 Abs. 1 Halbs. 2 HGB verpflichtet zur Herausgabe bzw. Abtretung der „aus Geschäften für fremde Rechnung bezogenen Vergütung“. Ein Anspruch setzt voraus, dass tatsächlich Geschäfte abgeschlossen wurden. Zwischen der Vergütung und dem abgeschlossenen Geschäft muss ein unmittelbarer Zusammenhang bestehen; die Vergütung muss „aus“ dem Geschäft folgen, also auf ihm beruhen.

23(2) Die Systematik der Vorschrift bestätigt das. Grundsätzlich löst ein Verstoß gegen das gesetzliche Wettbewerbsverbot nach § 61 Abs. 1 Halbs. 1 HGB einen Anspruch auf Schadensersatz aus. Das Eintrittsrecht des Arbeitgebers nach § 61 Abs. 1 Halbs. 2 HGB ist seinem Wesen nach eine pauschale Schadensersatzregelung und erleichtert dem Arbeitgeber die Durchsetzung des Schadensersatzanspruchs. Der Arbeitgeber darf ohne Nachweis eines besonderen Schadens in bestimmte Geschäfte eintreten und die Vergütung herausverlangen. Aus der Sachnähe zum Schadensersatzrecht ergibt sich aber, dass das Eintrittsrecht des Arbeitgebers nur dann besteht, wenn es ohne wesentliche Umstellung des Inhalts der verbotswidrig vorgenommenen Geschäfte verwirklicht werden kann ( - zu II 1 der Gründe, AP HGB § 61 Nr. 1). Ein Eintritt des Arbeitgebers in ein Arbeitsverhältnis scheidet aus.

24(3) Für diese Auslegung spricht schließlich die Entstehungsgeschichte der Norm. § 56 Abs. 3 des Allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuchs (ADHGB) vom 31. Mai 1861 sah bei Verletzung des Wettbewerbsverbots neben einem Schadensersatzanspruch nur das Recht des Prinzipals vor, die von dem Handlungsgehilfen für eigene Rechnung abgeschlossenen Geschäfte an sich zu ziehen. Das Reichsgericht entschied sodann, dass ein Arbeitgeber nicht die Provisionen herausverlangen könne, die ein Handlungsgehilfe durch den Abschluss von Handelsgeschäften für Rechnung eines Konkurrenzunternehmens verdient habe, weil es sich dabei um Geschäfte für fremde und nicht für eigene Rechnung handele (RG 8. Dezember 1882 - II 390/82 - RGZ 8, 48). Um die Ungleichbehandlung von Geschäften für eigene und fremde Rechnung zu beseitigen, wurde die jetzige Regelung in das am in Kraft getretene HGB aufgenommen (zunächst § 53 HGB; vgl. Begründung zum Entwurf eines Handelsgesetzbuchs für das Deutsche Reich von 1895, S. 52; zur Entstehungsgeschichte des § 61 HGB auch: Helms Gewinnherausgabe als haftungsrechtliches Problem S. 397 f.). Motiv für die Einführung der jetzigen Regelung war es, dem Arbeitgeber den Zugriff auf die vom Handlungsgehilfen verdienten Provisionen unabhängig davon zu ermöglichen, ob es sich um Geschäfte für eigene oder fremde Rechnung handelt. Der Zugriff auf laufendes Arbeitsentgelt ohne unmittelbaren Bezug zu konkreten (Dritt-)Geschäften war nicht beabsichtigt.

25dd) Der Arbeitgeber wird durch vorstehendes Normverständnis nicht rechtlos gestellt; ihm bleibt unbenommen, nach § 61 Abs. 1 Halbs. 1 HGB Schadensersatz zu verlangen, dessen Geltendmachung durch ein Auskunftsverlangen vorbereitet werden kann ( - AP BGB § 242 Auskunftspflicht Nr. 13 = EzA HGB § 60 Nr. 5). Für die von der Revision vertretene analoge Anwendung des § 61 Abs. 1 Halbs. 2 HGB auf den Abschluss von Arbeitsverträgen ist danach kein Raum. Auch wenn das Wettbewerbsverbot über § 59 HGB hinaus für andere Arbeitnehmer gilt (siehe oben zu b), besteht keine planwidrige Regelungslücke; § 61 Abs. 1 Halbs. 2 HGB will keineswegs all das abschöpfen, was infolge eines wettbewerbswidrigen Verhaltens erlangt wird.

262. Ein Schadensersatzanspruch der Klägerin gemäß § 61 Abs. 1 Halbs. 1 HGB ist nicht geltend gemacht, ein Schaden aufgrund der Verletzung des Wettbewerbsverbots nicht dargelegt worden. Die Klägerin hat sich auch nicht auf eine sonstige Pflichtverletzung des Beklagten berufen, die zur Weiterzahlung des Gehalts und damit zu einem Schaden geführt hat.

273. Aus angemaßter Eigengeschäftsführung gemäß § 687 Abs. 2, § 681 Satz 2, § 667 BGB kann die Klägerin keinen Anspruch herleiten, weil der Abschluss des Arbeitsvertrags mit der Wettbewerberin für den Beklagten kein „fremdes“, sondern ein eigenes Geschäft war.

284. Ein Anspruch ergibt sich nicht aus § 285 Abs. 1 BGB.

29a) Nach dieser Vorschrift kann der Gläubiger Herausgabe des Ersatzes verlangen, wenn der Schuldner infolge des Umstands, aufgrund dessen er die Leistung nach § 275 Abs. 1 bis Abs. 3 BGB nicht zu erbringen braucht, für den geschuldeten Gegenstand einen Ersatz erlangt.

30b) Ob Handlungen und Unterlassungen „Gegenstände“ iSd. § 285 Abs. 1 BGB sind, ist umstritten (dafür Löwisch NJW 2003, 2049; Staudinger/Löwisch/Caspers BGB 2009 § 285 Rn. 24; Bamberger/Roth/Unberath BGB 3. Aufl. § 285 Rn. 6; aA Palandt/Grüneberg BGB 71. Aufl. § 285 Rn. 5; MüKoBGB/Emmerich 6. Aufl. § 285 Rn. 5 f.; vgl. zu § 281 BGB aF auch  - zu 2 c der Gründe, BGHZ 135, 284), kann aber unentschieden bleiben. Der Beklagte konnte zwar nach Aufnahme der Tätigkeit für die Wettbewerberin seine Verpflichtung zur Unterlassung von Wettbewerb nicht mehr erfüllen. Voraussetzung eines Anspruchs nach § 285 Abs. 1 BGB ist aber, dass der Schuldner aufgrund eines bestimmten Umstands von seiner Primärpflicht zur Leistung des geschuldeten Gegenstands frei wird und aus diesem Grund einen Ersatz für eben den Gegenstand erlangt ( - zu I 2 d der Gründe, ZIP 2005, 1136; Staudinger/Löwisch/Caspers BGB § 285 Rn. 43). An dieser Identität fehlt es. Der Beklagte hat gegen die Wettbewerberin keinen Anspruch auf Vergütung wegen des Verstoßes gegen das Wettbewerbsverbot, sondern als Gegenleistung für die nach dem Arbeitsvertrag geschuldete Arbeitsleistung unabhängig von einem Wettbewerbsverstoß.

315. Der Anspruch ergibt sich nicht aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 BGB. Der Beklagte hat das von der Klägerin begehrte Gehalt durch Leistung der Wettbewerberin und nicht in sonstiger Weise auf Kosten der Klägerin erlangt. Ein Bereicherungsanspruch der Klägerin scheidet bereits wegen des grundsätzlichen Vorrangs der Leistungsbeziehung aus.

32II. Die Klage ist mit den Hilfsanträgen unbegründet. Ein Anspruch der Klägerin auf Rückzahlung der für Dezember 2009 gezahlten Vergütung gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB besteht nicht. Die Zahlung ist nicht ohne Rechtsgrund erfolgt; die von der Wettbewerberin bezogene Vergütung ist auf den Vergütungsanspruch des Beklagten gegen die Klägerin nicht anzurechnen. Deshalb ist auch der Feststellungsantrag unbegründet.

331. Die Anrechnung folgt nicht aus § 615 Satz 2 BGB.

34a) Gemäß § 615 Satz 2 BGB ist der Wert desjenigen, was der Arbeitnehmer während des Annahmeverzugs aus einer anderweitigen Verwendung seiner Dienste erwirbt, auf die vom Arbeitgeber nach § 615 Satz 1 iVm. § 611 BGB geschuldete Vergütung anzurechnen. Annahmeverzug setzt voraus, dass der Arbeitnehmer die Erbringung von Arbeitsleistung schuldet. Ist dies nicht der Fall, kann der Arbeitgeber mit der Annahme der Arbeitsleistung nicht in Verzug geraten ( - zu II 2 a der Gründe, EzA BGB § 615 Nr. 108; - 9 AZR 26/00 - zu I 1 der Gründe, BAGE 97, 18; - 9 AZR 922/98 - zu I 3 a der Gründe); auch eine Anrechnung von Zwischenverdienst nach § 615 Satz 2 BGB scheidet dann aus ( - Rn. 24, BAGE 119, 232; - 9 AZR 16/01 - aaO). Wird vertraglich eine Freistellung des Arbeitnehmers bestimmt, kommt es für die Frage der Anrechnung eines anderweitigen Verdienstes vorrangig auf die Auslegung des Vertrags an.

35b) Die Parteien haben in § 2 des Prozessvergleichs vom vereinbart, dass der Beklagte bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses unter Anrechnung auf Urlaubsansprüche und mit Zahlung bestimmter Beträge von der Arbeitsleistung freigestellt wird. Die Freistellung war, wie die zeitlich nicht festgelegte Anrechnung auf Urlaubsansprüche zeigt, unwiderruflich (vgl.  - Rn. 19 f., AP BUrlG § 7 Nr. 32 = EzA BUrlG § 7 Nr. 117) und hat die Arbeitspflicht des Beklagten aufgehoben (vgl.  - Rn. 13, EzA BGB 2002 § 615 Nr. 22; - 5 AZR 99/04 - zu II 2 a der Gründe, BAGE 112, 120; - 9 AZR 16/01 - zu II 2 c der Gründe, EzA BGB § 615 Nr. 108). Der Anspruch des Beklagten auf Vergütung folgt unmittelbar aus § 2 Satz 2 des Vergleichs in Verbindung mit dem Arbeitsvertrag und nicht (mehr) aus § 615 Satz 1 BGB (vgl.  - aaO; - 9 AZR 16/01 - zu II 2 d der Gründe, aaO; im Grundsatz auch für Arbeitsunfähigkeit:  - aaO; - 5 AZR 99/04 - aaO). Eine Anrechnung anderweitig erzielter Vergütung aufgrund von § 615 Satz 2 BGB scheidet deshalb aus.

362. Die Parteien haben die Anrechnung anderweitigen Einkommens nicht geregelt. Gegen eine konkludent vereinbarte Anrechnung spricht die konkrete Bezifferung der Vergütungsansprüche und die ohne zeitliche Festlegung vereinbarte Erfüllung von Urlaubsansprüchen durch die Freistellung. Damit überlässt der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Festlegung der zeitlichen Lage seines Urlaubs innerhalb des Freistellungszeitraums ( - Rn. 20, AP BUrlG § 7 Nr. 32 = EzA BUrlG § 7 Nr. 117); während des Urlaubs erfolgt keine Anrechnung anderweitigen Verdienstes ( - BAGE 57, 366; ErfK/Gallner 12. Aufl. § 8 BUrlG Rn. 4). Deshalb findet nach dem Prozessvergleich vom jedenfalls bei nicht wettbewerbswidriger Tätigkeit des Beklagten keine Anrechnung statt. Dieses Verständnis des Vergleichs entspricht auch der Auffassung beider Parteien. Anhaltspunkte dafür, dass die Parteien eine Anrechnung von Vergütung demgegenüber für den Fall eines Verstoßes gegen das Wettbewerbsverbot vereinbaren wollten, bestehen, wie das Landesarbeitsgericht zutreffend erkannt hat, nicht.

373. Eine ergänzende Auslegung des Prozessvergleichs im Hinblick auf eine Anrechnung anderweitigen Verdienstes kommt nicht in Betracht. Eine Freistellungsvereinbarung ohne Anrechnungsregelung ist nicht lückenhaft ( - zu II 2 der Gründe; - 9 AZR 922/98 - zu I 4 der Gründe). Die Ausgleichsklausel zeigt zudem, dass die Parteien eine abschließende Regelung wollten.

384. Eine Anrechnung ist auch nicht nach Treu und Glauben gemäß § 242 BGB geboten.

39a) Unerlaubte Wettbewerbshandlungen des Arbeitnehmers können Schadensersatzansprüche auslösen, mit denen gegen Gehaltsansprüche aufgerechnet werden kann. Regelmäßig berechtigen sie den Arbeitgeber aber nicht, die Zahlung der vereinbarten Vergütung zu verweigern. Allenfalls in besonders krass liegenden Fällen, in denen sich der Arbeitnehmer gegenüber dem anderen Teil grob verwerflich verhalten hat, kann dem Vergütungsanspruch der Arglisteinwand entgegengehalten werden ( - zu 1 der Gründe, AP BGB § 611 Konkurrenzklausel Nr. 33). Die Leistungsverweigerung muss in einem angemessenen Verhältnis zum beanstandeten Verhalten stehen, übertriebene, den objektiven Gegebenheiten unangepasste Reaktionen sind nicht erlaubt; auch das Maß der Enttäuschung oder der Verärgerung über einen Mitarbeiter ist nicht maßgebend (zur Entziehung eines Ruhegeldanspruchs bei Konkurrenztätigkeit:  - zu II 2 c der Gründe, BAGE 64, 298). Entsprechendes gilt für die teilweise Verweigerung der Vergütungsleistung in Höhe des anderweitigen Verdienstes des Arbeitnehmers.

40b) Umstände, die über die bloße Verletzung des Wettbewerbsverbots hinausgehen und das Verhalten des Beklagten als besonders verwerflich erscheinen lassen, hat das Landesarbeitsgericht nicht festgestellt. Auch der Sachvortrag der Klägerin gibt dafür nichts her. Es ist nicht zu erkennen, dass der Verstoß des Beklagten gegen das Wettbewerbsverbot überhaupt negative Auswirkungen auf das Geschäft und die Interessen der Klägerin gehabt hat. Bei einer solchen Sachlage verwirkt der Vergütungsanspruch regelmäßig nicht. Durch die Anwendung des § 242 BGB dürfen die gesetzlichen Voraussetzungen eines Schadenersatzanspruchs, insbesondere Schaden und haftungsausfüllende Kausalität, nicht umgangen werden.

41c) Dass dem Beklagten für den Streitzeitraum nach der Vertragslage eine „doppelte Vergütung“ zusteht, beruht auf der einvernehmlichen Freistellung des Beklagten ohne Anrechnung anderweitigen Verdienstes. Dieses Ergebnis kann nicht als schlechthin unangemessen angesehen werden. Eine „doppelte Vergütung“ hätte der Beklagte, wie die Klägerin einräumt, auch bei Aufnahme einer anderweitigen Tätigkeit unter Einhaltung des Wettbewerbsverbots beanspruchen können.

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Fundstelle(n):
BB 2012 S. 2751 Nr. 44
BB 2013 S. 307 Nr. 6
DB 2012 S. 17 Nr. 43
DB 2013 S. 294 Nr. 6
DB 2013 S. 8 Nr. 5
DStR 2012 S. 13 Nr. 44
DStR 2012 S. 2606 Nr. 51
DStR 2013 S. 13 Nr. 11
ZIP 2012 S. 6 Nr. 43
ZIP 2013 S. 950 Nr. 19
CAAAE-28879