EuGH Urteil v. - C-378/10

Ungarisches Umwandlungsverbot europarechtswidrig

Leitsatz

1. Die Art. 49 AEUV und 54 AEUV sind dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung entgegenstehen, die zwar für inländische Gesellschaften die Möglichkeit einer Umwandlung vorsieht, aber die Umwandlung einer dem Recht eines anderen Mitgliedstaats unterliegenden Gesellschaft in eine inländische Gesellschaft mittels Gründung der letztgenannten Gesellschaft generell nicht zulässt.

2. Die Art. 49 AEUV und 54 AEUV sind im Kontext einer grenzüberschreitenden Umwandlung einer Gesellschaft dahin auszulegen, dass der Aufnahmemitgliedstaat befugt ist, das für einen solchen Vorgang maßgebende innerstaatliche Recht festzulegen und somit die Bestimmungen seines nationalen Rechts über innerstaatliche Umwandlungen anzuwenden, die - wie die Anforderungen an die Erstellung einer Bilanz und eines Vermögensverzeichnisses - die Gründung und die Funktionsweise einer Gesellschaft regeln. Der Äquivalenzgrundsatz und der Effektivitätsgrundsatz verwehren es jedoch dem Aufnahmemitgliedstaat,

- bei grenzüberschreitenden Umwandlungen die Eintragung der die Umwandlung beantragenden Gesellschaft als "Rechtsvorgängerin" zu verweigern, wenn eine solche Eintragung der Vorgängergesellschaft im Handelsregister bei innerstaatlichen Umwandlungen vorgesehen ist, und

- sich zu weigern, den von den Behörden des Herkunftsmitgliedstaats ausgestellten Dokumenten im Verfahren zur Eintragung der Gesellschaft gebührend Rechnung zu tragen.

Entscheidungsgründe:

1Das Vorabentscheidungsersuchen, das die Auslegung der Art. 49 AEUV und 54 AEUV betrifft, ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits über die grenzüberschreitende Umwandlung einer Gesellschaft italienischen Rechts in eine Gesellschaft ungarischen Rechts.

Rechtlicher Rahmen

Nationales Recht

2Das Gesetz Nr. V von 2006 über die Firmenpublizität, das handelsgerichtliche Verfahren und die Liquidation (A cégnyilvánosságról, a bírósági cégeljárásról és a végelszámolásról szóló 2006. évi V. törvény) bestimmt in § 25:

"(1) Das Handelsregister beinhaltet nach Bedarf, bei allen Firmen,

...

g) den Firmennamen und die Handelsregisternummer des (der) Rechtsvorgänger(s) bzw. des (der) Rechtsnachfolger(s) bzw. bei einer diesbezüglichen Entscheidung der Firma den durch die Firma festgelegten Zeitpunkt der Umwandlung,

..."

3§ 57 Abs. 4 dieses Gesetzes bestimmt:

"Über die Änderung der Unternehmensform entscheidet das Handelsregistergericht am Sitz der Rechtsvorgänger-Firma. Das Handelsregistergericht löscht die Rechtsvorgänger-Firma - unter Verweis auf den Rechtsnachfolger - und trägt gleichzeitig die Rechtsnachfolger-Firma ins Handelsregister ein. Danach ordnet es gegebenenfalls die Übermittlung der Firmendokumente an das nach dem Sitz der Rechtsnachfolger-Firma zuständige Handelsregistergericht an."

4Das Gesetz Nr. IV von 2006 über die Handelsgesellschaften (A gazdasági társaságokról szóló 2006. évi IV. törvény, im Folgenden: Gesetz über die Handelsgesellschaften) sieht in § 69 Abs. 1 vor:

"Soweit in diesem Gesetz nichts Abweichendes bestimmt ist, gelten für die Umwandlung einer Handelsgesellschaft in eine andere Handelsgesellschaft die Vorschriften über die Gründung der Handelsgesellschaft. Ferner gelten für die Umwandlung die in diesem Gesetz für die verschiedenen Gesellschaftsformen jeweils vorgesehenen Umwandlungsvorschriften."

5§ 71 dieses Gesetzes bestimmt:

"(1) Das oberste Organ der Handelsgesellschaft entscheidet - in Ermangelung einer abweichenden Bestimmung des Gesellschaftsvertrags - in zwei Schritten über die Umwandlung. ...

(2) ... [D]as ... Organ ... stellt ... als Erstes auf der Grundlage einer vom Aufsichtsrat - wenn die Gesellschaft einen Aufsichtsrat hat - begutachteten Vorlage der leitenden Repräsentanten fest, ob die Gesellschafter (Aktionäre) der Handelsgesellschaft mit der Absicht der Umwandlung einverstanden sind; es entscheidet des Weiteren, in welche Gesellschaftsform die Handelsgesellschaft umgewandelt werden soll, und erfasst im Voraus, wer von den Gesellschaftern (Aktionären) der Handelsgesellschaft zum Gesellschafter (Aktionär) der Rechtsnachfolger-Gesellschaft werden möchte.

(3) Wenn die Gesellschafter (Aktionäre) mit der Absicht der Umwandlung - in dem bei der betreffenden Handelsgesellschaft vorgeschriebenen Stimmenverhältnis - einverstanden sind, legt das oberste Organ den Stichtag der Vermögensbilanzentwürfe fest, entscheidet über die Person des Wirtschaftsprüfers und beauftragt die leitenden Repräsentanten der Gesellschaft mit der Erstellung der Vermögensbilanzentwürfe und der diese untermauernden Vermögensinventarentwürfe sowie der sonstigen - durch eine Rechtsnorm festgelegten oder vom obersten Organ vorgeschriebenen - Dokumente, die zur Entscheidungsfindung bezüglich der Umwandlung notwendig sind.

(4) Die leitenden Repräsentanten fertigen den Entwurf der Vermögensbilanz und den Entwurf des Vermögensinventars der sich umwandelnden Handelsgesellschaft, den Entwurf der (Eröffnungs-)Vermögensbilanz und den Entwurf des Vermögensinventars der Rechtsnachfolger-Gesellschaft, den Entwurf des Gesellschaftsvertrags der Rechtsnachfolger-Gesellschaft bzw. den Entwurf über die Art und Weise der Abrechnung mit den Personen an, die sich an der Rechtsnachfolger-Gesellschaft nicht als Gesellschafter (Aktionäre) beteiligen möchten.

..."

6§ 73 des Gesetzes über Handelsgesellschaften enthält Vorschriften über die Erstellung des Vermögensbilanzentwurfs und über seine Kontrolle durch unabhängige Wirtschaftsprüfer, und § 74 dieses Gesetzes betrifft die Annahme des Vermögensbilanzentwurfs durch die Gesellschaft und die Verteilung des Kapitals in der neuen Gesellschaft.

7Nach § 75 des Gesetzes über Handelsgesellschaften werden die Interessenvertretungsorgane der Arbeitnehmer der Handelsgesellschaft über die Entscheidung zur Umwandlung dieser Gesellschaft informiert, die darüber beim Firmenamtsblatt die Veröffentlichung einer Bekanntmachung, die insbesondere einen Aufruf an die Gläubiger enthält, in zwei aufeinanderfolgenden Nummern initiieren muss.

8Nach § 76 Abs. 2 dieses Gesetzes können die Gläubiger, deren noch nicht fällige Forderungen gegenüber der sich umwandelnden Gesellschaft vor der ersten Bekanntmachung der Entscheidung über die Umwandlung entstanden sind, von dieser Gesellschaft eine Sicherheit bis zur Höhe ihrer Forderungen verlangen.

Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

9Die VALE Costruzioni Srl (eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung italienischen Rechts, im Folgenden: VALE Costruzioni) wurde durch Gesellschaftsvertrag vom gegründet und am 16. November 2000 in das Handelsregister von Rom (Italien) eingetragen. Am 3. Februar 2006 beantragte sie unter Hinweis auf ihre Absicht, ihren Sitz und ihre Tätigkeit nach Ungarn zu verlegen und ihre Tätigkeit in Italien einzustellen, ihre Löschung im Handelsregister. Die zuständige Registerbehörde in Rom entsprach diesem Antrag und löschte die Gesellschaft am . Der Akte ist zu entnehmen, dass es im Register unter der Überschrift "Löschung und Sitzverlegung" heißt: "Die Gesellschaft hat ihren Sitz nach Ungarn verlegt."

10Da die ursprünglich in Italien nach italienischem Recht gegründete Gesellschaft beschlossen hatte, ihren Sitz nach Ungarn zu verlegen und dort nach ungarischem Recht tätig zu werden, schlossen der Geschäftsführer von VALE Costruzioni und eine weitere natürliche Person am in Rom den Gesellschaftsvertrag der VALE Építési kft (einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung ungarischen Rechts, im Folgenden: VALE Építési), um ihre Eintragung in das ungarische Handelsregister zu erwirken. Ferner wurde das nach ungarischem Recht für die Eintragung in das Handelsregister erforderliche Gesellschaftskapital eingezahlt.

11Am 19. Januar 2007 beantragte der Vertreter von VALE Építési beim ungarischen Fõvárosi Bíróság (Gerichtshof Budapest) als Cégbíróság (Handelsregistergericht) die Eintragung der Gesellschaft nach ungarischem Recht. In seinem Antrag gab er VALE Costruzioni als Rechtsvorgängerin von VALE Építési an.

12Der Fõvárosi Bíróság als Handelsregistergericht erster Instanz wies den Eintragungsantrag zurück. In zweiter Instanz bestätigte der von VALE Építési angerufene Fõvárosi Ítélõtábla (Bezirksgerichtshof Budapest) diesen Zurückweisungsbeschluss. Nach Ansicht dieses Gerichts kann eine in Italien gegründete und eingetragene Gesellschaft aufgrund der in Ungarn geltenden Rechtsvorschriften für Gesellschaften ihren Gesellschaftssitz nicht nach Ungarn verlegen und sich nicht in der beantragten Form eintragen lassen. Nach geltendem ungarischen Recht könnten in das Handelsregister nur die in den §§ 24 bis 29 des Gesetzes Nr. V von 2006 abschließend aufgeführten Angaben eingetragen werden, und daher könne eine nichtungarische Gesellschaft nicht als Rechtsvorgängerin eingetragen werden.

13VALE Építési legte eine Kassationsbeschwerde beim Legfelsõbb Bíróság (Oberster Gerichtshof) ein, um die Aufhebung des Zurückweisungsbeschlusses und ihre Eintragung in das Handelsregister zu erwirken. Sie macht geltend, der angefochtene Beschluss verletze die unmittelbar anwendbaren Bestimmungen der Art. 49 AEUV und 54 AEUV.

14Sie trägt hierzu vor, dieser Beschluss verkenne den grundlegenden Unterschied zwischen der grenzüberschreitenden Sitzverlegung einer Gesellschaft ohne Änderung des anwendbaren nationalen Rechts einerseits und der grenzüberschreitenden Umwandlung einer Gesellschaft andererseits. Der Gerichtshof habe aber in seinem Urteil vom , Cartesio (C-210/06, Slg. 2008, I-9641), diesen Unterschied eindeutig anerkannt.

15Das vorlegende Gericht bestätigte die Würdigung des Fõvárosi Ítélõtábla mit der Erwägung, dass die Verlegung des Sitzes einer Gesellschaft, die dem Recht eines anderen Mitgliedstaats - im konkreten Fall der Italienischen Republik - unterliege, zusammen mit einer Neugründung der Gesellschaft nach ungarischem Recht und dem Vermerk über ihren italienischen Gründer, wie von VALE Építési beantragt, nach ungarischem Recht nicht als Umwandlung vorgenommen werden könne, da die nationalen Vorschriften über Umwandlungen nur auf innerstaatliche Sachverhalte anwendbar seien. Es hat jedoch Zweifel an der Vereinbarkeit derartiger Rechtsvorschriften mit der Niederlassungsfreiheit, wobei es hervorhebt, dass sich der vorliegende Fall von der Rechtssache, die zum Urteil Cartesio geführt habe, insofern unterscheide, als es hier um die Verlegung des Sitzes einer Gesellschaft unter Auswechslung des anwendbaren nationalen Rechts und Beibehaltung der Rechtspersönlichkeit gehe, d. h. um eine grenzüberschreitende Umwandlung.

16Unter diesen Umständen hat der Legfelsõbb Bíróság das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1. Ist der Aufnahmemitgliedstaat in einem Fall, in dem eine in einem anderen Mitgliedstaat (Herkunftsmitgliedstaat) gegründete Gesellschaft ihren Sitz in den Aufnahmemitgliedstaat verlegt und zu diesem Zweck gleichzeitig ihre Löschung im Handelsregister des Herkunftsmitgliedstaats erwirkt, die Gesellschafter einen neuen Gesellschaftsvertrag nach dem Recht des Aufnahmemitgliedstaats schließen und die Gesellschaft ihre Eintragung in das Handelsregister des Aufnahmemitgliedstaats nach dem Recht dieses Staates beantragt, an die Art. 49 AEUV und 54 AEUV gebunden?

2. Falls Frage 1 zu bejahen ist: Sind in diesem Fall die Art. 49 AEUV und 54 AEUV dahin auszulegen, dass sie einer Regelung oder Praxis eines (Aufnahme-)Mitgliedstaats entgegenstehen, die verhindert, dass eine rechtmäßig in irgendeinem anderen (Herkunfts-)Mitgliedstaat gegründete Gesellschaft ihren Sitz in den Aufnahmemitgliedstaat verlegt und ihre Tätigkeit dort nach dem Recht dieses Staates fortsetzt?

3. Spielt es für die Beantwortung der zweiten Frage eine Rolle, aus welchem Grund der Aufnahmemitgliedstaat die Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister verweigert, konkret

- dass die Gesellschaft in dem im Aufnahmemitgliedstaat geschlossenen Gesellschaftsvertrag als Rechtsvorgängerin die im Herkunftsmitgliedstaat gegründete Gesellschaft anführt, die im Handelsregister gelöscht wurde, und die Eintragung dieser Gesellschaft als ihre Rechtsvorgängerin in das Handelsregister des Aufnahmemitgliedstaats beantragt?

- Muss im Fall einer grenzüberschreitenden innergemeinschaftlichen Umwandlung der Aufnahmemitgliedstaat bei der Entscheidung über den Antrag auf Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister die Eintragung der Sitzverlegung durch den Herkunftsmitgliedstaat in sein Handelsregister berücksichtigen? Wenn ja, in welchem Umfang?

4. Darf der Aufnahmemitgliedstaat bei der Entscheidung über den Antrag einer eine grenzüberschreitende innergemeinschaftliche Umwandlung durchführenden Gesellschaft auf Eintragung in das Handelsregister dieses Staates seine gesellschaftsrechtlichen Vorschriften über innerstaatliche Umwandlungen von Gesellschaften anwenden und von dieser Gesellschaft die Erfüllung sämtlicher Erfordernisse verlangen, die nach seinem Gesellschaftsrecht für innerstaatliche Umwandlungen vorgesehen sind (z. B. Erstellung einer Bilanz und eines Vermögensverzeichnisses), oder muss er vielmehr auf der Grundlage der Art. 49 AEUV und 54 AEUV zwischen grenzüberschreitenden innergemeinschaftlichen Umwandlungen einerseits und innerstaatlichen Umwandlungen andererseits differenzieren? Wenn ja, in welchem Umfang?

Zu den Vorlagefragen

Zur Zulässigkeit

17Die Regierung des Vereinigten Königreichs bezweifelt die Zulässigkeit des gesamten Vorabentscheidungsersuchens und macht geltend, die Vorlagefragen hätten hypothetischen Charakter. Diese Fragen beträfen nämlich einen Fall grenzüberschreitender Umwandlung, wohingegen auf der Grundlage des dem Vorlagebeschluss zu entnehmenden Sachverhalts davon ausgegangen werden müsse, dass der fragliche Vorgang einer solchen grenzüberschreitenden Umwandlung nicht entspreche. Nach Ansicht der EFTA-Überwachungsbehörde sind die dritte und die vierte Frage unzulässig, weil der rechtliche Rahmen nicht hinreichend detailliert dargelegt worden sei, um dem Gerichtshof eine zweckdienliche Antwort zu ermöglichen.

18Zur Prüfung der Zulässigkeit des Vorabentscheidungsersuchens insgesamt oder der dritten und der vierten Frage ist darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung eine Vermutung für die Entscheidungserheblichkeit der Fragen zur Auslegung des Unionsrechts spricht, die das nationale Gericht in dem rechtlichen und sachlichen Rahmen stellt, den es in eigener Verantwortung festlegt und dessen Richtigkeit der Gerichtshof nicht zu prüfen hat. Der Gerichtshof darf die Entscheidung über ein Ersuchen eines nationalen Gerichts nur dann verweigern, wenn die erbetene Auslegung des Unionsrechts offensichtlich in keinem Zusammenhang mit der Realität oder dem Gegenstand des Ausgangsrechtsstreits steht, wenn das Problem hypothetischer Natur ist oder wenn er nicht über die tatsächlichen und rechtlichen Angaben verfügt, die für eine zweckdienliche Beantwortung der ihm vorgelegten Fragen erforderlich sind (Urteil vom , Melki und Abdeli, C-188/10 und C-189/10, Slg. 2010, I-5667, Randnr. 27 und die dort angeführte Rechtsprechung).

19Im vorliegenden Fall betreffen die vorgelegten Fragen jedoch die Auslegung der Art. 49 AEUV und 54 AEUV in einem tatsächlichen Rechtsstreit über die Eintragung von VALE Építési in das Handelsregister. Außerdem erscheint die vom vorlegenden Gericht vorgenommene Einstufung des im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Vorgangs als grenzüberschreitende Umwandlung einer Gesellschaft nicht völlig fernliegend, da der Akte zu entnehmen ist, dass die zuständige Registerbehörde in Rom VALE Costruzioni gelöscht und im Register unter der Überschrift "Löschung und Sitzverlegung" vermerkt hat, dass die Gesellschaft "ihren Sitz nach Ungarn verlegt [hat]".

20Aus dem gleichen Grund ist es in Anbetracht der klaren Aufgabentrennung zwischen den nationalen Gerichten und dem Gerichtshof nicht Sache des Gerichtshofs, darüber zu entscheiden, ob VALE Costruzioni aufgrund ihrer Löschung im Handelsregister von Rom erloschen ist. Unter diesen Umständen kann nicht davon ausgegangen werden, dass die erbetene Auslegung in keinem Zusammenhang mit der Realität oder dem Gegenstand des Ausgangsrechtsstreits steht.

21Schließlich werden im Vorlagebeschluss der im Ausgangsverfahren in Rede stehende Sachverhalt und die einschlägigen nationalen Rechtsvorschriften hinreichend beschrieben, so dass es dem Gerichtshof möglich ist, den Sinn und die Tragweite der Vorlagefragen zu erfassen, um sie zweckdienlich zu beantworten.

22Daher sind das Vorabentscheidungsersuchen und seine verschiedenen Fragen als zulässig anzusehen.

Zur Beantwortung der Fragen

Zu den ersten beiden Fragen

23Mit den ersten beiden Fragen, die gemeinsam zu prüfen sind, möchte das vorlegende Gericht wissen, ob die Art. 49 AEUV und 54 AEUV dahin auszulegen sind, dass sie einer nationalen Regelung entgegenstehen, die zwar für inländische Gesellschaften die Möglichkeit einer Umwandlung vorsieht, aber die Umwandlung einer dem Recht eines anderen Mitgliedstaats unterliegenden Gesellschaft in eine inländische Gesellschaft mittels Gründung der letztgenannten Gesellschaft nicht zulässt.

- Zum Anwendungsbereich der Art. 49 AEUV und 54 AEUV

24Zu der Frage, ob eine solche Regelung in den Anwendungsbereich der Art. 49 AEUV und 54 AEUV fällt, ist darauf hinzuweisen, dass der Gerichtshof in Randnr. 19 des Urteils vom , SEVIC Systems (C-411/03, Slg. 2005, I-10805), entschieden hat, dass Umwandlungen von Gesellschaften grundsätzlich zu den wirtschaftlichen Tätigkeiten gehören, hinsichtlich deren die Mitgliedstaaten die Niederlassungsfreiheit beachten müssen.

25Die ungarische und die deutsche Regierung, Irland sowie die Regierung des Vereinigten Königreichs machen jedoch geltend, dass eine solche Regelung nicht in den Anwendungsbereich der Art. 49 AEUV und 54 AEUV falle, weil eine grenzüberschreitende Umwandlung im Gegensatz zu der grenzüberschreitenden Verschmelzung, um die es im Urteil SEVIC Systems gegangen sei, zur Gründung einer Gesellschaft im Aufnahmemitgliedstaat führe.

26Dem kann nicht gefolgt werden.

27Nach ständiger Rechtsprechung existiert zwar eine aufgrund einer nationalen Rechtsordnung gegründete Gesellschaft nur vermittels der nationalen Rechtsvorschriften, die für ihre Gründung und ihre Funktionsweise maßgebend sind (vgl. Urteile vom , Daily Mail and General Trust, 81/87, Slg. 1988, 5483, Randnr. 19, und Cartesio, Randnr. 104).

28Ebenso steht fest, dass - in Ermangelung einer einheitlichen unionsrechtlichen Definition der Gesellschaften, denen die Niederlassungsfreiheit zugutekommt, anhand eines einheitlichen Anknüpfungskriteriums, nach dem sich das auf eine Gesellschaft anwendbare Recht bestimmt - die Frage, ob Art. 49 AEUV auf eine Gesellschaft, die sich auf die dort verankerte Niederlassungsfreiheit beruft, anwendbar ist, nach Art. 54 AEUV eine Vorfrage ist, die beim gegenwärtigen Stand des Unionsrechts nur nach dem anwendbaren nationalen Recht beantwortet werden kann (Urteil vom , National Grid Indus, C-371/10, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 26 und die dort angeführte Rechtsprechung).

29Schließlich kann ein Mitgliedstaat somit unbestreitbar sowohl die Anknüpfung bestimmen, die eine Gesellschaft aufweisen muss, um als nach seinem innerstaatlichen Recht gegründet angesehen werden und damit in den Genuss der Niederlassungsfreiheit gelangen zu können, als auch die Anknüpfung, die erforderlich ist, damit diese Eigenschaft später erhalten bleibt (Urteile Cartesio, Randnr. 110, und National Grid Indus, Randnr. 27).

30Im Einklang mit den Erkenntnissen, die sich aus dieser ständigen Rechtsprechung ergeben, ist darauf hinzuweisen, dass die etwaige Pflicht nach den Art. 49 AEUV und 54 AEUV, eine grenzüberschreitende Umwandlung zuzulassen, weder in die in der vorstehenden Randnummer des vorliegenden Urteils genannte Befugnis des Aufnahmemitgliedstaats noch in die von ihm vorzunehmende Festlegung der Regeln für die Gründung und die Funktionsweise der aus einer grenzüberschreitenden Umwandlung hervorgehenden Gesellschaft eingreift.

31Wie sich nämlich aus der in Randnr. 27 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung ergibt, unterliegt eine solche Gesellschaft zwangsläufig allein dem innerstaatlichen Recht des Aufnahmemitgliedstaats, das die erforderliche Anknüpfung wie auch die Gründung und die Funktionsweise der Gesellschaft regelt.

32Somit kann die Wendung "soweit dies nach diesem Recht möglich ist" am Ende von Randnr. 112 des Urteils Cartesio nicht dahin verstanden werden, dass damit die Rechtsvorschriften des Aufnahmemitgliedstaats über die Umwandlung von Gesellschaften von vornherein den Regeln des AEU-Vertrags über die Niederlassungsfreiheit entzogen werden sollen; vielmehr soll damit schlicht die Erwägung zum Ausdruck gebracht werden, dass eine aufgrund einer nationalen Rechtsordnung gegründete Gesellschaft nur vermittels der nationalen Rechtsvorschriften existiert, die somit die Gründung der Gesellschaft "ermöglichen", wenn die hierfür aufgestellten Bedingungen erfüllt sind.

33Aus alledem ist zu schließen, dass eine nationale Regelung, die zwar für inländische Gesellschaften die Möglichkeit einer Umwandlung vorsieht, aber die Umwandlung einer dem Recht eines anderen Mitgliedstaats unterliegenden Gesellschaft nicht erlaubt, in den Anwendungsbereich der Art. 49 AEUV und 54 AEUV fällt.

- Zum Vorliegen einer Beschränkung der Niederlassungsfreiheit und zu ihrer etwaigen Rechtfertigung

34In Bezug auf das Vorliegen einer Beschränkung der Niederlassungsfreiheit ist darauf hinzuweisen, dass der Niederlassungsbegriff im Sinne der Bestimmungen des Vertrags über die Niederlassungsfreiheit die tatsächliche Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit mittels einer festen Einrichtung im Aufnahmemitgliedstaat auf unbestimmte Zeit impliziert. Daher setzt er eine tatsächliche Ansiedlung der betreffenden Gesellschaft und die Ausübung einer wirklichen wirtschaftlichen Tätigkeit in diesem Staat voraus (Urteil vom 12. September 2006, Cadbury Schweppes und Cadbury Schweppes Overseas, C-196/04, Slg. 2006, I-7995, Randnr. 54 und die dort angeführte Rechtsprechung).

35Im vorliegenden Fall haben sich im Verfahren vor dem Gerichtshof keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass sich die Tätigkeiten von VALE Építési auf Italien beschränken oder dass sie nicht beabsichtigt, sich tatsächlich in Ungarn anzusiedeln; dies zu prüfen ist jedoch Sache des vorlegenden Gerichts.

36Da die im Ausgangsverfahren in Rede stehende nationale Regelung nur die Umwandlung einer Gesellschaft vorsieht, die ihren Sitz schon im betreffenden Mitgliedstaat hat, begründet diese Regelung eine unterschiedliche Behandlung von Gesellschaften in Abhängigkeit davon, ob es sich um eine innerstaatliche oder um eine grenzüberschreitende Umwandlung handelt; diese unterschiedliche Behandlung ist geeignet, Gesellschaften mit Sitz in anderen Mitgliedstaaten davon abzuhalten, von der im AEU-Vertrag verankerten Niederlassungsfreiheit Gebrauch zu machen, und stellt somit eine Beschränkung im Sinne der Art. 49 AEUV und 54 AEUV dar (vgl. in diesem Sinne Urteil SEVIC Systems, Randnrn. 22 und 23).

37Was eine etwaige Rechtfertigung der in Rede stehenden Beschränkung anbelangt, hat der Gerichtshof zwar in Randnr. 27 des Urteils SEVIC Systems anerkannt, dass grenzüberschreitende Verschmelzungen spezifische Probleme mit sich bringen, wobei dies auch für grenzüberschreitende Umwandlungen gilt. Solche Umwandlungen setzen nämlich die sukzessive Anwendung von zwei nationalen Rechtsordnungen voraus.

38Hierzu ist zunächst festzustellen, dass eine unterschiedliche Behandlung, die davon abhängt, ob es sich um eine grenzüberschreitende oder eine innerstaatliche Umwandlung handelt, nicht mit dem Fehlen von Vorschriften des abgeleiteten Unionsrechts gerechtfertigt werden kann. Auch wenn solche Vorschriften zur Erleichterung grenzüberschreitender Umwandlungen gewiss hilfreich wären, kann ihre Existenz doch keine Vorbedingung für die Umsetzung der in den Art. 49 AEUV und 54 AEUV verankerten Niederlassungsfreiheit sein (vgl. hinsichtlich grenzüberschreitender Verschmelzungen Urteil SEVIC Systems, Randnr. 26).

39In Bezug auf eine Rechtfertigung durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses wie den Schutz der Interessen von Gläubigern, Minderheitsgesellschaftern und Arbeitnehmern sowie der Wahrung der Wirksamkeit steuerlicher Kontrollen und der Lauterkeit des Handelsverkehrs steht fest, dass solche Gründe eine die Niederlassungsfreiheit beschränkende Maßnahme nur dann rechtfertigen können, wenn eine solche Maßnahme zur Erreichung der verfolgten Ziele geeignet ist und nicht über das hinausgeht, was zu ihrer Erreichung erforderlich ist (vgl. Urteil SEVIC Systems, Randnrn. 28 und 29).

40Eine solche Rechtfertigung gibt es im vorliegenden Fall jedoch nicht. Das ungarische Recht schließt grenzüberschreitende Umwandlungen nämlich generell aus, was dazu führt, dass sie auch dann nicht vorgenommen werden können, wenn die in der vorstehenden Randnummer genannten Interessen nicht bedroht sind. Jedenfalls geht eine solche Regelung über das hinaus, was zur Erreichung der im Schutz der genannten Interessen bestehenden Ziele erforderlich ist (vgl. hinsichtlich grenzüberschreitender Verschmelzungen Urteil SEVIC Systems, Randnr. 30).

41Daher ist auf die ersten beiden Fragen zu antworten, dass die Art. 49 AEUV und 54 AEUV dahin auszulegen sind, dass sie einer nationalen Regelung entgegenstehen, die zwar für inländische Gesellschaften die Möglichkeit einer Umwandlung vorsieht, aber die Umwandlung einer dem Recht eines anderen Mitgliedstaats unterliegenden Gesellschaft in eine inländische Gesellschaft mittels Gründung der letztgenannten Gesellschaft generell nicht zulässt.

Zur dritten und zur vierten Frage

42Mit seiner dritten und seiner vierten Frage, die gemeinsam zu prüfen sind, möchte das vorlegende Gericht wissen, ob die Art. 49 AEUV und 54 AEUV im Kontext einer grenzüberschreitenden Umwandlung dahin auszulegen sind, dass der Aufnahmemitgliedstaat befugt ist, das für einen solchen Vorgang maßgebende innerstaatliche Recht festzulegen und somit die Bestimmungen seines nationalen Rechts über innerstaatliche Umwandlungen anzuwenden, die - wie die Anforderungen an die Erstellung einer Bilanz und eines Vermögensverzeichnisses - die Gründung und die Funktionsweise einer Gesellschaft regeln. Im Einzelnen möchte es wissen, ob der Aufnahmemitgliedstaat bei grenzüberschreitenden Umwandlungen die Angabe des "Rechtsvorgängers", dessen Eintragung im Handelsregister bei innerstaatlichen Umwandlungen vorgesehen ist, verweigern darf und ob - und, wenn ja, in welchem Umfang - er den von den Behörden des Herkunftsmitgliedstaats ausgestellten Dokumenten im Verfahren zur Eintragung der Gesellschaft Rechnung tragen muss.

43Hierzu ist erstens darauf hinzuweisen, dass das abgeleitete Unionsrecht derzeit keine speziellen Vorschriften für grenzüberschreitende Umwandlungen enthält, so dass die einen solchen Vorgang ermöglichenden Bestimmungen nur im nationalen Recht zu finden sein können, und zwar im Recht des Herkunftsmitgliedstaats, dem die Gesellschaft unterliegt, die eine Umwandlung vornehmen möchte, und im Recht des Aufnahmemitgliedstaats, dem die Gesellschaft nach der Umwandlung unterliegen wird.

44Die Vornahme einer grenzüberschreitenden Umwandlung erfordert nämlich, wie aus Randnr. 37 des vorliegenden Urteils hervorgeht, die sukzessive Anwendung von zwei nationalen Rechtsordnungen auf diesen rechtlichen Vorgang.

45Zweitens lassen sich zwar aus den Art. 49 AEUV und 54 AEUV keine genauen Regeln ableiten, die an die Stelle der nationalen Vorschriften treten könnten, doch ist deren Anwendung nicht jeder Kontrolle anhand der genannten Artikel entzogen.

46Wie nämlich aus der Antwort auf die ersten beiden Fragen hervorgeht, verpflichten die Art. 49 AEUV und 54 AEUV einen Mitgliedstaat, der für inländische Gesellschaften die Möglichkeit der Umwandlung vorsieht, dieselbe Möglichkeit auch Gesellschaften zu geben, die dem Recht eines anderen Mitgliedstaats unterliegen und sich in Gesellschaften nach dem Recht des erstgenannten Mitgliedstaats umwandeln möchten.

47Daher sind die nationalen Vorschriften unter Beachtung dieser Pflicht aus den Art. 49 AEUV und 54 AEUV anzuwenden.

48Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung in vielen Bereichen mangels einer einschlägigen Unionsregelung die Modalitäten, die den Schutz der den Rechtssuchenden aus dem Unionsrecht erwachsenden Rechte gewährleisten sollen, Sache der innerstaatlichen Rechtsordnung eines jeden Mitgliedstaats sind; sie dürfen jedoch nicht ungünstiger sein als diejenigen, die gleichartige innerstaatliche Sachverhalte regeln (Äquivalenzgrundsatz), und die Ausübung der durch die Unionsrechtsordnung verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren (Effektivitätsgrundsatz) (vgl. in diesem Sinne in Bezug auf die Erstattung rechtsgrundlos gezahlter Beträge Urteil vom , IN. CO. GE.'90 u. a., C-10/97 bis C-22/97, Slg. 1998, I-6307, Randnr. 25, in Bezug auf das Verwaltungsrecht Urteil vom , van der Weerd u. a., C-222/05 bis C-225/05, Slg. 2007, I-4233, Randnr. 28, in Bezug auf die außervertragliche Haftung eines Mitgliedstaats Urteil vom , Danske Slagterier, C-445/06, Slg. 2009, I-2119, Randnr. 31, und in Bezug auf das Erfordernis einer Bescheinigung für einen Steuervorteil Urteil vom , Meilicke u. a., C-262/09, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 55 und die dort angeführte Rechtsprechung).

49Der dieser Rechtsprechung zugrunde liegende Gedanke gilt aber auch im rechtlichen Kontext des Ausgangsverfahrens. Denn wie in den Fällen, die Gegenstand dieser Rechtsprechung waren, verfügt der Rechtssuchende über ein durch die Unionsrechtsordnung verliehenes Recht, im vorliegenden Fall das Recht, eine grenzüberschreitende Umwandlung vorzunehmen, deren Durchführung mangels unionsrechtlicher Regeln von der Anwendung des nationalen Rechts abhängt.

50Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass die durch den Aufnahmemitgliedstaat erfolgende Festlegung des anwendbaren innerstaatlichen Rechts, das die Durchführung einer grenzüberschreitenden Umwandlung ermöglicht, für sich allein nicht geeignet ist, die Einhaltung der aus den Art. 49 AEUV und 54 AEUV erwachsenden Pflichten in Frage zu stellen.

51Eine grenzüberschreitende Umwandlung führt nämlich im Aufnahmemitgliedstaat unstreitig zur Gründung einer Gesellschaft nach dem Recht dieses Mitgliedstaats. Eine aufgrund einer nationalen Rechtsordnung gegründete Gesellschaft existiert aber nur vermittels der nationalen Rechtsvorschriften, die für ihre Gründung und ihre Funktionsweise maßgebend sind (vgl. Urteile Daily Mail and General Trust, Randnr. 19, und Cartesio, Randnr. 104).

52Daher ist im vorliegenden Fall nicht zu beanstanden, dass Ungarn die Bestimmungen seines nationalen Rechts über innerstaatliche Umwandlungen anwendet, die - wie die Anforderungen an die Erstellung einer Bilanz und eines Vermögensverzeichnisses - die Gründung und die Funktionsweise einer Gesellschaft regeln.

53Drittens sind im Hinblick auf die Fragen des vorlegenden Gerichts zur Durchführung des im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Vorgangs die Pflichten zu erläutern, die sich aus dem Äquivalenz- und dem Effektivitätsgrundsatz als Rahmen für die Anwendung des nationalen Rechts ergeben.

54Was zum einen den Äquivalenzgrundsatz anbelangt, ist darauf hinzuweisen, dass nach diesem Grundsatz ein Mitgliedstaat nicht verpflichtet ist, grenzüberschreitende Vorgänge günstiger zu behandeln als innerstaatliche Vorgänge. Dieser Grundsatz besagt nur, dass die Modalitäten des nationalen Rechts, die den Schutz der den Rechtssuchenden aus dem Unionsrecht erwachsenden Rechte gewährleisten sollen, nicht ungünstiger sein dürfen als diejenigen, die gleichartige Sachverhalte innerstaatlicher Art regeln.

55Schreiben daher die Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats im Rahmen einer innerstaatlichen Umwandlung eine strikte rechtliche und wirtschaftliche Kontinuität zwischen der Vorgängergesellschaft, die die Umwandlung begehrt, und der umgewandelten Nachfolgergesellschaft vor, kann ein solches Erfordernis auch im Rahmen einer grenzüberschreitenden Umwandlung auferlegt werden.

56Die Weigerung der Behörden eines Mitgliedstaats, bei einer grenzüberschreitenden Umwandlung im Handelsregister die Gesellschaft des Herkunftsmitgliedstaats als "Rechtsvorgängerin" der umgewandelten Gesellschaft einzutragen, ist jedoch mit dem Äquivalenzgrundsatz nicht vereinbar, wenn bei innerstaatlichen Umwandlungen eine solche Eintragung der Vorgängergesellschaft vorgenommen wird. Hierzu ist festzustellen, dass die Eintragung als "Rechtsvorgängerin" im Handelsregister unabhängig vom innerstaatlichen oder grenzüberschreitenden Charakter der Umwandlung insbesondere sachgerecht sein kann, um die Gläubiger der umgewandelten Gesellschaft zu informieren. Im Übrigen hat die ungarische Regierung keinen Grund angeführt, der es rechtfertigen würde, eine solche Eintragung innerstaatlichen Umwandlungen vorzubehalten.

57Daher ist die Weigerung, im ungarischen Handelsregister VALE Costruzioni als "Rechtsvorgängerin" einzutragen, nicht mit dem Äquivalenzgrundsatz vereinbar.

58Was zum anderen den Effektivitätsgrundsatz anbelangt, stellt sich im vorliegenden Fall die Frage, welche Bedeutung der Aufnahmemitgliedstaat den von den Behörden des Herkunftsmitgliedstaats ausgestellten Dokumenten im Rahmen eines Eintragungsverfahrens beizumessen hat. Im Kontext des Ausgangsrechtsstreits bezieht sich diese Frage auf die von den ungarischen Behörden vorzunehmende Prüfung, ob sich VALE Costruzioni vom italienischen Recht im Einklang mit den dort vorgesehenen Bedingungen unter Beibehaltung ihrer Rechtspersönlichkeit gelöst hat, um sich in eine Gesellschaft ungarischen Rechts umwandeln zu können.

59Diese Prüfung stellt zwar die unerlässliche Verbindung zwischen den Eintragungsverfahren im Herkunftsmitgliedstaat und im Aufnahmemitgliedstaat dar; gleichwohl gilt mangels unionsrechtlicher Vorschriften für das Eintragungsverfahren im Aufnahmemitgliedstaat dessen Recht, das somit grundsätzlich auch regelt, welche Belege die Gesellschaft, die ihre Umwandlung beantragt, für die Erfüllung der insoweit im Einklang mit dem Unionsrecht vom Herkunftsmitgliedstaat aufgestellten Voraussetzungen beizubringen hat.

60Eine Praxis der Behörden des Aufnahmemitgliedstaats, die dahin geht, eine Berücksichtigung der von den Behörden des Herkunftsmitgliedstaats ausgestellten Dokumente im Rahmen des Eintragungsverfahrens generell abzulehnen, birgt aber die Gefahr, dass es der die Umwandlung beantragenden Gesellschaft unmöglich gemacht wird, nachzuweisen, dass sie den Anforderungen des Herkunftsmitgliedstaats tatsächlich entsprochen hat, und gefährdet dadurch die Verwirklichung der von der Gesellschaft eingeleiteten grenzüberschreitenden Umwandlung.

61Infolgedessen sind die Behörden des Aufnahmemitgliedstaats nach dem Effektivitätsgrundsatz verpflichtet, bei der Prüfung eines Eintragungsantrags einer Gesellschaft den von den Behörden des Herkunftsmitgliedstaats ausgestellten Dokumenten, die bestätigen, dass die Gesellschaft dessen Bedingungen tatsächlich entsprochen hat, gebührend Rechnung zu tragen, sofern diese Bedingungen mit dem Unionsrecht vereinbar sind.

62Nach alledem ist auf die dritte und die vierte Frage zu antworten, dass die Art. 49 AEUV und 54 AEUV im Kontext einer grenzüberschreitenden Umwandlung einer Gesellschaft dahin auszulegen sind, dass der Aufnahmemitgliedstaat befugt ist, das für einen solchen Vorgang maßgebende innerstaatliche Recht festzulegen und somit die Bestimmungen seines nationalen Rechts über innerstaatliche Umwandlungen anzuwenden, die - wie die Anforderungen an die Erstellung einer Bilanz und eines Vermögensverzeichnisses - die Gründung und die Funktionsweise einer Gesellschaft regeln. Der Äquivalenzgrundsatz und der Effektivitätsgrundsatz verwehren es jedoch dem Aufnahmemitgliedstaat,

- bei grenzüberschreitenden Umwandlungen die Eintragung der die Umwandlung beantragenden Gesellschaft als "Rechtsvorgängerin" zu verweigern, wenn eine solche Eintragung der Vorgängergesellschaft im Handelsregister bei innerstaatlichen Umwandlungen vorgesehen ist, und

- sich zu weigern, den von den Behörden des Herkunftsmitgliedstaats ausgestellten Dokumenten im Verfahren zur Eintragung der Gesellschaft gebührend Rechnung zu tragen.

Kosten

63Für die Beteiligten des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Dritte Kammer) für Recht erkannt:

1. Die Art. 49 AEUV und 54 AEUV sind dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung entgegenstehen, die zwar für inländische Gesellschaften die Möglichkeit einer Umwandlung vorsieht, aber die Umwandlung einer dem Recht eines anderen Mitgliedstaats unterliegenden Gesellschaft in eine inländische Gesellschaft mittels Gründung der letztgenannten Gesellschaft generell nicht zulässt.

2. Die Art. 49 AEUV und 54 AEUV sind im Kontext einer grenzüberschreitenden Umwandlung einer Gesellschaft dahin auszulegen, dass der Aufnahmemitgliedstaat befugt ist, das für einen solchen Vorgang maßgebende innerstaatliche Recht festzulegen und somit die Bestimmungen seines nationalen Rechts über innerstaatliche Umwandlungen anzuwenden, die - wie die Anforderungen an die Erstellung einer Bilanz und eines Vermögensverzeichnisses - die Gründung und die Funktionsweise einer Gesellschaft regeln. Der Äquivalenzgrundsatz und der Effektivitätsgrundsatz verwehren es jedoch dem Aufnahmemitgliedstaat,

- bei grenzüberschreitenden Umwandlungen die Eintragung der die Umwandlung beantragenden Gesellschaft als "Rechtsvorgängerin" zu verweigern, wenn eine solche Eintragung der Vorgängergesellschaft im Handelsregister bei innerstaatlichen Umwandlungen vorgesehen ist, und

- sich zu weigern, den von den Behörden des Herkunftsmitgliedstaats ausgestellten Dokumenten im Verfahren zur Eintragung der Gesellschaft gebührend Rechnung zu tragen.

Fundstelle(n):
VAAAE-16289