BAG Urteil v. - 4 AZR 79/10

Auslegung einer arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklausel als Gleichstellungsabrede

Gesetze: § 611 Abs 1 BGB, § 133 BGB, § 157 BGB

Instanzenzug: Az: 2 Ca 1884/08 Urteilvorgehend LArbG Berlin-Brandenburg Az: 16 Sa 1228/09 u. 16 Sa 1365/09 Urteil

Tatbestand

1Die Parteien streiten im Rahmen einer Zahlungsklage über die Auslegung einer arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklausel.

Die Klägerin ist seit dem aufgrund eines Formulararbeitsvertrages als stellvertretende Filialleiterin bei der Beklagten beschäftigt. § 3 ihres Arbeitsvertrages vom hat auszugsweise folgenden Wortlaut:

3Die Beklagte war im Zeitpunkt des Arbeitsvertragsschlusses Mitglied im Einzelhandelsverband Land Brandenburg e. V. Dieser hatte sowohl den Manteltarifvertrag für den Einzelhandel im Bundesland Brandenburg (MTV) als auch den Tarifvertrag über Gehälter, Löhne und Ausbildungsvergütungen für den Einzelhandel im Bundesland Brandenburg (LTV) geschlossen. Beide Tarifverträge waren in den neunziger Jahren - mit Unterbrechungen - für allgemeinverbindlich erklärt worden. Im Jahre 1997 wurden die Geschäftsanteile der Beklagten von der Z Gruppe übernommen. Sie verlegte ihren Sitz nach K und trat aus dem Arbeitgeberverband für den Einzelhandel aus. Die Klägerin war und ist nicht Mitglied der den Tarifvertrag für den Einzelhandel des Landes Brandenburg schließenden Gewerkschaft. Seit 2000 sind die Einzelhandelstarifverträge in Brandenburg nicht mehr allgemeinverbindlich.

4Die Beklagte zahlte der Klägerin nach ihrem Austritt aus dem Einzelhandelsverband 1997 weiterhin das Entgelt entsprechend dem zu diesem Zeitpunkt geltenden Tarifvertrag. In den Jahren 1999 bis 2002 gewährte sie ihr darüber hinaus Sonderzuwendungen und Einmalzahlungen.

5Die Beklagte zahlte der Klägerin bis Juni 2008 ein Gehalt iHv. 1.697,00 Euro brutto und seit dem iHv. 1.747,00 Euro brutto. Mit Schreiben vom 3. März und verlangte die Klägerin unter Berufung auf ihren Arbeitsvertrag von der Beklagten vergeblich die Zahlung einer Vergütung „nach dem geltenden Tarifrecht des Landes Brandenburg“. Mit anwaltlichem Schreiben vom beanspruchte die Klägerin Zahlung eines monatlichen Bruttoentgelts nach der Gehaltsgruppe K 2, 7. Berufsjahr nebst übertariflicher Zulage iHv. 102,26 Euro brutto für die stellvertretende Filialleitung für den Zeitraum von Dezember 2007 bis September 2008. Für die Zeit ab dem forderte sie die Zahlung eines monatlichen Bruttoentgelts einschließlich der Zulage für die stellvertretende Filialleitung iHv. insgesamt 2.138,57 Euro brutto.

6Mit ihrer am beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat die Klägerin die Beklagte ua. auf Zahlung rückständiger Vergütung für die Monate Dezember 2007 bis November 2008 zuzüglich Zinsen in Anspruch genommen und die Feststellung begehrt, ihr stehe auch für den dann folgenden Zeitraum Vergütung nach dem aktuellen Tarifvertrag über Gehälter, Löhne und Ausbildungsvergütungen für den Einzelhandel im Bundesland Brandenburg idF vom zu. Sie hat die Auffassung vertreten, bei der arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklausel handele es sich nicht um eine sog. Gleichstellungsabrede. Eine solche Auslegung verstoße gegen § 305c Abs. 2 BGB. Dies gelte auch unter dem Gesichtspunkt des durch die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts gewährten Vertrauensschutzes, der jedenfalls zu weitgehend sei. Der Gesetzgeber habe in Art. 229 § 5 EGBGB in der allgemeinen Überleitungsvorschrift zum Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts vom Grundsätze zur Überleitung und zum Vertrauensschutz geregelt und eine Jahresfrist zur Umstellung von Dauerschuldverhältnissen für ausreichend erachtet. Im Übrigen habe die Beklagte durch die Leistung der Sonderzahlungen und Einmalzahlungen deutlich gemacht, dass sie sich auch nach ihrem Verbandsaustritt dynamisch an die Bezugnahmeklausel habe halten wollen.

Die Klägerin hat, soweit für die Revision noch von Bedeutung, beantragt:

8Die Beklagte hat sich für ihren Klageabweisungsantrag darauf berufen, dass es sich bei der arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklausel um eine sog. Gleichstellungsabrede handele. Dies habe dazu geführt, dass der bis zu ihrem Austritt aus dem tarifschließenden Einzelhandelsverband im Jahre 1997 maßgebliche Tarifvertrag lediglich statisch weiter auf das Arbeitsverhältnis anzuwenden sei. Dies entspreche dem Vertrauensschutz in die frühere Rechtsprechung zur Gleichstellungsabrede, die vom Bundesarbeitsgericht für vor dem vereinbarte Bezugnahmeklauseln gewährt werde. Den sich daraus für die Klägerin ergebenden Vergütungsanspruch habe die Beklagte erfüllt.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung der Beklagten das Urteil des Arbeitsgerichts abgeändert und die Klage im noch streitigen Umfang abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt die Klägerin in der Sache die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Gründe

10Die zulässige Revision ist nicht begründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage, soweit sie in der Revisionsinstanz noch zur Entscheidung angefallen ist, zu Recht abgewiesen. Der Klägerin steht die geltend gemachte Vergütungsdifferenz nicht zu. Die Bezugnahmeklausel in dem Arbeitsvertrag vom ist als sog. Gleichstellungsabrede auszulegen. Das ergibt sich aus dem der Beklagten nach der Senatsrechtsprechung zu gewährenden Vertrauensschutz.

11I. Das Landesarbeitsgericht hat seine Entscheidung damit begründet, es handele sich bei der Bezugnahmeklausel im Arbeitsvertrag der Parteien um eine Gleichstellungsabrede im Sinne der früheren Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, weshalb nach dem Wegfall der Tarifgebundenheit der Arbeitgeberin der zu diesem Zeitpunkt maßgebliche Tarifvertrag statisch weiter gelte. Der streitgegenständliche Tarifvertrag über Gehälter, Löhne und Ausbildungsvergütungen für den Einzelhandel im Bundesland Brandenburg idF vom finde weder aufgrund einer Allgemeinverbindlicherklärung nach § 5 Abs. 4 TVG noch aufgrund einer Tarifbindung der Parteien Anwendung. Ein Anspruch der Klägerin folge auch nicht aus betrieblicher Übung, weil die Beklagte bis zum Jahr 2001 die Zahlung der Sonderzuwendung nach den aktuellen Tarifverträgen vorgenommen habe.

12II. Die hiergegen gerichtete Revision der Klägerin ist nicht begründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.

13Die auch hinsichtlich des Antrages zu 2) als Elementenfeststellungsklage zulässige (vgl. dazu  - Rn. 19 ff. mwN, AP ZPO 1977 § 256 Nr. 101 = EzA ZPO 2002 § 256 Nr. 9) Klage ist unbegründet. Die Klägerin hat weder einen Anspruch auf Zahlung der geltend gemachten Vergütungsdifferenz für die Monate Dezember 2007 bis einschließlich November 2008 noch auf Feststellung eines entsprechenden Anspruchs ab Dezember 2008.

141. Ein Anspruch der Klägerin ergibt sich weder aus § 5 Abs. 4 TVG, da der Tarifvertrag über Gehälter, Löhne und Ausbildungsvergütungen für den Einzelhandel im Bundesland Brandenburg nicht für allgemeinverbindlich erklärt ist, noch aus § 4 Abs. 1 TVG, weil es an einer mitgliedschaftlichen Bindung der Parteien an den streitgegenständlichen Tarifvertrag fehlt.

152. Entgegen der Auffassung der Klägerin hat sie auch keinen die Klage begründenden einzelvertraglichen Anspruch. Die Bezugnahmeklausel in § 3 Satz 4 des Arbeitsvertrages der Parteien ist nach der ständigen Rechtsprechung des Senats aus Gründen des Vertrauensschutzes als sog. Gleichstellungsabrede auszulegen, die keine von der Tarifgebundenheit der Beklagten unabhängige zeitdynamische Verweisung auf die in ihr genannten Tarifverträge in der jeweiligen Fassung zum Inhalt hat. Daraus folgt, dass die tariflichen Änderungen nach dem Austritt der Beklagten aus dem Einzelhandelsverband im Jahre 1997 nicht mehr auf das Arbeitsverhältnis der Parteien einwirken. Die in Bezug genommenen Tarifverträge sind in ihrer zu diesem Zeitpunkt geltenden Fassung statisch weiter auf das Arbeitsverhältnis anzuwenden. Die gegen diese Rechtsprechung vorgebrachten Einwände der Revision greifen nicht durch.

16a) Bei dem Arbeitsvertrag der Parteien handelt es sich um einen Formularvertrag, dessen Bestimmungen nach den Regelungen über Allgemeine Geschäftsbedingungen auszulegen sind. Die Auslegung derartiger typischer Vertragsklauseln nach den §§ 133, 157 BGB durch das Landesarbeitsgericht kann vom Revisionsgericht ohne Einschränkung überprüft werden (st. Rspr., vgl. nur  - Rn. 15 mwN, BAGE 132, 261; - 4 AZR 285/08 - Rn. 44 mwN, BAGE 132, 10).

17b) § 3 Satz 4 des Arbeitsvertrages vom ist eine Gleichstellungsabrede im Sinne der früheren Rechtsprechung des Senats.

18aa) Nach der früheren Rechtsprechung des Senats galt die widerlegliche Vermutung, dass es einem an arbeitsvertraglich in Bezug genommene Tarifverträge gebundenen Arbeitgeber nur darum gehe, durch die Bezugnahme die nicht organisierten Arbeitnehmer mit den organisierten hinsichtlich der Maßgeblichkeit des in Bezug genommenen Tarifwerks für das Arbeitsverhältnis gleichzustellen. Der Senat ging davon aus, dass mit einer solchen von einem normativ an den in Bezug genommenen Tarifvertrag gebundenen Arbeitgeber gestellten Vertragsklausel lediglich die möglicherweise fehlende Gebundenheit des Arbeitnehmers an den im Arbeitsvertrag genannten Tarifvertrag ersetzt werden solle, um jedenfalls zu einer vertraglichen Anwendung des einschlägigen Tarifvertrages zu kommen und damit zu dessen Geltung für alle Beschäftigten (vgl. nur  - Rn. 17 mwN, AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 86; - 4 AZR 127/09 - Rn. 17 mwN, AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 85; - 4 AZR 285/08 - Rn. 48 mwN, BAGE 132, 10). Daraus folge, dass auch ohne weitere Anhaltspunkte im Vertragstext oder Begleitumstände bei Vertragsschluss bei Tarifgebundenheit des Arbeitgebers an die in Bezug genommenen Tarifverträge Bezugnahmeklauseln in aller Regel als sog. Gleichstellungsabreden auszulegen seien. Die Verweisung auf einen Tarifvertrag oder ein Tarifwerk in der jeweils geltenden Fassung wurde deshalb einschränkend dahin ausgelegt, dass die auf diese Weise zum Ausdruck gebrachte Dynamik nur so weit reiche, wie der Arbeitgeber gegenüber einem tarifgebundenen Arbeitnehmer tarifrechtlich aus neu abgeschlossenen Tarifverträgen verpflichtet sei, also dann ende, wenn der Arbeitgeber wegen Wegfalls der eigenen Tarifgebundenheit nicht mehr normativ an künftige Tarifentwicklungen gebunden sei. Ab diesem Zeitpunkt seien die in Bezug genommenen Tarifverträge nur noch statisch anzuwenden (vgl. nur  - Rn. 18 mwN, aaO; - 4 AZR 127/09 - aaO; - 4 AZR 285/08 - aaO).

19bb) Diese Rechtsprechung hat der Senat für vertragliche Verweisungsklauseln, die nach dem Inkrafttreten der Schuldrechtsreform am vereinbart worden sind, aufgegeben. Er wendet die Auslegungsregel, die auch dann gilt, wenn der in Bezug genommene Tarifvertrag, an den der Arbeitgeber kraft Verbandsmitgliedschaft gebunden ist, zum Zeitpunkt des Arbeitsvertragsschlusses für allgemeinverbindlich erklärt war ( - AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 74 = EzA TVG § 3 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 46), aus Gründen des Vertrauensschutzes jedoch weiterhin auf Bezugnahmeklauseln an, die vor dem Inkrafttreten der Schuldrechtsreform zum vereinbart worden sind ( - Rn. 24 ff., BAGE 116, 326; - 4 AZR 652/05 - Rn. 29 ff., BAGE 122, 74; - 4 ABR 14/08 - Rn. 64, BAGE 130, 286; - 4 AZR 127/09 - Rn. 31, AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 85). Eine von Arbeitnehmerseite erhobene Verfassungsbeschwerde gegen diese Rechtsprechung ist vom Bundesverfassungsgericht nicht zur Entscheidung angenommen worden ( -).

20cc) Danach ergibt die Auslegung der streitgegenständlichen Bezugnahmeklausel, dass es sich um eine Gleichstellungsabrede iSd. früheren Senatsrechtsprechung handelt.

21(1) Ausgangspunkt der Auslegung der Bezugnahmeklausel ist der Wortlaut der streitgegenständlichen Vereinbarung. Dieser ist hinsichtlich der Bezeichnung des in Bezug genommenen Regelwerks nicht ganz eindeutig. Bei dem verwendeten Vertragsformular handelt es sich um einen branchenunabhängigen Vordruck für kaufmännische Angestellte, der von den Vertragsparteien mit den entsprechenden Daten auszufüllen ist. Die Klausel bezeichnet kein konkretes Bezugnahmeobjekt, sondern verweist nur auf die jeweils geltenden Tarifverträge der infrage kommenden Sparte.

22(2) Die erforderliche Auslegung der Vertragsbestimmung zur Frage, welches Regelwerk mit welchem Inhalt Bestandteil des Arbeitsverhältnisses der Parteien werden sollte, führt zu dem Ergebnis, dass sich die Parteien auf die Anwendung der jeweils einschlägigen Tarifverträge und damit der im Zeitpunkt des Vertragsschlusses geltenden Tarifverträge für den Einzelhandel im Land Brandenburg geeinigt haben.

23(a) Der Verweis auf die „infrage kommende Sparte“ legt nahe, dass sich die Klausel zumindest an der für den Arbeitgeber verpflichtenden Regellage orientiert. Die Formulierung „infrage kommen“ bedeutet ua. „geeignet/passend sein“ (Wahrig Deutsches Wörterbuch 8. Aufl. S. 545 und S. 582). „Sparte“ steht für „Geschäftszweig“ (Wahrig Deutsches Wörterbuch 8. Aufl. S. 1380). Die Regelung stellt mithin auf den jeweiligen Arbeitgeber als Verwender und sein Geschäftsfeld ab und leitet daraus das einschlägige Tarifwerk her. Das bedeutet eine Bezugnahme auf die Tarifverträge, an die der Arbeitgeber bei Abschluss des Arbeitsvertrages gebunden ist bzw. bei einem tarifungebundenen Arbeitgeber auf die für den Betrieb einschlägigen. Insoweit bietet die von den Arbeitsvertragsparteien nicht weiter modifizierte Bestimmung keine Anhaltspunkte dafür, dass sie einen fachfremden Tarifvertrag anwenden wollten. Davon gehen sie auch selbst nicht aus.

24(b) Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Bezifferung des zustehenden Gehalts in § 3 Satz 1 des Arbeitsvertrages. Hierbei handelt es sich nicht um eine abweichende Regelung im Sinne der Einschränkung der Bezugnahmeklausel durch die Worte „Im übrigen“. Dafür fehlt es an Anhaltspunkten. Die Vertragsregelung weist lediglich aus, wie hoch das Tarifgehalt zur Zeit des Vertragsschlusses war. Das folgt aus der konkreten Benennung im Arbeitsvertrag, welche tarifliche Eingruppierung zur Zeit der Vereinbarung dem ausgewiesenen Gehalt zugrunde liegt, nämlich die Tarifgruppe K 2, 5. Berufsjahr (vgl. hierzu  - zu II 1 b der Gründe, BAGE 99, 120). Dies hat letztlich auch die Beklagte nicht in Abrede gestellt.

25(c) Die Klägerin kann sich zur Begründung ihrer Auffassung, es handele sich nicht um eine Gleichstellungsabrede, auch nicht darauf berufen, dass die Beklagte von 1999 bis 2002 die tariflich vorgesehenen Sonderzuwendungen und Einmalzahlungen gewährt hat.

26(aa) Dass hieraus ein gesonderter Anspruch auf dynamische Anwendung des gesamten Tarifwerks für den Einzelhandel Berlin-Brandenburg aus betrieblicher Übung erwachsen sein soll, hat das Landesarbeitsgericht verneint. Hiergegen hat sich die Klägerin in der Revision auch nicht gewandt, so dass die Klageabweisung insoweit rechtskräftig geworden ist. Ein Anspruch aus betrieblicher Übung ist gegenüber einem einzelvertraglichen Anspruch aus einer dynamischen Bezugnahme auf einen Tarifvertrag ein eigenständiger Streitgegenstand, hinsichtlich dessen eine Revision gesondert zu begründen ist (vgl. insoweit zur gesonderten Berufung auf den Gleichbehandlungsgrundsatz  - Rn. 22 mwN, AP ZPO § 551 Nr. 68).

27(bb) Die Klägerin hat bereits nicht dargelegt, dass die von der Beklagten geleisteten Zahlungen auf einer Änderung des entsprechenden Tarifvertrages beruhen, die nach dem Austritt der Beklagten aus dem Einzelhandelsverband erfolgt ist. Nur dann käme überhaupt in Betracht, dass die Beklagte einen Tarifvertrag dynamisch anwendet und auch anwenden will, an den sie selbst nicht mehr gebunden ist. Unabhängig davon, ob sich hieraus überhaupt eine vertraglich wirksame Bestätigung eines dynamischen Bindungswillens unabhängig von der ursprünglich als Gleichstellungsabrede vereinbarten Verweisungsklausel ergeben kann, hätte die Klägerin jedenfalls darlegen müssen, dass die von der Beklagten geleisteten Sonderzahlungen bei Annahme einer Gleichstellungsabrede nicht als Vertragserfüllung geschuldet gewesen seien. Aus der Verpflichtung der Beklagten zur weiteren statischen Anwendung des entsprechenden Tarifvertrages könnte sich eine solche Leistungspflicht auch ergeben, etwa aus dem unverändert gebliebenen § 12 B MTV über die Sonderzuwendung.

28(cc) Aus einer zwischenzeitlichen Zahlung tariflicher Sonderzuwendungen kann die Klägerin ferner nicht schließen, dass die Beklagte sich trotz ihres vorherigen Verbandsaustritts und der Einstellung der Übernahme laufender Tariferhöhungen an die Dynamik der Tarifentwicklung, insbesondere hinsichtlich der Vergütungstarifverträge, vertraglich anbinden wollte. Unabhängig von dem für die Beklagte maßgebenden Motiv der vorübergehenden Gewährung einer Sonderzahlung war für die Klägerin deshalb ein Rückschluss auf einen entsprechenden Rechtsbindungswillen der Beklagten hinsichtlich einer von der Tarifgebundenheit unabhängigen vertraglichen Bindung an die „Tarifverträge der infrage kommenden Sparte“ nicht möglich.

29c) Entgegen der Auffassung der Klägerin liegt in der unbeschränkten Gewährung von Vertrauensschutz für vor dem geschlossene Verträge kein Wertungswiderspruch zu Art. 229 § 5 EGBGB. Zu dieser Bestimmung fehlt der Bezug. Die Vorschrift befasst sich mit der Anwendung des durch das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz geänderten Bürgerlichen Rechts. Das betrifft ua. die Geltung der §§ 305 ff. BGB für Dauerschuldverhältnisse, zu denen nach dem Wegfall der Bereichsausnahme des § 24 AGBG nach der Maßgabe des § 310 Abs. 4 Satz 2 BGB auch Arbeitsverträge zählen. Die Rechtsprechungsänderung stützt sich jedoch nicht unmittelbar auf die Regelungen über die Inhaltskontrolle nach den §§ 305 ff. BGB und insbesondere auch nicht auf die Unklarheitenregel des § 305c Abs. 2 BGB. Maßstab der Auslegung der Vertragsklausel sind die §§ 133, 157 BGB (ausf.  - Rn. 65 mwN, BAGE 130, 286; - 4 AZR 514/08 - Rn. 19 mwN, BAGE 132, 261; - 4 AZR 285/08 - Rn. 52 mwN, BAGE 132, 10; - 4 AZR 652/05 - Rn. 24, 53 ff., BAGE 122, 74; - 4 AZR 793/07 - Rn. 36 ff. mwN, BAGE 128, 185). Die Aufgabe der bisherigen Auslegungsregel ist nicht unmittelbar auf eine Änderung der materiellen Rechtslage, wie sie etwa durch das Inkrafttreten der Schuldrechtsreform eingetreten ist, zurückzuführen, sondern beruht auf den allgemeinen Grundsätzen der Vertragsauslegung. Deshalb besteht auch keine Vergleichbarkeit mit den Fällen, die das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz in der Übergangsvorschrift des Art. 229 § 5 Satz 2 EGBGB regelt, wie die Klägerin meint. In der Folge kann bei der Festlegung eines Stichtages, bis zu dem Vertrauensschutz gewährt werden soll, kein Wertungswiderspruch zu einer gesetzlichen Übergangsregelung bestehen, die einen anderen Sachverhalt regelt (siehe  - aaO). Eine zeitlich begrenzte Klarstellungsmöglichkeit für den Klauselverwender durch einzelvertragliche Änderungsangebote hat der Senat verworfen ( - Rn. 32 mwN, AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 85; - 4 AZR 536/04 - Rn. 27, BAGE 116, 326). Hieran etwas zu ändern, sieht der Senat keinen Anlass.

III. Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen, weil ihr Rechtsmittel erfolglos bleibt (§ 97 Abs. 1 ZPO).

Diese Entscheidung steht in Bezug zu

Fundstelle(n):
BB 2012 S. 1341 Nr. 21
BB 2012 S. 1407 Nr. 22
BB 2012 S. 2060 Nr. 33
BB 2012 S. 52 Nr. 1
DB 2012 S. 1211 Nr. 21
GmbHR 2012 S. 53 Nr. 4
NWB-Eilnachricht Nr. 1/2012 S. 15
StuB-Bilanzreport Nr. 7/2012 S. 288
EAAAE-09385