BGH Urteil v. - XII ZR 203/09

Schenkung unter Ehegatten im Zuge der Trennung: Leibliche Abstammung eines Kindes vom Ehemann als Geschäftsgrundlage; Verschweigen der möglichen Nichtvaterschaft des Ehemannes zum Kind als Anfechtungsgrund wegen arglistiger Täuschung

Gesetze: § 123 BGB, § 313 BGB

Instanzenzug: Az: 8 U 2745/08vorgehend LG München I Az: 34 O 23520/06

Tatbestand

1Die Parteien sind geschiedene Eheleute. Sie streiten im vorliegenden Verfahren wie im vor dem Senat geführten Parallelverfahren (XII ZR 47/09) um die Rückabwicklung von Vermögenszuwendungen, die der Kläger (im Folgenden: Ehemann) während der Ehe an die Beklagte (im Folgenden: Ehefrau) erbrachte.

2Die Parteien heirateten im Mai 1990. In einem vor der Eheschließung abgeschlossenen Ehevertrag hatten sie Gütertrennung vereinbart und den Versorgungsausgleich sowie nacheheliche Unterhaltsansprüche weitgehend ausgeschlossen. Die bei der Eheschließung vermögenslose Ehefrau gab ihre Berufstätigkeit als technische Assistentin auf und widmete sich der Haushaltsführung. Der Ehemann, der alkoholkrank und aufgrund eines Verkehrsunfalls schwerbehindert ist, ging ebenfalls keiner Erwerbstätigkeit nach. Die Parteien lebten vom Vermögen des Ehemanns, welches dieser im Wert von rund 10.000.000 DM geerbt hatte. Im Dezember 1991 gebar die Ehefrau einen Sohn.

3Die Parteien trennten sich im September 2003. Die Ehe wurde auf den im Mai 2004 zugestellten Scheidungsantrag im Juni 2006 rechtskräftig geschieden. Der Ehemann hat seine Vaterschaft zu dem Sohn angefochten. Durch inzwischen rechtskräftiges Urteil wurde festgestellt, dass er nicht der Vater des Kindes ist.

4Der Ehemann begehrt im Wege der Rückforderung einer von ihm an die Ehefrau erbrachten Zuwendung die Zahlung von 115.000 €. Im Juli 2000 kauften die Parteien zum Preis von 700.000 DM vom späteren Rechtsanwalt der Ehefrau einen Hälfteanteil an einem Hausgrundstück. Jede Partei sollte zu 1/4 Miteigentümer werden. Der Kaufpreis wurde allein vom Ehemann gezahlt. Zu einer Eintragung der Parteien im Grundbuch kam es nicht. Der Ehemann erhielt entsprechend einer privatschriftlichen Vereinbarung vom März 2004 einen (hälftigen) Kaufpreisanteil von 175.000 € zurück. Eine notarielle Nachtragsvereinbarung, welche der Rechtsanwalt im November 2004 als Verkäufer und vollmachtloser Vertreter beider Parteien abgeschlossen hatte und in der eine Zahlung der weiteren Kaufpreishälfte an die Ehefrau in monatlichen Raten von 2.500 € vorgesehen war, wurde vom Ehemann nicht genehmigt. Dennoch erhielt die Ehefrau nach Abzug von Anwaltshonoraren 115.000 € vom Verkäufer ausgezahlt, die der Ehemann mit der Klage von ihr herausverlangt.

5Der Ehemann beruft sich darauf, dass er die Zuwendung ausschließlich in der Erwartung gemacht habe, die eheliche Lebensgemeinschaft werde Bestand haben, und dass nach der Trennung die Geschäftsgrundlage entfallen sei. Die Geschäftsgrundlage sei auch darin zu sehen, dass er mit Wissen der Ehefrau während der gesamten Ehezeit davon ausgegangen sei, der Sohn der Ehefrau sei auch sein leiblicher Sohn.

6Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die Ehefrau auf die Berufung des Ehemanns antragsgemäß zur Zahlung verurteilt. Dagegen richtet sich die vom Senat zugelassene Revision der Ehefrau, die weiterhin die Klageabweisung erstrebt.

Gründe

7Die Revision der Ehefrau hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht.

I.

8Nach Auffassung des Berufungsgerichts ist eine Rückforderung nach den Grundsätzen über den Wegfall der Geschäftsgrundlage begründet.

9Es könne dahinstehen, ob die Zuwendung eine unbenannte Zuwendung oder eine Schenkung darstelle. Es könne auch offen bleiben, ob die Ehefrau sich an ihrer ursprünglichen Behauptung festhalten lassen müsse, der Ehemann habe ihr schon im Trennungsstadium umfassend Vermögen übertragen, um sie und das gemeinsame Kind abzusichern oder um einen aufgrund seiner Alkoholerkrankung befürchteten Vermögensverfall abzuwenden. Denn die Vaterschaft zu dem vermeintlich gemeinsamen Sohn sei Geschäftsgrundlage für die Zuwendung geworden. Dabei sei zwar davon auszugehen, dass es sich nicht um den erstrangigen Beweggrund gehandelt habe. Es reiche aber aus, dass der Umstand mitursächlich gewesen sei in dem Sinne, dass er den Ehemann bei der Vornahme der Zuwendung bestärkt habe und dass dieser, wenn er die wahren Umstände gekannt hätte, zwar nicht sicher, aber vielleicht von der Zuwendung abgesehen hätte.

10Unter Berücksichtigung der gesamten Umstände sei ein Festhalten des Ehemanns an den durch die Zuwendung eingetretenen Vermögensverhältnissen unzumutbar. Maßgeblich seien die Dauer der Ehe und die Dauer des Irrtums des Ehemanns über seine Vaterschaft sowie die besonderen Vermögensverhältnisse der Parteien. Weil der Ehemann während der Ehe keiner Erwerbstätigkeit nachgegangen sei, handele es sich nicht um gemeinsam erarbeitetes Vermögen. Das Vermögen sei von dritter Seite gekommen, und das Gesetz sehe grundsätzlich keine Beteiligung des Ehepartners am durch Schenkung, Erbschaft oder Lotteriegewinn erworbenen Vermögen vor. Auf die Frage der Sittenwidrigkeit des Ehevertrages komme es nicht an, weil ein Wegfall der Geschäftsgrundlage auch im Fall der Sittenwidrigkeit eingetreten sei. Die Ehefrau schulde daher Wertersatz für den Grundstücksanteil, denn sie habe jedenfalls durch die Rückabwicklung des Verkaufs ihr bereits dinglich gesichertes Anwartschaftsrecht veräußert.

II.

11Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

12Die Zuwendung des Ehemanns bestand darin, dass er durch seine Kaufpreiszahlung die Ehefrau von deren Kaufpreisverpflichtung befreite und zugleich ein Ausgleich im Innenverhältnis der Ehegatten als Gesamtschuldner zumindest konkludent ausgeschlossen war. Der in der Befreiung von der Kaufpreisverpflichtung liegende Vermögenswert setzt sich in dem erworbenen Anwartschaftsrecht sowie in dem nach Aufhebung des Kaufvertrages erworbenen Rückgewähranspruch fort.

13Das Berufungsgericht hat offen gelassen, ob es sich bei der Zuwendung um eine ehebezogene Zuwendung gehandelt habe. Die von ihm angenommene Geschäftsgrundlage hat es auch in der leiblichen Vaterschaft des Ehemanns zu dem Sohn der Ehefrau gesehen. Mit dieser Begründung kann das angefochtene Urteil keinen Bestand haben.

141. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind Geschäftsgrundlage die nicht zum eigentlichen Vertragsinhalt erhobenen, bei Vertragsschluss aber zutage getretenen gemeinsamen Vorstellungen beider Vertragsparteien sowie die der einen Vertragspartei erkennbaren und von ihr nicht beanstandeten Vorstellungen der anderen vom Vorhandensein oder dem künftigen Eintritt gewisser Umstände, sofern der Geschäftswille der Parteien auf diesen Vorstellungen aufbaut ( - NZBau 2009, 771, 774; - FamRZ 2010, 1626 Rn. 14 und vom  - XII ZR 232/91 - FamRZ 1993, 1047, 1048 jeweils mwN).

15Auch wenn eine Zuwendung zwischen Ehegatten im konkreten Fall nicht als ehebezogene Zuwendung, sondern als Schenkung zu werten ist, sind auf sie dennoch die Grundsätze des Wegfalls der Geschäftsgrundlage anwendbar (vgl. Senatsurteil BGHZ 184, 190 = FamRZ 2010, 958 Rn. 25 ff.; - FamRZ 2003, 223 und vom - X ZR 60/97 - FamRZ 1999, 705, 707). Daher ist es auch unter weiteren Gesichtspunkten als der Verwirklichung der ehelichen Lebensgemeinschaft möglich, dass bestimmte Vorstellungen der Parteien von der Verwendung des zugewendeten Vermögensgegenstandes zur Geschäftsgrundlage erhoben werden. Voraussetzung ist hierfür allerdings, dass diese in den Geschäftswillen der Parteien aufgenommen werden und nicht bloß einseitige Erwartungen einer Partei darstellen (vgl. Palandt/Grüneberg BGB 71. Aufl. § 313 Rn. 9 mwN).

162. Im Gegensatz zur Auffassung des Berufungsgerichts kann die leibliche Abstammung des Sohnes hier nicht als Geschäftsgrundlage der Zuwendung angesehen werden. Denn insoweit mangelt es an einem auf den Sohn bezogenen beiderseitigen Geschäftswillen der Parteien. Es handelte sich auch nicht um eine einseitige Vorstellung des Ehemanns, die die Ehefrau als anderer Vertragsteil nach Treu und Glauben in ihren Geschäftswillen aufgenommen hat. Vielmehr kann insbesondere im Fall der Täuschung durch den Vertragspartner (hier: durch Unterlassen) grundsätzlich nicht davon ausgegangen werden, dass dieser den vorgetäuschten Sachverhalt in seinen Geschäftswillen aufnimmt. Im Gegensatz zu dem Fall, dass das Kind - unmittelbar oder mittelbar - ebenfalls von der Zuwendung profitieren soll (vgl. dazu Senatsurteil - im Parallelverfahren - vom - XII ZR 47/09 - zur Veröffentlichung bestimmt), lässt sich dies auch nicht unter dem Gesichtspunkt des nach gemeinsamer Vorstellung der Parteien bestehenden Verwendungszwecks der Zuwendung annehmen.

17Wegen der widerrechtlichen Einflussnahme auf die Willensbildung verbleibt insoweit nur die Möglichkeit einer Täuschungsanfechtung nach § 123 BGB, wobei es diesbezüglich bereits an Feststellungen zu einer Anfechtungserklärung des Ehemanns fehlt.

III.

18Das Berufungsurteil erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig. Die Ehebezogenheit der Zuwendung hat das Berufungsgericht ausdrücklich offen gelassen. Weil es insbesondere zu dieser Frage weiterer Feststellungen bedarf, ist dem Senat eine abschließende Entscheidung in der Sache verwehrt. Für das weitere Verfahren weist der Senat darauf hin, dass sich aus der ursprünglichen Behauptung der Ehefrau, durch die Zuwendung hätten sie und das gemeinsame Kind nachhaltig wirtschaftlich abgesichert werden sollen, nicht ohne weiteres ergibt, dass die leibliche Abstammung des Kindes vom Ehemann über das - auch beiderseitige - Motiv hinausgehend zur Geschäftsgrundlage erhoben werden sollte.

Dose                                               Weber-Monecke                                                Klinkhammer

                       Schilling                                                        Nedden-Boeger

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Fundstelle(n):
JAAAE-14809