BFH Urteil v. - VI R 65/10 BStBl 2013 II S. 82

Verdoppelung des Höchstbetrags für Handwerkerleistungen durch das WachstumsStG und das FamLeistG

Leitsatz

Die durch das WachstumsStG geregelte Verdoppelung des Höchstbetrags für Handwerkerleistungen ist erstmals bei Aufwendungen anzuwenden, die im Veranlagungszeitraum 2009 geleistet und deren zugrunde liegende Leistungen nach dem erbracht worden sind.

Gesetze: EStG i.d.F. des JStG 2008 § 35a Abs. 2 Satz 2EStG i.d.F. des WachstumsStG § 35a Abs. 2 Satz 2EStG i.d.F. des FamLeistG § 35a Abs. 3

Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),

Gründe

I.

1 Streitig ist, in welcher Höhe für im Streitjahr 2008 durchgeführte Handwerkerleistungen eine Steuerermäßigung in Anspruch genommen werden kann.

2 Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Eheleute, die im Streitjahr zusammen zur Einkommensteuer veranlagt wurden. Im Streitjahr entstanden ihnen für Handwerkerleistungen für Renovierungs-, Erhaltungs- und Modernisierungsarbeiten Kosten in Höhe von 4.267 €. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) gewährte eine Steuerermäßigung in Höhe von 600 €. Mit ihrem Einspruch begehrten die Kläger erfolglos eine Steuerermäßigung in Höhe von 854 €. Zur Begründung führten sie aus, dass durch das Gesetz zur Umsetzung steuerrechtlicher Regelungen des Maßnahmenpakets „Beschäftigungssicherung durch Wachstumsstärkung” (WachstumsStG) vom (BGBl I 2008, 2896, BStBl I 2009, 133) der Höchstbetrag für die Berücksichtigung von Aufwendungen für Handwerkerleistungen von 600 € auf 1.200 € verdoppelt worden sei. Diese Regelung sei noch im Streitjahr in Kraft getreten und daher im angefochtenen Einkommensteuerbescheid zu berücksichtigen.

3 Das Finanzgericht (FG) wies die Klage aus den in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2010, 725 veröffentlichten Gründen ab.

4 Mit der hiergegen gerichteten Revision rügen die Kläger die Verletzung materiellen Rechts.

5 Die Kläger beantragen, die angefochtene Entscheidung des FG und die Einspruchsentscheidung des FA aufzuheben und den Einkommensteuerbescheid so zu ändern, dass eine Steuerermäßigung in Höhe von 854 € berücksichtigt wird.

6 Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

II.

7 Die Revision ist unbegründet und nach § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung zurückzuweisen. Das FG hat zu Recht entschieden, dass die Steuerermäßigung auf 600 € beschränkt ist.

8 1. Nach § 35a Abs. 2 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) i.d.F. des Jahressteuergesetzes 2008 vom (BGBl I 2007, 3150, BStBl I 2008, 218) ermäßigt sich für die Inanspruchnahme von Handwerkerleistungen für Renovierungs-, Erhaltungs- und Modernisierungsmaßnahmen, die in einem in der Europäischen Union oder dem Europäischen Wirtschaftsraum liegenden Haushalt des Steuerpflichtigen erbracht werden, mit Ausnahme der nach dem CO²-Gebäudesanierungsprogramm der KfW Förderbank geförderten Maßnahmen, die tarifliche Einkommensteuer, vermindert um die sonstigen Steuerermäßigungen, auf Antrag um 20 %, höchstens 600 €, der Aufwendungen des Steuerpflichtigen. Die Voraussetzungen dieser Regelung sind, wie das FG ausgeführt hat, im Streitfall erfüllt. Die von den Klägern begehrte Steuerermäßigung beträgt danach 600 €.

9 2. Zwar ist der Höchstbetrag für Handwerkerleistungen im Streitjahr fast zeitgleich durch zwei Änderungsgesetze verdoppelt worden. Die Neuregelung kommt jedoch im Streitfall (noch) nicht zur Anwendung. Insbesondere rechtfertigt Art. 4 Abs. 3 WachstumsStG die Verdoppelung nicht.

10 a) Gemäß § 35a Abs. 2 Satz 2 EStG i.d.F. des WachstumsStG beträgt der erwähnte Höchstbetrag 1.200 € (Art. 1 Nr. 3 des Gesetzes). Eine entsprechende Regelung findet sich in § 35a Abs. 3 EStG i.d.F. des Familienleistungsgesetzes (FamLeistG) vom (BGBl I 2008, 2955, BStBl I 2009, 136; Art. 1 Nr. 13 des Gesetzes). Der Höchstbetrag von 1.200 € ist jedoch erstmals bei Aufwendungen anzuwenden, die im Veranlagungszeitraum 2009 geleistet und deren zugrunde liegende Leistungen nach dem erbracht worden sind. Das bestimmen übereinstimmend sowohl § 52 Abs. 50b Satz 4 EStG i.d.F. des WachstumsStG (Art. 1 Nr. 4 Buchst. b des Gesetzes) als auch § 52 Abs. 50b Satz 5 i.d.F. des FamLeistG (Art. 1 Nr. 18 Buchst. f des Gesetzes).

11 b) Zwar tritt nach Art. 4 Abs. 3 WachstumsStG die Verdoppelung des Höchstbetrags bereits am Tage nach der Verkündung in Kraft, also am . Daraus folgt jedoch nicht, dass der erhöhte Höchstbetrag auch schon auf vor dem erbrachte Leistungen anzuwenden wäre. Dem steht vielmehr die erwähnte Anwendungsregelung des § 52 Abs. 50b Satz 4 EStG i.d.F. des WachstumsStG entgegen. Diese zum in Kraft getretene Regelung (Art. 4 Abs. 1 WachstumsStG) stellt insoweit zwar eine rückwirkende Rechtsänderung dar, weil hierdurch die —zunächst einschränkungslose— Anwendung des erhöhten Förderbetrags am Tag nach der Verkündung des Gesetzes () zwei Tage später zusätzlich davon abhängig gemacht wird, dass die Leistungen im Jahr 2009 erbracht und bezahlt wurden. Diese Rückwirkung ist indessen von Verfassungs wegen unbedenklich, weil die Kläger in der Zeit vom bis erkennbar keine schützenswerten Dispositionen im Hinblick auf die durch die fragliche Norm erhöhte Subventionierung getroffen haben und sich auch kein schutzwürdiges Vertrauen auf den Bestand der Gesetzesänderung hatte bilden können.

12 Auf die Frage, ob es sich, wie die Vorinstanz meint, um ein Redaktionsversehen des Gesetzgebers bei der Neuregelung der Vorschrift handelt (s. auch , EFG 2010, 485; , EFG 2010, 800; , EFG 2012, 126; Apitz in Herrmann/Heuer/Raupach, § 35a EStG Rz J 08-2; Czisz/Krane, Deutsches Steuerrecht 2009, 1518; kritisch dazu Barein in Littmann/Bitz/Pust, Das Einkommensteuerrecht, Kommentar, § 35a Rz 2), kommt es danach nicht mehr an.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Verwaltungsanweisungen:

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

Fundstelle(n):
BStBl 2013 II Seite 82
BB 2012 S. 3170 Nr. 51
BFH/NV 2013 S. 310 Nr. 2
BFH/PR 2013 S. 81 Nr. 3
BStBl II 2013 S. 82 Nr. 2
DB 2012 S. 6 Nr. 50
DB 2013 S. 98 Nr. 3
DStR 2012 S. 8 Nr. 50
DStRE 2013 S. 208 Nr. 4
EStB 2013 S. 51 Nr. 2
FR 2013 S. 525 Nr. 11
HFR 2013 S. 132 Nr. 2
KÖSDI 2013 S. 18210 Nr. 1
NWB-Eilnachricht Nr. 51/2012 S. 4133
StB 2013 S. 4 Nr. 1
StBW 2013 S. 3 Nr. 1
StBW 2013 S. 68 Nr. 2
StuB-Bilanzreport Nr. 1/2013 S. 35
CAAAE-24994