Instanzenzug: Az: 6 Ca 2985/08 Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht Köln Az: 7 Sa 469/09 Urteilnachgehend Az: 1 BvR 1560/12 Beschluss
Tatbestand
1Die Parteien streiten über die Höhe der dem Kläger zustehenden betrieblichen Altersrente und in diesem Zusammenhang darüber, ob die zugrunde liegenden tariflichen Regelungen altersdiskriminierend sind.
2Der am geborene Kläger trat am in die Dienste der beklagten Luftfahrtgesellschaft und war zuletzt seit Juni 1986 als Kapitän beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis der Parteien endete mit Erreichen der tarifvertraglichen Altersgrenze für Piloten mit Ablauf des .
Auf das Versorgungsverhältnis der Parteien finden kraft arbeitsvertraglicher Bezugnahme ua. der Tarifvertrag Lufthansa-Betriebsrente für das Cockpitpersonal vom (im Folgenden: TV Betriebsrente Lufthansa) sowie der Tarifvertrag zur Vereinheitlichung der betrieblichen Altersversorgung für das Cockpitpersonal vom (im Folgenden: TV Vereinheitlichung) Anwendung. Der TV Betriebsrente Lufthansa enthält auszugsweise folgende Regelungen:
Die Protokollnotiz I zu dem Tarifvertrag bestimmt auszugsweise:
Der zeitgleich mit dem TV Betriebsrente Lufthansa abgeschlossene TV Vereinheitlichung enthält auszugsweise folgende Bestimmungen:
§ 19 des zum Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses des Klägers in Kraft befindlichen Manteltarifvertrags Nr. 5a für das Cockpitpersonal, gültig ab (im Folgenden: MTV Cockpitpersonal), lautet:
7Das Arbeitsverhältnis des Klägers endete gemäß § 19 Abs. 2 MTV Cockpitpersonal nach Vollendung des 60. Lebensjahres mit Ablauf des Monats Oktober 2003. Der Kläger bezieht seit dem eine Betriebsrente von der Beklagten. Bei der Berechnung seiner Betriebsrente wurden die von ihm während seines aktiven Arbeitsverhältnisses erworbenen Rentenbausteine zugerechnet, ferner gemäß Protokollnotiz I Nr. 2 Satz 3 zum TV Betriebsrente Lufthansa drei weitere Rentenbausteine für die Zeit vom vollendeten 60. Lebensjahr bis zum vollendeten 63. Lebensjahr.
8Der Kläger hat die Auffassung vertreten, er werde bei der Berechnung seiner Lufthansa-Betriebsrente wegen seines Alters diskriminiert. Er werde gegenüber einem Kollegen, der im Alter von 23 Jahren bei der Beklagten eine Tätigkeit aufgenommen habe und nach einer Betriebszugehörigkeit von etwa 31,5 Jahren nach Vollendung des 55. Lebensjahres aus dem aktiven Dienst ausgeschieden sei, benachteiligt. Dieser Kollege erhalte, obwohl er nur auf eine gleich lange aktive Dienstzeit zurückblicken könne wie er selbst, aufgrund der Regelung in der Protokollnotiz I Nr. 2 Satz 3 zum TV Betriebsrente Lufthansa für die Zeit nach dem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis von der Vollendung des 55. Lebensjahres bis zur Vollendung des 63. Lebensjahres acht zusätzliche nachvertragliche Rentenbausteine und damit fünf mehr als er selbst. Dieselbe Betriebszugehörigkeit führe daher für ihn zu einer geringeren Betriebsrente, da er in höherem Lebensalter aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden sei als der zum Vergleich herangezogene Kollege. Diese Ungleichbehandlung sei nicht gerechtfertigt. Sie könne nur dadurch ausgeglichen werden, dass auch ihm fünf weitere nachvertragliche Rentenbausteine zugebilligt würden. Auf diese Weise erhöhe sich die ihm zustehende Betriebsrente um 582,63 Euro monatlich.
Der Kläger hat beantragt
10Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger seinen Klageantrag weiter. Die Beklagte beantragt die Zurückweisung der Revision.
Gründe
12Die Revision des Klägers ist unbegründet. Die Vorinstanzen haben die zulässige Klage zu Recht als unbegründet abgewiesen. Dem Kläger steht gegen die Beklagte kein höherer Betriebsrentenanspruch zu. Die Beklagte hat die dem Kläger nach dem TV Betriebsrente Lufthansa zustehende Betriebsrente zutreffend berechnet. Die der Berechnung der Altersrente zugrunde liegenden tariflichen Regelungen diskriminieren den Kläger nicht ungerechtfertigt wegen seines Alters.
13I. Die Klage ist zulässig. Der Klageantrag bedarf der Auslegung. In der gebotenen Auslegung ist er bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO und vom erforderlichen Feststellungsinteresse getragen; der Vorrang der Leistungsklage steht dem nicht entgegen.
141. Der Klageantrag bedarf der Auslegung. Der Kläger begehrt die gerichtliche Feststellung, wie hoch seine Ausgangsrente bei Eintritt des Versorgungsfalles am war. Der Kläger macht trotz des in diese Richtung weisenden Wortlautes seines Antrags nicht geltend, dass diese Rente diejenige ist, die seither von der Beklagten in unveränderter Höhe an ihn zu bezahlen ist. Es geht ihm vielmehr erkennbar darum, die genaue Höhe seiner Ausgangsrente festgestellt zu erhalten, auf der im weiteren Verlauf des Rentenbezuges seit dem die Anpassungen der laufenden Versorgungsleistungen nach § 16 TV Betriebsrente Lufthansa aufbauen. Die Höhe der Ausgangsrente hängt ua. von der Anzahl der nach der Protokollnotiz I Nr. 2 zum TV Betriebsrente Lufthansa zuzurechnenden nachvertraglichen Rentenbausteine ab. Hierauf bezieht sich die erstrebte Feststellung. Dies hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat bestätigt.
152. In dieser Auslegung ist der Antrag bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Der Kläger will nur die Höhe der Ausgangsrente festgestellt wissen, die ihm nach Abzug der VBL-Rente zusteht, und damit der laufenden Versorgungsleistung, die ihm die Beklagte selbst zu gewähren hat.
163. Der Antrag ist auf die Feststellung des Bestehens eines Rechtsverhältnisses iSd. § 256 ZPO gerichtet. Zwar können nach dieser Vorschrift nur Rechtsverhältnisse Gegenstand einer Feststellungsklage sein, nicht hingegen bloße Elemente oder Vorfragen eines Rechtsverhältnisses. Eine Feststellungsklage muss sich allerdings nicht notwendig auf ein Rechtsverhältnis insgesamt erstrecken. Sie kann sich vielmehr auf einzelne Beziehungen oder Folgen aus einem Rechtsverhältnis, auf bestimmte Ansprüche oder Verpflichtungen sowie auf den Umfang einer Leistungspflicht beschränken (vgl. - Rn. 12, EzA BetrAVG § 1 Betriebsvereinbarung Nr. 6). Vorliegend geht es um die Frage, in welcher Höhe der Kläger einen Anspruch auf betriebliche Altersversorgung gegenüber der Beklagten bei Eintritt des Versorgungsfalles am hatte und damit um die Klärung des Umfangs der Leistungspflicht der Beklagten.
174. Der Kläger hat auch ein Interesse an alsbaldiger Feststellung dieses Rechtsverhältnisses, da die Beklagte die geltend gemachte Höhe der Versorgung des Klägers leugnet. Der Vorrang der Leistungsklage greift nicht, da die Feststellungsklage eine sachgemäße, einfachere Erledigung der aufgetretenen Streitpunkte ermöglicht und prozesswirtschaftliche Erwägungen gegen einen Zwang zur Leistungsklage sprechen (vgl. - Rn. 18; - 3 AZR 288/97 - zu A der Gründe, BAGE 89, 180).
18II. Die Klage ist unbegründet. Der Kläger kann nicht mit Erfolg geltend machen, dass die von der Beklagten errechnete Ausgangsrente um 582,63 Euro brutto erhöht werden muss. Er hat keinen Anspruch auf Zurechnung weiterer fünf nachvertraglicher Rentenbausteine. Die dafür erforderlichen Voraussetzungen nach der Protokollnotiz I Nr. 2 zum TV Betriebsrente Lufthansa sind nicht erfüllt. Die Regelung in der Protokollnotiz I Nr. 2 zum TV Betriebsrente Lufthansa ist rechtswirksam. Sie verstößt weder gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) oder gegen Unionsrecht noch gegen sonstiges nationales Recht.
191. Der Kläger kann sein Klagebegehren nicht mit Erfolg auf die Protokollnotiz I Nr. 2 TV Betriebsrente Lufthansa stützen. Danach hat er Anspruch auf Zurechnung von drei nachvertraglichen Rentenbausteinen. Diese hat die Beklagte bei der Ermittlung seiner Ausgangsrente zum berücksichtigt.
20a) Nach der Protokollnotiz I Nr. 2 TV Betriebsrente Lufthansa werden bei Arbeitnehmern, deren Arbeitsverhältnis nach § 19 MTV Cockpitpersonal geendet hat, jährlich Rentenbausteine gemäß § 4 TV Betriebsrente Lufthansa für die Zeit nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses bis zum Eintritt des Versorgungsfalles, längstens bis zur Vollendung des 63. Lebensjahres, hinzugefügt.
21b) Der Kläger ist nach Vollendung des 60. Lebensjahres mit Ablauf des aus dem Arbeitsverhältnis mit der Beklagten gemäß § 19 Abs. 2 MTV Cockpitpersonal ausgeschieden. Er hat deshalb nach der Protokollnotiz I Nr. 2 zum TV Betriebsrente Lufthansa Anspruch auf Zurechnung von drei Rentenbausteinen für die Zeit zwischen dem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis mit Vollendung des 60. Lebensjahres bis zur Vollendung des 63. Lebensjahres. Eine Zurechnung weiterer fünf nachvertraglicher Rentenbausteine ist nach der Protokollnotiz I Nr. 2 in seinem Fall nicht vorgesehen.
222. Die Regelung über die Zurechnung nachvertraglicher Rentenbausteine in der Protokollnotiz I Nr. 2 zum TV Betriebsrente Lufthansa iVm. § 19 MTV Cockpitpersonal ist von der Regelungsmacht der Tarifvertragsparteien gedeckt. Sie verstößt nicht gegen das Verbot der Diskriminierung wegen des Alters mit der Folge, dass dem Kläger die nach der Protokollnotiz I Nr. 2 iVm. § 19 MTV Cockpitpersonal maximal denkbare Anzahl von insgesamt acht nachvertraglichen Rentenbausteinen zugerechnet werden müsste. Die tarifliche Regelung ist zwar am AGG zu messen. Sie ist jedoch nicht nach § 7 Abs. 2 AGG unwirksam. Die tariflichen Bestimmungen der Protokollnotiz und die Regelungen des AGG sind unionsrechtskonform. Die Regelung der Protokollnotiz I Nr. 2 zum TV Betriebsrente Lufthansa hält auch im Übrigen einer Rechtskontrolle stand.
23a) Die Protokollnotiz I Nr. 2 zum TV Betriebsrente Lufthansa ist am AGG zu messen. Sowohl dessen sachlicher als auch dessen zeitlicher Anwendungsbereich sind eröffnet.
24aa) Das AGG gilt trotz der in § 2 Abs. 2 Satz 2 AGG enthaltenen Verweisung auf das Betriebsrentengesetz auch für die betriebliche Altersversorgung, soweit das Betriebsrentenrecht nicht vorrangige Sonderregelungen enthält ( - Rn. 22 ff., BAGE 125, 133). Letzteres ist vorliegend nicht der Fall.
25bb) Das AGG ist auch in zeitlicher Hinsicht anwendbar. Seine Anwendung setzt voraus, dass unter seinem zeitlichen Geltungsbereich ein Rechtsverhältnis bestand. Dies muss kein Arbeitsverhältnis sein. Ausreichend ist vielmehr, wenn der Arbeitnehmer mit unverfallbaren Anwartschaften aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden oder Betriebsrentner ist und das damit begründete Anwartschafts- oder Versorgungsverhältnis bei oder nach Inkrafttreten des AGG noch besteht bzw. bestand (offengelassen - Rn. 59, BAGE 129, 105). Das Ausscheiden mit unverfallbarer Anwartschaft und ein Anspruch auf Betriebsrente begründen ein versorgungsrechtliches Dauerschuldverhältnis zwischen dem ausgeschiedenen Arbeitnehmer und dem ehemaligen Arbeitgeber. Die Anwartschaft des ausgeschiedenen Arbeitnehmers begründet die Verpflichtung des Arbeitgebers, das Versorgungsrisiko nach den Regeln der Versorgungsordnung abzudecken. Dieses Risiko aktualisiert sich mit Eintritt des Versorgungsfalles. Nach § 6 Abs. 1 AGG gilt das Gesetz zudem nicht nur für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sowie für andere Beschäftigte, sondern auch für Personen, deren Beschäftigungsverhältnis beendet ist (vgl. - Rn. 28 u. 37, AP GG Art. 3 Nr. 317 = EzA AGG § 2 Nr. 5; - 3 AZR 509/08 - Rn. 63, BAGE 134, 89). Das Versorgungsverhältnis des Klägers zur Beklagten besteht unter der Geltung des am (Art. 4 Satz 1 des Gesetzes zur Umsetzung europäischer Richtlinien zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung vom - BGBl. I S. 1897) in Kraft getretenen AGG fort.
26b) Die Regelung in der Protokollnotiz I Nr. 2 zum TV Betriebsrente Lufthansa ist nicht nach § 7 Abs. 2 AGG unwirksam.
27aa) Nach § 7 Abs. 1 Halbs. 1 AGG dürfen Beschäftigte nicht wegen eines der in § 1 AGG genannten Gründe benachteiligt werden. Unzulässig sind unmittelbare und mittelbare Benachteiligungen. Eine unmittelbare Benachteiligung liegt nach § 3 Abs. 1 AGG vor, wenn eine Person wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation. Nach § 3 Abs. 2 AGG liegt eine mittelbare Benachteiligung vor, wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Personen wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes gegenüber anderen Personen in besonderer Weise benachteiligen können, es sei denn, die betreffenden Vorschriften, Kriterien oder Verfahren sind durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und die Mittel sind zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich. Bestimmungen in Vereinbarungen - wozu auch Tarifverträge gehören -, die gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 AGG verstoßen, sind nach § 7 Abs. 2 AGG unwirksam.
28Nach § 1 AGG sollen durch das Gesetz ua. Benachteiligungen aus Gründen des Alters verhindert oder beseitigt werden. § 10 Satz 1 und Satz 2 AGG gestattet - in weitgehend gleicher Formulierung wie § 3 Abs. 2 AGG - die unterschiedliche Behandlung wegen des Alters, wenn diese objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist und wenn die Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich sind. Nach § 10 Satz 3 Nr. 4 AGG können derartige unterschiedliche Behandlungen insbesondere „die Festsetzung von Altersgrenzen bei den betrieblichen Systemen der sozialen Sicherheit als Voraussetzung für die Mitgliedschaft oder den Bezug von Altersrente oder von Leistungen bei Invalidität einschließlich der Festsetzung unterschiedlicher Altersgrenzen im Rahmen dieser Systeme für bestimmte Beschäftigte oder Gruppen von Beschäftigten und die Verwendung von Alterskriterien im Rahmen dieser Systeme für versicherungsmathematische Berechnungen“ einschließen.
29bb) Danach wird der Kläger durch die Regelung in der Protokollnotiz I Nr. 2 zum TV Betriebsrente Lufthansa nicht unzulässigerweise wegen seines Alters benachteiligt.
30(1) Es kann dahinstehen, ob der Kläger durch die tarifliche Regelung überhaupt wegen des Alters eine weniger günstige Behandlung gegenüber einem Kollegen in einer vergleichbaren Situation erfährt.
31(a) Dem könnte bereits entgegenstehen, dass die tarifliche Regelung allen Piloten, die aufgrund der Altersgrenze in § 19 MTV Cockpitpersonal ausscheiden, bis zur Vollendung des 63. Lebensjahres je einen nachvertraglichen Rentenbaustein pro Jahr zurechnet. Der Kläger wird dadurch zwar anders behandelt als ein Pilot, dessen Arbeitsverhältnis - wie das des Klägers - nach 31,5 Dienstjahren beendet wird, der jedoch - im Unterschied zum Kläger - bei Eintritt in das Unternehmen der Beklagten 23 Jahre alt war und der nach § 19 Abs. 1 MTV Cockpitpersonal bereits mit Vollendung des 55. Lebensjahres aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden ist, während der Kläger sein Arbeitsverhältnis mit über 28 Jahren begonnen hat und erst nach Vollendung des 60. Lebensjahres nach § 19 Abs. 2 MTV Cockpitpersonal ausgeschieden ist. Seine 31,5-jährige Betriebszugehörigkeit im Unternehmen der Beklagten führt infolge einer geringeren Zurechnung nachvertraglicher Rentenbausteine nach der Protokollnotiz I Nr. 2 zu einem geringeren Betriebsrentenanspruch. Dies beruht allerdings darauf, dass die tarifliche Regelung allen Piloten, deren Arbeitsverhältnis aufgrund der tariflichen Altersgrenze in § 19 MTV Cockpitpersonal zwischen der Vollendung des 55. und 60. Lebensjahres endet, bis zur Vollendung des 63. Lebensjahres nachvertraglich einen Rentenbaustein pro Jahr gewährt. Die tarifliche Zurechnungsregelung behandelt damit alle diese Piloten gleich, indem sie ihnen vom Beginn des Arbeitsverhältnisses bis zur Vollendung des 63. Lebensjahres Rentenbausteine zurechnet. Auch dem Kläger wären acht statt drei nachvertragliche Rentenbausteine zugerechnet worden, wenn er bereits mit Vollendung des 55. Lebensjahres aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden wäre und er sich nicht zu einer mehrfachen Verlängerung des Arbeitsverhältnisses bis zur Vollendung des 60. Lebensjahres entschlossen hätte.
32(b) Es ist zudem fraglich, ob sich der Kläger in einer vergleichbaren Situation befindet wie ein Pilot, der bei Beginn des Arbeitsverhältnisses fünf Jahre jünger war als er selbst und der nach Vollendung des 55. Lebensjahres aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden ist. Mit der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zur Vollendung des 60. Lebensjahres nach § 19 Abs. 2 MTV Cockpitpersonal hat sich der Kläger dafür entschieden, in den Jahren zwischen der Vollendung des 55. Lebensjahres bis zur Vollendung des 60. Lebensjahres noch Arbeitsleistungen für die Beklagte zu erbringen und im Gegenzug dafür die vorgesehene Vergütung einschließlich der Rentenbausteine nach § 4 TV Betriebsrente Lufthansa zu erhalten. Die Vergleichsperson, deren Arbeitsverhältnis bereits fünf Jahre länger gedauert hatte und die nach § 19 Abs. 1 MTV Cockpitpersonal mit Vollendung des 55. Lebensjahres ausgeschieden ist, hat in den Jahren zwischen der Vollendung des 55. Lebensjahres bis zur Vollendung des 60. Lebensjahres das Arbeitsverhältnis nicht fortgesetzt, folglich keine Vergütung mehr erhalten, sondern die Übergangsversorgung nach dem TV Übergangsversorgung Cockpit in Anspruch genommen und dadurch idR Einkommenseinbußen erfahren. Während der Kläger noch im Arbeitsverhältnis stand und Rentenbausteine nach § 4 TV Betriebsrente Lufthansa erworben hat, war diese Möglichkeit für die Vergleichsperson nicht mehr gegeben. Die durch die Protokollnotiz I Nr. 2 in diesem Fall vorgesehene Zurechnung nachvertraglicher Rentenbausteine stellt wie die Übergangsversorgung nach dem TV Übergangsversorgung Cockpit eine Kompensation für die frühere Beendigung des Arbeitsverhältnisses dar.
33(2) Selbst wenn in der durch die tarifliche Regelung bewirkten unterschiedlichen Behandlung eines mit Vollendung des 60. Lebensjahres ausgeschiedenen Piloten gegenüber einem Piloten, der nach derselben Betriebszugehörigkeit mit 55 Jahren ausgeschieden ist, eine - unmittelbare - Benachteiligung wegen des Alters liegen sollte, wäre diese gerechtfertigt. Dies ergibt sich zwar nicht aus § 10 Satz 3 Nr. 4 AGG, aber aus § 10 Satz 1 und Satz 2 AGG.
34(a) Der Anwendungsbereich des § 10 Satz 3 Nr. 4 AGG ist vorliegend nicht eröffnet. Die streitbefangene Regelung der Protokollnotiz I Nr. 2 zum TV Betriebsrente Lufthansa stellt keine Festsetzung einer Altersgrenze bei den betrieblichen Systemen der sozialen Sicherheit als Voraussetzung für die Mitgliedschaft oder den Bezug von Altersrente oder von Leistungen bei Invalidität einschließlich der Festsetzung unterschiedlicher Altersgrenzen im Rahmen dieser Systeme für bestimmte Beschäftigte oder Gruppen von Beschäftigten und die Verwendung von Alterskriterien im Rahmen dieser Systeme für versicherungsmathematische Berechnungen dar. Die über § 19 MTV Cockpitpersonal in Bezug genommene Altersgrenze ist keine Altersgrenze iSd. Vorschrift, denn sie regelt weder eine Voraussetzung für die Mitgliedschaft noch den Beginn des Rentenbezuges. Die Begrenzung für die Zurechnung nachvertraglicher Rentenbausteine auf die Vollendung des 63. Lebensjahres ist zwar eine Altersgrenze iSv. § 10 Satz 3 Nr. 4 AGG. Deren Wirksamkeit wird vom Kläger im vorliegenden Rechtsstreit jedoch nicht in Zweifel gezogen. Die Protokollnotiz I Nr. 2 zum TV Betriebsrente Lufthansa regelt auch nicht die Verwendung von Alterskriterien im Rahmen der betrieblichen Altersversorgungssysteme für versicherungsmathematische Berechnungen. Zwar erfordert die Anwendung der Protokollnotiz I Nr. 2 eine Berechnung zur Ermittlung der Anzahl der zuzurechnenden nachvertraglichen Rentenbausteine. Dies ist jedoch keine „versicherungsmathematische Berechnung“. Versicherungsmathematische Berechnungen sind nur solche Berechnungen, bei denen mit Hilfe der mathematischen Statistik und der Wahrscheinlichkeitsrechnung die Grundlagen für die Berechnung von Prämien, Beiträgen und Versicherungsleistungen ermittelt werden (vgl. Duden Das große Wörterbuch der deutschen Sprache 3. Aufl. Stichwort „Versicherungsmathematik“). Eine solche Berechnung verlangt die Protokollnotiz I Nr. 2 nicht.
35(b) Die Protokollnotiz I Nr. 2 zum TV Betriebsrente Lufthansa ist gemessen an § 10 Satz 1 und Satz 2 AGG wirksam. Die unterschiedliche Behandlung von Piloten, die mit 60 Jahren nach der Altersgrenzenregelung in § 19 Abs. 2 MTV Cockpitpersonal aus dem Arbeitsverhältnis ausscheiden, gegenüber Piloten, die mit derselben Dauer der Betriebszugehörigkeit mit 55 Jahren nach § 19 Abs. 1 MTV Cockpitpersonal ausscheiden, hinsichtlich der Anzahl der zuzurechnenden Rentenbausteine ist zulässig, denn sie ist objektiv und angemessen und durch ein legitimes, im Allgemeininteresse bestehendes Ziel gerechtfertigt; die eingesetzten Mittel zur Erreichung des Ziels sind angemessen und erforderlich.
36(aa) Ziel der Regelung in der Protokollnotiz I Nr. 2 ist die Sicherstellung einer angemessenen betrieblichen Altersversorgung für diejenigen Arbeitnehmer, die auf der Grundlage des § 19 MTV Cockpitpersonal deutlich vor dem Erreichen der in der Versorgungsordnung vorgesehenen festen Altersgrenze aus dem Arbeitsverhältnis ausscheiden und denen damit ein weiterer Aufbau von Rentenansprüchen nicht möglich ist. Dieses mit der tariflichen Regelung verfolgte Ziel ist zwar im Tarifvertrag nicht ausdrücklich benannt. Es ergibt sich jedoch aus dem allgemeinen Kontext der tarifvertraglichen Regelung, insbesondere ihrem erkennbaren Sinn und Zweck. Dies ermöglicht eine Überprüfung der Geeignetheit, Erforderlichkeit und Angemessenheit der Bestimmung und genügt insoweit daher auch unionsrechtlichen Vorgaben (vgl. - [Age Concern England] Rn. 45, Slg. 2009, I-1569; - Rn. 31 mwN, AP BetrAVG § 16 Nr. 72 = EzA BetrAVG § 16 Nr. 57).
37Die Protokollnotiz knüpft für die Zurechnung weiterer nachvertraglicher Rentenbausteine bis zur Vollendung des 63. Lebensjahres an die Beendigung des Arbeitsverhältnisses nach § 19 MTV Cockpitpersonal an und gewährt diese Ansprüche nach Nr. 3 der Protokollnotiz I auch nur im Falle der Beendigung des Arbeitsverhältnisses nach § 19 MTV Cockpitpersonal. Die Tarifvertragsparteien wollen durch die Protokollnotiz I Nr. 2 daher sicherstellen, dass die Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis vor der Vollendung des 63. Lebensjahres aufgrund der tarifvertraglichen Regelung in § 19 MTV Cockpitpersonal und damit deutlich vor dem Zeitpunkt endet, zu dem frühestens eine Altersrente bezogen werden kann, hierdurch keine Nachteile in der betrieblichen Altersversorgung erleiden. Die Zurechnung von nachvertraglichen Rentenbausteinen ergänzt damit die im TV Übergangsversorgung Cockpit hinsichtlich der Vergütung im Zeitraum von der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zwischen dem 55. und 60. Lebensjahr bis zum Eintritt in den Ruhestand mit Vollendung des 63. Lebensjahres vorgesehene Absicherung der Arbeitnehmer. Die Protokollnotiz I Nr. 2 will die Arbeitnehmer für diesen Zeitraum auch in der betrieblichen Altersversorgung absichern, indem ihnen nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses bis zur Vollendung des 63. Lebensjahres nachvertragliche Rentenbausteine zugerechnet werden. Die Tarifvertragsparteien wollen damit sicherstellen, dass die Betriebszugehörigkeit der Arbeitnehmer von ihrem individuellen Eintritt in das Arbeitsverhältnis bis zum Beginn des Bezuges von Leistungen aus der betrieblichen Altersversorgung berücksichtigt wird, sofern die Beendigung des Arbeitsverhältnisses nach § 19 MTV Cockpitpersonal eintritt.
38Dieses Ziel ist legitim iSv. § 10 Satz 1 AGG. Die Sicherstellung einer angemessenen Altersversorgung liegt im Allgemeininteresse und ist sozialpolitischer Art. Es genügt daher den unionsrechtlichen Vorgaben des Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (ABl. EG L 303 vom S. 16), der durch § 10 AGG in das nationale Recht umgesetzt wurde (vgl. - [Prigge ua.] Rn. 81, AP Richtlinie 2000/78/EG Nr. 23 = EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 2000/78 Nr. 22).
39(bb) Von diesem Regelungszweck her ist es naheliegend und damit angemessen, wenn die Tarifvertragsparteien die Zurechnung nachvertraglicher jährlicher Rentenbausteine für die Zeit zwischen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses nach § 19 MTV Cockpitpersonal und der Vollendung des 63. Lebensjahres vorsehen. Damit schließen die Tarifvertragsparteien eine ansonsten unvermeidlich auftretende Lücke in der Absicherung der nach § 19 MTV Cockpitpersonal ausgeschiedenen Arbeitnehmer hinsichtlich ihrer betrieblichen Altersversorgung. Die Tarifvertragsparteien stellen diese Arbeitnehmer so, wie sie stehen würden, wenn sie ihr Arbeitsverhältnis bis zum 63. Lebensjahr fortgesetzt hätten.
40Die tarifliche Regelung geht damit auch nicht über das hinaus, was zur Erreichung des Ziels erforderlich ist (vgl. hierzu - [Andersen] Rn. 36 ff., AP Richtlinie 2000/78/EG Nr. 17 = EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 2000/78 Nr. 17). Die Regelung schließt lediglich die bei jedem betroffenen Arbeitnehmer individuell auftretende Absicherungslücke zwischen der individuellen Beendigung des Arbeitsverhältnisses und dem 63. Lebensjahr.
41(cc) Die tarifvertragliche Vorschrift führt nicht zu einer Aushöhlung des Verbots der Diskriminierung aus Gründen des Alters. Sie ist vielmehr ein notwendiger Teil im Gesamtkonzept der Tarifregelungen zur Beendigung der Arbeitsverhältnisse des fliegenden Personals zu Zeitpunkten vor Erreichen des Alters, ab dem üblicherweise Leistungen aus der gesetzlichen und betrieblichen Altersversorgung bezogen werden können.
42(3) Der Senat kann über die Vereinbarkeit der tariflichen Regelung mit Unionsrecht selbst entscheiden. Es besteht keine Verpflichtung, ein Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der Europäischen Union zu richten (Art. 267 AEUV). Die zur Beurteilung der Wirksamkeit der Protokollnotiz I Nr. 2 zum TV Betriebsrente Lufthansa und der Regelung in § 10 Satz 1 und Satz 2 AGG heranzuziehenden Grundsätze zur Auslegung und zur Anwendung der § 10 Satz 1 und Satz 2 AGG zugrunde liegenden Bestimmung des Art. 6 der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf sind durch die jüngere Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union geklärt.
43Die Auslegung des unionsrechtlichen Grundsatzes des Verbots der Diskriminierung wegen des Alters einschließlich des Rückgriffs auf die Rahmenrichtlinie zur Konkretisierung des primärrechtlichen Grundsatzes ist durch die Entscheidungen des Gerichtshofs in der Rechtssache „Kücükdeveci“ ( - Slg. 2010, I-365) und in der Rechtssache „Prigge ua.“ ( - AP Richtlinie 2000/78/EG Nr. 23 = EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 2000/78 Nr. 22) geklärt, so dass eine Vorlagepflicht entfällt (vgl. 283/81 - [C.I.L.F.I.T.] Slg. 1982 S. 3415). Es liegt ein Fall des „acte éclairé“ vor (vgl. zur Begrifflichkeit: - Rn. 56 f., NJW 2011, 288). Ob ein Grund iSd. Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG gegeben ist, der eine Diskriminierung wegen des Alters ausschließt, ist von den nationalen Gerichten zu prüfen ( - [Age Concern England] Rn. 47 ff., Slg. 2009, I-1569).
44c) Die Tarifregelung hält auch im Übrigen einer Rechtskontrolle stand. Die Tarifvertragsparteien bewegen sich mit der Bestimmung innerhalb des tarifvertraglich Regelbaren. Tarifverträge können die betriebliche Altersversorgung regeln (vgl. § 1 Abs. 1 TVG, § 17 BetrAVG). Soweit die Protokollnotiz I zum TV Betriebsrente Lufthansa eine von § 2 Abs. 1 BetrAVG abweichende Bestimmung enthält, ist dies von § 17 Abs. 3 Satz 1 BetrAVG ausdrücklich gedeckt. Die Wirksamkeit der Protokollnotiz I Nr. 2 zum TV Betriebsrente Lufthansa scheitert auch nicht an einem Verstoß gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG. Dabei kann dahinstehen, ob die Tarifvertragsparteien als Normgeber unmittelbar an Art. 3 Abs. 1 GG oder ob sie an dessen Grundsätze nur mittelbar gebunden sind (vgl. dazu - zu I 3 b der Gründe mwN, BAGE 108, 94). Jedenfalls enthält Art. 3 Abs. 1 GG hinsichtlich des Verbots der Diskriminierung wegen des Alters keine weitergehenden Anforderungen als § 10 AGG und Art. 6 der Richtlinie 2000/78/EG.
III. Der Kläger hat die Kosten seiner erfolglosen Revision gemäß § 97 Abs. 1 ZPO zu tragen.
Fundstelle(n):
IAAAE-12472