BGH Beschluss v. - 3 StR 472/11

Strafurteil wegen Betruges gegenüber einer Personenmehrheit

Gesetze: § 263 StGB

Instanzenzug: LG Wuppertal Az: 26 KLs 38/10

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Betruges in 42 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und drei Monaten verurteilt und ausgesprochen, dass aufgrund rechtsstaatswidriger Verfahrensverzögerung ein Monat Freiheitsstrafe als verbüßt gilt. Weiter hat es den Verfall von Wertersatz in Höhe von 25.000 € angeordnet. Die dagegen gerichtete Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt, hat mit der Sachbeschwerde den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist sie unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).

2Die Verurteilung des Angeklagten wegen Betruges in den Fällen II. A der Urteilsgründe (Betrug zum Nachteil der Partei "        ") hat keinen Bestand. Der Generalbundesanwalt hat in seiner Zuschrift ausgeführt:

"Eine Strafbarkeit wegen Betruges gemäß § 263 Abs. 1 StGB setzt voraus, dass eine andere Person über Tatsachen getäuscht wird und durch den so hervorgerufenen Irrtum zu einer vermögensmindernden Verfügung veranlasst wird. Personenmehrheiten können nicht als solche Subjekt eines Irrtums sein. Vielmehr müssen bei arbeitsteilig tätigen Unternehmen oder Organisationen die Urteilsgründe regelmäßig darlegen, wer im konkreten Fall auf welcher Grundlage und mit welchen Vorstellungen die Entscheidung über die Erbringung der vom Täter erstrebten Leistung getroffen und damit die Verfügung vorgenommen hat (vgl. BGH NStZ 2003, 313, 314 f.; 2006, 687; wistra 1997, 100; 2010, 148; BGHR StGB § 263 Abs. 1 Irrtum 9 und 15; Fischer StGB 59. Aufl. § 263 Rdn. 67).

Dies lässt sich den Urteilsfeststellungen nicht hinreichend entnehmen. Danach vertrauten die für die Auszahlung der Provisionen an die P.   'verantwortlichen Personen in der Partei' darauf, dass die Angaben des Angeklagten in seinen Rechnungen zutreffend waren (UA S. 8). Diese Feststellung bietet keine hinreichende Grundlage für die Beantwortung der Frage, inwieweit die Auszahlungen der Provisionen durch einen täuschungsbedingten Irrtum des Verfügenden veranlasst wurden. Im Hinblick auf die unterschiedlichen Verantwortungsbereiche und unterschiedlichen Wissensstände bei arbeitsteilig tätigen Personenmehrheiten wäre[…] im Hinblick auf die Irrtumsproblematik … im Einzelnen darzustellen gewesen, wer die Auszahlungen aufgrund welcher Anweisungen angeordnet und vorgenommen hat und ob und welche Mitglieder des Parteivorstands Kenntnis von dem 'Spendenkonstrukt' des Angeklagten hatten.

Sollten die Auszahlungen der Provisionen von einem untergeordneten Mitarbeiter der Partei, etwa einem Beschäftigten aus der Buchhaltung, veranlasst worden sein, zeigt die Strafkammer nicht auf, dass die Person über die rein 'mechanische' Anweisung der vom Angeklagten geltend gemachten Provisionen überhaupt die Möglichkeit oder Verpflichtung hatte, Überlegungen hinsichtlich der Ordnungsmäßigkeit der Rechnungen anzustellen und daher einem Irrtum im Sinne von § 263 Abs. 1 StGB unterlag (vgl. BGHR StGB § 263 Abs. 1 Irrtum 16). Insoweit geht aus den Urteilsausführungen zur Beweiswürdigung lediglich hervor, dass die Zeugin M.     , eine Mitarbeiterin im Parteibüro der Vorsitzenden U.   , die Anweisung erhalten habe, Rechnungen vom Angeklagten ohne Kommentar zu bezahlen (UA S. 41). Nach Angaben des vor dem Tatzeitraum als Schatzmeister tätigen Zeugen E.     brauchte dieser hinsichtlich der Spendenakquise nichts zu prüfen, weil man ihm gesagt hatte, wenn U.    unterschrieben habe, sei das in Ordnung (UA S. 43). Ob dies auch im Tatzeitraum der Fall war, bleibt im Urteil offen. Nach diesen Aussagen liegt es aber nahe, dass der die Provisionen auszahlende (gutgläubige) Mitarbeiter seine Befugnis ausschließlich aus den Befugnissen seiner Vorgesetzten abgeleitet hat und … deshalb für die Frage des Vorliegens eines täuschungsbedingten Irrtums des Verfügenden nicht auf dessen Kenntnis, sondern auf die Kenntnis der Vorgesetzten von der Unrichtigkeit der Abrechnungen abzustellen ist (vgl. BGHR StGB § 263 Abs. 1 Irrtum 15).

Letztlich könnte diese Frage offen bleiben, wenn sich aus den Urteilsfeststellungen mit ausreichender Sicherheit entnehmen ließe, dass die die Provisionsauszahlungen anweisenden Mitglieder des Parteivorstands ebenfalls gutgläubig waren und vom Angeklagten getäuscht wurden. Insoweit sind die Urteilsfeststellungen aber nicht eindeutig. … Dafür, dass die Vorstandsmitglieder nicht gutgläubig waren, könnte auch die Aussage des Kassenprüfers K.   sprechen. Diesem waren Ungereimtheiten im Zusammenhang mit den Spenden aufgefallen; gleichwohl ist ihm eine Kassenprüfung verwehrt worden und hat er auf kritische Fragen keine Auskunft seitens der Parteiführung erhalten (UA S. 43). Schließlich lässt die Interessenlage, möglichst hohe Zuwendungen vom Deutschen Bundestag zu erhalten, es als nicht ganz fernliegend erscheinen, dass die Vorstandsmitglieder U.   , M.    und Ma.      von dem Spendenkonstrukt Kenntnis hatten, dies aber im Hinblick auf die Parteienfinanzierung duldeten.

Angesichts der unklaren Feststellungen zum Vorstellungsbild der Mitglieder des Vorstandes kann die Frage des Irrtums … nicht zuverlässig überprüft werden. Es erscheint vielmehr nicht ausgeschlossen, dass sich der Angeklagte (nur) wegen Beihilfe zur Untreue schuldig gemacht hat."

3Dem schließt sich der Senat an.

4Mit dem Schuldspruch in den Fällen II. A der Urteilsgründe unterliegen die für diese Taten verhängten Einzelstrafen, die Gesamtstrafe, die Kompensations- und die Verfallsentscheidung samt den zugehörigen Feststellungen (§ 353 Abs. 2 StPO) der Aufhebung. Die Verurteilung in den Fällen II. B der Urteilsgründe ist dagegen durch den Rechtsfehler nicht betroffen und bleibt bestehen.

Becker                                        Pfister                                           Hubert

                         Mayer                                        Menges

Diese Entscheidung steht in Bezug zu

Fundstelle(n):
wistra 2012 S. 2 Nr. 7
wistra 2012 S. 305 Nr. 8
DAAAE-10122