BGH Beschluss v. - 1 StR 212/12

Richterablehnung im Strafverfahren: Vorbefassung des Revisionsrichters als Ablehnungsgrund

Gesetze: § 24 Abs 2 StPO, § 26a Abs 1 Nr 2 StPO

Instanzenzug: LG Augsburg Az: 9 KLs 501 Js 140433/09

Gründe

1Der Senat hat über eine Revision des Antragstellers zu entscheiden. Dieser ist vom Landgericht Augsburg wegen falscher Angaben, vorsätzlichen Bankrotts, Betruges in 14 Fällen sowie Fahrens ohne Fahrerlaubnis zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt worden. Durch Beschluss vom (1 StR 354/11) hatte der Senat ein erstes Erkenntnis auf Revision des Antragstellers aufgehoben, soweit er wegen falscher Angaben verurteilt worden war, sowie im Ausspruch über die Einzelstrafen und die Gesamtstrafe, seine weitergehende Revision hingegen verworfen.

2Der Antragsteller ist der Ansicht, die abgelehnten Richter seien zu seinem Nachteil befangen. Denn diese hätten sich durch die erste Revisionsentscheidung in dieser Sache "der vermuteten Beihilfe zu einem Prozessbetrug schuldig gemacht", "Akteninhalt ignoriert" und dadurch "gegen das Gebot der Wahrheitsfindung" verstoßen. Fehler des erstinstanzlichen Gerichts bei der Berechnung der Betrugsschadenshöhe hätten sie zudem nicht erkannt.

3Die Befangenheitsanträge sind jedenfalls unbegründet. Es liegen keine Gründe vor, die geeignet sind, Misstrauen in die Unparteilichkeit des Vorsitzenden Richters am Bundesgerichtshof Nack und der Richter am Bundesgerichtshof Rothfuß, Hebenstreit und Dr. Graf zu rechtfertigen.

4Denn hierfür genügt nicht das rein subjektive Empfinden des Antragstellers, dieses muss vielmehr gerechtfertigt, also in objektivierbaren Umständen begründet sein. Die Ablehnung eines Richters nach § 24 Abs. 2 StPO ist daher nur dann gerechtfertigt, wenn der Ablehnende bei verständiger Würdigung des ihm bekannten Sachverhalts Grund zu der Annahme hat, der Richter nehme ihm gegenüber eine innere Haltung ein, die seine erforderliche Neutralität, Distanz und Unparteilichkeit störend beeinflussen kann (, BVerfGE 21, 139, 146; , BGHSt 1, 34, 39; , NStZ-RR 2009, 85 f.). Daran fehlt es vorliegend.

5Der unsubstantiierte Vortrag des Antragstellers legt solche objektivierbaren Umstände für die Befürchtung der Befangenheit nicht dar.

6Die Vorbefassung eines Richters mit dem Verfahrensgegenstand ist für sich allein nie ein Ablehnungsgrund, da der vernünftige Angeklagte davon ausgehen kann, dass der Richter auch dann unvoreingenommen an die Sache herantritt, wenn er sich schon früher über den Sachverhalt ein Urteil gebildet hat (, BVerfGE 30, 149, 153; , NStZ-RR 2009, 85 f.). Dies gilt auch für den Revisionsrichter (, NStZ-RR 2009, 85). Ein allein auf den Umstand der Vorbefassung gestützter Ablehnungsantrag ist daher schon unzulässig nach § 26a Abs. 1 Nr. 2 StPO (, BGHSt 50, 216, 221).

7Zwar trägt der Antragsteller darüber hinausgehend vor, erst die konkrete Art und Weise der Vorbefassung belege die Voreingenommenheit der Richter. Besondere Umstände, die auch für einen verständigen Antragsteller eine solche Besorgnis rechtfertigten (vgl. hierzu , NStZ-RR 2009, 85; , NStZ 2011, 44), sind aber weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.

8Der Vorwurf einer "vermuteten" Straftat und des damit verbundenen Schädigungsvorsatzes der abgelehnten Richter zu Lasten des Antragstellers entbehrt jeder Tatsachengrundlage. Diesen Vorwurf konkretisierende Umstände enthält auch der Ablehnungsantrag nicht.

9Sein Vorbringen im Übrigen erschöpft sich seinem sachlichen Gehalt nach darin, zu beanstanden, mit der eigenen Würdigung in der ersten Revisionsentscheidung nicht durchgedrungen zu sein. Bei einer verständigen Würdigung vermögen solche dem Antragsteller im Ergebnis missliebigen Entscheidungen, die sich für ihn als vermeintlich fehlerhaft darstellen, nicht die Besorgnis der Befangenheit zu rechtfertigen. Dies gilt zumal da der Antragsteller offensichtlich das Wesen der Revision verkennt. Danach ist es nicht Aufgabe des Revisionsgerichts, den Akteninhalt vollständig zur Kenntnis zu nehmen; es ist ihm zudem verwehrt, eine eigene Beweiswürdigung vorzunehmen, vielmehr ist es an die tatrichterlichen Feststellungen gebunden und kann nur überprüfen, ob diese rechtsfehlerfrei zustande gekommen sind (vgl. §§ 337, 338 StPO; hierzu Meyer-Goßner, StPO, 55. Aufl., vor § 333 Rn. 1 ff. mwN).

Wahl                                      Jäger                                          Gericke

                     Sander                                    Cirener

Fundstelle(n):
wistra 2012 S. 444 Nr. 11
AAAAE-15969