BFH Beschluss v. - II B 49/11

Unzulässigkeit einer Verpflichtungsklage, wenn im Verwaltungsverfahren kein Antrag auf Erlass des eingeklagten Verwaltungsakts gestellt wird

Gesetze: GG Art. 3 Abs. 1, FGO § 40 Abs. 1, FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1, FGO § 115 Abs. 2 Nr. 3, FGO § 116 Abs. 3 Satz 3, FGO § 119 Nr. 6

Instanzenzug: Ew

Gründe

1 Die Beschwerde ist unbegründet.

2 1. Der vom Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) gerügte Verfahrensmangel ist nicht gegeben.

3 a) Ein Verfahrensmangel i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) liegt vor, wenn das Finanzgericht (FG) zu Unrecht durch Prozess- anstatt durch Sachurteil entschieden und dadurch auch den Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt hat (vgl. , BFH/NV 2011, 1006, m.w.N.). Ein solcher Verfahrensmangel ist im Streitfall jedoch nicht festzustellen.

4 b) Das FG hat die Klage insoweit im Ergebnis zutreffend als unzulässig abgewiesen als der Kläger beantragt hat, den Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt —FA—) zu verpflichten, den Einheitswertbescheid vom ab dem , spätestens ab dem , allerspätestens ab dem sowie den Grundsteuermessbescheid vom spätestens ab dem und allerspätestens ab dem aufzuheben.

5 Die Unzulässigkeit der Klage ergibt sich dabei nicht erst daraus, dass —wie das FG zutreffend ausgeführt hat— kein Vorverfahren durchgeführt worden ist. Vielmehr war die Klage bereits deshalb unzulässig, weil der Kläger im Verwaltungsverfahren keinen dem Klageantrag entsprechenden Antrag gestellt hat.

6 Für die Verpflichtungsklage ist anerkannt, dass ihre Zulässigkeit grundsätzlich von einem vorher im Verwaltungsverfahren erfolglos gestellten Antrag auf Vornahme des eingeklagten Verwaltungsakts abhängt (vgl. , BVerwGE 130, 39; Braun in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 40 FGO Rz 82, m.w.N.). Diese Zulässigkeitsvoraussetzung folgt aus dem Grundsatz der Gewaltenteilung, nach dem es zunächst Sache der Verwaltung ist, sich mit Ansprüchen zu befassen, die an sie gerichtet werden (vgl. BVerwG-Urteil in BVerwGE 130, 39).

7 Im Streitfall hat das FG die für die Auslegung des klägerischen Antrags vom wesentlichen Begleitumstände erforscht und ist ohne Verstoß gegen die gesetzlichen Auslegungsregeln (§§ 133, 157 des Bürgerlichen Gesetzbuchs), die Denkgesetze und die gesetzlichen Erfahrungssätze zu dem Ergebnis gekommen, dass der Kläger lediglich die Aufhebung des Grundsteuermessbetrags auf den Stichtag sowie für davor liegende Stichtage beantragt hat. Diese Auslegung bindet den Senat. Denn die Auslegung von Willenserklärungen gehört grundsätzlich zu den vom FG festzustellenden, den BFH bindenden Tatsachen (, BFH/NV 2010, 1461). Da der Kläger somit im Verwaltungsverfahren weder die Aufhebung des Einheitswertbescheids noch des Grundsteuermessbescheids für Stichtage ab beantragt hat, war die Verpflichtungsklage insoweit unzulässig.

8 2. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO).

9 Grundsätzliche Bedeutung kommt einer Rechtssache zu, wenn die für ihre Beurteilung maßgebliche Rechtsfrage das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an einer einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt. Dies ist nur der Fall, wenn die für bedeutsam gehaltene Rechtsfrage im Allgemeininteresse klärungsbedürftig und im Streitfall klärbar ist (, BFH/NV 2011, 1546, m.w.N.). An der Klärungsbedürftigkeit fehlt es, wenn die Rechtsfrage anhand der gesetzlichen Grundlagen oder der bereits vorliegenden Rechtsprechung beantwortet werden kann und keine neuen Gesichtspunkte erkennbar sind, die eine erneute Prüfung und Entscheidung der Rechtsfrage durch den BFH geboten erscheinen lassen (BFH-Beschluss in BFH/NV 2011, 1546, m.w.N.).

10 Die vom Kläger sinngemäß für grundsätzlich bedeutsam gehaltene Frage, ob die Vorschriften über die Einheitsbewertung des Grundvermögens für Zwecke der Grundsteuer mit verfassungsrechtlichen Anforderungen, insbesondere mit dem allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes), vereinbar sind, ist für Stichtage bis zum nicht klärungsbedürftig. Denn nach der BFH-Rechtsprechung sind die Vorschriften über die Einheitsbewertung des Grundvermögens trotz der verfassungsrechtlichen Zweifel, die sich aus den lange zurückliegenden Hauptfeststellungszeitpunkten des bzw. —im Beitrittsgebiet— des und darauf beruhenden Wertverzerrungen ergeben, jedenfalls für Stichtage bis zum noch verfassungsgemäß (, BFHE 230, 78, BStBl II 2010, 897; vom II R 12/09, BFHE 230, 93, BStBl II 2011, 48).

11 Aufgrund des (BFH/NV 2010, 1403) ist keine erneute Prüfung dieser Rechtsfrage geboten. Dieses Verfahren betraf eine Klage gegen einen Grundsteuermessbescheid auf den . Das BVerfG führt insoweit aus, im Hinblick auf die im Schrifttum in erheblichem Umfang geäußerten verfassungsrechtlichen Zweifel an der Einheitsbewertung könne nicht ausgeschlossen werden, dass der BFH auf ein entsprechendes Vorbringen die Revision zugelassen hätte. Das BVerfG bezweifelt mit diesen Ausführungen nicht die Verfassungsmäßigkeit der Vorschriften über die Einheitsbewertung des Grundvermögens für Stichtage bis zum . Vielmehr weist das BVerfG lediglich darauf hin, dass der BFH in dem konkreten Verfahren möglicherweise Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Vorschriften über die Einheitsbewertung des Grundvermögens zum Stichtag hätte haben können, wenn er diese Frage hätte beantworten müssen.

Fundstelle(n):
BFH/NV 2012 S. 757 Nr. 5
JAAAE-04389