BVerwG Urteil v. - 2 C 57/10

Instanzenzug: Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen Az: 6 A 2143/08 Urteil

Tatbestand

1Die Klägerin begehrt die Feststellung, weiterhin Beamtin des beklagten Landes zu sein.

2Durch das Gesetz zur Straffung der Behördenstruktur in Nordrhein-Westfalen vom (GV. NRW S. 622) wurden die staatlichen Aufgaben der Umweltverwaltung des beklagten Landes zum bei den Bezirksregierungen gebündelt. In einem zweiten Schritt zur Umsetzung der Verwaltungsstrukturreform wurden Zuständigkeiten im Umweltrecht den Kreisen und kreisfreien Städten zugewiesen. Dies geschah mit dem Gesetz zur Kommunalisierung von Aufgaben des Umweltrechts vom (GV. NRW S. 662, ber. 2008, GV. NRW S. 155), dessen Artikel 61 das Gesetz zur Regelung der personalrechtlichen und finanzwirtschaftlichen Folgen der Kommunalisierung von Aufgaben des Umweltrechts (im Folgenden: PersonalfolgenG) enthält. Ein Teil der bei den Bezirksregierungen mit Aufgaben der Umweltverwaltung betrauten Beamten sollte zum auf der Grundlage dieses Gesetzes und eines von der jeweiligen Bezirksregierung zu erstellenden Zuordnungsplans in den Dienst einer kommunalen Körperschaft treten. §§ 1 und 2 PersonalfolgenG lauten:

"§ 1

Grundsatz

Das Land stellt den Kreisen und kreisfreien Städten das zur Erfüllung der ihnen durch die Zuständigkeitsverordnung Umweltschutz zum neu übertragenen Aufgaben erforderliche Fachpersonal zur Verfügung. Die Zahl der Stellen, die für die Erfüllung der neuen Aufgaben erforderlich sind, und ihre Verteilung auf die Kreise und kreisfreien Städte ergeben sich aus der Anlage 1.

§ 2

Beamte

(1) Die Beamten der Bezirksregierungen, die mit den Aufgaben nach § 1 betraut sind, gehen kraft Gesetzes nach Maßgabe der Absätze 2 und 3 mit Wirkung vom auf die Kreise und kreisfreien Städte über.

(2) Die jeweilige Bezirksregierung bereitet den Personalübergang vor der Übertragung der Aufgaben auf der Grundlage eines Zuordnungsplans vor. Der Zuordnungsplan ist im Einvernehmen mit dem Ministerium für Umwelt und Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz unter Berücksichtigung sozialer Kriterien und dienstlicher Belange zu erstellen; eine angemessene Mitwirkung der neuen Aufgabenträger ist zu gewährleisten.

(3) Zwischen dem Land Nordrhein-Westfalen - vertreten durch die jeweilige Bezirksregierung - und der übernehmenden kommunalen Körperschaft werden Personalüberleitungsverträge geschlossen."

3In der Zuständigkeitsverordnung Umweltschutz (ZustVU) vom , die als Art. 15 des Gesetzes zur Kommunalisierung von Aufgaben des Umweltrechts vom erlassen worden ist, sind detailliert die übertragenen Aufgaben aufgelistet.

4Der im Oktober 2007 von der Bezirksregierung, bei der die Klägerin tätig war, erstellte und dem Innenministerium unterbreitete Zuordnungsplan sah vor, dass die Klägerin zum auf die Beigeladene übergehen solle. Im November 2007 teilte die Bezirksregierung der Klägerin mit, nach der Billigung des Zuordnungsplans durch die zuständigen Ministerien werde sie vorbehaltlich der Verabschiedung des geplanten Gesetzes per Gesetz zum in den Dienst der Beigeladenen übergeleitet.

5Die Klägerin ist mit ihrem Klagebegehren auf Feststellung, dass sie weiterhin in einem Beamtenverhältnis zum beklagten Land steht, in beiden Instanzen erfolgreich gewesen. Das Berufungsgericht hat zur Begründung ausgeführt, dass die beabsichtigte Überleitung nicht eingetreten sei. Das Personalfolgengesetz lege nicht selbst fest, welche Beamte beim Land verbleiben und welche Beamte zu welcher Körperschaft übergehen sollten. Auch bei einer Gesamtbetrachtung von Gesetz und Zuordnungsplan sei die Überleitung nicht herbeigeführt worden. Dem Gesetz könne im Wege der Auslegung nicht entnommen werden, dass dem Zuordnungsplan diese Rechtsfolge zukommen solle. Diese Auslegung sei im Übrigen auch verfassungsrechtlich geboten.

6Hiergegen richtet sich die Revision des beklagten Landes, mit der es beantragt,

die Urteile des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom sowie des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom aufzuheben und die Klage abzuweisen.

7Die Klägerin beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Gründe

8Die Revision des beklagten Landes ist unbegründet. Das Berufungsgericht hat ohne Verstoß gegen revisibles Recht entschieden, dass die Klägerin am nicht Beamtin der Beigeladenen geworden, sondern Beamtin des beklagten Landes geblieben ist. Das Personalfolgengesetz ist nicht geeignet gewesen, einen Dienstherrnwechsel herbeizuführen. Dies ergibt die Auslegung nach Wortlaut, Systematik, Sinn und Zweck sowie Entstehungsgeschichte.

9Gemäß § 2 Abs. 1 PersonalfolgenG gehen die Beamten der Bezirksregierungen, die mit den zum kommunalisierten Aufgaben der Umweltverwaltung betraut sind, zwar kraft Gesetzes mit Wirkung vom auf die Kreise und kreisfreien Städte als die neuen Aufgabenträger über, allerdings "nach Maßgabe der Absätze 2 und 3". Nach § 2 Abs. 2 PersonalfolgenG bereitet die jeweilige Bezirksregierung den Personalübergang auf der Grundlage eines von ihr erstellten Zuordnungsplans vor.

10Der Bezirksregierung obliegt nach dem Wortlaut des § 2 Abs. 2 PersonalfolgenG eine vorbereitende Aufgabe, die ihrerseits auf der Grundlage des zuvor von ihr erstellten Zuordnungsplans zu erfolgen hat. Das bedeutet zwingend, dass das Personalfolgengesetz die in seinem § 2 Abs. 1 gewollte gesetzliche Überleitung nicht an den Zuordnungsplan oder an dort getroffene Festlegungen knüpft, sondern gemäß seinem § 2 Abs. 2 an einen weiteren behördlichen Akt, der auf der Grundlage des Zuordnungsplans zu ergehen hat. Worin dieser behördliche Akt bestehen soll, der dann die gesetzliche Überleitung auslösen würde, wird im Personalfolgengesetz nicht geregelt und erschließt sich auch nicht auf andere Weise.

11Auch die Auslegung nach Sinn und Zweck der Norm unter Berücksichtigung ihrer Entstehungsgeschichte führt nicht zu einem anderen Ergebnis.

12Ziel des § 2 PersonalfolgenG war, die ordnungsgemäße Wahrnehmung der übertragenen Aufgaben durch die kommunalen Körperschaften ohne zeitliche Verzögerung sicherzustellen. Das sollte durch die Überleitung der mit den Aufgaben bislang betrauten Beamten erreicht werden. Dieses Ziel besagt aber nichts über den dabei einzuschlagenden Weg. Die erforderlichen Dienstherrnwechsel hätten auch auf gesetzlicher Grundlage durch Verwaltungsakt angeordnet werden können (vgl. §§ 128 ff. BRRG i.V.m. § 63 Abs. 3 Satz 2 BeamtStG). Diese Vorgehensweise ist verfassungsrechtlich unbedenklich, weil die rechtsstaatlich gebotenen Verfahrensrechte der betroffenen Beamten hätten beachtet und deren schutzwürdige Belange in die Entscheidungsfindung im Einzelfall hätten einfließen können. In den Fällen der Anfechtung von Verwaltungsakten hätte die Wahrnehmung der versorgungsrechtlichen Aufgaben bei dem neuen Dienstherrn durch Abordnungen sichergestellt werden können, wie dies auch geschehen ist.

13Das Personalfolgengesetz enthält auch deshalb keine gesetzliche Überleitung, weil wesentliche im Zusammenhang mit einer solchen Überleitung zu regelnde Fragen nicht normiert sind. Das betrifft insbesondere die Frage, wann die Verbindlichkeit der Zuordnungspläne im Sinne ihrer "Endgültigkeit" eintritt, also ab wann die Zuordnungspläne nicht mehr von der Bezirksregierung geändert werden konnten, so dass danach abweichende Regelungen nur über die Maßnahmen Versetzung und Abordnung durch den neuen Dienstherrn zu treffen wären. Auch die Frage, nach welchen Kriterien Beamte beim Land verbleiben oder zu einer Kommune übergeleitet werden sollten, ist nicht geregelt. Hierzu hätte aber Anlass bestanden, da die Bezirksregierungen als die bisherigen Beschäftigungsbehörden - anders als die Versorgungsämter bei der Kommunalisierung der Versorgungsverwaltung (vgl. das Urteil des Senats vom - BVerwG 2 C 50.10 - zur Veröffentlichung in Buchholz vorgesehen) - fortbestanden und viele Beamte neben zur Kommunalisierung vorgesehenen Aufgaben auch andere, in der Zuständigkeit der Bezirksregierungen bleibende Aufgaben wahrnahmen mit der Folge, dass deshalb nur ein Teil der von § 2 Abs. 1 PersonalfolgenG erfassten Beamten auch tatsächlich auf eine Kommune übergehen sollte.

14In Anbetracht des eindeutigen Wortlauts des Personalfolgengesetzes führen die Gesetzesmaterialien nicht zu einem anderen Ergebnis. Zwar hat die Landesregierung in der amtlichen Begründung zu ihrem Gesetzentwurf ihren Willen zum Ausdruck gebracht, dass die Überleitung kraft Gesetzes erfolgen soll. So heißt es zu § 2 Abs. 1 PersonalfolgenG (LTDrucks 14/4973 vom , S. 210): "Die Beamten, die im Zuge der Reform den Dienstherrn wechseln, werden durch gesetzliche Regelung zum auf die jeweilige aufnehmende Körperschaft übergeleitet. Einzelversetzungen im Sinne des § 28 Landesbeamtengesetz finden nicht statt." (vgl. auch die amtliche Begründung zu § 2 Abs. 2 PersonalfolgenG: "Die Vorschrift enthält Rahmenregelungen für das Verfahren und die Kriterien der Personalauswahl. Die jeweilige Bezirksregierung entscheidet noch vor Übertragung der Aufgaben, welche Beamten zu welchen neuen Aufgabenträgern übergeleitet werden. Die neuen Aufgabenträger erhalten weitgehende Mitwirkungsmöglichkeiten. Die gesetzliche Festlegung des Auswahlverfahrens dient der Bestimmtheit der gesetzlichen Maßnahme der Personalüberleitung.").

15Allerdings hat dieser Wille keinen Niederschlag im Gesetz gefunden und ist deshalb unbeachtlich. Wie dargelegt lässt § 2 Abs. 2 PersonalfolgenG nur den Schluss zu, dass zum Zuordnungsplan noch etwas hinzukommen muss, um die Überleitung kraft Gesetzes auszulösen, ohne dass das Personalfolgengesetz dieses "etwas" regelt. Der Gesetzgeber überlässt es der Bezirksregierung, die konkrete Auswahl zu treffen, welcher Beamte übergeleitet wird und welcher Beamte - unter Berücksichtigung sozialer Kriterien und dienstlicher Belange - beim Land verbleibt. Dementsprechend wurde auch bei der Anwendung des Gesetzes verfahren.

16Nach alledem bedarf es keiner Prüfung der Verfassungsmäßigkeit der Überleitungsregelungen des Personalfolgengesetzes, so dass sich schon deshalb die Frage einer Vorlage an das Bundesverfassungsgericht gemäß Art. 100 Abs. 1 GG nicht stellt. Allerdings unterläge ein Regelungsmodell, das den Dienstherrnwechsel an einen verwaltungsinternen, nicht auf unmittelbare Rechtswirkungen im Sinne des § 35 Satz 1 VwVfG gerichteten Plan knüpft, wegen der damit verbundenen Verkürzung der Verfahrensrechte der betroffenen Beamten und deren Recht auf effektiven Rechtsschutz schwerwiegenden Bedenken.

17Es kann auch dahingestellt bleiben, ob dem Land die Gesetzgebungskompetenz für den sogenannten landesinternen Dienstherrnwechsel und damit für den Erlass der Überleitungsregelungen des Personalfolgengesetzes zustand. Dies hängt vom Bedeutungsgehalt des Art. 74 Abs. 1 Nr. 27 GG ab, der durch das Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes vom (BGBl I S. 2034) mit Wirkung vom eingeführt wurde. Nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 27 GG erstreckt sich die konkurrierende Gesetzgebung des Bundes auf die Statusrechte und -pflichten der Beamten der Länder (und der anderen dienstherrnfähigen Körperschaften) mit Ausnahme der Laufbahnen, Besoldung und Versorgung. Dieser Wortlaut deutet darauf hin, dass statusändernde Maßnahmen, zu denen der Dienstherrnwechsel gehört, erfasst werden. Andererseits entspricht dies wohl nicht den Vorstellungen des verfassungsändernden Gesetzgebers, der die Gesetzgebungskompetenz des Bundes auf grundlegende Statusangelegenheiten beschränken wollte (vgl. BTDrucks 16/813 S. 14; Bericht der Föderalismuskommission, in: Bundestag/Bundesrat, Dokumentation der Kommission von Bundestag und Bundesrat zur Modernisierung der bundesstaatlichen Ordnung, 2005, S. 210 ff.).

18Schließlich bedarf es auch keiner Anrufung des Gemeinsamen Senats im Hinblick auf das - (AP GG Art. 12 Nr. 143) zur Überleitung der nordrhein-westfälischen Tarifbeschäftigten. Denn in diesem Urteil wurden andere Normen zugrunde gelegt als die für die Überleitung von Beamten maßgeblichen (insbesondere § 3 statt § 2 PersonalfolgenG). Außerdem sieht das Personalfolgengesetz für Tarifbeschäftigte keinen Arbeitgeberwechsel, sondern lediglich eine Personalgestellung durch das Land vor.

Fundstelle(n):
UAAAE-04611