BGH Beschluss v. - 5 StR 512/12

Abgekürzte Gründe des Strafurteils wegen nicht rechtzeitig zu den Akten gelangter aber fristgemäß eingegangener Revisionsschrift: Voraussetzungen und Frist für die Ergänzung der Urteilsgründe

Gesetze: § 267 Abs 4 S 1 StPO, § 267 Abs 4 S 4 StPO, § 275 Abs 1 S 2 StPO, § 341 Abs 1 StPO

Instanzenzug: Az: 22 Ks 271 Js 47298/11

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten nach siebentägiger Hauptverhandlung wegen Totschlags zu einer Freiheitsstrafe von neun Jahren und drei Monaten verurteilt.

2Die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat entsprechend dem Antrag des Generalbundesanwalts bereits deshalb Erfolg, weil die in der verkürzten Form des § 267 Abs. 4 StPO abgefassten Urteilsgründe es dem Senat nicht ermöglichen, die nur formelhaft begründete Beweiswürdigung (die Feststellungen beruhen „auf den Angaben des Angeklagten, soweit ihnen gefolgt worden ist, und im Übrigen auf den aus dem Hauptverhandlungsprotokoll ersichtlichen Beweismitteln“) zu überprüfen. Der Hinweis auf eine Geständigkeit des Angeklagten im Rahmen der Strafzumessung ändert hieran nichts. Es sind jedenfalls die Begleitumstände des Tatgeschehens nicht umfassend vom Angeklagten eingeräumt worden.

3Die Schwurgerichtskammer hat, nachdem bis zum Ablauf der Frist zur Einlegung der Revision keine Rechtsmittelschrift zu den Akten gelangt war, das schriftliche Urteil nach Maßgabe des § 267 Abs. 4 Sätze 1 bis 3 StPO in abgekürzter Form abgesetzt. Auf den nach Urteilszustellung erfolgten Einwand des Verteidigers, er habe vor Fristablauf mit Telefax Revision eingelegt, wurde das Telefax tatsächlich im Gericht aufgefunden und dem Vorsitzenden am vorgelegt. Daraufhin wurde das Urteil – nunmehr ohne Rechtskraftvermerk, jedoch noch immer mit dem Hinweis „abgekürzt gemäß § 267 Abs. 4 StPO“ – erneut dem Verteidiger zugestellt.

4Die Revision ist fristgerecht eingelegt worden. Ein Telefax ist dem Gericht zugegangen, wenn das Schriftstück am Empfangsgerät ausgedruckt wird (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 55. Aufl., Vor § 42 Rn. 18). Auf die Tatsache, dass das Telefax danach nicht zu den Akten gelangt ist, kommt es nicht an, weil § 341 Abs. 1 StPO nur auf den Eingang bei dem Gericht abstellt und nicht auf den bei der zuständigen Abteilung (vgl. BGH, Beschlüsse vom – 3 StR 200/99, BGHR StPO § 341 Wirksamkeit 1, und vom – 2 StR 405/11, NStZ-RR 2012, 118).

5Eine Rückgabe der Akten an das Landgericht zur Ergänzung der Urteilsgründe kommt nicht in Betracht. In der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist zwar anerkannt, dass in besonders gelagerten, der Wiedereinsetzung ähnlichen Fällen in entsprechender Anwendung des § 267 Abs. 4 Satz 4 StPO die Urteilsgründe ergänzt werden können, wenn das Landgericht bei Abfassung des abgekürzten Urteils bei der ihm vorliegenden Aktenlage ohne weiteres von der Anwendbarkeit des § 267 Abs. 4 Satz 1 StPO ausgehen durfte (vgl. BGH, Beschlüsse vom – 5 StR 114/08, BGHR StPO § 267 Abs. 4 Ergänzung 2, und vom – 2 StR 405/11, NStZ-RR 2012, 118; Meyer-Goßner, aaO, § 267 Rn. 30). Die sich nach § 275 Abs. 1 Satz 2 StPO bestimmende Frist für eine solche Ergänzung der Urteilsgründe ist jedoch vorliegend bereits verstrichen, weil die Frist mit der Kenntnis der Strafkammer von dem Versehen zu laufen begonnen hat, hier also am .

6Der neue Tatrichter wird bei einer eventuell wiederum gebotenen Prüfung von § 213 StGB, 2. Alt. i.V.m. § 21 StGB zu beachten haben, dass dem Angeklagten die von § 21 StGB mitgeprägte Handlungsintensität nicht uneingeschränkt anzulasten ist.

Basdorf                             Raum                          Schaal

                      Dölp                                 Bellay

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MAAAE-22477