Bayerisches Landesamt für Steuern - –S 0251. 1.1–2/1 St 42–

Auskunftsverweigerungsrecht von Berufsgeheimnisträgern

1. Grundsatz

Der BFH hat in einem Grundsatzurteil Leitlinien zum Auskunftsverweigerungsrecht ausgeführt (, BStBl 2010 II S. 455): Nach § 102 Abs. 1 Nr. 3 AO können u. a. Rechtsanwälte, Notare, Steuerberater und Ärzte die Auskunft über das verweigern, was ihnen in dieser Eigenschaft anvertraut oder bekannt geworden ist. Nach § 104 Abs. 1 S. 1 AO können diejenigen Personen, die die Auskunft verweigern dürfen, auch die Vorlage von Urkunden verweigern. Dabei besteht allerdings kein umfassendes Verweigerungsrecht, sondern nur ein jeweils auf die einzelne Unterlage bezogenes.

Geschützt sind alle mandanten- bzw. patientenbezogenen Daten, insbesondere die Identität des Mandanten bzw. Patienten und die Tatsache seiner Beratung. Das Gesetz schützt das Vertrauensverhältnis zwischen dem Berufsgeheimnisträger und seinem Mandanten bzw. Patienten. Für den Schutz des Vertrauensverhältnisses oder seine Gefährdung macht es keinen Unterschied, in welchem Steuerrechtsverhältnis es zu einer Offenbarung der mandanten- bzw. patientenbezogenen Informationen gegenüber der Finanzverwaltung kommt. § 102 AO gilt deshalb für eigene Steuersachen des Berufsträgers sowie für gegen ihn gerichtete Auskunftsersuchen im Besteuerungsverfahren eines Dritten.

Allerdings darf eine Auskunftsverweigerung nicht soweit führen, dass die Finanzverwaltung an einer ordnungsgemäßen und einheitlichen Besteuerung (Art. 3 GG i. V. m. § 85 AO) gehindert ist. Das Gebot einer gleichmäßigen Besteuerung könnte nämlich beeinträchtigt sein, wenn sich Angehörige bestimmter Berufsgruppen unter Berufung auf eine bestehende Verschwiegenheitspflicht generell der Überprüfung ihrer im Besteuerungsverfahren gemachten Angaben entziehen könnten (, BStBl 2009 II S. 579).

2. Ausnahmen vom Auskunftsverweigerungsrecht des Berufsgeheimnisträgers

  • Vorlage von Unterlagen, die keine Vorgänge betreffen, die im Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit stehen (z. B. Einkünfte aus Kapitalvermögen und aus Vermietung und Verpachtung).

  • Vorlage von Unterlagen ohne Hinweis auf die Identität der Mandanten bzw. Patienten und deren Beratung bzw. Behandlung (z. B. Eingangsrechnungen, Gehaltsabrechnungen).

  • Erteilung von Auskünften und Vorlage von Unterlagen nach Entbindung von der Schweigepflicht (§ 102 Abs. 3 AO).

  • Rechtsanwälte dürfen die nach § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 2 EStG erforderlichen Angaben zu Teilnehmern und Anlass einer Bewirtung in der Regel nicht unter Berufung auf die anwaltliche Schweigepflicht verweigern (, BStBl II S. 502). Die Entscheidung ist auf andere Berufsträger im Sinne des § 102 Nr. 3 AO übertragbar.

  • Auch die in § 102 AO genannten Berufsgruppen müssen im eigenen Besteuerungsverfahren zur Klärung von Treuhandverhältnissen alles Zumutbare unternehmen, um den Nachweis zu erbringen, dass es sich bei den von ihnen verwahrten Rechten oder Sachen nicht um eigenes, sondern um fremdes Vermögen handelt (, BFH/NV S. 1283, BStBl 2007 II S. 39).

  • Vorlage von Nachweisen unter Wahrung der berufsrechtlichen Verschwiegenheitspflicht, das heißt in neutralisierter Form. Dies kann z. B. durch Schwärzung mandanten- bzw. patientenbezogener Daten erfolgen. Der Berufsträger kann jedoch auch andere Mittel wählen. Die Anonymisierung darf allerdings nicht dazu führen, dass der Finanzverwaltung eine Überprüfung der steuerlichen Verhältnisse des Berufsträgers auf Vollständigkeit und Richtigkeit unmöglich wird (vgl. hierzu Tz. 4).

3. Datenzugriff nach § 147 Abs. 6 AO

Enthalten Datenbestände – unabhängig ob in Papierform oder elektronisch – dem Auskünfte- und Vorlageverweigerungsrecht unterliegende Daten, obliegt es dem Berufsgeheimnisträger, durch entsprechende Maßnahmen eine geeignete Zugriffsbeschränkung sicherzustellen. Wie bzw. in welchem Umfang diese Einschränkung vorgenommen werden kann, ist im jeweiligen Einzelfall zu entscheiden. Es liegt ausschließlich in der Entscheidungssphäre des Berufsträgers, welches Datenverarbeitungssystem er einsetzt und welche steuerlich relevanten Unterlagen er damit erstellt bzw. darin verarbeitet. Damit liegt es auch in seiner Verantwortung, das System so auszuwählen und einzusetzen, dass einerseits seine Geheimhaltungspflichten gewahrt sind und andererseits der Finanzverwaltung der gesetzlich eingeräumte Zugriff nach § 147 Abs. 6 AO, insbesondere auch der unmittelbare und mittelbare Zugriff, auf alle steuerlich relevanten Daten, die keinem Auskunftsverweigerungsrecht unterliegen, möglich ist und unter anderem auch die Zugriffsberechtigung („Prüferrolle“) im Datenverarbeitungssystem entsprechend ausgestaltet werden kann.

Als Mittel der Anonymisierung kommen insoweit beispielhaft Zugriffsberechtigungskonzepte, die eine hinreichende Datentrennung gewährleisten und mit eindeutigen Ordnungs- bzw. Identifikationsmerkmalen arbeiten in Betracht, die keine Rückschlüsse auf die die Identität des Mandanten zulassen.

Nimmt ein Berufsgeheimnisträger in seiner Datenverarbeitung die für die Erfüllung seiner Verpflichtungen erforderliche Trennung seiner Daten nicht vor, hindert das die Finanzbehörde nicht, den Zugriff auf die Daten im vorliegenden Bestand zu verlangen ( und , EFG S. 667).

4. Beweislast

Ist dem Finanzamt die Prüfung steuermindernder Tatsachen verwehrt, weil der Berufsgeheimnisträger die Einsicht in seine Unterlagen unter Hinweis auf seine Verschwiegenheitspflicht verweigert, so geht dies zu Lasten des Berufsträgers (, BStBl II S. 715 zur Vorlage eines Fahrtenbuchs).

Verweigert z. B. ein Arzt jedwede Auskunft über Diagnosen und Behandlungsmethoden, kann nach den Grundsätzen der objektiven Feststellungslast die Umsatzsteuerbefreiung nicht gewährt werden, soweit Anhaltspunkte für steuerpflichtige Leistungen an Patienten gegeben sind (, BFH/NV S. 1001).

5. Kontrollmitteilungen

Wird beabsichtigt im Rahmen der Außenprüfung eines Berufsgeheimnisträgers Kontrollmitteilungen zu fertigen, ist der Steuerpflichtige hierüber rechtzeitig vorher zu informieren, um ihm die Möglichkeit eines gerichtlichen Rechtsschutzes zu eröffnen (, BStBl 2009 II S. 579).

6. Kein Verwertungsverbot

§ 102 AO gibt bestimmten Berufsträgern das Recht, Auskünfte zu verweigern. Ob das Recht ausgeübt wird, steht dem Berufsträger frei. Erteilt der Berufsträger freiwillig Auskünfte, so besteht kein Verwertungsverbot. Ein Hinweis auf das Auskunftsverweigerungsrecht ist nicht erforderlich (, BFH/NV S. 811).

Hinweis:

Die bisherige Karte 1 (Kontroll-Nr. 1/2001) ist auszureihen.

Bayerisches Landesamt für Steuern v. - –S 0251. 1.1–2/1 St 42–

Fundstelle(n):
DStR 2012 S. 1610 Nr. 32
SAAAE-09081