Straftaten in verschiedenen Altersstufen: Maß des Härteausgleichs bei Verurteilung nach Erwachsenstrafrecht und Vorverurteilung nach Jugendstrafrecht bei nachteiliger Verfahrensgestaltung
Gesetze: § 46 StGB, § 32 S 1 JGG, § 105 Abs 2 JGG
Instanzenzug: Az: 524 KLs 20/11
Gründe
1Das Landgericht hat die Beschwerdeführer wegen besonders schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung verurteilt, den Angeklagten W. ferner wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Nötigung zu sechs Jahren und zwei Monaten Gesamtfreiheitsstrafe, den Angeklagten U. zu vier Jahren und sechs Monaten Freiheitsstrafe und zur Unterbringung in einer Entziehungsanstalt; ferner hat das Landgericht die Beschwerdeführer zu gesamtschuldnerischer Schmerzensgeldzahlung an den Adhäsions- und Nebenkläger verurteilt. Die Revision des Angeklagten W. ist unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO, ebenso die des Angeklagten U. zum Schuld- und Adhäsionsausspruch. Dagegen hat der übrige Rechtsfolgenausspruch gegen diesen Angeklagten keinen Bestand.
2Das Landgericht hat zwar gesehen, dass dem Angeklagten U. ein Härteausgleich zuzubilligen ist, weil er vor dem angefochtenen Urteil, aber nach der hier abgeurteilten Tat von einer anderen Jugendkammer des Landgerichts – damals noch nicht rechtskräftig – unter Anwendung des § 105 Abs. 1 JGG zu Jugendstrafe verurteilt worden ist und eine einheitliche Sanktionierung entsprechend §§ 32, 105 Abs. 2 JGG mit der nunmehr zwingend zu verhängenden Erwachsenenstrafe für die hier zu beurteilende Tat, die der Angeklagte eine Woche nach Vollendung des 21. Lebensjahres begangen hat, gesetzlich nicht in Betracht kommt (UA S. 16, 32; vgl. dazu , BGHSt 36, 270). Das Landgericht hat aber seiner Verpflichtung nicht genügt, eine infolge des Härteausgleichs vorgenommene Strafmilderung deutlich zu dokumentieren (BGHSt aaO, S. 277; vgl. auch BGH, Beschlüsse vom – 5 StR 432/09 – und – 4 StR 441/10, BGHR StGB § 55 Abs. 1 Satz 1 Härteausgleich 19 und 20).
3Vielmehr ist kaum nachvollziehbar, dass ein ausreichender Strafnachlass überhaupt erfolgt wäre. Die niedrigere Strafe im Vergleich zu dem anderen Beschwerdeführer und einem Nichtrevidenten erklärt sich ersichtlich bereits aus der Mitläuferstellung des Angeklagten U. . Hingegen überschreitet die Freiheitsstrafe die Sanktion gegen den weiteren Nichtrevidenten ganz beträchtlich, der etwa sieben Monate jünger ist als der Angeklagte U. , aber noch nach Jugendstrafrecht abgeurteilt werden konnte, und zwar ungeachtet von dessen deutlich gewichtigerem Tatbeitrag. Bei alldem ist die infolge der getrennten Aburteilung verursachte auszugleichende Härte aus zwei Gründen eine besonders gewichtige: Zum einen hätte angesichts der frühzeitigen Geständigkeit des Angeklagten U. in dieser (vgl. UA S. 30) und der anderen Sache seine einheitliche Aburteilung in einem verbundenen Verfahren überaus nahe gelegen. Zum anderen hätten Zeitpunkt und Charakter der hier abgeurteilten Tat, die der gesondert verhandelten, noch nach Jugendstrafrecht beurteilten Tat und auch anderen zuvor verübten – fraglos gewichtigen – Taten des Angeklagten U. ähnelt, eine einheitliche Anwendung von Jugendstrafrecht gemäß § 32 Satz 1 oder § 105 Abs. 2 JGG im Falle anderen Verfahrensablaufs wahrscheinlich erwarten lassen.
4Das neue Tatgericht – eine Jugendkammer, an die der Senat die Sache trotz der gebotenen Verhängung von Erwachsenenstrafrecht im Blick auf die zu §§ 32, 105 JGG gebotenen Hilfserwägungen zurückverweist (vgl. zu dieser Verfahrensweise , BGHR StPO § 354 Abs. 2 Jugendkammer 2) – wird danach den Grund für den Härteausgleich und namentlich dessen Auswirkung deutlich zu kennzeichnen haben. Der Senat hebt indes auch sämtliche Feststellungen zum Strafausspruch auf, um insbesondere auch Gelegenheit zu einer nochmaligen Klärung der bei der anderen Verurteilung abweichend vom angefochtenen Urteil beurteilten Frage einer Anwendbarkeit des § 21 StGB, wieder unter Beiziehung eines psychiatrischen Sachverständigen, zu geben. Schließlich ist auch der Maßregelausspruch, der zu § 67 Abs. 2 StGB ohnehin der vom Generalbundesanwalt beantragten Korrektur bedurft hätte, insgesamt mitaufzuheben, um doppelte Anordnungen nach § 64 StGB noch im Vorfeld des § 67f StGB zu vermeiden.
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Fundstelle(n):
EAAAE-03520