BGH Urteil v. - IX ZR 184/09

Steuerberaterhaftung: Verjährungsbeginn eines Schadensersatzanspruchs infolge verringerter Verlustzuweisungen

Leitsatz

Die Verjährung des Schadensersatzanspruchs gegen einen Steuerberater, welcher verschuldet hat, dass Verluste seiner Mandanten niedriger als möglich festgestellt worden sind, beginnt regelmäßig mit der Bekanntgabe der entsprechenden Grundlagenbescheide (im Anschluss an BGH, , IX ZR 218/08, WM 2010, 138).

Gesetze: § 68 StBerG vom , § 199 Abs 1 Nr 1 BGB

Instanzenzug: Az: 15 U 5611/08vorgehend LG Landshut Az: 43 O 536/08

Tatbestand

1Der beklagte Steuerberater entwarf für die klagenden Eheleute die Einkommensteuererklärungen der Veranlagungszeiträume 1995 bis 2001. Aus der Vermietung dreier Gewerbeimmobilien, die im Wege vorweggenommener Erbfolge erworben worden waren, erwirtschafteten die Kläger in dieser Zeit Verluste. Für die Supermärkte S.           und K.          entstanden durch Aufhebung der vorbehaltenen Nießbrauche gegen Übernahme von Bankverbindlichkeiten am nachträgliche Anschaffungskosten, die mit dem Gebäudeanteil abschreibungsfähig waren. Das übersah der Beklagte aus nicht näher dargelegten Gründen. Derselbe Vorgang wiederholte sich zum bei dem Grundstück Se.        in M.            . Die Verluste der Kläger wurden durch entsprechende Bescheide danach niedriger festgestellt als möglich. Alle drei genannten Objekte, die sich im Privatvermögen der Kläger befanden, veräußerten sie im Dezember 2005. Im Jahre 2006 hatten die Kläger erhebliche Gewinne zu versteuern. Für diese Steuerbelastung machen die Kläger teilweise den Beklagten verantwortlich, weil ihnen die Verrechnung mit Verlusten nach den getroffenen Feststellungen nicht mehr in dem sonst höchstmöglichen Umfang offenstand.

2Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat den Beklagten unter Abweisung der weitergehenden Klage verurteilt, an die Kläger als Gesamtgläubiger Schadensersatz in Höhe von 128.494,27 € nebst Zinsen und Ersatz vorgerichtlicher Kosten zu leisten.

3Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte seinen Klagabweisungsantrag weiter.

Gründe

4Die Revision ist begründet, die Berufung der Kläger nicht.

I.

5Das Berufungsgericht hat angenommen, es habe sich um eine mit jeder Erklärungsabfassung neu begangene Pflichtverletzung des Beklagten gehandelt, so dass keine verjährungsrechtliche Schadenseinheit bestehe. Unter Berücksichtigung der Sekundärverjährung sei nur der Feststellungsschaden der Jahre 1995 bis 1997 verjährt. Der Verlustvortrag der Jahre 1998 bis 2000 habe um 294.142,14 € höher festgestellt werden können als geschehen. Infolgedessen sei den Klägern im Jahre 2006 eine vermeidbare Steuerbelastung von 128.494,27 € entstanden, die als nicht verjährter Schaden zu ersetzen sei.

II.

6Das hält rechtlicher Prüfung nicht stand.

71. Die verjährungsrechtliche Schadenseinheit hat das Berufungsgericht im Ergebnis mit Recht verneint, ohne die Abgrenzung des Senatsurteils vom (IX ZR 204/01, WM 2005, 2106, 2107 unter A.) ganz zu erfassen. Unterläuft einem Steuerberater infolge der Jährlichkeit von Steuererklärungen mehrmals der gleiche Fehler, so handelt es sich um eine Fehlerwiederholung, die jeweils eine eigene haftungsausfüllende Kausalität in Gang setzt und einen eigenen Schaden in Gestalt ungünstiger Steuerbescheide bewirkt. Die Schadenseinheit ist demnach in solchen Fällen zu verneinen, anders als wenn ein abgeschlossener Beratungs- oder Gestaltungsfehler in mehrere nachfolgende Veranlagungszeiträume fortwirkt (vgl. dazu , WM 1998, 779, 780 unter II. 1.). Mit der vom Berufungsgericht in den Vordergrund gestellten Frage, ob der Irrtum des Steuerberaters auf tatsächlichem oder rechtlichem Gebiet liegt, hat das nichts zu tun.

82. Zutreffend rügt die Revision, das Berufungsgericht habe mit seinen Grundsätzen zur Sekundärverjährung das genannte Senatsurteil vom unberücksichtigt gelassen. In sachlicher Abweichung von seinem Urteil vom (IX ZR 215/90, BGHZ 114, 150, 159 aE), auf welches sich das Berufungsgericht stützt, hat der Senat in seinem Urteil vom (aaO S. 2007 f unter II. 2.) in der bloßen Wiederholung eines früheren Fehlers keinen Anlass zur Überprüfung der bisherigen Tätigkeit gesehen, wenn sich keine neuen Umstände sachlicher oder rechtlicher Art ergeben hatten, durch die der Steuerberater veranlasst war, seine Beurteilung einer Überprüfung zu unterziehen. Damit fehlt die Grundlage des verjährungsrechtlichen Sekundäranspruchs.

9Dieser Rechtsprechungswandel ist in der weiteren Spruchpraxis des Senats durch das Urteil vom (IX ZR 135/07, WM 2008, 2307 Rn. 21) und den Beschluss vom (IX ZR 174/05, DStRE 2009, 251 Rn. 2) bestätigt worden, an letztgenannter Stelle mit dem ausdrücklichen Zusatz, hierdurch sei die ältere Sichtweise des Urteils vom (BGHZ aaO) modifiziert worden. Darauf hat sich der Beklagte in der Berufungsinstanz zu Recht, aber erfolglos berufen. Der Senat sieht keinen Anlass, von seiner neueren Rechtsprechung zu den Voraussetzungen der verjährungsrechtlichen Sekundärhaftung nach dem hier noch anwendbaren § 68 StBerG aF abzugehen. Das Berufungsurteil kann danach mit der gegebenen Begründung nicht aufrecht erhalten bleiben.

III.

10Die Entscheidung des Berufungsgerichts erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig (§ 561 ZPO). Ohne Erfolg zieht die Revisionserwiderung in Zweifel, dass die Bekanntgabe der ergangenen Feststellungsbescheide vom und früher im Streitfall schon die Verjährung in Lauf setzte. Die Grundlage für einen Steueranspruch war damit zwar anders als in dem vom Senat entschiedenen Fall eines Grundlagenbescheides, welcher Gewinne nach § 182 Abs. 1 AO mit bindender Wirkung für Folgebescheide feststellte, noch nicht selbständig gelegt (vgl. dazu , WM 2008, 613 Rn. 7 mwN). Die Wirkung der ergangenen Verlustfeststellungsbescheide der Jahre 1998 bis 2000 war jedoch wirtschaftlich die einer Steuergutschrift. Bereits ihr Verlust stellte einen Schaden dar. Darauf, ob dieser Schaden sich erst später beziffern ließ, kommt es nicht an. Den Klägern ist es gelungen, durch Einsatz ihrer bestandskräftig festgestellten Verlustabzüge gemäß § 10d Abs. 3 EStG aF höhere Steuerfestsetzungen in das Jahr 2006 zu verschieben. Dieser Zeitpunkt ist jedoch für den Verjährungsbeginn nicht maßgebend.

111. Die Beurteilung der Finanzverwaltung war mit den ergangenen Feststellungsbescheiden abgeschlossen. Das zuvor lediglich bestehende Schadensrisiko hatte sich nach der Feststellungs- und Beurteilungstätigkeit der Finanzverwaltung zu einem Schaden verdichtet. Der teilweise Verzehr festgestellter Verlustvorträge bis Ende 2001 ließ eine spätere steuerliche Mehrbelastung mit hoher Wahrscheinlichkeit erwarten. Der Erhebung einer Klage, welche die Ersatzpflicht des Beklagten für die erst später bezifferbare steuerliche Mehrbelastung dem Grunde nach feststellen sollte, stand dies nicht im Wege. Für ihre Begründetheit genügte die Wahrscheinlichkeit, dass ein bezifferbarer Schaden eintrete (vgl. , WM 2008, 1042 Rn 10). Ein solches Vorgehen war den Klägern nach Erlass der Feststellungsbescheide daher möglich und zumutbar.

122. Zum Verjährungsbeginn eines Schadensersatzanspruchs infolge verringerter Verlustzuweisungen hat der Senat bereits entschieden, dass es auch hier regelmäßig auf die Bekanntgabe der entsprechenden Feststellungsbescheide ankommt, selbst wenn es dem Mandanten gelungen ist, die höhere Steuerbelastung durch das Vorziehen anderer Werbungskosten zunächst hinauszuschieben (vgl. , WM 2010, 138 Rn. 10). Dieser Fall liegt hinsichtlich des Verjährungsbeginns mit dem Streitfall gleich. Das von der Revisionserwiderung herangezogene Senatsurteil vom (IX ZR 167/02, WM 2004, 472, 473 f unter III. 2. a) betrifft dagegen eine andere Fallgestaltung, weil bei dem eingetretenen steuerlichen Objektverbrauch noch völlig offen war, ob die damaligen Kläger in Zukunft ein weiteres Gebäude erwerben würden, für welches sie erhöhte Abschreibungen nach § 7b EStG oder § 10e Abs. 1 EStG nicht mehr in Anspruch nehmen konnten. Danach war hier die Klageforderung bei Eintritt der Rechtshängigkeit bereits insgesamt verjährt. Das Berufungsurteil kann aus diesem Grunde nicht bestehen bleiben. Das landgerichtliche Urteil ist nach dem festgestellten Sachverhältnis wiederherzustellen (§ 563 Abs. 3 ZPO).

Kayser                                                  Raebel                                                 Gehrlein

                           Grupp                                                     Möhring

Fundstelle(n):
BFH/NV 2013 S. 334 Nr. 2
DB 2012 S. 15 Nr. 49
DB 2012 S. 2803 Nr. 49
DStR 2013 S. 429 Nr. 9
DStRE 2013 S. 637 Nr. 10
HFR 2013 S. 266 Nr. 3
NJW-RR 2013 S. 113 Nr. 2
NWB-Eilnachricht Nr. 52/2012 S. 4253
PStR 2013 S. 30 Nr. 2
StBW 2013 S. 234 Nr. 5
WM 2013 S. 94 Nr. 2
ZIP 2013 S. 270 Nr. 6
wistra 2013 S. 2 Nr. 1
wistra 2013 S. 70 Nr. 2
TAAAE-24021