BFH Beschluss v. - I B 101/11

Verzicht auf mündliche Verhandlung; Anspruch auf Auszahlung des Körperschaftsteuerguthabens

Gesetze: FGO § 90 Abs. 2, FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1, FGO § 119 Nr. 3, GG Art. 3 Abs. 1, GG Art. 14 Abs. 1, GG Art. 103 Abs. 1, KStG § 37 Abs. 2a, KStG § 37 Abs. 5

Instanzenzug:

Gründe

1 Die Beschwerde ist unbegründet.

2 1. a) Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) macht geltend, das Finanzgericht (FG) habe den Rechtsstreit ohne mündliche Verhandlung entschieden, obwohl es im Zeitpunkt seiner Entscheidung nicht mehr von einem Verzicht der Klägerin auf mündliche Verhandlung hätte ausgehen dürfen. Sie habe zwar vorbehaltlos auf mündliche Verhandlung verzichtet. Nachdem das FG einen Termin zur mündlichen Verhandlung anberaumt und später wieder aufgehoben habe, sei die Verzichtserklärung gegenstandslos geworden (, BFHE 232, 322, BStBl II 2011, 556). Das FG habe dadurch ihren Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 des GrundgesetzesGG—) verletzt.

3 b) Es kann dahingestellt bleiben, ob der Senat den Ausführungen im BFH-Beschluss in BFHE 232, 322, BStBl II 2011, 556 folgen könnte (vgl. die gegenteiligen Ausführungen im , BFH/NV 1999, 332, und im Senatsbeschluss vom I B 39/03, BFH/NV 2004, 350; Gräber/Koch, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 90 Rz 15). Denn unter den Gegebenheiten des Streitfalls hat das FG den Anspruch der Klägerin auf rechtliches Gehör (§ 119 Nr. 3 der FinanzgerichtsordnungFGO—, Art. 103 Abs. 1 GG) nicht verletzt, indem es ohne mündliche Verhandlung entschieden hat. Beide Beteiligten hatten mit Schriftsätzen vom bzw. vorbehaltslos auf mündliche Verhandlung verzichtet (§ 90 Abs. 2 FGO). Das FG hatte zwar auf den zur mündlichen Verhandlung geladen und diesen Termin später wieder abgesetzt. Die Klägerin hat jedoch am erneut auf mündliche Verhandlung verzichtet. Diese Erklärung wurde zwar im Verfahren 1 K 326/11 abgegeben, bevor dieses mit dem vorliegenden Verfahren 1 K 443/10 verbunden wurde. Da in beiden Verfahren aber um die gleiche Frage gestritten wurde, nämlich darum, ob die Auszahlung des Körperschaftsteuerguthabens gemäß § 37 Abs. 5 Satz 1 des Körperschaftsteuergesetzes i.d.F. des Jahressteuergesetzes 2008 vom (BGBl I 2007, 3150, BStBl I 2008, 218) —KStG 2002 n.F.— in zehn gleichen Jahresbeträgen verfassungsgemäß ist, konnte und musste das FG davon ausgehen, dass der Verzicht für das verbundene Verfahren fortgelten sollte.

4 2. Der Rechtssache kommt keine grundsätzliche Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) zu.

5 a) Die von der Klägerin aufgeworfene Frage, ob der in § 37 Abs. 5 KStG 2002 n.F. geregelte Anspruch auf Auszahlung des Körperschaftsteuerguthabens in zehn gleichen Jahresbeträgen gegen Art. 3 Abs. 1 GG und Art. 14 Abs. 1 GG verstößt, ist nicht klärungsbedürftig. Es unterliegt keinem Zweifel, dass beide Grundrechtsverletzungen nicht vorliegen. Wie der Senat mit Urteil vom I R 69, 70/05 (BFHE 215, 491, BStBl II 2007, 662) entschieden hat, ist § 37 Abs. 2a KStG 2002 i.d.F. des Steuervergünstigungsabbaugesetzes mit dem Grundgesetz vereinbar und verstößt insbesondere nicht gegen Art. 14 GG. Da § 37 Abs. 5 KStG 2002 n.F., der diese Vorschrift abgelöst hat, gegenüber § 37 Abs. 2a KStG i.d.F. des Steuervergünstigungsabbaugesetzes eher vorteilhaft ist, kann er ebenfalls aus den im Senatsurteil in BFHE 215, 491, BStBl II 2007, 662 genannten Gründen nicht gegen Art. 14 GG verstoßen. Die Klägerin hat keine Gesichtspunkte dargetan, die der Senat in seiner damaligen Entscheidung nicht bedacht hat.

6 b) Ebenso wenig ist klärungsbedürftig, ob § 37 Abs. 5 Satz 6 KStG i.d.F. durch das Steuerbürokratieabbaugesetz vom (BGBl I 2008, 2850) insoweit gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstößt, als ein Körperschaftsteuerguthaben bis 1.000 € in einem Betrag, während in allen übrigen Fällen der Anspruch in zehn gleichen Jahresbeträgen ausbezahlt wird. Diese Differenzierung ist —wie das FG zu Recht ausgeführt hat— aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung gerechtfertigt.

7 c) Ebenso wenig ist die Frage von grundsätzlicher Bedeutung, ob ein Bescheid über die Festsetzung des Anspruchs auf Auszahlung des Körperschaftsteuerguthabens gemäß § 37 Abs. 5 KStG 2002 n.F. anfechtbar ist, wenn hierdurch eine sofortige Auszahlung des im Bescheid festgesetzten Anspruchs auf Auszahlung begehrt wird bzw. ob überhaupt ein Verwaltungsakt vorliegt. Da das Gesetz bestimmt, dass das Guthaben in zehn gleichen Jahresbeträgen auszuzahlen ist und die Festsetzung des Anspruchs auf Auszahlung des Körperschaftsteuerguthabens unstreitig ein Verwaltungsakt ist, sind Rechtsstreitigkeiten, die allein die einzelnen Ratenzahlungen betreffen, über verfassungsrechtliche Bedenken hinaus kaum denkbar. Da es sich überdies um eine Übergangsvorschrift zum Anrechnungsverfahren handelt, ist ein Allgemeininteresse an der Klärung dieser Frage nicht ersichtlich.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

Fundstelle(n):
BFH/NV 2012 S. 1002 Nr. 6
TAAAE-08745