BGH Beschluss v. - IX ZB 268/10

Leitsatz

Leitsatz:

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

Instanzenzug: AG Dresden, 551 IN 2900/03 vom LG Dresden, 5 T 945/10 vom

Gründe

I. Auf Eigenantrag der Schuldnerin wurde am das Regelinsolvenzverfahren über ihr Vermögen eröffnet. Am wurde sie durch das Amtsgericht Görlitz zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten auf Bewährung verurteilt, unter anderem wegen eines Bankrottdelikts nach § 283 Abs. 1 Nr. 7b StGB zu einer Einzelstrafe von 90 Tagessätzen; das Urteil wurde noch am gleichen Tag rechtskräftig. Am fand vor dem Insolvenzgericht ein Anhörungstermin zur Prüfung statt, ob der Schuldnerin die Restschuldbefreiung zu erteilen ist. Eine Gläubigerin, die weitere Beteiligte zu 1, beantragte in diesem Termin, der Schuldnerin die Restschuldbefreiung zu versagen, weil sie durch das besagte Urteil wegen einer Insolvenzstraftat verurteilt worden sei.

Das Insolvenzgericht hat den Versagungsantrag und das Landgericht die sofortige Beschwerde der weiteren Beteiligten zu 1 zurückgewiesen. Mit der Rechtsbeschwerde will die Gläubigerin die Versagung der Restschuldbefreiung erreichen.

II. Die gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO, §§ 7, 6, 289 Abs. 2 Satz 1 InsO, Art. 103f EGInsO statthafte Rechtsbeschwerde ist zulässig (§ 574 Abs. 2 Nr. 1 ZPO). Sie hat in der Sache Erfolg, weil die Schuldnerin den Versagungsgrund des § 290 Abs. 1 Nr. 1 InsO verwirklicht hat.

1. Das Beschwerdegericht hat ausgeführt: Der Versagungsantrag der Gläubigerin sei nicht zulässig gewesen, weil die Gläubigerin weder den genauen Schuldspruch der strafrechtlichen Verurteilung mitgeteilt habe noch die für die Insolvenzstraftaten ausgeworfenen Einzelstrafen. Zudem sei der Versagungsantrag unbegründet, weil wegen der Verurteilung wegen der Insolvenzstraftat isoliert betrachtet bereits am die Tilgungsreife eingetreten sei, also noch vor Stellung des Versagungsantrags im Anhörungstermin. Das Beschwerdegericht hätte sogar eine erst im Beschwerdeverfahren eintretende Tilgungsreife berücksichtigen müssen.

2. Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

a) Mit Recht ist das Beschwerdegericht davon ausgegangen, dass das Insolvenzgericht über den Antrag der Schuldnerin auf Erteilung der Restschuldbefreiung nach Ende der Laufzeit der Abtretungserklärung gemäß § 287 Abs. 2 InsO vor Beendigung des Insolvenzverfahrens nach Abhalten eines besonderen Anhörungstermins entscheiden musste. Dies entspricht der Rechtsprechung des Senats, wonach gemäß § 300 Abs. 1 InsO nach Ablauf von sechs Jahren nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über den Antrag auf Restschuldbefreiung zu entscheiden ist, auch wenn das Insolvenzverfahren noch nicht abschlussreif ist (, BGHZ 183, 258 Rn. 20, 28; vom - IX ZB 229/10, ZInsO 2011, 1126 Rn. 6 f). Die Gläubiger können zwar zu diesem Zeitpunkt nicht die Versagungsgründe des § 296 InsO geltend machen, weil der Schuldner die Obliegenheiten des § 295 InsO nur in der Wohlverhaltensperiode zu beachten hat. Sie können sich aber auf die Versagungsgründe des § 290 InsO berufen ( aaO Rn. 23 f).

b) Weiter trifft es zu, dass der Schuldnerin aufgrund ihrer Verurteilung wegen einer Insolvenzstraftat gemäß § 290 Abs. 1 Nr. 1 InsO die Restschuldbefreiung nicht unbegrenzt versagt werden kann. Vielmehr kann die Restschuldbefreiung nur dann versagt werden, wenn die Verurteilung wegen der Insolvenzstraftat nach den Tilgungsvorschriften des Bundeszentralregistergesetzes (fortan: BZRG) - isoliert betrachtet - noch nicht getilgt oder tilgungsreif ist (, NJW 2003, 974, 975; vom - IX ZB 180/09, NZI 2010, 349 Rn. 7 f; vom - IX ZB 180/10, NZI 2011, 424 Rn. 4).

c) Hingegen trifft die Annahme des Beschwerdegerichts nicht zu, eine Verurteilung wegen einer Insolvenzstraftat dürfe nicht mehr berücksichtigt werden, wenn zum Zeitpunkt der Entscheidung des Beschwerdegerichts über den Versagungsantrag des Gläubigers die Löschungsvoraussetzungen entsprechend § 46 Abs. 1 BZRG vorlägen. Der Senat hat durch Beschluss vom heutigen Tag (IX ZB 113/11) entschieden, dass dem Schuldner, der rechtskräftig wegen einer Insolvenzstraftat verurteilt worden ist, die Restschuldbefreiung nur dann gewährt werden darf, wenn die Löschungsvoraussetzungen für die Insolvenzstraftat, wegen der er verurteilt worden ist, zum Zeitpunkt der Stellung des Insolvenzantrags vorliegen. Das war hier nicht der Fall.

Da es für die Frage der Berücksichtigung der Tilgung oder Tilgungsreife der Verurteilung wegen einer Insolvenzstraftat auf den Zeitpunkt der Stellung des Insolvenzantrags ankommt, brauchte die weitere Beteiligte zu 1 zur Substantiierung ihres Versagungsgrundes keine Angaben zur Berechnung der Tilgungsfristen zu machen, weil die Schuldnerin erst nach Insolvenzeröffnung wegen der Insolvenzstraftat verurteilt worden ist. Auf die streitige Frage, was ein Gläubiger vortragen muss, um seinen Antrag nach § 290 Abs. 1 Nr. 1 InsO schlüssig zu machen, kommt es deswegen nicht an (vgl. Uhlenbruck/Vallender, InsO, 13. Aufl., § 290 Rn. 27 einerseits und FK-InsO/Ahrens, 6. Aufl., § 290 Rn. 17 andererseits).

III. Die Entscheidung des Beschwerdegerichts ist somit aufzuheben (§ 577 Abs. 4 Satz 1 ZPO). Der Senat kann in der Sache selbst entscheiden (§ 577 Abs. 5 ZPO). Auch die Entscheidung des Amtsgerichts ist aufzuheben. Aufgrund der Feststellungen des Beschwerdegerichts ist der Schuldnerin gemäß § 290 Abs. 1 Nr. 1 InsO die Restschuldbefreiung zu versagen. Sie ist rechtskräftig während des laufenden Insolvenzverfahrens wegen einer Insolvenzstraftat verurteilt worden.

Fundstelle(n):
YAAAE-04572