Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer; Zeitsoldat im Sanitätsdienst der Bundeswehr; Rechtsschutzbedürfnis
Leitsatz
Berufssoldaten und Soldaten auf Zeit im Sanitätsdienst der Bundeswehr haben auch vor Beendigung ihres Dienstverhältnisses ein Rechtsschutzbedürfnis für ein Verfahren auf Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer (Aufgabe der ständigen Rechtsprechung seit dem BVerwG 6 C 5.85 - BVerwGE 72, 241 = Buchholz 448.6 § 13 KDVG Nr. 3).
Gesetze: Art 3 Abs 1 GG, Art 4 Abs 3 GG, Art 12a Abs 2 GG, Art 19 Abs 4 GG, § 2 Abs 6 KDVG 2003, § 1 Abs 2 SG, § 46 Abs 2 SG, § 46 Abs 6 SG, § 55 Abs 1 SG, § 55 Abs 3 SG, § 7 Abs 2 WehrPflG, § 29 Abs 1 WehrPflG
Instanzenzug: Az: 2 K 216/10 Urteil
Tatbestand
1Der Kläger ist Oberstabsarzt und Soldat auf Zeit. Die Beteiligten streiten um seine Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer.
2Der Kläger wurde noch als Schüler mit Bescheid des Bundesamts für den Zivildienst (nunmehr: Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben) vom als Kriegsdienstverweigerer anerkannt. Nach dem Erwerb der allgemeinen Hochschulreife im Juni 1993 leistete er Zivildienst im Rettungsdienst des Deutschen Roten Kreuzes. In der Zeit von 1995 bis 2001 absolvierte er ein Studium der Humanmedizin. Im November 2001 bestand er die Ärztliche Prüfung, im Oktober 2003 wurde er als Arzt approbiert. Von 2001 bis zum Frühjahr 2006 war er als Arzt in einem Klinikum tätig.
3Unter dem erklärte der Kläger gegenüber dem Personalamt der Bundeswehr sein Einverständnis, in das Dienstverhältnis eines Soldaten auf Zeit berufen zu werden und verpflichtete sich, sechs Jahre Wehrdienst zu leisten. Mit Schreiben vom bekundete er gegenüber dem Bundesamt für den Zivildienst, "nach Gewissensgründen nicht mehr daran gehindert zu sein, den Dienst an der Waffe zu leisten".
4Nach Absolvierung einer Eignungsübung wurde der Kläger mit Wirkung zum unter Berufung in das Dienstverhältnis eines Soldaten auf Zeit zum Stabsarzt ernannt. Er wurde - unterbrochen durch Auslandseinsätze von Anfang Juni bis Mitte Juli 2007 in Kunduz/Afghanistan und von Ende September bis Anfang November 2008 in Prizren/Kosovo - im Bundeswehrzentralkrankenhaus in Koblenz verwandt. Am wurde er zum Oberstabsarzt befördert.
5Unter dem stellte der Kläger gegenüber dem Kreiswehrersatzamt Koblenz einen Antrag auf Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer. Unter demselben Datum beantragte er bei dem Personalamt der Bundeswehr, ihn nach § 55 Abs. 3 SG aus dem Dienstverhältnis als Soldat auf Zeit zu entlassen.
6Mit Bescheid vom lehnte das Bundesamt für den Zivildienst den Anerkennungsantrag des Klägers mit der Begründung als unzulässig ab, dass Sanitätsoffizieren, die sich freiwillig zum Dienst in der Bundeswehr verpflichtet hätten, nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts das für die Durchführung eines Anerkennungsverfahrens erforderliche Rechtsschutzinteresse fehle. Den Widerspruch des Klägers wies das Bundesamt mit Widerspruchsbescheid vom zurück. Mit seinem Entlassungsbegehren blieb der Kläger im Verwaltungsverfahren vor dem Personalamt der Bundeswehr und im Klageverfahren vor dem Verwaltungsgericht und dem Oberverwaltungsgericht Koblenz erfolglos.
7Die Kriegsdienstverweigerung des Klägers ist Gegenstand seiner am erhobenen Klage. In der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht hat der Kläger geltend gemacht, seine Erklärung vom sei als Verzicht auf seine Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer vom unwirksam, da sie nicht als actus contrarius eines Anerkennungsbegehrens formuliert sei. Er hat ferner darauf angetragen, im Einzelnen bezeichnete Zeugen aus dem Sanitätsdienst der Bundeswehr zum Beweis der von ihm behaupteten infanteristischen Ausbildung, Bewaffnung und Verwendung von Sanitätssoldaten - insbesondere im Hinblick auf die Auslandseinsätze der Bundeswehr - zu vernehmen. Das Verwaltungsgericht hat die Beweisanträge mit der Begründung abgelehnt, die unter Beweis gestellten Behauptungen würden als wahr unterstellt.
8Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit dem angefochtenen Urteil abgewiesen. Ihr fehle bereits nach dem eigenen Vortrag des Klägers das Rechtsschutzinteresse, da er die Auffassung vertrete, sein Verzicht auf die Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer sei wegen Formmangels mit der Folge unwirksam, dass die Anerkennung fortgelte und es der begehrten erneuten Anerkennung nicht bedürfe. Dies könne indes dahinstehen, da die Klage auch deshalb unzulässig sei, weil nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts freiwillig in der Bundeswehr dienende Sanitätssoldaten kein Rechtsschutzbedürfnis für die Stellung eines Antrags auf Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer hätten. Da der Sanitätsdienst kein Kriegsdienst mit der Waffe sei, könne den aktiven Berufssoldaten und Soldaten auf Zeit, die sich in diesem waffenlosen Dienst befänden, zugemutet werden, zunächst ihre Entlassung aus dem freiwillig eingegangenen Dienstverhältnis zu betreiben und erst dann den Antrag auf Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer zu stellen. Die von dem Kläger zur Situation der Sanitätssoldaten im Auslandseinsatz aufgestellten Behauptungen verdeutlichten allenfalls eine Verschärfung der Einsatzbedingungen, nicht aber eine Änderung der Rolle des Sanitätsdienstes. Der Waffeneinsatz dürfe und müsse sich an der Bedrohungsintensität ausrichten.
9Der Kläger begehrt mit seiner von dem Senat zugelassenen Revision, die Beklagte unter Aufhebung der ablehnenden Entscheidungen zu seiner Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer zu verpflichten. Er macht geltend, das Verwaltungsgericht sei im Sinne des § 138 Nr. 1 VwGO nicht vorschriftsmäßig besetzt gewesen, weil es über die Klage durch die nach dem Geschäftsverteilungsplan des Gerichts für das Soldatenrecht zuständige zweite Kammer und nicht durch die für das Recht der Kriegsdienstverweigerung zuständige siebte Kammer entschieden habe. Einen weiteren Verfahrensfehler habe das Verwaltungsgericht dadurch begangen, dass es sein Klagebegehren nicht vollständig erfasst und beschieden habe. Dieses sei in interessengerechter Auslegung nach § 88 VwGO auch ohne entsprechende Bezeichnung mit dem Hauptantrag auf die Feststellung des Fortbestehens seiner Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer und lediglich hilfsweise auf die Verpflichtung der Beklagten zu seiner erneuten Anerkennung gerichtet gewesen. In materieller Hinsicht verkenne die von dem Verwaltungsgericht entscheidungstragend herangezogene Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, derzufolge Sanitätssoldaten, die sich als Berufs- oder Zeitsoldaten freiwillig zum Dienst in der Bundeswehr verpflichtet hätten, kein Rechtsschutzbedürfnis für einen Antrag auf Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer zustehe, schon von ihrem Ansatz her den Schutzumfang des Art. 4 Abs. 3 GG i.V.m. Art. 12a Abs. 2 Satz 3 GG. Unabhängig hiervon sei die Einstufung des Sanitätsdienstes als waffenloser Dienst im Sinne dieser Rechtsprechung jedenfalls unter der Geltung der von dem Verwaltungsgericht als wahr unterstellten Bedingungen im Rahmen der Auslandseinsätze der Bundeswehr nicht haltbar. Darüber hinaus führe die Verweisung auf eine vorrangig zu betreibende Dienstentlassung nach § 55 Abs. 3 SG zu einer Verletzung der grundrechtlichen Gewährleistungen aus Art. 3 Abs. 1 und Art. 19 Abs. 4 GG.
10Die Beklagte tritt der Revision mit Ausführungen zu Ausbildung und Bewaffnung des Sanitätspersonals sowie zu seiner Verwendung im Auslandseinsatz entgegen. Sie sieht keinen Anlass, die Qualifikation des Sanitätsdienstes als waffenlos aufzugeben.
Gründe
11Die zulässige Revision des Klägers ist begründet. Das angefochtene Urteil verletzt Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 VwGO) und stellt sich auch nicht aus anderen Gründen im Ergebnis als richtig dar (§ 144 Abs. 4 VwGO). Zwar greifen die von dem Kläger erhobenen Verfahrensrügen nicht durch (1.). Jedoch trifft die Einschätzung des Verwaltungsgerichts nicht zu, Berufs- und Zeitsoldaten des Sanitätsdienstes der Bundeswehr hätten generell kein Rechtsschutzbedürfnis für die Durchführung eines Verfahrens auf Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer (2.). Im Fall des Klägers kann ein solches Rechtsschutzbedürfnis auch nicht unter Verweis auf eine Fortgeltung seiner Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer aus dem Jahr 1993 verneint werden (3.). Eine abschließende Entscheidung in der Sache ist dem Senat nicht möglich, da es an tatsächlichen Feststellungen dazu fehlt, ob der Kläger eine Gewissensentscheidung gegen den Kriegsdienst mit der Waffe getroffen hat. Deshalb ist das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO).
121. Dem verwaltungsgerichtlichen Urteil haften die von dem Kläger gerügten Verfahrensfehler nicht an. Weder kann eine nicht vorschriftsmäßige Besetzung des Gerichts festgestellt werden (a) noch hat das Verwaltungsgericht das Klagebegehren falsch ausgelegt und teilweise unbeschieden gelassen (b).
13a) Der Einwand des Klägers, das Verwaltungsgericht sei bei der Entscheidung über die von ihm anhängig gemachte Klage mit der nach dem gerichtlichen Geschäftsverteilungsplan für das Soldatenrecht zuständigen zweiten Kammer im Sinne des § 138 Nr. 1 VwGO nicht vorschriftsmäßig besetzt gewesen, rechtfertigt nicht die Aufhebung des Urteils.
14Zwar spricht Überwiegendes - insbesondere die Sachbehandlung des Verwaltungsgerichts in dem Parallelverfahren zum Aktenzeichen BVerwG 6 C 31.11 - dafür, dass auf die Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer gerichtete Verfahren auch dann, wenn sie von Berufs- und Zeitsoldaten betrieben werden, nach dem Geschäftsverteilungsplan des Verwaltungsgerichts der Zuständigkeit der siebten Kammer für das Recht der Kriegsdienstverweigerung zuzuordnen sind. Jedoch rechtfertigt allein die unrichtige Handhabung des Geschäftsverteilungsplans nicht die Rüge der nicht vorschriftsmäßigen Besetzung des Gerichts nach § 138 Nr. 1 VwGO (BVerfG, Beschluss des Plenums vom - 1 PBvU 1/95 - BVerfGE 95, 322 <333>; BVerwG 1 B 176.93 - Buchholz 310 § 138 Ziff. 1 VwGO Nr. 32 S. 2, BVerwG 6 C 8.00 - juris Rn. 11, insoweit in BVerwGE 115, 32 und Buchholz 421.2 Hochschulrecht Nr. 158 nicht abgedruckt). Die Besetzungsrüge ist vielmehr nur begründet, wenn und soweit in der unrichtigen Anwendung des Geschäftsverteilungsplans zugleich eine Verletzung des Anspruchs auf den gesetzlichen Richter im Sinne des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG liegt, weil das Gericht seine Zuständigkeit auf Grund von willkürlichen Erwägungen angenommen hat. Dass sich die zweite Kammer des Verwaltungsgerichts auf Grund einer willkürlichen Überdehnung des in dem nicht revisiblen Geschäftsverteilungsplan enthaltenen Begriffs des Soldatenrechts zu einer Entscheidung in dem Verfahren berufen gesehen hat, vermag der Senat nicht festzustellen. Näher liegt die Annahme, dass die Kammer sich deshalb für zuständig erachtet hat, weil sie neben dem Antrag des Klägers auf Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer auch mit dessen - zu gemeinsamer Verhandlung verbundenen und mit Urteil vom selben Tag entschiedenen - Begehren auf Entlassung aus dem Dienstverhältnis als Soldat auf Zeit befasst war.
15Unabhängig hiervon nimmt der Senat die Sachbehandlung des Verwaltungsgerichts in dem Parallelverfahren zum Aktenzeichen BVerwG 6 C 31.11 zum Anlass, die Sache im Rahmen der auszusprechenden Zurückverweisung gemäß § 173 VwGO i.V.m. § 563 Abs. 1 Satz 2 ZPO der nach dem geltenden Geschäftsverteilungsplan des Verwaltungsgerichts für das Recht der Kriegsdienstverweigerung zuständigen Kammer zu überantworten.
16b) Fehl geht auch die Rüge der fehlerhaften Auslegung und teilweisen Nichtbescheidung des Klagebegehrens.
17Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht durch Bezugnahme auf die Klageschrift vom beantragt, den Bescheid des Bundesamts für den Zivildienst vom über die Ablehnung seines Anerkennungsantrags vom und den dazu ergangenen Widerspruchsbescheid vom aufzuheben und seine Berechtigung zur Verweigerung des Kriegsdienstes mit der Waffe festzustellen. Bei sachgemäßer Auslegung dieses Klagebegehrens nach § 88 VwGO musste das Verwaltungsgericht das Fortbestehen der durch den Bescheid des Bundesamts für den Zivildienst vom ausgesprochenen Anerkennung des Klägers als Kriegsdienstverweigerer nicht prüfen.
18Zwar war der gestellte Antrag insoweit auslegungsbedürftig und auslegungsfähig, als er entgegen seinem Wortlaut nicht auf eine Feststellung, sondern auf die Verpflichtung der Beklagten zu der von dem Kläger erstrebten - erneuten - Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer gerichtet war. Richtige Klageart ist nämlich nach geltendem Recht die Verpflichtungsklage; sie schließt die Anfechtung der vorangegangenen, ablehnenden Verwaltungsentscheidung mit ein und zugleich gemäß § 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO eine allgemeine Feststellungsklage aus ( BVerwG 6 C 11.92 - BVerwGE 90, 265 <268 ff.> = Buchholz 310 § 113 VwGO Nr. 249 S. 95 ff.).
19Demgegenüber lässt sich ein auf das Fortbestehen der Anerkennungsentscheidung vom bezogenes eigenständiges Klagebegehren dem in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht gestellten Klageantrag und der umfänglichen Klageschrift vom auch im Wege der Auslegung nicht entnehmen. Erst recht fehlt jeder Anhaltspunkt für die von dem Kläger im Nachhinein reklamierte Stufung in einen Haupt- und einen Hilfsantrag. Das schriftliche Klagevorbringen beschäftigt sich vielmehr ausschließlich mit der Zulässigkeit und Begründetheit der Klage gegen die Ablehnung des neuerlichen Anerkennungsantrags des Klägers durch die Bescheide des Bundesamts vom und vom . Eine Ungültigkeit seiner Erklärung vom , die Voraussetzung für ein Fortwirken der ersten Anerkennung wäre, hat der Kläger erst in der mündlichen Verhandlung geltend gemacht. Er hat anwaltlich vertreten gleichwohl an seiner in der Klageschrift enthaltenen Antragstellung festgehalten.
202. Das angefochtene Urteil verstößt jedoch gegen Bundesrecht, weil das Verwaltungsgericht das Rechtsschutzbedürfnis des Klägers für sein Begehren auf Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer zu Unrecht verneint und dadurch die grundrechtlichen Gewährleistungen aus Art. 4 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Art. 12a Abs. 2 Satz 3 GG und Art. 19 Abs. 4 GG sowie den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG verletzt hat.
21Aus den gesetzlichen Bestimmungen der § 2 Abs. 6 Satz 3 KDVG, § 46 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7, § 55 Abs. 1 Satz 1 SG ergibt sich, dass nicht nur gediente und ungediente Wehrpflichtige, sondern auch Berufssoldaten und Soldaten auf Zeit ihre Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer beantragen können. Der Senat hält an seiner Rechtsprechung nicht fest, derzufolge Berufs- und Zeitsoldaten im Sanitätsdienst der Bundeswehr aus Rechtsgründen gleichwohl kein Rechtsschutzbedürfnis für ein auf ihre Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer gerichtetes Verfahren zuzubilligen ist (a). Auch für die freiwillig dienenden Angehörigen eines waffenlosen Sanitätsdienstes ist die Rechtsposition nicht nutzlos, die sie durch einen Antrag auf Anerkennung der Berechtigung, den Kriegsdienst mit der Waffe zu verweigern, zu gewinnen trachten. Sie müssen sie deshalb grundsätzlich in gleicher Weise wie alle anderen Wehrpflichtigen und Soldaten der Bundeswehr erreichen können (b). Eine Rechtfertigung dafür, die im Sanitätsdienst tätigen Berufs- und Zeitsoldaten von der Möglichkeit auszunehmen, jederzeit ein Anerkennungsverfahren durchlaufen zu können, kann nicht in deren freiwilliger Dienstverpflichtung gefunden werden (c). Ebenso wenig können die Betroffenen auf ein vorrangig zu betreibendes Dienstentlassungsverfahren verwiesen werden (d).
22a) Nach der bisherigen Rechtsprechung des Senats haben Berufs- und Zeitsoldaten, die sich auf Grund freiwilliger Verpflichtung im aktiven Sanitätsdienst der Bundeswehr befinden, bis zur Beendigung ihres Dienstverhältnisses kein Rechtsschutzbedürfnis für eine Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer. Soldaten, die auf Grund ihrer Wehrpflicht als Sanitäter Dienst leisten müssen, unterliegen dagegen im Hinblick auf die Geltendmachung einer Gewissensentscheidung gegen den Kriegsdienst mit der Waffe keinen Einschränkungen.
23Der Senat hat mit dieser Rechtsprechung an die in dem u.a. - (BVerfGE 69, 1 <24 f., 54 ff.>) angelegte Unterscheidung zwischen dem erst geltend gemachten und dem bereits förmlich festgestellten Grundrecht aus Art. 4 Abs. 3 Satz 1 GG angeknüpft. Während der volle Schutz des förmlich festgestellten Grundrechts unter Berücksichtigung des Art. 12a Abs. 2 Satz 3 GG das Recht zur Verweigerung auch des waffenlosen Dienstes in der Bundeswehr umfasse, lasse sich aus dem lediglich geltend gemachten Grundrecht nur eine vorläufige Sicherung seines Kernbereichs in dem Sinne ableiten, dass zwar eine Heranziehung zum Kriegsdienst mit der Waffe, nicht aber zum waffenlosen Dienst ausgeschlossen sei.
24Ein den Kernbereich der grundrechtlichen Gewährleistung nicht berührender waffenloser Dienst sei ein solcher, der objektiv keine Tätigkeiten umfasse, die in einem nach dem Stand der jeweiligen Waffentechnik unmittelbaren Zusammenhang mit dem Einsatz von Kriegswaffen stünden. Dies gelte insbesondere für den Sanitätsdienst. Auch wenn Sanitätssoldaten an Handfeuerwaffen wie Pistolen und Gewehren ausgebildet würden, werde ihr Dienst wegen der besonderen völkerrechtlichen Stellung des Sanitätsdienstes nicht zum Kriegsdienst mit der Waffe.
25Da das nach Durchführung des Anerkennungsverfahrens förmlich zuerkannte Grundrecht aus Art. 4 Abs. 3 GG gemäß Art. 12a Abs. 2 Satz 3 GG das Recht einschließe, jeglichen Dienst in der Bundeswehr, also auch einen waffenlosen Dienst einschließlich des Sanitätsdienstes, zu verweigern, hätten Wehrpflichtige, die sich auf das Grundrecht aus Art. 4 Abs. 3 Satz 1 GG beriefen, einen Anspruch auf Durchführung des Anerkennungsverfahrens, wenn und solange sie auf Grund ihrer Wehrpflicht zu irgendeinem Dienst in der Bundeswehr einschließlich des Sanitätsdienstes herangezogen werden könnten. Dagegen sei ein Anspruch auf Durchführung des Anerkennungsverfahrens zu verneinen, wenn aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen eine Heranziehung zum Wehrdienst auf Grund der allgemeinen Wehrpflicht nicht in Betracht komme, die betroffenen Wehrpflichtigen den Schutz des Grundrechts also nicht benötigten. Dies sei auch dann der Fall, wenn und solange sie nicht auf Grund ihrer Wehrpflicht, sondern als Folge eigener freiwilliger Verpflichtung waffenlosen Dienst - insbesondere Sanitätsdienst - leisteten, ihre gesetzliche Wehrpflicht also von der selbst eingegangenen Verpflichtung zu einem Dienst überlagert werde, der als waffenloser Dienst vor Tätigkeiten schütze, die den Kernbereich des Art. 4 Abs. 3 Satz 1 GG berührten. Die Betroffenen, die sich der für anerkannte Kriegsdienstverweigerer durch Art. 12a Abs. 2 Satz 3 GG garantierten Möglichkeit, einen Ersatzdienst außerhalb der Bundeswehr zu wählen, durch ihre freiwillige Verpflichtung zum Sanitätsdienst in der Bundeswehr begeben hätten, hätten es - wenn ihnen ihr Gewissen auch die Leistung dieses Dienstes verbiete - selbst in der Hand, ihr freiwillig eingegangenes Dienstverhältnis mit einem Entlassungsantrag nach dem Soldatendienstrecht vorzeitig zu beenden. Werde nach der Entlassung aus dem Soldatenverhältnis die gesetzliche Wehrpflicht der Betroffenen wieder aktuell, hätten sie ein Rechtsschutzbedürfnis für ein Verfahren auf Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer. Einem auf § 46 Abs. 6 (§ 46 Abs. 3 Satz 3 a.F.), § 55 Abs. 3 SG gestützten Antrag auf vorzeitige Entlassung aus dem Soldatendienstverhältnis werde stattzugeben sein, wenn dadurch die Möglichkeit geschaffen werden solle, die Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer aus Gewissensgründen beantragen zu können. Denn der Zwang, gegen die Gebote des eigenen Gewissens einen Dienst leisten zu müssen, der jedenfalls im Zusammenhang mit den Verbänden der Streitkräfte stehe, sei im Licht des Grundrechts aus Art. 4 Abs. 3 Satz 1 GG nach den genannten soldatenrechtlichen Entlassungsvorschriften als eine schwerwiegende persönliche Härte anzusehen, die ein weiteres Verbleiben im Soldatendienstverhältnis unzumutbar mache (vgl. zum Ganzen: BVerwG 6 C 5.85 - BVerwGE 72, 241 <242 ff.> = Buchholz 448.6 § 13 KDVG Nr. 3 S. 7 ff., vom - BVerwG 6 C 14.93 - Buchholz 448.6 § 13 KDVG Nr. 17 S. 2 ff. und vom - BVerwG 6 C 2.95 - Buchholz 448.6 § 13 KDVG Nr. 19 S. 7 ff. sowie - im Wesentlichen auf formelle Erwägungen gestützt - BVerwG 6 B 24.09 - Buchholz 448.6 § 1 KDVG Nr. 58 Rn. 4 f. - für im Sanitätsdienst befindliche Zeit- und Berufssoldaten; BVerwG 6 C 36.86 - BVerwGE 80, 62 <63 ff.> = Buchholz 448.6 § 13 KDVG Nr. 9 S. 5 ff. und - BVerwG 6 C 27.86 - Buchholz 448.6 § 13 KDVG Nr. 10, vom - BVerwG 6 C 38.87 - Buchholz 448.6 § 13 KDVG Nr. 11 S. 17 f., vom - BVerwG 6 C 9.86 - Buchholz 448.6 § 14 KDVG Nr. 21 S. 12, vom - BVerwG 6 C 24.88 - juris Rn. 7, vom - BVerwG 6 C 45.88 - Buchholz 448.6 § 13 KDVG Nr. 16 S. 28 ff. und vom - BVerwG 6 C 30.88 - juris Rn. 8 - für wehrpflichtige Sanitätssoldaten).
26Soweit nach diesen Rechtsprechungsgrundsätzen freiwillig dienenden Sanitätssoldaten der Bundeswehr ein Rechtsschutzbedürfnis für das jederzeitige und unmittelbare Durchlaufen eines auf die Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer gerichteten Verfahrens abzusprechen ist, hält der Senat an ihnen nicht fest. Die den Grundsätzen insoweit zu Grunde liegenden Annahmen haben sich als nicht tragfähig erwiesen.
27b) Das Rechtsschutzbedürfnis im Verwaltungsprozess - und in Entsprechung dazu das Sachbescheidungsinteresse im Verwaltungsverfahren - ist im Regelfall zu bejahen und bedarf nur in besonderen Fällen der Begründung ( BVerwG 9 C 44.87 - BVerwGE 81, 164 <165 f.> = Buchholz 402.25 § 2 AsylVfG Nr. 9 S. 19 f. und vom - BVerwG 3 C 25.03 - BVerwGE 121, 1 <3> = Buchholz 451.74 § 9 KHG Nr. 9 S. 5). Von den Fallgruppen, in denen diese Voraussetzung für eine Sachentscheidung fehlen kann (vgl. dazu: Ehlers, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Bd. 1, Stand: September 2011, Vorbemerkung § 40 Rn. 81 ff.), kommt hier nur diejenige der Nutzlosigkeit der begehrten Entscheidung in Betracht. Nutzlos ist eine Entscheidung indes nur dann, wenn sie demjenigen, der sie erstrebt, offensichtlich keinerlei rechtliche oder tatsächliche Vorteile bringen kann (Urteil vom a.a.O. S. 3 bzw. S. 5).
28Die Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer, die am Ende eines erfolgreich durchlaufenen Anerkennungsverfahrens steht, ist für die Berufs- und Zeitsoldaten im aktiven Sanitätsdienst der Bundeswehr nicht in dem beschriebenen Sinne offensichtlich ohne jeglichen Nutzen. Dies gilt auch dann, wenn man davon ausgeht, dass die betroffenen Soldaten in Gestalt des Sanitätsdienstes einen waffenlosen Dienst versehen und deshalb dauerhaft in dem Kernbereich ihres Grundrechts aus Art. 4 Abs. 3 Satz 1 GG geschützt sind, weil sie vor dem Zwang bewahrt werden, entgegen den Geboten ihres Gewissens in einer Kriegshandlung einen anderen töten bzw. Tätigkeiten ausführen zu müssen, die in einem nach dem Stand der jeweiligen Waffentechnik unmittelbaren Zusammenhang mit dem Einsatz von Kriegswaffen stehen (vgl. dazu: BVerfG, Beschlüsse vom - 1 BvR 83/69 u.a. - BVerfGE 28, 243 <262> und vom - 2 BvR 65/71 - BVerfGE 32, 40 <46>, Urteile vom - 2 BvF 1/77 u.a. - BVerfGE 48, 127 <163 f.> und vom a.a.O. S. 54, 56, - BVerfGE 80, 354 <358>). Denn mit einer Sicherung des bloßen Kernbereichs des Grundrechts aus Art. 4 Abs. 3 Satz 1 GG müssen sich anerkannte Kriegsdienstverweigerer nicht begnügen.
29Auf den Kernbereich des Grundrechts auf Kriegsdienstverweigerung hat das Bundesverfassungsgericht nur im Zusammenhang mit der Frage abgestellt, welche Dienstpflichten Soldaten in der Übergangszeit zwischen der Einreichung eines Antrags auf Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer und dem Abschluss des Anerkennungsverfahrens erfüllen müssen. Da einerseits der Kernbereich des Grundrechts durch den Waffendienst im Frieden nicht berührt wird und andererseits auch der Einrichtung und der Funktionsfähigkeit der Bundeswehr Verfassungsrang zukommt, ist es den Betroffenen in Friedenszeiten zumutbar, den bisher geleisteten Dienst für die Dauer des mit möglichster Beschleunigung zu führenden Anerkennungsverfahrens fortzusetzen (BVerfG, Beschlüsse vom a.a.O. S. 262 und vom a.a.O. S. 45 ff.). Im Spannungs- und Verteidigungsfall bleibt jedenfalls die Heranziehung zu einem waffenlosen Dienst zulässig, bis endgültig feststeht, dass das Grundrecht aus Art. 4 Abs. 3 Satz 1 GG zu Recht in Anspruch genommen wird ( a.a.O. S. 56 f.).
30Jenseits der durch das Anerkennungsverfahren bedingten zeitlichen Übergangsphase geht bei einem für den jeweiligen Antragsteller erfolgreichen Abschluss dieses Verfahrens der Gewährleistungsgehalt des Rechts auf Kriegsdienstverweigerung indes über den beschriebenen Kernbereich hinaus. Dies gibt das Grundgesetz durch die in Art. 12a Abs. 2 GG erteilte Ermächtigung, auf gesetzlichem Wege eine Ersatzdienstpflicht einzuführen, allgemein zu erkennen (vgl. im Hinblick auf das Recht zur Kriegsdienstverweigerung bereits im Frieden: a.a.O. S. 164, Beschluss vom a.a.O.). Speziell der Regelung des Art. 12a Abs. 2 Satz 3 GG kann - hieran hält der Senat fest - entnommen werden, dass ein anerkannter Kriegsdienstverweigerer das Recht hat, jeglichen Dienst in der Bundeswehr, also auch einen waffenlosen Dienst einschließlich des Sanitätsdienstes zu verweigern. Vor diesem verfassungsrechtlichen Hintergrund bestimmt das einfache Recht in § 46 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7, § 55 Abs. 1 Satz 1 SG, dass Berufs- und Zeitsoldaten im Falle ihrer Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer zu entlassen sind. Dies entspricht der Regelung, die § 29 Abs. 1 Satz 3 Nr. 6 WPflG für als Kriegsdienstverweigerer anerkannte Wehrpflichtige trifft.
31Sind mit der Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer derartige, über die bloße Sicherung des Kernbereichs des Grundrechts aus Art. 4 Abs. 3 Satz 1 GG hinausgehende Gewährleistungen verbunden, muss den Berufs- und Zeitsoldaten des Sanitätsdienstes wie allen Wehrpflichtigen und Soldaten der Bundeswehr grundsätzlich die Möglichkeit zugestanden werden, diese Rechtsposition jederzeit und unmittelbar durch das Durchlaufen des für die Anerkennung erforderlichen Verfahrens zu erreichen.
32c) Dem Sanitätspersonal im Status von Berufs- und Zeitsoldaten ein beachtliches Bedürfnis hierfür abzusprechen, kann entgegen der bisherigen Einschätzung des Senats nicht durch die Erwägung gerechtfertigt werden, dass die nach § 1 Abs. 2 Satz 1 SG eingegangene freiwillige Dienstverpflichtung der Betroffenen deren Wehrpflicht überlagere und diese sich hierdurch des durch Art. 12a Abs. 2 Satz 3 GG garantierten Rechts zur Ableistung eines Ersatzdienstes außerhalb der Bundeswehr begeben hätten.
33Denn zum einen ist das Recht der Kriegsdienstverweigerung ausweislich der einfachgesetzlichen Regelung in § 2 Abs. 6 Satz 3 KDVG, § 46 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7, § 55 Abs. 1 Satz 1 SG nicht an die gesetzliche Wehrpflicht gekoppelt. Zum anderen ist mit den Begriffen des Überlagerns und des Sich-Begebens im Ergebnis die Annahme verbunden, die Betroffenen verzichteten bei Abgabe ihrer Dienstverpflichtung mit Wirkung für die gesamte Dauer ihres jahrelangen Dienstes unwiderruflich darauf, das Recht der Kriegsdienstverweigerung aus Gewissensgründen in seinem vollen Gewährleistungsgehalt wahrzunehmen. Ein derartiger Verzicht erfasste mithin nicht nur bereits getroffene, sondern auch erst im Laufe der Jahre entstehende Gewissensentscheidungen. Ein solcher Gehalt kann der von den Betroffenen abgegebenen Dienstverpflichtung rechtlich und tatsächlich keinesfalls zukommen.
34d) Entgegen der bisherigen Annahme des Senats stellt für die Berufs- und Zeitsoldaten des Sanitätsdienstes auch die Möglichkeit, unter Verweis auf einen beabsichtigten Antrag auf Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer ihre vorzeitige Entlassung aus dem Soldatendienstverhältnis auf der Grundlage der Härtefallklauseln der § 46 Abs. 6 (§ 46 Abs. 3 Satz 3 a.F.), § 55 Abs. 3 SG zu betreiben und im Erfolgsfall gegebenenfalls in das Anerkennungsverfahren überzuwechseln, keine Alternative dar, die das unmittelbare Durchlaufen eines Anerkennungsverfahrens als überflüssig erscheinen lassen könnte.
35Hierfür spricht bereits, dass der Entlassungsgrund der persönlichen Härte eines Verbleibens im Dienst einer Inanspruchnahme durch sämtliche Berufs- und Zeitsoldaten der Bundeswehr und nicht nur durch diejenigen des Sanitätsdienstes offen steht, ohne dass indes allgemein das Dienstentlassungsverfahren als vorrangig gegenüber einem Verfahren auf Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer begriffen und die damit verbundene zusätzliche Verfahrenslast als hinnehmbar erachtet würde.
36Hinzu kommt, dass das von dem Senat bisher befürwortete Verhältnis von Anerkennungsverfahren und Dienstentlassungsverfahren in den einschlägigen Verfahrensvorschriften nicht angelegt ist. Vielmehr hat das Kriegsdienstverweigerungsgesetz in allen seinen bisherigen Fassungen die Entscheidung über Anträge auf Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer Stellen außerhalb der Wehrverwaltung bzw. ihrer Weisungsbefugnis überantwortet. Zudem hat bei einer Kriegsdienstverweigerung von Berufs- oder Zeitsoldaten das von diesen Stellen durchzuführende Anerkennungsverfahren nach der Vorstellung des Gesetzgebers einem Dienstentlassungsverfahren voranzugehen. Dies ergibt sich aus den bereits genannten Vorschriften der § 46 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7, § 55 Abs. 1 Satz 1 SG, die die Entlassung aus dem Dienst als Rechtsfolge einer Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer ausgestalten.
37Diese im Sinne des Gesetzes liegende Zuständigkeitsverteilung und Entscheidungsabfolge ist durch die bisherige Rechtsprechung des Senats zur Kriegsdienstverweigerung, derzufolge zunächst die Wehrverwaltung über einen Antrag von freiwillig dienenden Sanitätssoldaten auf Dienstentlassung wegen besonderer Härte zu entscheiden hat, bevor diese gegebenenfalls ein Verfahren auf Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer betreiben können, praktisch abgeändert bzw. umgekehrt worden. Hierdurch wird in jedem Fall die Beschleunigungsmaxime, der das Anerkennungsverfahren unterliegt, in vermeidbarer Weise eingeschränkt. Es kann darüber hinaus zu einer nicht hinnehmbaren Komplizierung der Verfahrensabläufe kommen. Denn es ist einerseits grundsätzlich möglich, dass ein Betroffener im Hinblick auf einen beabsichtigten Antrag auf Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer aus dem Dienst entlassen, später jedoch nicht anerkannt wird. Dann stellt sich die Frage einer Aufhebung der Entlassungsverfügung nach §§ 48, 49 VwVfG. Andererseits kann nicht ausgeschlossen werden, dass ein Sanitätssoldat, der tatsächlich eine Gewissensentscheidung im Sinne des Art. 4 Abs. 3 Satz 1 GG getroffen hat, in dem für die Feststellung dieser Entscheidung nicht geschaffenen Dienstentlassungsverfahren scheitert und mit ihr dann über eine lange Zeit kein Gehör mehr findet.
383. Das verwaltungsgerichtliche Urteil stellt sich schließlich nicht deshalb nach § 144 Abs. 4 VwGO im Ergebnis als richtig dar, weil davon ausgegangen werden müsste, dass der Kläger wegen einer nach wie vor gegebenen Wirksamkeit des Anerkennungsbescheids vom bereits anerkannter Kriegsdienstverweigerer ist und deshalb für die Klage, mit der er seine erneute Anerkennung erstrebt, kein Rechtsschutzbedürfnis hat. Denn auf seine erstmalige Anerkennung hat der Kläger durch die unter dem abgegebene Erklärung verzichtet, aus Gewissensgründen nicht mehr daran gehindert zu sein, den Dienst an der Waffe zu leisten.
39Der Senat hat den Gehalt der Erklärung des Klägers vom nach den Auslegungsregeln der §§ 133, 157 BGB zu ermitteln, obwohl es sich insoweit um eine Tatsachenfeststellung handelt. Die Vorschrift des § 137 Abs. 2 VwGO, die das Revisionsgericht grundsätzlich an die tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz bindet, bezieht sich nicht auf Tatsachen, die für das Vorliegen von Sachurteilsvoraussetzungen - hier in Gestalt des Rechtsschutzbedürfnisses für die erhobene Klage - erheblich sind. Über das Vorliegen dieser Tatsachen hat vielmehr das Revisionsgericht von Amts wegen zu entscheiden.
40Die Erklärung des Klägers vom kann objektiv nur als Verzicht auf die Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer vom verstanden werden. Die Zulässigkeit eines solchen Verzichts unterliegt in Anbetracht der Vorschriften des § 7 Abs. 2 WPflG und des § 43 Abs. 1 Nr. 10 ZDG keinen Bedenken. Der Kläger hatte ein erkennbares Interesse daran, den Verzicht auszusprechen, da er als anerkannter Kriegsdienstverweigerer einen Entlassungsgrund erfüllte und deshalb nicht die für die Berufung in das Dienstverhältnis eines Soldaten auf Zeit erforderliche Eignung besaß. Die Ausräumung dieses Berufungshindernisses war nur in der Form des Verzichts auf die Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer möglich.
Fundstelle(n):
BAAAE-07539