BGH Beschluss v. - 2 StR 137/12

Konkurrenzverhältnis zwischen veruntreuender Unterschlagung und gewerbsmäßiger Untreue

Leitsatz

Veruntreuende Unterschlagung tritt aufgrund formeller Subsidiarität hinter gewerbsmäßig begangener Untreue zurück.

Gesetze: § 246 Abs 1 StGB, § 246 Abs 2 StGB, § 263 Abs 3 S 2 Nr 1 StGB, § 266 Abs 2 StGB

Instanzenzug: LG Meiningen Az: 374 Js 2999/09 - 1 Ks

Gründe

1Das Landgericht hat die Angeklagte wegen Untreue in Tateinheit mit veruntreuender Unterschlagung in 130 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt und den Verfall von Wertersatz in Höhe von 288.330,63 Euro angeordnet. Dagegen richtet sich die auf Verfahrensrügen und die Sachbeschwerde gestützte Revision der Angeklagten. Das Rechtsmittel führt zu einer Änderung des Schuldspruchs dahin, dass die Verurteilung wegen tateinheitlich begangener veruntreuender Unterschlagung entfällt. Im Übrigen ist es aus den vom Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift vom genannten Gründen unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

2Der Erörterung bedarf nur Folgendes:

3Der Verurteilung liegt die Feststellung zu Grunde, dass die Angeklagte unter Manipulation von Kassenbelegen und Fälschung von Postquittungen für angebliche Portokosten im Tatzeitraum von August 2004 bis Ende 2007 aus der von ihr alleine verwalteten Handkasse des I.          der W.         M.     durch 130 Handlungen insgesamt 288.330,63 Euro für eigene Zwecke entnommen hat. Dies hat das Landgericht jeweils als - gewerbsmäßig begangene - Untreue (§§ 266, 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 StGB) in Tateinheit mit veruntreuender Unterschlagung bewertet.

4Diese Konkurrenzbewertung begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Veruntreuende Unterschlagung tritt dann, wenn der Täter der zugleich erfüllten Untreue von Anfang an auch mit Zueignungsabsicht hinsichtlich der veruntreuten Sache gehandelt hat, auf der Konkurrenzebene (vgl. LK/Vogel, StGB, 12. Aufl. 2010, § 246 Rn. 71) aufgrund formeller Subsidiarität hinter den durch dieselbe Handlung erfüllten Tatbestand der Untreue zurück (vgl. Lackner/Kühl, StGB, 27. Aufl. 2011, § 246 Rn. 23).

5§ 246 Abs. 1 StGB in der Fassung des 6. Strafrechtsreformgesetzes greift nach seinem zweiten Halbsatz nur ein, wenn die Tat nicht in anderen Vorschriften mit schwererer Strafe bedroht ist. Dies gilt nach der Rechtsprechung für ein Zusammentreffen der Unterschlagung mit allen Delikten, für die das Gesetz eine höhere Strafdrohung vorsieht (, BGHSt 47, 243, 244; krit. Fischer, StGB, 59. Aufl. 2012, § 246 Rn. 23a). Es besteht - unbeschadet der Platzierung in Absatz 1 (LK/Vogel aaO) - schon nach dem Wortlaut des Gesetzes (vgl. zur weiten Wortlautauslegung , BGHSt 43, 237, 238 f.) kein Grund zu der Annahme, dass die Subsidiaritätsklausel im Fall einer nach § 246 Abs. 2 StGB qualifizierten Unterschlagung keine Geltung mehr beanspruchen soll. § 246 Abs. 2 StGB nimmt auch insoweit auf Absatz 1 der Norm Bezug. Vorausgesetzt wird dann allerdings, dass die konkurrierende Norm auch eine höhere Strafdrohung vorsieht als der qualifizierte Unterschlagungstatbestand (zum Vergleichsmaßstab bei § 125 Abs. 1 StGB ). Dies ist hier der Fall.

6Für die Frage, ob eine schwerere Strafdrohung vorliegt, kommt es auf den im Einzelfall anwendbaren Strafrahmen an, einschließlich eines Sonderstrafrahmens für besonders schwere Fälle des konkurrierenden Straftatbestands (Maurach/Schroeder/Maiwald, Strafrecht Besonderer Teil, Teilband 1, 10. Aufl. 2009, § 34 Rn. 41; LK/Vogel aaO). Eine schwerere Strafdrohung liegt demnach hier vor, weil der besonders schwere Fall der - gewerbsmäßig begangenen - Untreue gemäß § 266 Abs. 2 StGB in Verbindung mit § 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 StGB eine Strafobergrenze bei Freiheitsstrafe bis zu zehn Jahren vorsieht, also mehr als § 246 Abs. 2 StGB mit seiner Strafobergrenze bei Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren. Auch liegt eine erhöhte Mindeststrafe vor.

7Der Senat ändert den Schuldspruch dahin ab, dass die Verurteilung wegen veruntreuender Unterschlagung entfällt. § 265 Abs. 1 StPO steht dem nicht entgegen, weil sich die Angeklagte insoweit nicht anders als geschehen hätte verteidigen können.

8Die Änderung des Schuldspruchs zwingt nicht zur Aufhebung des Strafausspruchs. Dabei kommt es im vorliegenden Fall nicht darauf an, ob der Unrechtsgehalt der wegen Gesetzeseinheit zurücktretenden Strafnorm weiterhin strafschärfend berücksichtigt werden kann, sofern diese gegenüber dem Tatbestand des angewandten Gesetzes selbständiges Unrecht enthält (vgl. Senat, Beschluss vom - 2 StR 477/02; ; Fischer, aaO Vor § 52 Rn. 45; LK/Rissing-van Saan, StGB, 12. Aufl. 2006, Vor § 52 Rn. 139; krit. SSW/Eschelbach, StGB, 2010, § 52 Rn. 28 f.; NK/Puppe, StGB, 3. Aufl. 2010, Vor § 52 Rn. 50). Ob eigenständiges Unrecht der veruntreuenden Unterschlagung gegenüber Untreue anzunehmen ist, erscheint zumindest zweifelhaft (abl. Apfel, Die Subsidiaritätsklausel der Unterschlagung, 2006, S. 133 f.). Der Senat schließt jedenfalls aus, dass das Landgericht zu anderen Einzelstrafen und einer milderen Gesamtstrafe gelangt wäre, wenn es den Wegfall der veruntreuenden Unterschlagung berücksichtigt hätte. Es hat die von ihm angenommene Idealkonkurrenz zweier Straftatbestände weder bei der Strafrahmenwahl noch bei der Strafbemessung berücksichtigt.

Ernemann                                               Fischer                                            Appl

                           Eschelbach                                                Ott

Fundstelle(n):
NJW 2012 S. 3046 Nr. 41
NJW 2012 S. 8 Nr. 39
wistra 2012 S. 437 Nr. 11
AAAAE-17203