BGH Urteil v. - X ZR 135/08

Leitsatz

Leitsatz:

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

Instanzenzug: BPatG, 2 Ni 43/06 (EU) vom

Tatbestand

Die Beklagte ist Inhaberin des mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 927 293 (Streitpatents), das am unter Inanspruchnahme der Priorität dreier deutscher Gebrauchsmuster vom , vom und vom angemeldet worden ist und eine C förmige Führungsprofilschiene betrifft. Das Streitpatent umfasst einen Hauptanspruch und fünf Unteransprüche.

Patentanspruch 1 hat folgenden Wortlaut:

"Vorrichtung zum motorischen Antreiben eines ein oder mehrteiligen Torblatts, mit einem innerhalb einer bestimmten Wegstrecke hin und hergehenden motorisch angetriebenen Schlitten, an den das lageveränderlich geführte Torblatt angekuppelt ist, und mit einer C förmigen Führungsprofilschiene (1), in der der Schlitten verschiebbar aufgenommen ist, wobei das C Profil (10) aus einem Blech ausgeformt ist d a d u r c h g e k e n n z e i c h n e t , dass in den Übergangsbereichen zwischen dem Steg (14) des C Profils (10) und dessen anschließenden U Schenkeln (13) sowie zwischen diesen und den von deren dem Steg (14) abgewandten Längsrandbereichen abstrebenden, mit ihren Enden (15, 16) einander zugewandten Endbereichen des C Profils (10) jeweils vorspringende Leisten (11, 12) ausgebildet sind, die von der senkrecht zum Steg (14) verlaufenden Längsmittelebene (17) des C Profils (10) senkrecht abragen, dass die Leisten als Bördelungen ausgebildet sind, und dass am Einsatzort Haltelaschen (4; 5), die nach oben oder nach unten hin gesehen ortsfest verankert sind, die Leisten bzw. Bördelungen (11; 12) klemmend übergreifen."

Die Klägerin hat geltend gemacht, der Gegenstand des Streitpatents gehe über den Inhalt der ursprünglichen Anmeldung hinaus und sei auch nicht patentfähig. Die Beklagte hat das Schutzrecht in der erteilten Fassung und in der Fassung eines Hilfsantrags verteidigt.

Das Patentgericht hat die Klage abgewiesen. Dagegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung, der die Beklagte entgegentritt. Hilfsweise verteidigt die Beklagte das Streitpatent mit den Ansprüchen nach den Hilfsanträgen I bis III.

Im Auftrag des Senats hat Prof. Dr.-Ing. habil. S. , Institut für Produktionstechnik, , ein schriftliches Gutachten erstattet, das er in der mündlichen Verhandlung erläutert und ergänzt hat.

Gründe

Die zulässige Berufung ist unbegründet.

I. Das Streitpatent betrifft eine Vorrichtung zum motorischen Antreiben eines ein oder mehrteiligen Torblatts mit einem hin und hergehenden motorisch angetriebenen Schlitten, der in einer C förmigen Profilschiene aufgenommen ist. Nach der Patentbeschreibung sind C förmige Führungsprofilschienen für Garagentorantriebe u.a. aus dem deutschen Gebrauchsmuster 93 19 898 bekannt. Sie haben die Aufgabe, einen hin und her rollenden oder gleitenden Schlitten zu führen. Die im Stand der Technik bekannten, einfach gestalteten C Profile seien bei einer angestrebten Verwendung eines dünneren Blechmaterials wenig formstabil und unterlägen hinsichtlich ihrer Befestigungen, Verlängerungen und Verstärkungen gravierenden Einschränkungen.

Das Streitpatent betrifft vor diesem Hintergrund das technische Problem, eine Vorrichtung der eingangs genannten Art zur Verfügung zu stellen, deren C förmige Führungsprofilschiene mit technisch einfachen Mitteln eine niedrige Profilhöhe mit ausreichender Steifigkeit aufweist, wobei die Befestigung der Führungsprofilschiene zumindest weitgehend verspannungsfrei erfolgen könne, die Formstabilität erhöht werde und eine entsprechend geringere Profilwandstärke erforderlich sei (Streitpatent Abs. 4 und 6).

Hierzu schlägt das Streitpatent eine Vorrichtung mit folgenden Merkmalen vor (Gliederung des Patentgerichts in eckigen Klammern):

1. Die Vorrichtung dient zum motorischen Antreiben eines einoder mehrteiligen Torblatts, und weist auf [1]

1.1 einen innerhalb einer bestimmten Wegstrecke hin- und hergehend motorisch angetriebenen Schlitten [1],

1.1.1 an den das lageveränderlich geführte Torblatt angekuppelt ist [1],

1.2 eine C-förmige Führungsprofilschiene (1), in der der Schlitten verschiebbar aufgenommen ist [2].

2. Das C-Profil (10) ist aus einem Blech ausgeformt und weist einen Steg (14) und an diesen anschließende U-Schenkel (13) auf [3, 4a].

3. Es sind vorspringende Leisten (11, 12) ausgebildet

3.1 in den Übergangsbereichen zwischen dem Steg (14) des C-Profils (10) und dessen anschließenden U-Schenkeln (13) [4a] und

3.2 zwischen den U-Schenkeln (13) und den mit ihren Enden (15, 16) einander zugewandten Endbereichen des C-Profils (10), die von den dem Steg (14) abgewandten Längsrandbereichen abstreben [4b].

4. Die vorspringenden Leisten (11, 12)

4.1 ragen von der senkrecht zum Steg (14) verlaufenden Längsmittelebene (17) des C-Profils (10) senkrecht ab [5] und

4.2 sind als Bördelungen ausgebildet [6].

5. Am Einsatzort sind Haltelaschen (4, 5) nach oben oder unten hin gesehen ortsfest verankert, die Leisten bzw. Bördelungen (11, 12) klemmend übergreifen.

Die nachfolgend dargestellten Figuren 1 und 2 des Streitpatents zeigen einen Querschnitt des C-Profils sowie das C-Profil mit Befestigungsbeispielen.

Mit Hilfe der Figuren lässt sich die beanspruchte Form der Führungsprofilschiene, die in den Merkmalen 1.2, 2 und 3.2 festgelegt ist, erläutern. Danach schließen sich an den Steg 14 die U-Schenkel 13 an, die in die einander zugewandten Enden 15, 16 des C-Profils übergehen. In dem Übergangsbereich von den U-Schenkeln zu den Enden sind die vorspringenden Leisten 11, 12 ausgebildet. In Merkmalsgruppe 3 wird die räumliche Anordnung der vorspringenden Leisten innerhalb des C-Profils beschrieben. Sie finden sich an den vier Ecken der Führungsprofilschiene jeweils beidseitig in zwei Übergangsbereichen, nämlich im Bereich zwischen dem Steg 14 und den anschließenden U-Schenkeln 13 und im Bereich zwischen den U-Schenkeln und den einander zugewandten Enden 15, 16 des C-Profils. Die Merkmalsgruppe 4 verlangt, dass die Leisten senkrecht von einer senkrecht zum Steg verlaufenden Längsmittelebene abragen, das heißt, dass sie parallel zu dem Steg 14 verlaufen. Die Leisten sind schließlich als Bördelungen, die in Absatz 6 der Patentschrift auch als Faltungen bezeichnet werden, ausgebildet. Es handelt sich, wie das Patentgericht zutreffend angenommen hat, um einen auskragenden und am freien Ende der Leiste auf sich selbst zurückgebogenen, das heißt doppellagigen Bereich des C-Profils. Eine mögliche Ausbildung der vorspringenden Leisten als "Sicken", das heißt als eingedrückte Rillen in Blechteilen, wie der Sachverständige unter Bezugnahme auf die VDI/VDE-Richtlinie 2251 ausgeführt hat, ist im Streitpatent weder ausdrücklich erwähnt, noch finden sich hierfür sonstige Anhaltspunkte.

II. Das Patentgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:

1. Eine unzulässige Erweiterung liege nicht vor, da der Gegenstand des Streitpatents im Prüfungsverfahren zulässig geändert worden sei. In den ursprünglichen Anmeldungsunterlagen sei nicht nur allgemein eine C Führungsprofilschiene offenbart; diese sollte vielmehr nach der Beschreibung und dem Oberbegriff des damalig beanspruchten Anspruchs 1 "für die verschiebbare Aufnahme eines innerhalb einer bestimmten Wegstrecke hin und hergehend motorisch angetriebenen Schlittens, an den ein lageveränderlich geführter Gegenstand, insbesondere ein ein oder mehrteiliges Torblatt, angekoppelt ist", dienen. Die ursprüngliche Offenbarung umfasse daher auch die Vorrichtung, für die das Streitpatent erteilt worden sei.

2. Der Gegenstand nach Patentanspruch 1 sei neu und auch nicht durch den Stand der Technik nahegelegt.

Weder die aus dem deutschen Gebrauchsmuster 93 19 898 (XB 2) noch die aus der internationalen Patentanmeldung 95/07401 (XB 3) bekannten Vorrichtungen wiesen in den Übergangsbereichen zwischen Steg und U Schenkeln bzw. U Schenkeln und den Endbereichen der aus Blech ausgeformten C-förmigen Führungsprofilschiene vorspringende Leisten auf, die als Bördelungen ausgebildet seien. Für die in dem deutschen Gebrauchsmuster 94 03 746 (XB 4) vorgestellte Profilschiene sei weder angegeben noch aus den Figuren ersichtlich, dass diese aus einem Blech geformt sei. Die weiter entgegengehaltenen Veröffentlichungen beträfen keine Vorrichtungen gemäß Merkmal 1 des Hauptanspruchs, sondern Vorhang und/oder Möbelschienen und könnten schon deshalb den Gegenstand des Streitpatents nicht vorwegnehmen.

Nächstkommender Stand der Technik sei das deutsche Gebrauchsmuster 93 19 898. Bei der dortigen Vorrichtung seien an den Übergangsbereichen des Profils keine vorspringenden Leisten vorgesehen. Damit seien auch Haltelaschen nicht offenbart, auch wenn das Erfordernis von Befestigungsmitteln an sich als selbstverständlich mitzulesen sei. Der Fachmann, ein Maschinenbautechniker mit Kenntnissen der Metallumformung und mit Berufserfahrung bei Konstruktion, Montage und dem Betrieb von Garagentorantrieben, finde in den Entgegenhaltungen aus dem Stand der Technik weder ein Vorbild noch Anregungen, eine niedrigere Profilhöhe mit ausreichender Steifigkeit mit dem zusätzlichen Vorteil der Verwendung von einfachen Verstärkungs und/oder Verlängerungsprofilen durch die Kombination der Merkmale des Patentanspruchs mit den zusätzlichen Vorteilen einer einfachen Befestigungsmöglichkeit zu erzielen. Auch die in der Veröffentlichung der internationalen Patentanmeldung 95/07401 (XB 3) gezeigten, ebenfalls C förmigen Profilschienen wiesen keine vorspringenden Leisten nach den Merkmalen des Anspruchs 1 auf. Diese Entgegenhaltung könne den Fachmann allenfalls dazu anregen, die U Schenkel der aus dem deutschen Gebrauchsmuster XB 2 bekannten C Profilschiene zur Versteifung mit Wangen nach der XB 3 zu versehen. Einen Hinweis oder eine Anregung auf die anspruchsgemäß vorspringenden Leisten erhalte der Fachmann aus dieser Druckschrift nicht.

Bei der Vorrichtung nach dem deutschen Gebrauchsmuster 94 04 746 (XB 4) sei das C Profil nicht aus einem Blech ausgeformt. Darüber hinaus seien die dort vorhandenen Leisten nicht wie im Streitpatent ausgebildet. Es gebe auch keine Haltelaschen, die die Leisten übergreifen. Es widerspreche fachmännischem Handeln, das komplizierte Laufschienenprofil der XB 4 mittels Blechumformung herzustellen. Wolle der Fachmann für diese Vorrichtung zur Nutzung einer bereits vorhandenen Maschinenausstattung auf ein Blechprofil übergehen, so werde er diesbezüglich Informationen über bereits bekannte Blechprofile einholen, nicht aber das komplizierte Strangpress /Stranggussprofil so lange umkonstruieren, bis es für Blechumformung und Bördelungsvorgänge geeignet sei.

Der Fachmann habe auch keinen Anlass gehabt, sich mit der Gestaltung und Fertigungstechnik von Vorhang und Möbelschienen wie in der Schweizer Patentschrift 409 687 (XB 5), dem US-Designpatent 231 326 (XB 12), der deutschen Offenlegungsschrift 14 04 030 (XB 13) und der Schweizer Patentschrift 644 258 (XB 14) zu befassen. Der Fachmann werde nicht nach einer Lösung auf einem Gebiet suchen, das von der Gestaltung, der Bemessung und insbesondere der Kräfteverteilung der dort eingesetzten Schienen deutlich anders beschaffen sei. So sei zu berücksichtigen, dass zum Beispiel unter Putz verlegte Vorhangschienen wie in der XB 13 relativ flach ausgestaltet und zudem gegen seitliche Kräfte gesichert seien. Dasselbe gelte für Laufschienen, die in einem Träger aus Holz wie bei der Entgegenhaltung XB 5 eingebettet seien, oder für Möbelauszüge, die in einer Führung liefen.

Die Laufschiene gemäß der Entgegenhaltung XB 5 für Schiebetüren von Möbelstücken oder Vorhängen zeige zwar zwei vorspringende Leisten in den Übergangsbereichen zwischen den U Schenkeln und den einander zugewandten Endbereichen des C Profils. Diese dienten aber als Anschlag zur Begrenzung der Tiefenlage der Schiene in einer Nut, so dass der Anbringungsort dem Fachmann keine Anregung zur Stabilisierung eines Schienenprofils gebe.

Das amerikanische Design-Patent XB 12 für eine Vorhangschiene offenbare zwar eine C förmige Profilschiene. Diese Veröffentlichung belege lediglich das allgemeine Fachwissen der Blechumformung am Beispiel einer Vorhangschiene, da über die Bedeutung und Bemessung der einzelnen Profilbereiche hinsichtlich Profilhöhe und Steifigkeit keine Angaben vorhanden seien.

Bei der Einputzschiene aus der deutschen Offenlegungsschrift 14 04 030 (XB 13) erfolge die Bemessung des Metallprofils nach anderen Gesichtspunkten als bei einer im Wesentlichen frei verlegten Führungsprofilschiene eines Garagentorantriebs.

Die in der schweizerischen Patentschrift 644 258 (XB 14) gezeigten, aus Blech geformten C förmigen Schienen für Vorhänge mit Gleitern gingen mit ihren Ausbuchtungen nicht über den aus der internationalen Patentanmeldung XB 3 bekannten Stand der Technik hinaus.

III. Diese Beurteilung hält der Überprüfung im Berufungsverfahren stand.

1. Der Gegenstand des Streitpatents geht nicht über die ursprünglich eingereichte Fassung der Patentanmeldung hinaus (Art. 138 Abs. 1 Buchst. c EPÜ).

Zur Feststellung einer unzulässigen Erweiterung ist der Gegenstand des erteilten Patents mit dem Inhalt der ursprünglichen Unterlagen zu vergleichen. Der Inhalt der Patentanmeldung ist der Gesamtheit der Unterlagen zu entnehmen. Der Patentanspruch darf nicht auf einen Gegenstand gerichtet werden, den die ursprüngliche Offenbarung aus Sicht des Fachmanns hier, wie zutreffend vom Patentgericht in Übereistimmung mit den Parteien und dem gerichtlichen Sachverständigen gesehen, ein Maschinenbau-Techniker oder Fachhochschul-Ingenieur mit Kenntnissen der Metallumformung und mit Berufserfahrung bei Konstruktion, Montage und dem Betrieb von Garagentorantrieben nicht als zur Erfindung gehörend erkennen lässt (, GRUR 2011, 1109 Reifenabdichtmittel; Urteil vom X ZR 28/06, GRUR 2010, 513 Rn. 29 Hubgliedertor II; Urteil vom X ZR 30/02, GRUR 2005, 1023, 1024 Einkaufswagen II).

Die ursprüngliche Fassung der Patentanmeldung ist in der internationalen Anmeldung 98/12407 (XB 7) niedergelegt, die mit "C-förmige Führungsprofilschiene" bezeichnet und deren Patentansprüche auch auf eine solche Schiene gerichtet sind. Nach der Beschreibung und der Formulierung des dortigen Patentanspruchs 1 ist eine C Führungsprofilschiene offenbart, die "für die verschiebbare Aufnahme eines innerhalb einer bestimmten Wegstrecke hin und hergehend motorisch angetriebenen Schlittens, an den ein lageveränderlich geführter Gegenstand, insbesondere ein ein oder mehrteiliges Torblatt, angekoppelt ist", dienen soll. Damit sind Vorrichtungsteile benannt wie zum Beispiel der Schlitten, an den das lageveränderlich geführte Torblatt angekuppelt ist und die C-förmige Führungsprofilschiene, in die der Schlitten verschiebbar aufgenommen werden soll. Eine Vorrichtung wie in dem erteilten Patent ist damit zwar nicht wörtlich so benannt, aber inhaltlich beschrieben. Die ursprüngliche Offenbarung umfasst daher auch die Vorrichtung, für die das Streitpatent erteilt worden ist. Der Gegenstand der Anmeldung ist weder erweitert, noch ist ein Aliud an seine Stelle gesetzt worden.

2. Der Gegenstand des Streitpatents ist in keinem der vorgelegten Dokumente vollständig offenbart und somit gegenüber dem Stand der Technik neu. Das hat der gerichtliche Sachverständige ebenso gesehen, und dies wird auch von der Klägerin nicht in Zweifel gezogen (Art. 54 Abs. 1, 2 EPÜ).

3. Die beanspruchte Vorrichtung beruht auch auf erfinderischer Tätigkeit, da sie sich nicht in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik ergab (Art. 56 Satz 1 EPÜ).

a) Nach der Rechtsprechung des Senats handelt es sich bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit um eine Rechtsfrage, die mittels wertender Würdigung der tatsächlichen Umstände zu beurteilen ist, die unmittelbar oder mittelbar geeignet sind, etwas über die Voraussetzungen für das Auffinden der erfindungsgemäßen Lösung auszusagen (, BGHZ 166, 305 Vorausbezahlte Telefongespräche). Der Senat hat weiter entschieden, dass es in der Regel zusätzlicher, über die Erkennbarkeit des technischen Problems hinausreichender Anstöße, Anregungen, Hinweise oder sonstiger Anlässe dafür bedarf, die Lösung des technischen Problems auf dem Weg der Erfindung zu suchen, um das Begehen eines von den bisher beschrittenen Wegen abweichenden Lösungswegs nicht nur als möglich, sondern dem Fachmann nahegelegt anzusehen abgesehen von den Fällen, in denen für den Fachmann auf der Hand liegt, was zu tun ist. Das aus dem Stand der Technik Bekannte muss dem Fachmann Anlass oder Anregung gegeben haben, zu der vorgeschlagenen Lehre zu gelangen ( Xa ZR 92/05, BGHZ 182, 1 Betrieb einer Sicherheitseinrichtung; Urteil vom X ZR 65/05, GRUR 2010, 407 einteilige Öse).

b) Ausgangspunkt für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit ist das deutsche Gebrauchsmuster 93 19 898 (XB 2); davon sind sowohl das Patentgericht als auch die Parteien ausgegangen. Es betrifft eine Antriebseinrichtung mit einer Führungsschiene zum Öffnen und Schließen von Toren und weist auch eine C-förmige Führungsprofilschiene auf, in der ein Schlitten verschiebbar aufgenommen ist. Das in XB 2 zu lösende technische Problem besteht darin, die Stabilität und Festigkeit der Laufschiene bei gleichzeitiger Verringerung des Materialbedarfs zu vergrößern (S. 2 unten). Zur Lösung wird vorgeschlagen, dass die Kantenbereiche der freien Enden zwei übereinander angeordnete Materiallagen haben. Die Vorrichtung zeigt jedoch keine als Bördelungen ausgebildete vorspringende Leisten, wie sie in den Merkmalsgruppen 3 und 4 des Streitpatents vorgesehen sind und auch keine Haltelaschen nach Merkmal 5, und sie gibt auch keine Anregung dafür, eine Führungsprofilschiene entsprechend auszubilden.

c) Auch dem übrigen entgegengehaltenen Stand der Technik kann eine entsprechende Anregung nicht entnommen werden.

aa) Die Antriebsvorrichtung nach der internationalen Anmeldung 95/07401 (XB 3) hat eine Profilschiene, deren U-förmige Schenkel nach außen vorspringende Wangen aufweisen. Einen Hinweis, anstelle dieser Ausbuchtungen in den Übergangsbereichen zwischen dem Steg des Profils und den U-Schenkeln und zwischen diesen und den Enden des C-Profils vorspringende Leisten vorzusehen, erhält der Fachmann hieraus nicht.

bb) Das deutsche Gebrauchsmuster 94 03 946 (XB 4) offenbart ebenfalls eine Antriebsvorrichtung. Die Profilschiene besteht hier nicht aus einem Blech, sondern ist als Stranggußprofil aus Aluminium geformt. Dem Fachmann ist in der Regel an einer Vereinfachung des Vorrichtungsaufbaus gelegen. Er hatte, wie das Patentgericht zutreffend ausgeführt hat, keinen Anlass, diese Konstruktion als Ausgangspunkt zu wählen, um deren kompliziertes Laufschienenprofil mittels Blechumformung herzustellen. Aber auch einzelne dort verwendete Vorrichtungsteile geben keine Anregung zu einer Ausgestaltung nach dem Streitpatent. Die in XB 4 vorgestellte Profilschiene weist rechteckige Profile auf (Fig. 6, Bezugsziffern 7i, 7k, 7l, 7m, Beschreibung S. 11 oben), die zu beiden Seiten der Laufschiene C-förmige Halteprofile bilden und die zwei Laufschienenelemente zu einer gesamten Laufschiene verbinden. Es handelt sich um rechteckige Halteprofile und nicht um Leisten. Sie entsprechen nicht, wie auch der gerichtliche Sachverständige ausgeführt hat, den vorspringenden Leisten des Streitpatents und bieten auch keine Anregung, solche Leisten auszubilden, geschweige denn sie als Bördelungen vorzusehen.

cc) Die Schweizer Patente 409 687 (XB 5) und 644 258 (XB 14), das US-Design-Patent 231 326 (XB 12) und die deutsche Offenlegungsschrift 1 404 030 (XB 13) offenbaren Möbel- oder Vorhangschienen und keine Vorrichtung zum motorischen Antreiben eines ein- oder mehrteiligen Torblatts. Das Patentgericht hat deshalb zu Recht in Zweifel gezogen, ob sich der mit der Weiterentwicklung von Garagentorantrieben befasste Fachmann im Hinblick auf die unterschiedliche Bemessung und Kräfteverteilung mit der Gestaltung und der Fertigungstechnik von Vorhangschienen befassen würde. Selbst bei Heranziehung dieser Entgegenhaltungen erhält der Fachmann aber keine Anregung zur Gestaltung einer Vorrichtung nach dem Streitpatent.

(1) Die Laufschiene nach dem Schweizer Patent 409 687 (XB 5) zeigt in den Figuren 1 und 2 zwei seitliche Vorsprünge 8, die als Anschläge zur Begrenzung der Tiefenlage der Laufschiene dienen (Sp. 2, Z. 54-57). Sie bieten dem Fachmann keine Anregung zur Durchführung der konstruktiven Maßnahmen zur Gestaltung des C-Profils nach dem Streitpatent, insbesondere vorspringende Leisten vorzusehen und sie als Bördelungen auszubilden. Dies hat auch der gerichtliche Sachverständige so gesehen.

(2) Das US-Design-Patent 231 326 (XB 12) offenbart anhand von fünf Zeichnungen eine Vorhangschiene. Das Profil in Figur 5 zeigt auf beiden Seiten im oberen Übergangsbereich zu den Schenkeln eine doppellagige Ausformung, die jedoch nicht über die Breite des Profils hinausragt. Im unteren Übergangsbereich finden sich derartige Ausformungen nicht. Aus dieser Gestaltung ergibt sich keine Anregung für den Fachmann, das Profil wie im Streitpatent mit 4 vorspringenden Leisten, die über die Breite des Profils hinausragen, auszubilden.

(3) Die deutsche Offenlegungsschrift 1 404 030 (XB 13) betrifft eine Gardineneinputzschiene aus Metall, die innen und/oder außen oder teilweise mit Kunststoff überzogen wird. Der Kunststoffüberzug soll, wie der Sachverständige ausgeführt hat, die mechanischen Eigenschaften positiv beeinflussen. Im Gegensatz zum Streitpatent werden diese Eigenschaften nicht mit konstruktiven Maßnahmen erreicht. Die XB 13 kann deshalb auch keine Anregungen zu den Maßnahmen, wie sie in den Merkmalsgruppen 3, 4 und 5 dargestellt sind, enthalten.

(4) Das Schweizer Patent 644 258 (XB 14) zeigt eine C-förmige Schiene für Vorhänge mit Gleitern. Sie weist an den U-förmigen Schenkeln Ausbuchtungen 12, 22 (Fig. 2 und 4) auf, die den nach außen vorspringenden Wangen der XB 3 vergleichbar sind. Ebenso wie bei XB 3 erhält der Fachmann durch die Ausbuchtungen keine Anregung, in den Übergangsbereichen 4 vorspringende Leisten als Bördelungen auszubilden.

dd) Das europäische Patent 638 758 (XB 16) betrifft ein Blechprofilteil mit aus der Blechebene verformten Sicken, die zur Versteifung des Blechs dienen. Die Merkmale der Gruppen 4 und 5 sind nicht offenbart, denn die dort vorgestellten Leisten sind, wie ausgeführt, nicht mit Sicken, das heißt mit in dem Blechteil eingeprägten Rinnen und Rillen, gleichzusetzen. Aus der Ausbildung von Rinnen und Rillen, die ihrerseits eine Stabilisierungsmaßnahme darstellt, ergibt sich keine Anregung, die vorspringenden Leisten mit entsprechenden Haltelaschen nach dem Streitpatent vorzusehen.

ee) Das deutsche Gebrauchsmuster 1 959 154 (XB 17) beschreibt eine Laufschiene für Kabelwagen, Hängebahnen, Schiebetore und dergleichen. Von einem motorisch angetriebenen Schlitten, an den ein lageveränderlich geführtes Torblatt angekuppelt ist, ist nicht die Rede. Die Merkmalsgruppen 3 und 4 des Streitpatents sind in der XB 17, wie auch der gerichtliche Sachverständige ausgeführt hat, nicht direkt beschrieben. Nach der Beschreibung der XB 17 (S. 6 unten) und Abbildung 1 weist die Laufschiene in Höhe ihrer Oberseite beidseitig je eine Rippe oder einen Wulst auf. Derartige Rippen fehlen an der Unterseite. Weiter ist ausgeführt, dass man die Rippen a und b je nach dem Herstellungsverfahren des Kastenprofils auch anders ausbilden könne. Aus dieser Formulierung kann man entnehmen, dass andere Ausbildungen möglich sind. Eine Anregung, die Rippen auch an der Unterseite des Profils vorzusehen und damit möglicherweise zu den vorspringenden Leisten des Streitpatents zu gelangen, ergibt sich daraus nicht.

ff) Das Schweizer Patent 202 810 (XB 18) bezieht sich auf eine Vierkanthohlschiene für Innenroller, an der Gardinen oder Vorhänge befestigt werden können. Eine C-förmige Führungsprofilschiene für Torantriebe ist nicht offenbart, folglich auch keine einander zugewandten Endbereiche des C-Profils, ebenso wenig Haltelaschen, die Leisten oder Bördelungen klemmend übergreifen. Die wulstartigen Verstärkungen m (Fig. 10 und 11 der XB 18) können für die Ausbildung der vorspringende Leisten im Sinne des Streitpatents keinen Hinweis geben. Es handelt sich um Sicken, die durch Einprägen in das Blech gebildet werden und eine Stabilisierung bewirken. Ihr Vorhandensein veranlasst den Fachmann allenfalls sich Verstärkungsmaßnahmen für die Schiene zu überlegen, nicht aber, doppellagige Leisten, die als Bördelungen ausgebildet sind, in Betracht zu ziehen.

d) Nach alldem ist aus dem Stand der Technik eine Anregung zur patentgemäßen Gestaltung der Vorrichtung nicht ersichtlich. Der Prüfung der Rechtsfrage, ob der Gegenstand der Erfindung durch den Stand der Technik nahegelegt war, ist der Gegenstand der Erfindung in der Gesamtheit seiner Lösungsmerkmale in ihrem technischen Zusammenhang zugrunde zu legen. Eine Untersuchung von einzelnen Merkmalen oder Merkmalsgruppen dahingehend, ob sie dem Fachmann durch den Stand der Technik je für sich nahegelegt waren, kann das Naheliegen des Gegenstands der Erfindung in seiner Gesamtheit nicht begründen (, GRUR 2007, 1055 Papiermaschinengewebe, mwN). Nach diesen Vorgaben konnte allein der Umstand, dass Teile zur möglichen Ausgestaltung der patentgemäßen Vorrichtung im Stand der Technik oder im allgemeinen Fachwissen bekannt waren, den Fachmann nicht veranlassen, bei einer entsprechenden Vorrichtung die mit dem Streitpatent beanspruchte Merkmalskombination vorzusehen, bei der wie das Patentgericht zutreffend ausgeführt hat die Vorteile einer Profilversteifung mit gleichzeitig einfacher Befestigungsmöglichkeit und bedarfsweiser Verstärkungs bzw. Verlängerungsmöglichkeit durch die Nutzung der abragenden Leisten ergänzend zusammenwirken.

IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 121 Abs. 2 PatG, § 97 Abs. 1 ZPO.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

Fundstelle(n):
NAAAE-06080