BAG Urteil v. - 4 AZR 15/10

Instanzenzug: ArbG Bochum Az: 3 Ca 2466/08 Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht Hamm (Westfalen) Az: 12 Sa 585/09 Urteil

Tatbestand

1Die Parteien streiten über die Eingruppierung des Klägers in die Entgeltgruppe Ä 3 des Tarifvertrages für Ärztinnen und Ärzte in Einrichtungen der Vereinigung Berufsgenossenschaftlicher Kliniken (TV-Ärzte/VBGK).

2Die Beklagte ist Mitglied in der Vereinigung Berufsgenossenschaftlicher Kliniken (VBGK) und betreibt ua. die Medizinische Klinik III (Pneumologie, Allergologie, Schlaf- und Beatmungsmedizin) in B.

3Der Kläger ist Arzt und Mitglied des Marburger Bundes. Er ist seit dem bei der Beklagten und deren Rechtsvorgängerin beschäftigt, zuletzt in der Medizinischen Klinik III. Er nimmt ua. regelmäßig am oberärztlichen Hintergrunddienst teil, nicht dagegen am Bereitschaftsdienst der Assistenzärzte. Auch wird er nicht im Stationsdienst eingesetzt.

4Mit Schreiben vom teilte ihm die Beklagte mit, dass die Geschäftsführung der Bergbau-Berufsgenossenschaft seiner „Ernennung zum Funktionsoberarzt der Medizinischen Klinik III, Abteilung für Pneumologie, Allergologie, Schlaf- und Beatmungsmedizin mit Wirkung ab “ zugestimmt habe.

5Die Vergütung des Klägers richtete sich bis zum nach der Anlage 1a zum Berufsgenossenschafts-Angestelltentarifvertrag (BG-AT). Der Kläger wurde von der Beklagten nach der dortigen Vergütungsgruppe Ib vergütet. Am wurden die Arbeitsbedingungen der Ärzte bei der Beklagten rückwirkend zum tariflich neu geregelt. Zwischen neun namentlich genannten Kliniken auf Arbeitgeberseite - sämtlich Mitglied der VBGK - und dem Marburger Bund auf Arbeitnehmerseite wurden am der TV-Ärzte/VBGK und der Tarifvertrag zur Überleitung der Ärztinnen und Ärzte in Einrichtungen der Vereinigung Berufsgenossenschaftlicher Kliniken (TVÜ-Ärzte/VBGK) vereinbart.

6Ferner wurde am von einerseits der VBGK selbst und andererseits dem Marburger Bund ein „Tarifvertrag der VBGK mit dem Marburger Bund zur Regelung der Arbeitsbedingungen der Ärzte“ unterzeichnet, der als Zwischenüberschrift den Begriff „Niederschriftserklärungen“ aufweist (im Folgenden: Niederschriftserklärung). In dieser Vereinbarung werden nähere Bestimmungen für die Vorgehensweise bei der „Überleitung von Oberärzten und Funktionsoberärzten“ getroffen.

7Im Zeitraum vom bis zum vergütete die Beklagte den Kläger nach der Entgeltgruppe Ä 2 Stufe 2 TV-Ärzte/VBGK. Seit dem zahlt die Beklagte dem Kläger Vergütung nach der Entgeltgruppe Ä 3 Stufe 1 TV-Ärzte/VBGK.

8Mit der am beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat der Kläger die Feststellung der Vergütungsverpflichtung der Beklagten hinsichtlich der Entgeltgruppe Ä 3 TV-Ärzte/VBGK begehrt. Er hat die Auffassung vertreten, ihm sei die medizinische Verantwortung für Teil- oder Funktionsbereiche der Klinik beziehungsweise Abteilung von der Beklagten übertragen worden. Dies ergebe sich schon aus der Ernennung zum „Funktionsoberarzt“. Nach Maßgabe der Niederschriftserklärung iVm. § 4 TVÜ-Ärzte/VBGK sei er daher schon ab dem als Oberarzt nach Entgeltgruppe Ä 3 TV-Ärzte/VBGK zu vergüten.

Der Kläger hat, soweit für die Revision von Bedeutung, beantragt:

10Die Beklagte beruft sich für ihren Klageabweisungsantrag darauf, dass sich die Eingruppierung des Klägers nach § 4 Abs. 1 TVÜ-Ärzte/VBGK richte. Dort sei geregelt, dass die Ärzte, die bisher nach der VergGr. Ib BG-AT vergütet worden seien, nunmehr in die Entgeltgruppe Ä 2 TV-Ärzte/VBGK überzuleiten seien. Die dort in Satz 3 geregelten Ausnahmen kämen vorliegend nicht in Betracht, da sie nur für die bisher in der VergGr. Ia eingruppierten Ärzte maßgebend seien. Auf die Niederschriftserklärung könne sich der Kläger gleichfalls nicht berufen, weil diese nur eine erläuternde Funktion zu den Regelungen des TVÜ-Ärzte/VBGK habe, jedoch keine entgegenstehenden oder darüber hinausgehenden Ansprüche begründen könne.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Landesarbeitsgericht der Klage stattgegeben. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihr Anliegen der Klageabweisung weiter. Der Kläger beantragt die Zurückweisung der Revision.

Gründe

12Die Revision ist begründet. Mit der vom Landesarbeitsgericht gewählten Begründung konnte der Klage nicht stattgegeben werden. Ob sie aus anderen Gründen begründet ist, kann der Senat mangels hinreichender tatsächlicher Feststellungen des Landesarbeitsgerichts nicht entscheiden.

13I. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage für begründet erachtet. Der Kläger sei seit dem als Oberarzt nach Entgeltgruppe Ä 3 TV-Ärzte/VBGK zu vergüten. Es spreche bereits „viel dafür“, dass die Tätigkeit des Klägers tariflich nach der Entgeltgruppe Ä 3 § 12 TV-Ärzte/VBGK zu bewerten sei. Die Beklagte habe ihn zum „Funktionsoberarzt“ ernannt. Zudem vergüte sie ihn seit dem als Oberarzt nach der Entgeltgruppe Ä 3 TV-Ärzte/VBGK, ohne dass sich sein Aufgabenbereich geändert habe. Dies könne aber letztlich dahinstehen, weil sich bereits aus den §§ 34 TVÜ-Ärzte/VBGK iVm. Nr. 1 der Niederschriftserklärung ergebe, dass der Kläger in die von ihm begehrte Entgeltgruppe überzuleiten sei. Dabei komme es auf die bisherige Eingruppierung in der Vergütungsordnung zum BG-AT nicht an.

14II. Die hiergegen gerichtete Revision der Beklagten ist begründet. Ob die mit der gebotenen Auslegung dahingehend, dass sich die Feststellung auf den Streitzeitraum vom bis beschränken soll, als Eingruppierungsfeststellungsklage nach der Senatsrechtsprechung ohne weiteres zulässige Klage (vgl. dazu nur - 4 AZR 203/01 - AP BAT 1975 §§ 22, 23 Nr. 293) begründet ist, kann der Senat nicht entscheiden. Mit der vom Landesarbeitsgericht angeführten Begründung konnte ihr nicht stattgegeben werden.

151. Auf das Arbeitsverhältnis findet der TV-Ärzte/VBGK sowie der TVÜ-Ärzte/VBGK kraft Tarifbindung Anwendung.

a) Diese Tarifverträge sind auf Arbeitnehmerseite vom Marburger Bund geschlossen worden, dem der Kläger angehört. Die Arbeitgeberseite ist in den beiden Tarifverträgen wie folgt bezeichnet:

17Die Tarifverträge sind jeweils von allen neun Tarifvertragspartnern auf Arbeitgeberseite gesondert unterzeichnet worden. Damit ist die Beklagte selbst Tarifvertragspartei und gem. § 4 Abs. 1 TVG iVm. § 3 Abs. 1 TVG an die Tarifverträge gebunden.

b) Nach § 12 TV-Ärzte/VBGK sind Ärzte entsprechend ihrer nicht nur vorübergehend und zeitlich mindestens zur Hälfte auszuübenden Tätigkeit wie folgt eingruppiert:

c) Der TVÜ-Ärzte/VBGK enthält tarifliche Regelungen zur Überleitung der zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des TV-Ärzte/VBGK am beschäftigten Ärztinnen und Ärzte in das neue Vergütungssystem. Die für den Rechtsstreit bedeutsamen Vorschriften lauten wie folgt:

202. Das Landesarbeitsgericht ist rechtsfehlerhaft davon ausgegangen, dass der Kläger sich für die begehrte Eingruppierung auf § 4 Abs. 1 TVÜ-Ärzte/VBGK stützen kann. Die Eingruppierung des Klägers in die Entgeltgruppe Ä 3 TV-Ärzte/VBGK ergibt sich hieraus nicht.

21a) § 4 Abs. 1 TVÜ-Ärzte/VBGK enthält Überleitungsregelungen für bereits beschäftigte Ärzte (im Hinblick auf die klagende Partei wird im Folgenden stets die männliche Form gewählt). Diese Regelungen enthalten - anders als § 12 TV-Ärzte/VBGK - keine Tätigkeitsanforderungen, sondern knüpfen die jeweilige Rechtsfolge der Zuordnung zu einer der neuen tariflichen Entgeltgruppen allein an die unterschiedliche bisher nach dem BG-AT gewährte Vergütung an. Danach werden alle Ärzte, die bisher nach der VergGr. IIa BG-AT vergütet worden sind, nunmehr in der Entgeltgruppe Ä 1 TV-Ärzte/VBGK eingruppiert. Die Ärzte, denen bisher Entgelt nach der VergGr. Ib BG-AT zustand, sollen Entgelt nach der Entgeltgruppe Ä 2 TV-Ärzte/VBGK erhalten. Die weiteren Überleitungsnormen befassen sich mit den Ärzten, die bisher nach VergGr. Ia und I BG-AT vergütet worden sind.

22b) Der Kläger hat bis zum Vergütung nach der VergGr. Ib BG-AT erhalten. Demnach führen die Überleitungsregelungen im TVÜ-Ärzte/VBGK nicht zu der von ihm begehrten Eingruppierung in die Entgeltgruppe Ä 3 TV-Ärzte/VBGK.

23c) Zu einem anderen Ergebnis führen auch nicht die vom Landesarbeitsgericht herangezogenen Vereinbarungen in der Niederschriftserklärung.

24aa) Die Niederschriftserklärung kann entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts bereits deshalb nicht als Erläuterung zu § 4 Abs. 1 TVÜ-Ärzte/VBGK herangezogen werden, weil sie von anderen Parteien vereinbart worden ist als der TVÜ-Ärzte/VBGK selbst. Für die Arbeitgeberseite ist die Niederschriftserklärung von der VBGK vereinbart und unterzeichnet worden. Tarifvertragspartei des TVÜ-Ärzte/VBGK dagegen ist ua. die Beklagte selbst.

25bb) Die Niederschriftserklärung ist ferner vom Wortlaut her nicht als Erläuterung der Tarifvertragsparteien zu § 4 Abs. 1 TVÜ-Ärzte/VBGK zu verstehen, wie das Landesarbeitsgericht meint. Sie stellt vielmehr eigenständige Überleitungsregelungen für die Eingruppierung „von Oberärzten und Funktionsoberärzten“ auf, die auf der Tatbestandsseite weder an Tätigkeitsmerkmale, wie § 12 TV-Ärzte/VBGK, noch an die bisherige Vergütungsgruppe, wie § 4 TVÜ-Ärzte/VBGK, anknüpfen, sondern an - einerseits - eine ausdrückliche „Ernennung“ zum Oberarzt in einer arbeitsvertraglichen Regelung oder durch ein Bestellungsschreiben oder an - andererseits - die Tätigkeit oder Eigenschaft eines „Funktionsoberarztes“. In der Niederschriftserklärung wird hieran je nach Vorliegen der dort genannten Tatbestandsmerkmale die Überleitung in eine bestimmte Entgeltgruppe des § 12 TV-Ärzte/VBGK gebunden.

26d) Die Niederschriftserklärung kommt für den Kläger bisher aber auch als eigenständige Anspruchsgrundlage für eine Überleitung in die Entgeltgruppe Ä 3 TV-Ärzte/VBGK nicht in Betracht, weil die Fähigkeit der VBGK zum wirksamen Abschluss von Tarifverträgen nicht feststeht.

27aa) Zwar ist die Niederschriftserklärung vom Wortlaut und von ihrer Auslegung her geeignet, den Anspruch des Klägers auf Eingruppierung in die Entgeltgruppe Ä 3 TV-Ärzte/VBGK zu begründen. Die Niederschriftserklärung befasst sich mit „Oberärzten und Funktionsoberärzten“ und regelt deren Überleitung in die Entgeltgruppen des TV-Ärzte/VBGK unabhängig von den allein an die bisherigen Vergütungsgruppen anknüpfenden Regelungen für alle Ärzte in § 4 TVÜ-Ärzte/VBGK. Danach sollen durch Regelung im Arbeitsvertrag oder Bestellungsschreiben zum Oberarzt „ernannte“ Oberärzte der bisherigen Vergütungsgruppen Ia und Ib in jedem Fall in die Entgeltgruppe Ä 3 TV-Ärzte/VBGK übergeleitet werden. Bei „Funktionsoberärzten“ unterscheidet die Niederschriftserklärung zwischen solchen, die mit aufsichtsführendem Hintergrunddienst oder fachlicher Beaufsichtigung anderer Ärzte beschäftigt waren - sie werden in die Entgeltgruppe Ä 3 TV-Ärzte/VBGK übergeleitet -, und solchen, bei denen dies nicht der Fall war und die überwiegend in Assistenz- oder Stationsarztfunktion tätig waren - diese sollen künftig nach Entgeltgruppe Ä 2 TV-Ärzte/VBGK vergütet werden. Damit kommt es bei den „Funktionsoberärzten“ in dieser Regelung auf die bisherige Vergütungsgruppe nicht mehr an. Da der Kläger ausweislich seines Arbeitsvertrages als „Funktionsoberarzt“ tätig war und nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts nicht überwiegend als Assistenz- oder Stationsarzt gearbeitet hat, kommt nach der Niederschriftserklärung eine Überleitung in die Entgeltgruppe Ä 3 TV-Ärzte/VBGK in Betracht.

28bb) Die Annahme der Niederschriftserklärung als eigenständige Anspruchsgrundlage für eine Überleitung des Klägers in die Entgeltgruppe Ä 3 TV-Ärzte/VBGK scheitert jedoch derzeit daran, dass nicht festgestellt ist, dass die Niederschriftserklärung von zwei tariffähigen Koalitionen geschlossen worden ist. Sie ist zwar mit „Tarifvertrag“ überschrieben. Für die tarifliche Wirksamkeit der darin vereinbarten Regelungen mangelt es jedoch an hinreichenden Feststellungen zur Tariffähigkeit der VBGK.

29(1) Die Tariffähigkeit einer Koalition setzt voraus, dass der Abschluss von Tarifverträgen zu ihren satzungsmäßigen Aufgaben zählt (arg. § 2 Abs. 3 TVG, vgl. nur Wiedemann/Oetker TVG 7. Aufl. § 2 Rn. 366 ff. mwN).

30(2) Danach bestehen erhebliche Zweifel an der Tariffähigkeit der VBGK.

(a) Die VBGK ist eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts, in der die Träger Berufsgenossenschaftlicher Kliniken und Behandlungsstellen zusammengeschlossen sind. Sie verfügt über keine Satzung, sondern lediglich über eine „Geschäftsordnung“. In dieser ist ua. geregelt:

32In der „Anlage zu § 2 Abs. 1 b) der Geschäftsordnung“ sind die folgenden neun Arbeitsbereiche aufgeführt: Qualität, Standards und Prozesse, Steuerung bgl. Heilverfahren (Arbeitsbereich I), Reporting (Arbeitsbereich II), Investitionskostenfinanzierung, Gemeinschaftsfonds (Arbeitsbereich III), Leistungsangebote und Forschung (Arbeitsbereich IV), Personalwesen (Arbeitsbereich V), DRG (Arbeitsbereich VI), Wirtschaftlichkeit (Arbeitsbereich VII), Öffentlichkeitsarbeit (Arbeitsbereich VIII) und Informations- und Kommunikationstechnik (Arbeitsbereich IX). Den einzelnen Arbeitsbereichen sind dabei „Kernaufgaben, Teilbereiche, Ziele“ zugeordnet. Zum Arbeitsbereich V (Personalwesen) heißt es insoweit: „Weiterentwicklung Tarifrecht; Muster-/Chefarztverträge; Arbeitsrecht und -verträge; Personalentwicklung“.

33(b) Aus diesen Bestimmungen der Geschäftsordnung ist der Wille der VBGK, die Wahrnehmung der genannten Aufgaben zumindest auch im Wege des Abschlusses von Tarifverträgen vorzunehmen, weder wörtlich noch sinngemäß zu entnehmen. Allein die Erwähnung der „Weiterentwicklung Tarifrecht“ lässt nicht auf den Willen schließen, als eigenständige Tarifvertragspartei bei der tariflichen Normsetzung für die Arbeitsverhältnisse ihrer Mitglieder aufzutreten. Dem entspricht das Ergebnis einer vom Senat bei der VBGK kurzfristig eingeholten Auskunft, wonach die VBGK grundsätzlich keine Tarifverträge in eigenem Namen abschließt. Soweit sie an Tarifvertragsverhandlungen beteiligt ist, werden die hieraus hervorgehenden Tarifverträge stets von den dort ausdrücklich als Tarifvertragsparteien genannten einzelnen Arbeitgebern geschlossen und auch von diesen unterzeichnet, wie dies sowohl beim TV-Ärzte/VBGK als auch beim TVÜ-Ärzte/VBGK der Fall ist.

34cc) Einer Aussetzung des Rechtsstreits nach § 97 Abs. 5 Satz 1 ArbGG wegen Vorgreiflichkeit der Entscheidung über die Tariffähigkeit einer Vereinigung bedarf es nicht.

35(1) Eine solche ist nur dann geboten, wenn sich in einem Rechtsstreit die Frage der Tariffähigkeit einer Vereinigung als entscheidungserhebliche Vorfrage stellt. Dies ist nur dann der Fall, wenn die Entscheidung ausschließlich von der Tariffähigkeit der Vereinigung abhängt ( - AP TVG § 1 Nr. 36 = EzA TVG § 1 Nr. 46). Die Frage der Tariffähigkeit muss ferner zwischen den Parteien streitig sein.

36(2) Diese beiden Voraussetzungen liegen jedenfalls noch nicht vor.

37(a) Die Frage der fehlenden Tariffähigkeit der VBGK ist erst unmittelbar vor der Revisionsverhandlung aufgeworfen worden. Den Parteien ist hierzu ausreichend rechtliches Gehör zu gewähren und die Gelegenheit zu geben, sich hierzu zu äußern und ggf. eigenen Sachvortrag zu erbringen, was in der Revisionsinstanz nicht möglich ist. Es erscheint nach der Gesamtheit des bisherigen Vortrages und den Erklärungen der Parteien in der Revisionsverhandlung auch nicht ausgeschlossen, dass die Parteien über diese Frage nicht streiten.

38(b) Selbst wenn die Parteien hinsichtlich der Tariffähigkeit der VBGK unterschiedlicher Auffassung sein sollten, steht die Entscheidungserheblichkeit dieser Frage nicht fest. Von einer fehlenden Tariffähigkeit der VBGK wäre lediglich eine mögliche normative Wirkung der Niederschriftserklärung betroffen; hierauf allein könnte der Kläger seinen Klageanspruch dann nicht stützen. Entscheidungserheblich ist diese Frage jedoch nur dann, wenn sich die Begründetheit der Klage nicht aus einem anderen Grunde ergeben kann. Dies ist aber - zumindest noch - nicht der Fall, da das Landesarbeitsgericht nicht abschließend geprüft hat, ob dem Kläger die begehrte Eingruppierung nicht bereits wegen der Erfüllung der Anforderungen eines Tätigkeitsmerkmales der Entgeltgruppe Ä 3 TV-Ärzte/VBGK zusteht.

393. Der Senat kann die Frage, ob der Kläger die Anforderungen eines Tätigkeitsmerkmales der Entgeltgruppe Ä 3 TV-Ärzte/VBGK unmittelbar erfüllt, nicht abschließend entscheiden. Auf der Grundlage der tatsächlichen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts kann nicht beurteilt werden, ob es sich bei der für die Eingruppierung maßgebenden Tätigkeit des Klägers um die Wahrnehmung der medizinischen Verantwortung für einen Teil- oder Funktionsbereich der Klinik oder Abteilung im Tarifsinne handelt. Das Landesarbeitsgericht hat zwar ausgeführt, es spreche „viel dafür, dass der Kläger der Entgeltgruppe Ä 3 zugeordnet worden wäre“. Es hat darüber aber nicht abschließend entschieden und die für eine solche abschließende Entscheidung erforderlichen Tatsachen auch nicht festgestellt. Den Parteien ist entsprechend Gelegenheit zur Präzisierung ihres Vortrages zu geben. Dies gebietet der Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs, insbesondere im Hinblick auf neue tarifliche Tätigkeitsmerkmale, die gemessen an der komplexen Wirklichkeit einen außerordentlich hohen Abstraktionsgrad aufweisen und dementsprechend einer intensiven Auslegung unterzogen werden müssen. Dabei ist weiterhin zu berücksichtigen, dass weder dem Kläger noch dem Landesarbeitsgericht die Senatsentscheidungen vom (vgl. zB - 4 AZR 495/08 - BAGE 132, 365; - 4 AZR 568/08 - AP TVG § 1 Tarifverträge: Arzt Nr. 9) zur Auslegung der Anforderungen an die Erfüllung der vergleichbaren Tätigkeitsmerkmale der neuen Arzttarifverträge der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände oder der Tarifgemeinschaft deutscher Länder mit dem Marburger Bund bekannt waren.

40a) Das Landesarbeitsgericht hat zur konkreten Tätigkeit des Klägers keine subsumtionsfähigen Tatsachen festgestellt. Der Klägervortrag zu der von ihm ausgeübten konkreten Tätigkeit ist nicht ergiebig.

41Dies kann jedoch nicht dazu führen, dass die Klage unter diesem Gesichtspunkt bereits jetzt abzuweisen wäre, zumal das Landesarbeitsgericht als letzte Tatsacheninstanz davon ausgegangen ist, es spreche „viel dafür“, dass der Kläger die Anforderungen des Tätigkeitsmerkmales der Entgeltgruppe Ä 3 nach § 12 TV-Ärzte/VBGK erfülle. Dem Kläger muss nach Maßgabe der Gewährung rechtlichen Gehörs Gelegenheit gegeben werden, nach der Erteilung der notwendigen Hinweise, die die seit dem ergangene Senatsrechtsprechung berücksichtigen, seinen bisherigen Vortrag zu substantiieren.

42b) Gleiches gilt für die organisatorisch-medizinische Struktur der Klinik. Es ist unklar, inwieweit hier organisatorische Abgrenzungen mit der Schaffung einheitlicher Organisationseinheiten mit eigener personeller, sachlicher und räumlicher Ausstattung geschaffen worden sind und welche konkreten Funktionen der Kläger jeweils innehat. Für eine Subsumtion, die mit dem Ergebnis der Erfüllung der Anforderungen des Tätigkeitsmerkmales eines Oberarztes nach § 12 TV-Ärzte/VBGK endet, reicht dies auch bei Unterstellung der erforderlichen Zeitanteile nicht aus.

434. Die Sache war deshalb zur weiteren Verhandlung und Entscheidung nach Erteilung der erforderlichen rechtlichen Hinweise an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen.

44Dabei wird das Landesarbeitsgericht für den Fall, dass es zum Ergebnis kommt, dem Kläger stehe grundsätzlich Vergütung nach der Entgeltgruppe Ä 3 TV-Ärzte/VBGK zu, zu beachten haben, ob der Kläger bei der Geltendmachung der Vergütungsverpflichtung der Beklagten die tarifliche Ausschlussfrist eingehalten hat.

45a) § 32 Abs. 1 TV-Ärzte/VBGK sieht vor, dass Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis verfallen, wenn sie nicht innerhalb einer Ausschlussfrist von sechs Monaten nach Fälligkeit von den Ärzten oder vom Arbeitgeber schriftlich geltend gemacht werden, wobei für denselben Sachverhalt eine einmalige Geltendmachung des Anspruchs auch für später fällige Leistungen ausreicht.

46b) Die Einhaltung einer geltenden tariflichen Verfallfrist ist im Arbeitsgerichtsprozess grundsätzlich als anspruchsbegründende Tatsache zur schlüssigen Darlegung vom Kläger vorzutragen. Die Nichteinhaltung der Frist ist von Amts wegen zu beachten; es ist nicht erforderlich, dass sich der Anspruchsgegner auf die Verfallfrist beruft ( - Rn. 51 mwN, AP TVG § 1 Tarifverträge: Großhandel Nr. 22 = EzA TVG § 4 Einzelhandel Nr. 55; Schaub/Treber ArbR-Hdb. 14. Aufl. § 209 Rn. 67).

c) Zur Einhaltung dieser Frist durch den Kläger hat das Landesarbeitsgericht keine Feststellungen getroffen. Hierzu hätte schon deshalb Anlass bestanden, weil der Anspruchszeitraum vom bis zum zum Zeitpunkt der Einreichung der Klage bereits seit mehr als einem Jahr beendet war und über eine vorgerichtliche Geltendmachung kein substantiierter Parteivortrag ergangen ist.

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Fundstelle(n):
EAAAE-13843