Betäubungsmittelhandel: Abgrenzung zwischen Mittäterschaft und Beihilfe bei Vermittlung von Rauschgiftgeschäften
Gesetze: § 29 BtMG, §§ 29ff BtMG, § 25 Abs 2 StGB, § 27 StGB
Instanzenzug: LG Bückeburg Az: 4 KLs 303 Js 9180/11 (15/11)
Gründe
1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unter Einbeziehung der Strafe aus einer Vorverurteilung zu einer Gesamtstrafe von einem Jahr und neun Monaten sowie wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in drei Fällen, davon einmal in Tateinheit mit Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, zu einer weiteren Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Die hiergegen gerichtete Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge Erfolg.
2Der Schuldspruch hält in allen vier Fällen sachlichrechtlicher Nachprüfung nicht stand.
31. Nach den Feststellungen verfügte der Angeklagte über Kontakte zu potentiellen Lieferanten von Rauschgift in den Niederlanden. Er vermittelte in vier Fällen Rauschgiftgeschäfte über große Mengen Marihuana zwischen ihm bekannten Erwerbern und Verkäufern. In zwei Fällen war ihm hierfür ein Festbetrag von 200 bzw. 1.000 € als Provision versprochen worden. In den anderen beiden Fällen handelte er, weil er sich als jemand bekannt machen wollte, der Betäubungsmittelgeschäfte zu vermitteln in der Lage ist, um an künftigen weiteren zu vermittelnden Geschäften finanziell partizipieren zu können. Der Angeklagte war jeweils bei der Abwicklung des Kaufs anwesend; teilweise nahm er den Kaufpreis entgegen und leitete das Geld weiter.
42. Diese Feststellungen belegen nicht, dass der Angeklagte jeweils täterschaftlich Handel mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge trieb.
5a) Ob die Beteiligung an unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln als Mittäterschaft oder Beihilfe zu werten ist, beurteilt sich nach den allgemeinen Grundsätzen über die Abgrenzung zwischen diesen Beteiligungsformen. Mittäter ist, wer nicht nur fremdes Tun fördert, sondern einen eigenen Tatbeitrag derart in eine gemeinschaftliche Tat einfügt, dass sein Beitrag als Teil der Tätigkeit des anderen und umgekehrt dessen Tun als Ergänzung seines eigenen Tatanteils erscheint. Ob ein Beteiligter ein so enges Verhältnis zur Tat hat, ist nach den gesamten Umständen, die von seiner Vorstellung umfasst sind, in wertender Betrachtung zu beurteilen. Wesentliche Anhaltspunkte können der Grad des eigenen Interesses am Taterfolg, der Umfang der Tatbeteiligung und die Tatherrschaft oder wenigstens der Wille zur Tatherrschaft sein. Diese Grundsätze gelten auch für denjenigen, der ein Betäubungsmittelgeschäft vermittelt (, BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Handeltreiben 75 mwN).
6b) Nach diesem Maßstab rechtfertigen die bisherigen Feststellungen nur die Annahme jeweils einer Beihilfe des Angeklagten zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge. Er vermittelte und begleitete lediglich fremde Umsatzgeschäfte. Einen eigenen Einfluss auf die angefragten Mengen, deren Preise sowie deren jeweiligen Weiterverkauf hatte er nicht. Für seine Mitwirkung war ihm in zwei Fällen ein vor dem Hintergrund der Menge und des Verkaufswerts des gehandelten Rauschgifts vergleichsweise geringer Festbetrag als Entlohnung zugesagt worden. In den weiteren zwei Fällen handelte er lediglich in der Aussicht auf eine mögliche Beteiligung an weiteren, in jeder Hinsicht noch völlig unbestimmten Rauschgiftverkäufen, so dass die Voraussetzungen für ein täterschaftliches Handeltreiben mit Blick auf die hierfür erforderliche Eigennützigkeit (vgl. Weber, BtMG, 3. Aufl., § 29 Rn. 286 ff. mwN) erst recht nicht hinreichend belegt sind. Das landgerichtliche Urteil enthält auch keine Feststellungen zu anlässlich der Übergaben des Rauschgifts vorgenommenen, ausreichend gewichtigen Aktivitäten des Angeklagten, die seine Täterschaft begründen könnten.
73. Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat ergänzend auf Folgendes hin:
8a) Insbesondere weil die Vollstreckung der durch das Urteil des Amtsgerichts Osnabrück vom verhängten Strafe zur Bewährung ausgesetzt worden war, versteht es sich nicht ohne Weiteres von selbst, dass die grundsätzlich bei der Bildung einer nachträglichen Gesamtstrafe gemäß § 55 StGB gebotene Anwendung des Grundsatzes "in dubio pro reo" im vorliegenden Fall dazu führt davon auszugehen, der Angeklagte habe die erste Tat vor dem genannten Urteil begangen.
9b) Sollte das neue Tatgericht gleichwohl insoweit erneut eine nachträgliche Gesamtstrafe bilden, wird es zu beachten haben, dass die geleisteten 120 Stunden gemeinnützige Arbeit nicht nur allgemein strafmildernd zu berücksichtigen, sondern gemäß § 58 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 56f Abs. 3 StGB auf die neue Strafe anzurechnen sind.
Becker Pfister Schäfer
Mayer Gericke
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
Fundstelle(n):
WAAAE-16494