Wohnungseigentum: Ordnungsmäßige Verwaltung durch Wohnungseigentümer; Beschluss über eine aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen von vornherein nicht erreichbare Maßnahme
Leitsatz
Beschließen die Wohnungseigentümer Maßnahmen zur Beendigung eines zwischen der Gemeinschaft und einem ihrer Mitglieder geschlossenen Vertrages, ist eine ordnungsgemäße Verwaltung nicht schon wegen eines möglichen Scheiterns der Maßnahmen zu verneinen, sondern erst dann, wenn für einen verständigen Wohnungseigentümer ohne weiteres ersichtlich ist, dass die Beendigung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen von vornherein nicht erreichbar ist.
Gesetze: § 21 Abs 3 WoEigG
Instanzenzug: Az: 85 S 391/10 WEGvorgehend Az: 72 C 57/10
Tatbestand
1Die Parteien bilden die im Rubrum näher bezeichnete Wohnungseigentümergemeinschaft. Von dieser mietete die Klägerin einen im Gemeinschaftseigentum stehenden Tiefgaragenstellplatz, den sie seit März 2006 den Mietern einer ebenfalls in der Anlage befindlichen Eigentumswohnung untervermietet. Mit Schreiben vom setzte sie die Verwalterin hiervon in Kenntnis. Diese forderte mit Schreiben vom die Beendigung der Untervermietung und kündigte für den Fall der Fruchtlosigkeit die fristlose Kündigung des Mietvertrages an. Mit Schreiben vom erklärte ein von der Verwalterin beauftragter Rechtsanwalt namens der Wohnungseigentümergemeinschaft unter Berufung auf "die unerlaubte Weitervermietung" die fristlose und hilfsweise die fristgemäße Kündigung des Mietvertrages zum . Dem Kündigungsschreiben beigefügt waren eine dem Anwalt von der Verwalterin namens der Wohnungseigentümergemeinschaft erteilte Vollmacht vom sowie eine von einem Mitglied des Verwaltungsbeirats am unterzeichnete Vollmachtsurkunde, nach der die Verwalterin u.a. befugt ist, Verträge abzuschließen und zu kündigen sowie in einzelnen Angelegenheiten Untervollmachten zu erteilen.
2Ohne die Vollmacht zu bestreiten bat die Klägerin mit anwaltlichem Schreiben vom um die Einräumung einer Frist zur Stellungnahme. Mit weiterem Schreiben vom dankte sie zunächst "für die gewährte Fristverlängerung" und wies sodann die Kündigung mit der Begründung zurück, es werde die Legitimation der Verwalterin bestritten, derartige Ansprüche geltend zu machen.
3Durch auf der Eigentümerversammlung vom gefassten Mehrheitsbeschluss genehmigten die Wohnungseigentümer die Kündigung vom und ermächtigten die Verwalterin, einen Räumungsanspruch "erforderlichenfalls" gerichtlich geltend zu machen.
4Die gegen diesen Beschluss gerichtete Beschlussmängelklage ist in beiden Vorinstanzen erfolglos geblieben. Die Revision hat das Landgericht nach dem Tenor des Berufungsurteils ohne Einschränkungen zugelassen. In den Entscheidungsgründen heißt es, das Rechtsmittel werde zur Klärung der Frage zugelassen, ob "die Genehmigung einer von einem vollmachtlosen Vertreter erklärten Kündigung rechtlich nach § 180 Satz 2 BGB überhaupt möglich ist". Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihre Anträge weiter. Die Beklagten beantragen die Zurückweisung des Rechtsmittels.
Gründe
I.
5Das Berufungsgericht verneint das Vorliegen von Nichtigkeitsgründen. Formale Beschlussmängel lägen nicht vor. Der Beschluss entspreche auch ordnungsgemäßer Verwaltung. Die Kündigung sei jedenfalls von der Mehrheit der Wohnungseigentümer wirksam genehmigt worden. Entgegen einer von dem Oberlandesgericht Celle vertretenen Rechtsauffassung (OLGR 1999, 97 f.) erfasse § 180 Satz 2 BGB nach Wortlaut und Sinn und Zweck auch Kündigungserklärungen. Die Normvoraussetzungen seien erfüllt, weil die Klägerin ein Fehlen der Vollmacht erst knapp drei Wochen nach Zugang der Kündigung und damit nicht rechtzeitig beanstandet habe. Die Möglichkeit der Verlängerung der "Prüffrist" durch den Kündigenden sehe das Gesetz nicht vor. Es bestehe auch kein Bedarf dafür, den Zeitraum der Genehmigungsfähigkeit entsprechend § 626 BGB einzuschränken.
6Ebenfalls nicht zu beanstanden sei der Beschluss, soweit darin der Verwalterin die Befugnis erteilt werde, den Räumungsanspruch ggf. gerichtlich durchzusetzen. Insoweit handle es sich lediglich um einen Vorbereitungsbeschluss, der ordnungsgemäßer Verwaltung entspreche, weil die darin in Aussicht genommene Klageerhebung nicht jeder rechtlichen Grundlage entbehre. Selbst wenn man davon ausgehen wollte, dass die Rechtmäßigkeit der Kündigung vollen Umfangs bereits bei der Beurteilung des Beschlusses zu überprüfen sei, scheitere die Klage daran, dass die Überlassung der Mietsache an einen Untermieter grundsätzlich nach § 540 BGB unzulässig sei. Bei dieser Sachlage hätte es der Klägerin obgelegen, eine gleichwohl bestehende Unzulässigkeit der Kündigung schlüssig darzulegen. Das sei nicht geschehen.
II.
71. Die Revision ist zulässig, auch soweit sie sich gegen die beschlossene "Ermächtigung" der Verwalterin wendet, einen Räumungsanspruch ggf. gerichtlich durchzusetzen.
8Der Tenor des Berufungsurteils zur Revisionszulassung enthält keine Einschränkung. Nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann sich eine Beschränkung der Revisionszulassung zwar auch aus den Entscheidungsgründen des Berufungsurteils ergeben. Hierfür ist aber erforderlich, dass aus diesen der Wille des Berufungsgerichts klar und eindeutig hervorgeht, die Revision in bestimmter Hinsicht zu beschränken (vgl. nur Senat, Beschluss vom - V ZR 244/03, NJW-RR 2004, 1365, 1366; Urteil vom - V ZR 175/10, ZWE 2011, 331; Urteil vom - V ZR 193/11, Grundeigentum 2012, 962 f., Rn. 5 mwN). Das ist hier nicht der Fall. Der angefochtene Beschluss betrifft das Vorgehen der Gemeinschaft gegen die Klägerin wegen der Untervermietung des Stellplatzes. Da die beschlossene Genehmigung der Kündigung und deren gerichtliche Durchsetzung in einem besonders engen inhaltlichen Zusammenhang stehen, führte ein Erfolg der Beschlussmängelklage hinsichtlich der Genehmigung jedenfalls nach § 139 BGB (dazu Senat, Urteil vom , aaO, Rn. 10 mwN) zur Beanstandung des Beschlusses insgesamt. Dies könnte bei Annahme einer nur teilweisen Zulassung indessen wegen der dann im Übrigen eingetretenen Rechtskraft nicht ausgesprochen werden. Anhaltspunkte dafür, dass das Berufungsgericht dies bewusst in Kauf genommen hat, sind nicht ersichtlich.
92. Das Rechtsmittel hat auch in der Sache Erfolg. Es führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. Dessen Erwägungen halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht in allen Punkten stand.
10a) Zutreffend und von der Revision unbeanstandet geht es allerdings davon aus, dass die Einberufung der Eigentümerversammlung den formalen Anforderungen des § 23 Abs. 2 WEG genügte und dass die als Vertreter bestimmter Wohnungseigentümer aufgetretenen Personen zur Abstimmung bevollmächtigt waren.
11b) Nichtigkeitsgründe sind nicht ersichtlich. Insbesondere steht es in der Kompetenz der Wohnungseigentümer, sich zu einer durch einen Vertreter ausgesprochenen Kündigung zu erklären und den Verwalter dazu anzuhalten, Ansprüche des Verbandes prozessual durchzusetzen. Ob Kündigungsgründe vorliegen und ob eine durch einen vollmachtlosen Vertreter erklärte Kündigung genehmigungsfähig ist, berührt nicht die Wirksamkeit des Beschlusses.
12c) Auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen greifen auch Anfechtungsgründe nicht durch.
13aa) Das mit dem Beschluss verfolgte Anliegen geht bei der gebotenen nächstliegenden Auslegung (grundlegend dazu Senat, Beschluss vom - V ZB 11/98, BGHZ 139, 288, 291 f.; vgl. auch Urteil vom - V ZR 193/09, NJW 2010, 2801 Rn. 1) dahin, dass das Mietverhältnis mit der Klägerin wegen der Untervermietung beendet werden soll. Das kommt dadurch zum Ausdruck, dass die bisher getroffenen Maßnahmen gebilligt und zur Durchsetzung dieses Anliegens auch für die Zukunft die erforderlichen Maßnahmen ergriffen werden sollen, wie die der Verwalterin erteilte "Ermächtigung" belegt, einen Räumungsanspruch "erforderlichenfalls" auch gerichtlich durchzusetzen. Aus der Sicht eines verständigen Wohnungseigentümers steht nicht die (vorsorgliche) Genehmigung der Kündigung im Vordergrund, sondern das generelle Anliegen, das mit der Klägerin bestehende Mietverhältnis zu beenden und die daraus resultierenden Ansprüche durchzusetzen. Die hierzu geeignet erscheinenden Mittel sollen eingesetzt werden. Eine Beschränkung auf bestimmte juristische Mittel zur Zielerreichung ist ersichtlich nicht gewollt.
14bb) (1) Ein solches Vorgehen entspricht ordnungsgemäßer Verwaltung. Vorliegend hat die Klägerin den Stellplatz rechtswidrig untervermietet (§ 540 Abs. 1 Satz 1 BGB). Dass die Wohnungseigentümer dies zum Anlass nehmen, den zwischen der Klägerin und dem Verband geschlossenen Mietvertrag zu beenden, ist ebenso wenig zu beanstanden wie die vorsorgliche Genehmigung der durch den beauftragten Rechtsanwalt erklärten Kündigung. Es kann den in der Regel nicht mit besonderen Rechtskenntnissen ausgestatteten Wohnungseigentümern nicht ohne weiteres angesonnen werden, im Hinblick auf juristische Detail- oder Streitfragen von auf die Beendigung des Mietverhältnisses abzielenden Maßnahmen abzusehen. Die Befassung der Wohnungseigentümer mit solchen Rechtsfragen erscheint auch deshalb nicht angezeigt, weil die Verwalterin bzw. ein von ihr eingeschalteter Rechtsanwalt bei der Umsetzung des Beschlusses den sichersten Weg zu beschreiten haben. Hierzu gehört vor einer Klageerhebung die Prüfung, ob vorsorglich noch weitere Maßnahmen - wie etwa die Erklärung einer weiteren Kündigung - zu ergreifen sind oder ob im Hinblick auf zutage getretene besondere Umstände die Wohnungseigentümerversammlung (erneut) mit der Frage der Weiterverfolgung des eingeschlagenen Weges zu befassen ist.
15Danach kommt es auf die von der Revision gegen die Wirksamkeit der Kündigung ins Feld geführten materiellrechtlichen Einwände nicht an. Ob dem Verband infolge der Kündigung ein Herausgabe- (§ 985 BGB) und / oder ein Räumungsanspruch (§ 1004 BGB) zusteht, bedarf der Klärung erst in einem eventuell zur Durchsetzung der Ansprüche zu führenden Rechtsstreit; ein unangefochtener Beschluss über eine Kündigung oder deren Genehmigung entfaltet keine Bindungswirkung für die Vorfrage, ob die Kündigung wirksam ist (vgl. Senat, Beschluss vom - V ZB 39/01, BGHZ 151, 164, 171 f.). Entgegen der Auffassung der Revision ergibt sich aus dem Senatsurteil vom (V ZR 72/09, NJW 2010, 3093 f.) schon deshalb nichts anderes, weil Gegenstand der Klage ein Beschluss war, dessen Inhalt auf die Schaffung einer (selbständigen) Anspruchsgrundlage gerichtet war. Daran fehlt es hier.
16(2) Eine ordnungsgemäße Verwaltung ist allerdings dann zu verneinen, wenn für einen verständigen Wohnungseigentümer ohne weiteres ersichtlich ist, dass das mit der Beschlussfassung anvisierte Ziel aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen von vornherein nicht erreichbar ist. Davon kann hier keine Rede sein. Das gilt insbesondere für die höchstrichterlich noch nicht geklärte Problematik, ob und ggf. mit welchen Folgen die vollmachtlose Kündigung eines Mietvertrages nach § 180 Satz 2 BGB genehmigungsfähig ist (generell ablehnend bei Gestaltungsrechten OLG Celle OLGR 1999, 97 f.; bejahend für die Kündigung eines Darlehensvertrages OLG Brandenburg, OLG-NL 2006, 121, 124; ebenso für die Kündigung eines Arbeitsvertrages, allerdings unter Einschränkung der Rückwirkungsfiktion nach § 184 BGB BAG, NJW 1987 1038, 1039; ähnlich für das gesetzliche Vorkaufsrecht Senat, Urteil vom - V ZR 191/58, NJW 1960, 1805, 1807 und für die Nachfristsetzung nach § 326 BGB aF Urteil vom - V ZR 401/98, WM 2000, 150, 151; ebenso , BGHZ 114, 360, 366; ohne jede Einschränkung für die Anspruchsanmeldung nach § 651g Abs. 1 BGB dagegen Xa ZR 124/09, NJW 2010, 2950, 2951 f.), und für die Frage, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen die Vorschrift des § 545 BGB bei einer Untervermietung zur Anwendung gelangt (zu § 568 BGB aF vgl. , NJW-RR 1986, 1020 f.).
17d) Mit Erfolg verweist die Revision jedoch auf entscheidungserhebliches tatsächliches Vorbringen in der Klageschrift, wonach zumindest ein weiteres Mitglied der Wohnungseigentümergemeinschaft einen ihm überlassenen Stellplatz ebenfalls untervermietet hat und dies - anders als hier - nicht moniert worden ist.
18aa) Dass der Kläger in seiner den Anforderungen nach § 520 ZPO genügenden Berufungsbegründung nicht auch auf diesen Gesichtspunkt ausdrücklich zurückgekommen ist, entbindet das Berufungsgericht unabhängig von einer Rüge nicht von einer Berücksichtigung dieses Parteivortrags (grundlegend Senat, Urteil vom - V ZR 257/03, BGHZ 158, 269, 278 ff.; , WM 2012, 1692, 1694 mwN; Hk-ZPO/Wöstmann, ZPO, 4. Aufl., § 520 Rn. 28 mwN; vgl. auch Zöller/Heßler, ZPO, 29. Aufl., § 520 Rn 40). § 520 ZPO betrifft lediglich die - hier gegebene - Zulässigkeit der Berufung, nicht aber den Umfang der bei zulässigem Rechtsmittel vorzunehmenden Rechtskontrolle (Senat, aaO; Hk-ZPO/Wöstmann, aaO).
19bb) Das Vorbringen ist entscheidungserheblich. Zwar liegt es zumindest grundsätzlich im Gestaltungsspielraum der Wohnungseigentümer, ob sie eine rechtswidrige Untervermietung von Gemeinschaftseigentum zum Anlass nehmen, dies zu beanstanden und das Vertragsverhältnis mit dem Hauptmieter nach fruchtloser Abmahnung zu kündigen. Der insbesondere bei Mehrheitsbeschlüssen zum Tragen kommende Gleichbehandlungsgrundsatz lässt Differenzierungen jedoch nur zu, wenn dafür ein ausreichender Sachgrund besteht (Senat, Urteil vom - V ZR 220/09, NJW 2010, 3508, 3509 Rn. 12). Ist ein solcher nicht ersichtlich, muss für eine Gleichbehandlung der Wohnungseigentümer - ggf. auch bei einer erneuten Kündigung - Sorge getragen werden. Jedenfalls mit Rücksicht auf die auch dem Verband gegenüber den einzelnen Wohnungseigentümern bestehende Treuepflicht (Senat, Urteile vom - V ZR 94/11, juris Rn. 19; vgl. auch Urteil vom - V ZR 62/06, WM 2007, 132, 133) gilt dies auch dann, wenn es - wie hier - um Verträge geht, die der Verband mit einzelnen Mitgliedern geschlossen hat.
20cc) Da für das Revisionsverfahren von dem Fehlen eines ausreichenden Sachgrundes auszugehen ist - ein solcher kann jedenfalls nicht darin gefunden werden, dass der andere Stellplatz nicht an Mieter einer Eigentumswohnung, sondern der Verwalterin untervermietet worden ist -, kann das die Abweisung der Klage billigende Berufungsurteil keinen Bestand haben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Die Sache ist an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, damit zur Frage der Gleichbehandlung die erforderlichen Feststellungen getroffen werden können (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
Stresemann Schmidt-Räntsch Roth
Brückner Weinland
Fundstelle(n):
NJW-RR 2013 S. 335 Nr. 6
NAAAE-27030