§ 19 Abs. 1 ErbStG a.F. weiterhin auf eine im Jahr 2000 ausgeführte gemischte Schenkung anwendbar; Anspruch auf rechtliches Gehör; vom BVerfG angeordnete Weitergeltung des ErbStG a.F. für die Gerichte und Behörden nach § 31 BVerfGG verbindlich
Gesetze: FGO § 96 Abs. 2, FGO § 115 Abs. 2 Nr. 3, FGO § 116 Abs. 3, FGO § 119 Nr. 3, GG Art. 3 Abs. 1, GG Art. 19 Abs. 4, GG Art. 103 Abs. 1, ErbStG § 19 Abs. 1, BVerfGG § 31
Instanzenzug:
Gründe
1 Die Beschwerde hat keinen Erfolg.
2 1. Der vom Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) gerügte Verfahrensmangel (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 i.V.m. § 119 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung —FGO—), das Finanzgericht (FG) habe seinen Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes —GG—, § 96 Abs. 2 FGO) verletzt, liegt nicht vor.
3 a) Der Anspruch auf rechtliches Gehör verpflichtet das Gericht, wesentliches Vorbringen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Er verpflichtet das Gericht jedoch nicht, sich mit sämtlichen Ausführungen der Beteiligten in den Urteilsgründen ausdrücklich auseinanderzusetzen. Vielmehr ist grundsätzlich davon auszugehen, dass das Gericht das wesentliche Vorbringen der Beteiligten in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen hat (ständige Rechtsprechung, vgl. , BFH/NV 2012, 1331). Ein Verstoß gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs ist erst dann gegeben, wenn im Einzelfall aus den Urteilsgründen deutlich erkennbar ist, dass das Gericht wesentliche Ausführungen eines Beteiligten entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder doch bei seiner Entscheidung ersichtlich nicht in Erwägung gezogen hat (, BVerfGE 65, 293; , BFH/NV 2008, 740).
4 b) Im Streitfall hat das FG im angefochtenen Urteil unter Bezugnahme auf den (BVerfGE 117, 1) ausführlich begründet, dass auf die im Jahr 2000 ausgeführte gemischte Schenkung weiterhin die mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar erklärte Norm des § 19 Abs. 1 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes vom i.d.F. der Bekanntmachung vom (ErbStG a.F.) anwendbar ist. Das BVerfG hat die Weitergeltung des (damals) geltenden Erbschaftsteuerrechts bis zu einer Neuregelung für erforderlich gehalten, um für die Übergangszeit einen Zustand der Rechtsunsicherheit zu vermeiden (vgl. BVerfG-Beschluss in BVerfGE 117, 1, unter D.II.). Ein Eingehen des FG auf den vom Kläger schriftsätzlich benannten (BVerfGE 126, 268), in dem das BVerfG den Gesetzgeber zu einer rückwirkenden Neuregelung von einkommensteuerrechtlichen Vorschriften auf den verpflichtet hat, war nicht erforderlich. Diese Entscheidung ist für den Streitfall nicht maßgeblich.
5 Das FG konnte auch ohne gesonderte Begründung im Urteil davon ausgehen, dass die gegen den Kläger ergangenen Schenkungsteuerbescheide in Gestalt der Einspruchsentscheidungen vom , die Zuwendungen im Jahr 2000 betreffen, in der Zeit ab weiterhin wirksam sind. Dies ist eine notwendige Folge der vom BVerfG angeordneten Weitergeltung des ErbStG a.F.
6 c) Der Kläger kann auch nicht mit Erfolg rügen, das FG habe in anderen Fällen den Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt. Denn es ist nicht ersichtlich, inwiefern dadurch beim Kläger eine Rechtsverletzung eingetreten ist.
7 2. Eine Verletzung des Anspruchs des Klägers auf effektiven Rechtsschutz (Art. 19 Abs. 4 GG) ist ebenfalls nicht gegeben.
8 Aus dem Grundrecht auf effektiven Rechtsschutz folgt zwar ein Anspruch des Bürgers auf eine möglichst wirksame gerichtliche Kontrolle des angegriffenen Hoheitsaktes (vgl. , BVerfGE 129, 1). Das FG war aber ebenso wie der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt) an den BVerfG-Beschluss in BVerfGE 117, 1 und die darin angeordnete Weitergeltung des ErbStG a.F. gebunden. Diese Weitergeltungsregelung ist für die Gerichte und Behörden nach § 31 des Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht verbindlich. Für die Überprüfung einer solchen Entscheidung durch die Fachgerichte gibt es keine verfahrensrechtliche Handhabe (vgl. , BFH/NV 2011, 441). Ein ausdrücklicher Hinweis im angefochtenen Urteil auf diese Bindung und die sich daraus ergebende Folge, dass die Einwendungen des Klägers hinsichtlich der Anwendung des ErbStG a.F. nicht beachtlich sind, war entbehrlich.
9 3. Soweit der Kläger erstmals im Schriftsatz vom als weiteren Grund für die Zulassung der Revision eine Divergenz gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO rügt, war zu diesem Zeitpunkt die höchstens dreimonatige Beschwerdebegründungsfrist des § 116 Abs. 3 Sätze 1 und 4 FGO bereits abgelaufen. Nach Ablauf der Begründungsfrist können neue Zulassungsgründe nicht mehr nachgeschoben werden (, BFH/NV 2011, 1182, m.w.N.).
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2013 S. 42 Nr. 1
JAAAE-22183