Versorgungsbezüge und Erwerbseinkommen; sofortiger Pensionseinbehalt auch bei aufgeschobener Gehaltszahlung; Auslegung von § 53 Abs. 1 SVG
Leitsatz
Eine Einmalzahlung (Kapitalabfindung), die anstelle monatlicher Gehaltszahlungen mehrere Jahre nach Beginn der Erwerbstätigkeit ausbezahlt wird, ist für die Anrechnung nach § 53 Abs. 1 SVG (= § 53 Abs. 1 BeamtVG) anteilig auf den Zeitraum bis zur Auszahlung umzulegen.
Gesetze: § 53 Abs 1 SVG vom , § 53 Abs 5 SVG vom , § 49 Abs 2 SVG vom , § 19 EStG 2002, § 53 BeamtVG
Instanzenzug: Hamburgisches Oberverwaltungsgericht Az: 1 Bf 310/07 Urteilvorgehend Az: 8 K 503/06 Urteil
Tatbestand
1Der 1945 geborene Kläger war Berufssoldat im Dienstrang eines Oberst. Er wurde zum wegen Dienstunfähigkeit aus dem Soldatenverhältnis entlassen und erhält seitdem Versorgungsbezüge. Im Mai 1999 nahm der Kläger eine Vollzeittätigkeit bei einem Unternehmen auf. Hierfür erhielt er ein monatliches Grundgehalt in Höhe von ca. 700 DM, einen als Aufwandsentschädigung bezeichneten Betrag in Höhe von monatlich ca. 3 600 DM und eine Pensionszusage, nach der ihm ca. 9 Jahre später ein Betrag von ca. 580 000 DM zufließen sollte. Das Unternehmen schloss zur Rückdeckung der Pensionszusage einen Vertrag bei einer Versicherungsgesellschaft und zahlte an diese hierfür monatliche Versicherungsprämien in Höhe von ca. 5 000 DM. Ein Anspruch aus der Versicherung stand nur dem Unternehmen, nicht dem Kläger zu.
2Nachdem es zwischen den Verfahrensbeteiligten zum Streit über die versorgungsrechtlichen Auswirkungen seiner Tätigkeit bei dem Unternehmen gekommen war, schlossen der Kläger und das Unternehmen im August 2002 neue Vereinbarungen. Nunmehr war ein monatliches Grundgehalt in Höhe von ca. 6 500 € vorgesehen; die Pensionszusage wurde in der Form fortgeführt, dass an die Stelle des vorher festgesetzten Betrages die Leistung aus der Rückdeckungsversicherung trat. Diese sollte noch bis August 2004 durch jährliche Zahlung von ca. 30 000 € bedient werden; danach hatte das Rüstungsunternehmen das Recht, die Zahlungen einzustellen. Im Juni 2008 zahlte das Rüstungsunternehmen aufgrund der Pensionszusage an den Kläger ca. 195 000 € brutto.
3Im Juli 2005 errechnete die Beklagte eine Überzahlung von Versorgungsbezügen für den Zeitraum von Mai 1999 bis Dezember 2000 in Höhe von ca. 43 000 € brutto und setzte im Hinblick auf bereits einbehaltene Beträge einen Rückforderungsbetrag in Höhe von ca. 26 000 € brutto fest. Nach Auffassung der Beklagten war der Anspruch des Klägers auf Zahlung des Ruhegehalts in dieser Höhe wegen der Anrechnung der Versicherungsprämien erloschen.
4Das Oberverwaltungsgericht hat der Klage stattgegeben und den Rückforderungsbescheid im beantragten Umfang aufgehoben. Es hat darauf abgestellt, dass die Versicherungsprämien kein Einkommen des Klägers im Sinne von § 53 SVG seien, weil ihm aus dem Versicherungsvertrag keine Zahlungsansprüche zugestanden hätten.
5Hiergegen richtet sich die vom Senat zugelassene Revision der Beklagten.
6Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Hamburgischen Oberverwaltungsgerichts vom aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Hamburg vom zurückzuweisen.
7Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
8Der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht unterstützt die Position der Beklagten.
Gründe
9Die Revision ist begründet. Das Berufungsurteil verletzt Bundesrecht, § 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO, nämlich § 49 Abs. 2 Soldatenversorgungsgesetz - SVG - in der hier anzuwendenden Fassung vom (BGBl I S. 1258) und § 53 Abs. 1 SVG in der hier anzuwendenden Fassung vom (BGBl I S. 1666).
10Der festgesetzte Rückforderungsanspruch der Beklagten folgt aus § 49 Abs. 2 SVG. Danach regelt sich die Rückforderung zuviel gezahlter Versorgungsbezüge nach den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist. Versorgungsbezüge sind dann zuviel gezahlt, wenn es für die Zahlung an einem Rechtsgrund fehlt. Die Beklagte hat dem Kläger rechtsgrundlos Versorgungsbezüge gezahlt, weil seine Versorgungsbezüge wegen der ihm im Juni 2008 zugeflossenen Kapitalleistung bereits von Mai 1999 bis Ende 2000 in dem von der Beklagten angenommenen Umfang nach § 53 Abs. 1 SVG ruhten.
11§ 53 SVG regelt weitgehend übereinstimmend mit § 53 BeamtVG die Auswirkungen des Bezugs von Erwerbs- und Erwerbsersatzeinkommen auf die Versorgungsbezüge. Nach § 53 Abs. 1 Satz 1 SVG erhält ein Versorgungsberechtigter, der vor Erreichen der gesetzlichen Altersgrenze Erwerbs- oder Erwerbsersatzeinkommen bezieht, daneben seine Versorgungsbezüge nur bis zum Erreichen der in Absatz 2 bezeichneten Höchstgrenze. Nach dieser Vorschrift ruht der Anspruch auf Zahlung der Versorgungsbezüge, soweit und solange die Summe aus Versorgungsbezügen und Erwerbseinkommen die nach § 53 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 SVG zu ermittelnde Höchstgrenze übersteigt. In diesem Umfang steht der Auszahlung kraft Gesetzes ein rechtliches Hindernis entgegen (stRspr, vgl. nur BVerwG 2 C 39.03 - Buchholz 239.1 § 53 BeamtVG Nr. 13 und vom - BVerwG 2 C 8.10 - Buchholz 239.1 § 53 BeamtVG Nr. 21 Rn. 9). Nur wenn das Erwerbseinkommen unter dem Differenzbetrag zwischen den Versorgungsbezügen und der Höchstgrenze liegt, werden die Versorgungsbezüge in der festgesetzten Höhe ausgezahlt. Zum Erwerbseinkommen gehören nach § 53 Abs. 5 Satz 1 SVG auch Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Die Berücksichtigung des Erwerbseinkommens erfolgt nach § 53 Abs. 5 Satz 4 SVG monatsbezogen. Wird Einkommen nicht in Monatsbeträgen erzielt, ist nach § 53 Abs. 5 Satz 5 SVG das Einkommen des Kalenderjahres, geteilt durch zwölf Kalendermonate, anzusetzen. Nach § 53 Abs. 1 Satz 2 SVG ist mindestens ein Betrag in Höhe von 20 v.H. der Versorgungsbezüge zu belassen.
121. Zu Recht hat das Oberverwaltungsgericht angenommen, dass die Beiträge des Unternehmens an das Versicherungsunternehmen zur Rückdeckung der dem Kläger gewährten Pensionszusage kein Einkommen des Klägers im Sinne des § 53 Abs. 1 und 5 SVG sind.
13Der Einkommens- und Einkünftebegriff der § 53 Abs. 7 Satz 1 BeamtVG, § 53 Abs. 5 Satz 1 SVG entspricht demjenigen des Einkommensteuerrechts, sofern Strukturprinzipien des Versorgungsrechts dem nicht entgegenstehen (Urteile vom a.a.O. Rn. 11 ff. und vom - BVerwG 2 C 31.10 - Rn. 12 ff., zur Veröffentlichung in der Entscheidungssammlung Buchholz vorgesehen). Damit knüpfen diese Regelungen hinsichtlich des Begriffs der Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit an § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Einkommensteuergesetz - EStG - an. Danach sind Gehälter, Löhne, Gratifikationen, Tantiemen und andere Bezüge und Vorteile für eine Beschäftigung im öffentlichen oder privaten Dienst Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Der Begriff des Vorteils bringt zum Ausdruck, dass sämtliche vermögenswerten Leistungen des Arbeitgebers erfasst werden sollen, die Arbeitnehmer aufgrund des Beschäftigungsverhältnisses als Gegenleistung für die geschuldete Arbeitsleistung erhalten (Urteil vom a.a.O. Rn. 11).
14§ 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG zählt zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit neben Gehältern und Löhnen auch andere Bezüge und Vorteile, die für die Arbeit gewährt werden. Zum Arbeitslohn können auch Ausgaben gehören, die der Arbeitgeber als Gegenleistung für die Arbeitsleistung erbringt, um den Arbeitnehmer oder diesem nahe stehende Personen für den Fall der Krankheit, des Unfalls, der Invalidität, des Alters oder des Todes abzusichern (vgl. - BFHE 225, 68 <69> m.w.N.). Die zu diesem Zweck gezahlten Versicherungsprämien stellen nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs, der sich der Senat anschließt, Einkünfte im Sinne des § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG dar, wenn dem Arbeitnehmer gegen die Versicherung aufgrund der Zahlungen des Arbeitgebers ein unmittelbarer und unentziehbarer Rechtsanspruch auf die Leistung zusteht (vgl. - BFH/NV 2010, 2296 Rn. 29 und vom a.a.O. S. 69 f., jeweils m.w.N.).
15Nach diesen Maßstäben hat das Oberverwaltungsgericht zu Recht angenommen, dass die Versicherungsbeiträge zur Rückdeckung der dem Kläger gewährten Pensionszusage keine Einkünfte aus unselbständiger Tätigkeit und damit kein Erwerbseinkommen des Klägers im Sinne des § 53 Abs. 5 Satz 1 SVG, § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG sind. Der Kläger war nach den gemäß § 137 Abs. 2 VwGO bindenden tatsächlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts lediglich Begünstigter, aber nicht unmittelbar Anspruchsberechtigter aus der Rückdeckungsversicherung; Ansprüche hatte er ausschließlich gegen das Unternehmen.
162. Allerdings hat das Oberverwaltungsgericht nicht berücksichtigt, dass die dem Kläger im Jahre 2008 aus der Pensionszusage zugeflossene Kapitalleistung den Charakter einer verdeckten Gehaltszahlung hat und deshalb schon im hier maßgeblichen Zeitraum von Mai 1999 bis Dezember 2000 anrechenbares Einkommen im Sinne von § 53 Abs. 5 Satz 1 SVG, § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG darstellt. Zwar hat die Beklagte in ihrem Rückforderungsbescheid nicht auf die Kapitalleistung aus der Pensionszusage, sondern auf die Beitragsleistungen zur Pensionszusage abgestellt. Das hindert aber die Berücksichtigung der Kapitalleistung im vorliegenden Verfahren nicht, weil das Ruhen der Versorgungsbezüge nach § 53 SVG nicht aufgrund einer behördlichen Ermessensentscheidung, sondern kraft Gesetzes eintritt.
17a) Die dem Kläger aufgrund der Pensionszusage gezahlte Kapitalleistung ist Erwerbseinkommen im Sinne des § 53 Abs. 5 Satz 1 SVG.
18Das Arbeitseinkommen des Klägers setzte sich bis zur Vertragsänderung im August 2002 insbesondere aus einem sehr geringen Grundgehalt, einer hohen Aufwandsentschädigung und einer sehr hohen Pensionszusage zusammen. Der wirtschaftliche Wert der Pensionszusage war um ein Vielfaches höher als der des Grundgehalts von wenigen hundert DM für eine Vollzeittätigkeit. Die Aufwandsentschädigung und die Pensionszusage zusammen waren wirtschaftlich betrachtet das wesentliche Arbeitsentgelt, das üblicherweise als monatliches Gehalt gezahlt wird. Sie stellten deshalb verdeckte Gehaltszahlungen dar. Das zeigt sich auch daran, dass mit der neuen Vereinbarung vom August 2002 das monatliche Gehalt des Klägers auf ein Vielfaches aufgestockt wurde, die Aufwandsentschädigung entfiel und Versicherungsprämien in Erfüllung der Pensionszusage nur noch für eine Übergangszeit gezahlt wurden. Verdeckte Gehaltszahlungen sind keine Betriebsrenten und deshalb nicht anrechnungsfrei nach § 55a SVG.
19b) Die aufgrund der Pensionszusage im Jahr 2008 ausgezahlte Kapitalleistung hat der Kläger für Arbeitsleistungen im hier fraglichen Zeitraum von Mai 1999 bis Dezember 2000 anteilig bezogen im Sinne des § 53 Abs. 1 Satz 1 SVG.
20Der gesetzliche Begriff des Beziehens erfasst alle anrechenbaren Einkünfte. Werden diese nicht regelmäßig, sondern am Ende eines längeren Zeitraums in der Summe als Vergütung für die während dieser Zeit geleistete Arbeit gezahlt, so sind sie auf diese Zeit monatsbezogen anteilig umzulegen. Dieser Bedeutungsgehalt des Begriffs folgt insbesondere aus Sinn und Zweck des § 53 SVG.
21Der Wortlaut des § 53 Abs. 1 SVG stellt eine inhaltliche und zeitliche Verknüpfung her zwischen dem Beziehen von Erwerbs- oder Ersatzeinkommen und dem dadurch bewirkten Ruhen von Versorgungsbezügen. Wenn der Versorgungsberechtigte solches Einkommen bezieht, dann erhält er weniger Versorgungsbezüge. Gehalt wird in der Regel monatlich bezogen. Ein monatliches Gehalt führt in dem Monat, in dem es gezahlt wird, zur Verringerung der Auszahlung - also dem Ruhen - von Versorgungsbezügen. Der Wortlaut ist offen dafür, auch an die Stelle von monatlichen Gehaltszahlungen tretende und dem Versorgungsempfänger erst später zufließende verdeckte Gehaltszahlungen zu erfassen (vgl. § 53 Abs. 5 Satz 5 SVG). Das nach § 2 BBesG, § 3 BeamtVG und § 1a SVG geltende Gebot der strikten Gesetzesbindung im Besoldungs- und Versorgungsrecht (vgl. BVerwG 2 C 30.06 - BVerwGE 131, 29 <36> = Buchholz 239.1 § 56 BeamtVG Nr. 6 und vom - BVerwG 2 C 25.09 - Buchholz 449.4 § 55b SVG Nr. 1 Rn. 11) steht deshalb einer Auslegung nicht entgegen, nach der verdeckte Gehaltszahlungen für den und damit in dem Zeitraum bezogen werden, für den sie als "normale" Gehaltszahlungen bestimmt sind.
22Nach Sinn und Zweck des § 53 SVG müssen verdeckte Gehaltszahlungen in dem Zeitraum als bezogen gelten, in dem sie normalerweise angefallen wären.
23Die Ruhensregelungen des § 53 BeamtVG und des § 53 SVG sind gesetzliche Konkretisierungen des Vorteilsausgleichs (stRspr, vgl. nur BVerwG 2 C 25.08 - Buchholz 239.1 § 69c BeamtVG Nr. 1 Rn. 8). Danach ist der Gesetzgeber berechtigt, die Anrechnung desjenigen Einkommens auf die Versorgungsbezüge anzuordnen, das ein Ruhestandsbeamter nur deshalb erzielen kann, weil seine Dienstleistungspflicht vorzeitig weggefallen ist. Der Vorteilsausgleich zielt auf die Abschöpfung von Vorteilen, die frühzeitig pensionierte Beamte gegenüber denjenigen Beamten haben, die bis zur allgemeinen Altersgrenze ihren Dienst leisten. Er ist mit dem Alimentationsgrundsatz nach Art. 33 Abs. 5 GG vereinbar, weil dem Dienstherrn die Arbeitskraft des weiterhin alimentierten Beamten vorzeitig nicht mehr zur Verfügung steht und die vorzeitige Pensionierung nicht zum Ziel hat, dem Beamten eine andere Erwerbstätigkeit zu eröffnen (vgl. - BVerfGK 13, 35 <45 ff.>; BVerwG 2 C 20.03 - BVerwGE 120, 154 <163 f.> = Buchholz 239.1 § 14 BeamtVG Nr. 8, vom - BVerwG 2 C 39.03 - Buchholz 239.1 § 53 BeamtVG Nr. 13 und vom a.a.O. Rn. 23 ff.; Begründung der Bundesregierung zu ihrem Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung des Versorgungsberichts - Versorgungsreformgesetz 1998 -, BTDrucks 13/9527 S. 28, 40 f., 45).
24Dieser Gesetzeszweck des Vorteilsausgleichs würde nicht erreicht, wenn verdeckte Gehaltszahlungen nicht auf den Zeitraum umgelegt würden, den sie erfassen sollen. Versorgungsempfänger könnten durch die Vereinbarung von Einmalzahlungen anstelle monatlicher Gehaltszahlungen die Anrechnung verringern oder ganz vermeiden. Könnte mit solchen Vertragsgestaltungen das nach § 53 SVG (und § 53 BeamtVG) angeordnete Ruhen von Versorgungsbezügen durch Anrechnung anderweitigen Einkommens vermieden werden, würde geradezu ein Anreiz zur Gesetzesumgehung durch entsprechende Vertragsgestaltung gesetzt. Das hätte nicht nur zur Folge, dass in den betreffenden einzelnen Fällen der mit § 53 SVG verfolgte Zweck des Vorteilsausgleichs nicht erreicht würde. Es wäre vielmehr damit zu rechnen, dass von der Möglichkeit einer solchen Vertragsgestaltung in einem erheblichem Umfang Gebrauch gemacht und § 53 SVG nur noch einen kleinen Teil der Fälle erfassen würde, in denen der Versorgungsempfänger durch den Einsatz seiner frühzeitig freigewordenen Arbeitskraft finanzielle Vorteile erlangt. Damit würde § 53 SVG weitgehend leerlaufen.
25Auch der Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG spricht für dieses Ergebnis: Für eine unterschiedliche Behandlung der Fälle nicht verdeckter Gehaltszahlungen einerseits und verdeckter Gehaltszahlungen andererseits in dem Sinne, dass erstere sofort und letztere erst bei Auszahlung und dann nicht oder nur in den Grenzen des Jahresprinzips des § 53 Abs. 5 Satz 5 SVG angerechnet werden, gäbe es keinen rechtfertigenden Grund.
26Die Anrechnung verdeckter Gehaltszahlungen als schon vor ihrem tatsächlichen Zufluss bezogene Einkünfte verstößt auch nicht gegen das durch Art. 33 Abs. 5 GG gewährleistete Alimentationsprinzip. Zum einen muss kein Versorgungsberechtigter eine Erwerbstätigkeit aufnehmen oder aufrechterhalten, die zu einer entsprechenden Anrechnung führt. Und zum anderen gewährleistet die Mindestbelassung in Höhe von 20 v.H. nach § 53 Abs. 5 Satz 1 BeamtVG und § 53 Abs. 1 Satz 2 SVG ein Mindestmaß an Alimentation auch in diesen Fällen und verhindert das vollständige Ruhen des Versorgungsanspruchs bei hohem Hinzuverdienst. Zwar ist Alimentation grundsätzlich ohne Rücksicht darauf zu gewähren, ob und inwieweit der Beamte seinen Lebensunterhalt aus seinem Vermögen oder aus Einkünften bestreiten kann, die nicht aus öffentlichen Kassen stammen. Dies gilt aber nicht für Einkünfte aufgrund einer Erwerbstätigkeit, die der Beamte gerade deshalb ausüben kann, weil er von seiner Dienstleistungspflicht freigestellt ist ( BVerwG 2 C 29.96 - BVerwGE 104, 230 <234> = Buchholz 240 § 9a BBesG Nr. 2, vom a.a.O. und vom - BVerwG 2 C 26.07 - BVerwGE 133, 25 <28> = Buchholz 239.1 § 53 BeamtVG Nr. 17).
27Dass Einkünfte zum Ruhen eines Versorgungsanspruchs führen, obwohl sie dem Versorgungsempfänger nicht oder zu diesem Zeitpunkt noch nicht zufließen, ist nicht auf Fälle verdeckter Gehaltszahlungen begrenzt, sondern ergibt sich beispielsweise aus dem bei der Anrechnung von Einkommen des Versorgungsempfängers wie insgesamt bei der Festsetzung der Dienst- und Versorgungsbezüge geltenden Bruttoprinzip ( BVerwG 2 C 8.10 - Buchholz 239.1 § 53 BeamtVG Nr. 21 Rn. 15).
28Bei Anwendung dieser Grundsätze ist die dem Kläger aufgrund der Pensionszusage gewährte Kapitalleistung trotz ihrer Auszahlung erst im Jahre 2008 schon im hier fraglichen Zeitraum von 1999 bis 2000 bezogen im Sinne des § 53 Abs. 1 Satz 1 SVG. Zwar fehlen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts zu dem Zeitraum, für den die Kapitalleistung aus der Pensionszusage den Charakter einer verdeckten Gehaltszahlung hat. Einer Zurückverweisung an das Oberverwaltungsgericht zur weiteren Sachaufklärung bedarf es jedoch nicht, weil nach jeder möglichen Betrachtungsweise der Rückforderungsbescheid rechtmäßig ist.
29Es liegt nahe, dass die Kapitalleistung auf den Zeitraum bis zur Vertragsänderung im August 2002 umzulegen ist. Ab diesem Zeitraum entfiel das deutliche Missverhältnis zwischen Grundgehalt und Pensionszusage und damit der Charakter als verdeckte Gehaltszahlung. Der vom Kläger angefochtene Rückforderungsbescheid wäre dann nicht zulasten des Klägers rechtswidrig, weil der sich insoweit ergebende monatliche Ruhensbetrag höher wäre als bei den von der Beklagten herangezogenen Versicherungsprämien (194 849 € Auszahlungsbetrag verteilt auf 38 Monate = 5 127 € monatlich gegenüber 2 500 € monatlichen Versicherungsprämien). Aber auch dann, wenn man im Hinblick auf die Weiterzahlung von Beiträgen zur Rückdeckungsversicherung durch das Rüstungsunternehmen auch noch für den Zeitraum bis August 2004 von verdeckten Gehaltszahlungen ausginge, ergäbe sich kein anderes Ergebnis (194 849 € Auszahlungsbetrag verteilt auf 63 Monate = 3 092 € monatlich gegenüber 2 500 € monatlichen Versicherungsprämien). Ein anderes Ergebnis - wenn auch nur für einen Monat, den Dezember 2009 - ergäbe sich nur dann, wenn man auf den Zeitraum bis zur Auszahlung der Kapitalleistung im Juni 2008 abstellen würde. Das verbietet sich aber im Hinblick darauf, dass verdeckte Gehaltszahlungen nur auf den Zeitraum umgelegt werden können, für den sie erbracht worden sind. Ist, wie vorliegend, die Beschäftigungszeit länger, kann dies selbst im Falle anders lautender vertraglicher Abreden zwischen dem Versorgungsempfänger und neuem Arbeitgeber nicht zu einer entsprechenden Streckung auf die gesamte Beschäftigungszeit führen. Das würde der objektiven Lage widersprechen und Raum für eine Umgehung des Gesetzes bieten.
30Die Anrechnung der Kapitalleistung im Zeitraum von Mai 1999 bis Juli 2002 bzw. August 2004 hat des Weiteren zugunsten des Klägers zur Folge, dass die von der Beklagten für das Jahr 2008 vorgenommene Anrechnung fehlerhaft und zu korrigieren ist.
31Die Billigkeitsentscheidung der Beklagten gemäß § 49 Abs. 2 Satz 3 SVG ist jedenfalls im Hinblick auf die gewährte Ratenzahlung ermessensfehlerfrei, § 114 VwGO.
Fundstelle(n):
NWB-Eilnachricht Nr. 26/2012 S. 2130
StuB-Bilanzreport Nr. 4/2013 S. 160
FAAAE-15334