BGH Beschluss v. - 3 StR 194/12

Wiedereinsetzung gegen die Versäumung einer Rechtsmittelfrist: Bewusstes Nichtgebrauchmachen von einem befristeten Rechtsbehelf im Strafverfahren

Gesetze: § 44 S 1 StPO

Instanzenzug: LG Landau (Pfalz) Az: 1 KLs 7126 Js 510/10

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten vom Vorwurf der gemeinschädlichen Sachbeschädigung in 9 Fällen sowie der Sachbeschädigung in 82 Fällen, davon in zehn Fällen in Tateinheit mit Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen freigesprochen und seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet.

2Hinsichtlich dieses in Anwesenheit des Angeklagten verkündeten Urteils hat sein Verteidiger mit Schriftsatz vom auf Rechtsmittel verzichtet. Mit Schreiben vom - bei Gericht eingegangen am - hat der Angeklagte gleichwohl Revision gegen das Urteil eingelegt und zur Begründung ausgeführt, sein Verteidiger habe ihm nach Urteilsverkündung ein Schriftstück - wohl die schriftliche Rechtsmittelbelehrung - nicht mitgegeben; deshalb sei die Frist zur Revisionseinlegung "verpasst" worden. Mit Schreiben vom hat er sodann erklärt, er habe der "Nichteinlegung der Revision zugestimmt", weil ihn sein Verteidiger hinsichtlich der Erfolgsaussichten der Revision falsch beraten habe; dieser habe erklärt, "eine Revision hätte zu 99 % keine Erfolgsaussichten".

3Mit Schreiben seiner neuen Verteidigerin vom beantragte diese für den Angeklagten Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hinsichtlich der Revisionseinlegungsfrist und hinsichtlich der Versäumung der Frist zur Anbringung des Wiedereinsetzungsantrags. Die Revision begründete sie unter Erhebung der allgemeinen Sachrüge mit Schriftsatz vom 18.  April 2012, die sie unter dem näher ausführte.

41. Es kann offen bleiben, ob den Wiedereinsetzungsanträgen bereits deshalb der Erfolg zu versagen ist, weil sie infolge eines wirksamen Rechtsmittelverzichts durch den ersten Verteidiger des Angeklagten unzulässig sind. Für das Vorliegen der erforderlichen Ermächtigung des Verteidigers zur Erklärung des Rechtsmittelverzichts könnte zwar die Äußerung des Angeklagten sprechen, er habe der "Nichteinlegung der Revision zugestimmt", zwingend ist dies indes nicht.

5Die beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kann dem Angeklagten gleichwohl nicht bewilligt werden, weil seine letztgenannte Erklärung jedenfalls belegt, dass er sich nach Beratung durch seinen ersten Verteidiger zunächst bewusst gegen die Einlegung der Revision entschieden hatte; wer aber von einem befristeten Rechtsbehelf bewusst keinen Gebrauch macht, ist nicht im Sinne des § 44 Satz 1 StPO "verhindert, eine Frist einzuhalten" (, NStZ 2001, 160; Beschluss vom - 4 StR 454/97, NStZ-RR 1998, 109; KK-Maul, 6. Aufl., § 44 Rn. 17 mwN). Das gilt auch dann, wenn ein Angeklagter - wie hier vom Beschwerdeführer behauptet - nach Beratung durch seinen Verteidiger die Erfolgsaussichten eines Rechtsmittels möglicherweise falsch einschätzt (, NStZ 2001, 160; Beschluss vom - 4 StR 147/00, BGHR StPO § 44 Anwendungsbereich 2; Meyer-Goßner, StPO, 54. Aufl., § 44 Rn. 5).

62. Da die Revision nicht innerhalb der Frist des § 341 Abs. 1 StPO eingelegt wurde, war sie nach § 349 Abs. 1 StPO als unzulässig zu verwerfen.

Becker                                  Pfister                                 Mayer

                   Gericke                                 Spaniol

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Fundstelle(n):
TAAAE-13193