Markenverletzung: Begriff der Produktfälschung; Ansprüche über die konkret festgestellte Verletzungshandlung hinaus bei Wiederholungsgefahr
Gesetze: § 14 Abs 2 Nr 1 MarkenG, § 14 Abs 5 MarkenG, § 14 Abs 6 MarkenG, § 19 MarkenG, Art 2 Abs 1 Buchst a Nr i EGV 1383/2003
Instanzenzug: Az: 29 U 2256/10vorgehend LG München I Az: 9 HKO 15946/07
Gründe
1I. Die Klägerin ist Inhaberin der deutschen Marken Nr. 966 824 „PUMA“, Nr. 2 055 403, die einen springenden Puma zeigt, Nr. 2 001 632 „PUMA mit einer springenden Raubkatze“ und Nr. 2 011 596 mit dem Abbild eines Streifens an einem Schuh.
2Die Beklagte zu 2, deren Verwaltungsratspräsident der Beklagte zu 3 ist, lieferte dem Beklagten zu 1 PUMA-Schuhe des Modells „Future Cat“, die mit den Marken der Klägerin gekennzeichnet waren. Einen Teil der Ware lieferte der Beklagte zu 1 im Frühjahr 2007 an die W. & Co. GmbH.
3Die Klägerin hat behauptet, ein Teil der an die W. & Co. GmbH gelieferten PUMA-Schuhe seien Fälschungen. Sie hat die Beklagten auf Unterlassung des Vertriebs von mit den Klagemarken versehenen Schuhen, wie sie insbesondere im Klageantrag zu I a bis c abgebildet sind, in Anspruch genommen, soweit es sich nicht um originale Schuhe der Klägerin bzw. von der Klägerin lizenzierte Produkte handelt. Sie hat weiter die Erteilung von Auskünften, die Feststellung der Schadensersatzverpflichtung sowie die Herausgabe zur Vernichtung der im Unterlassungsantrag bezeichneten und im Besitz der Beklagten befindlichen Schuhe begehrt. Hilfsweise hat die Klägerin ihr Klagebegehren auf eine mangelnde Erschöpfung ihrer Rechte aus den Klagemarken gestützt.
4Das Landgericht hat der Klage mit den Hauptanträgen stattgegeben. Die Berufung der Beklagten ist ohne Erfolg geblieben. Dagegen wendet sich die Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten, deren Zurückweisung die Klägerin beantragt. Mit der Revision möchten die Beklagten ihren Antrag auf Abweisung der Klage weiterverfolgen.
5II. Das Berufungsgericht hat angenommen, der Verbotsantrag sei hinreichend bestimmt im Sinne von § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Die Klageanträge seien gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 5 Satz 1 und Abs. 6 Satz 1, § 18 Abs. 1 Satz 1, § 19 Abs. 1 und 3 MarkenG, § 242 BGB begründet. Die in der Anlage K 59 d vorgelegten Schuhe, die von der Beklagten zu 2 an den Beklagten zu 1 und von diesem an die W. & Co. GmbH geliefert worden seien, seien Produktfälschungen. Die Schuhe der Anlage K 59 d entsprächen den im Klageantrag und in der landgerichtlichen Urteilsformel unter I a abgebildeten Schuhen. Auch die in der landgerichtlichen Urteilsformel unter I b und c abgebildeten Schuhe seien Fälschungen.
6III. Die gegen die Nichtzulassung der Revision gerichtete Beschwerde der Beklagten hat keinen Erfolg.
71. Die Beschwerde macht ohne Erfolg geltend, die Revision sei zur Sicherung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung und zur Fortbildung des Rechts zuzulassen, weil das Berufungsurteil hinsichtlich der Zulässigkeit der Klageanträge symptomatische Rechtsfehler aufweise und das Berufungsgericht gegen das Verschlechterungsverbot verstoßen habe.
8a) Der Unterlassungsantrag der Klägerin und das entsprechende Verbot sind unter Berücksichtigung der Klagebegründung, die zur Auslegung des Klageantrags und der Urteilsformel heranzuziehen ist (vgl. , GRUR 2011, 152 Rn. 25 = WRP 2011, 223 - Kinderhochstühle im Internet), hinreichend bestimmt (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO). Das mit dem Hauptantrag verfolgte Klagebegehren ist gegen den Vertrieb gefälschter PUMA-Schuhe gerichtet. Erst mit dem Hilfsantrag wendet sich die Klägerin gegen den Vertrieb von Markenwaren, bei denen die Voraussetzungen der Erschöpfung nach § 24 MarkenG nicht vorliegen.
9aa) Entgegen der Ansicht der Nichtzulassungsbeschwerde ist die Wendung im Unterlassungsantrag „soweit es sich nicht um originale Schuhe der Klägerin bzw. von der Klägerin lizenzierte Produkte handelt“ ausreichend bestimmt. Die Klägerin bringt mit dieser Formulierung zum Ausdruck, dass sie sich gegen den Vertrieb von Produktfälschungen wendet. Produktfälschungen sind nachgeahmte Waren im Sinne von Art. 2 Abs. 1 Buchst. a Ziff. i der Verordnung (EG) Nr. 1383/2003 des Rates vom (Grenzbeschlagnahmeverordnung). Auf diesen Waren sind ohne Zustimmung des Markeninhabers Zeichen angebracht, die mit der Marke identisch oder in ihren wesentlichen Merkmalen von ihr nicht zu unterscheiden sind. Originalmarkenwaren sind dagegen solche Waren, bei denen die Marke vom Markeninhaber oder mit seiner Zustimmung an der Ware angebracht worden ist (vgl. , GRUR 2012, 626 Rn. 21 = WRP 2012, 819 - CONVERSE I).
10bb) Durch den Unterlassungshauptantrag und den Verbotsausspruch nicht erfasst werden Fälle, in denen mit den Klagemarken gekennzeichnete Schuhe von der Klägerin oder einem ihrer Lizenznehmer in den Verkehr gebracht werden, ohne dass es auf die Frage ankommt, ob hinsichtlich dieser Schuhe die Voraussetzungen der Erschöpfung nach § 24 MarkenG vorliegen. Ein Verbot wegen mangelnder Erschöpfung im Sinne von § 24 MarkenG hat die Klägerin erst mit den Hilfsanträgen aufgegriffen, über die das Landgericht und das Berufungsgericht zu Recht nicht entschieden haben.
11An diesem Ergebnis ändern auch die Ausführungen des Berufungsgerichts zur Verbotseinschränkung durch die hier in Rede stehende Passage des Unterlassungsantrags („soweit es sich nicht um originale Schuhe der Klägerin bzw. von der Klägerin lizenzierte Produkte handelt“) nichts. An dieser Stelle fehlt im Berufungsurteil offensichtlich das Wort „nicht“ (BU S. 8 letzter Absatz Satz 2). Zutreffend muss es dort nach dem Gesamtzusammenhang heißen „Vom Verbot nicht erfasst werden Schuhe, die entweder von der Klägerin selbst oder einem ihrer Lizenznehmer in den Verkehr gebracht worden sind“.
12cc) Werden danach von dem Verbotsausspruch nur Produktfälschungen erfasst und spielt der Ort des Inverkehrbringens innerhalb oder außerhalb des Europäischen Wirtschaftsraums für die Frage, ob von den Beklagten vertriebene Waren unter den Verbotstenor fallen, keine Rolle, geht auch die weitere Rüge der Nichtzulassungsbeschwerde ins Leere, das Berufungsgericht habe unter Verstoß gegen § 528 ZPO das landgerichtliche Urteil zum Nachteil der Beklagten abgeändert. Der Verbotstenor erfasst - auch unter Berücksichtigung der zweitinstanzlichen Urteilsgründe - keine Originalmarkenwaren, bei denen die Voraussetzungen des § 24 MarkenG nicht vorliegen. Anders als die Nichtzulassungsbeschwerde meint, werden dagegen von dem Verbot Schuhe erfasst, die nicht aus der Produktion der Klägerin stammen und von ihr nicht lizenziert worden sind.
13b) Die Nichtzulassungsbeschwerde macht ohne Erfolg geltend, die Verurteilung nach den Klageanträgen III bis V (Auskunftserteilung, Feststellung der Schadensersatzverpflichtung, Herausgabe zum Zwecke der Vernichtung) sei unbestimmt, weil die Urteilsformel einen unzulässigen Bezug auf den allgemein gefassten Unterlassungsausspruch enthalte.
14Ansprüche auf Unterlassung, Auskunftserteilung und Schadensersatz können - soweit Wiederholungsgefahr gegeben ist - über die konkret festgestellte Verletzungshandlung hinaus für solche Handlungen gegeben sein, in denen das Charakteristische der Verletzungshandlung zum Ausdruck kommt (vgl. , GRUR 2012, 630 Rn. 19 = WRP 2012, 824 - CONVERSE II).
15Innerhalb des Rahmens zulässiger Verallgemeinerungen hält sich die Urteilsformel nach den Klageanträgen zu III bis V. Soweit sich die Beschwerde dagegen für ihre gegenteilige Ansicht auf die Senatsentscheidung „Filialleiterfehler“ (, GRUR 2000, 907, 910 = WRP 2000, 1258) beruft, ist dort lediglich ausgeführt, dass die Annexansprüche im Umfang zulässiger Verallgemeinerung nicht bestehen, soweit der Unterlassungsantrag nur unter dem Gesichtspunkt der Erstbegehungsgefahr begründet ist. Im vorliegenden Fall besteht für die Verletzungshandlungen dagegen Wiederholungsgefahr, weil die Beklagten mit dem Vertrieb der Schuhe der Anlage K 59 d Markenfälschungen in den Verkehr gebracht haben.
162. Die Beschwerde macht weiter geltend, die Revision sei zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zuzulassen, weil das Berufungsgericht bei der Annahme, die im Unterlassungsantrag zu I b und c dargestellten Schuhe stammten aus der Lieferung des Beklagten zu 1 an die W. & Co. GmbH das rechtliche Gehör der Beklagten verletzt habe. Anders als vom Berufungsgericht angenommen, lägen konkrete Anhaltspunkte vor, dass es bei der Überprüfung in China zu einer Verwechselung der Schuhe gekommen sei. Zudem habe das Landgericht eine vom Berufungsgericht abweichende Ansicht zur Herkunft der Schuhe, wie sie in dem Unterlassungsantrag zu I b und c abgebildet seien, vertreten. Das Berufungsgericht sei daher verpflichtet gewesen, die Beklagten auf seine vom Landgericht abweichende Ansicht hinzuweisen. Das verhilft der Beschwerde nicht zum Erfolg.
17Anders als vom Berufungsgericht angenommen, bedarf es keiner Feststellungen, ob die im Insbesondere-Teil des Unterlassungsgebots (I b und c) dargestellten Schuhe Fälschungen sind. Auf diese Frage kommt es für die Verurteilung nach den Klageanträgen nicht an. Vorliegend steht fest, dass die Schuhe der Anlage K 59 d Produktfälschungen sind. Die daraus folgende Wiederholungsgefahr für den Vertrieb weiterer Produktfälschungen ist nicht auf das Schuhmodell der Anlage K 59 d beschränkt, sondern erfasst auch die in dem Unterlassungsantrag unter I b und c abgebildeten Schuhe. Erkennbare Unterschiede bestehen zwischen den unter I a bis c abgebildeten Schuhen nur hinsichtlich der Art und der Farbe des Obermaterials und der Sohle. Das Charakteristische der Verallgemeinerung bleibt von der konkreten Ausgestaltung der in Rede stehenden Schuhe unberührt.
183. Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 544 Abs. 4 Satz 2 Halbs. 2 ZPO abgesehen.
19IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1, § 100 Abs. 1, § 101 Abs. 1 Halbs. 2 ZPO.
Bornkamm Pokrant Büscher
Schaffert Koch
Fundstelle(n):
CAAAE-18997