Verurteilung zur Rechnungslegung: Wert der Beschwer für Berufung des Verurteilten; Überprüfbarkeit der vom Berufungsgericht nachgeholten Zulassungsentscheidung durch das Rechtsbeschwerdegericht
Gesetze: § 3 ZPO, § 511 Abs 4 S 1 Nr 1 ZPO, § 259 Abs 1 BGB
Instanzenzug: Az: I-7 U 23/11 Beschlussvorgehend LG Kleve Az: 2 O 228/10
Gründe
I.
1Die Klägerin ist Mitglied der Erbengemeinschaft nach der am verstorbenen J. M. S. (Erblasserin). Sie verlangt von dem Beklagten, der von der Erblasserin am Generalvollmacht erhalten hatte und zu ihrem Testamentsvollstrecker bestimmt worden ist, Rechnungslegung und Zahlung im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit als Generalbevollmächtigter der Erblasserin.
2Das Landgericht hat den Beklagten antragsgemäß durch Teilurteil verurteilt, der Erbengemeinschaft zu Händen der Klägerin eine geordnete Zusammenstellung aller Einnahmen und Ausgaben des seiner Verwaltung unterliegenden Vermögens der Erblasserin für den Zeitraum vom bis einschließlich nebst Belegen zu erteilen. Dieses Teilurteil hat das Landgericht gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 2.500 € für vorläufig vollstreckbar erklärt.
3Die hiergegen eingelegte Berufung des Beklagten hat das Oberlandesgericht mit der Begründung, dass der Beklagte durch das angefochtene Teilurteil nur in Höhe eines Werts von bis zu 300 € beschwert und eine Zulassung der Berufung nicht veranlasst sei, als unzulässig verworfen.
4Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Beklagten.
II.
5Die nach § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 in Verbindung mit § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthafte sowie rechtzeitig eingelegte und begründete Rechtsbeschwerde ist nicht zulässig, weil weder die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordern (§ 574 Abs. 2 ZPO). Das Berufungsgericht hat auf der Grundlage der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zutreffend entschieden.
61. Die Bemessung des Werts der Beschwer durch das Berufungsgericht ist von Rechts wegen nicht zu beanstanden.
7a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bemisst sich der Wert der Beschwer bei der Verurteilung zur Auskunftserteilung nicht nach dem Wert des mit der Klage geltend gemachten Auskunftsanspruchs, sondern nach dem Interesse der verurteilten Partei, die Auskunft nicht erteilen zu müssen; dabei ist - von dem hier nicht in Rede stehenden Fall eines besonderen Geheimhaltungsinteresses abgesehen - im Wesentlichen auf den Aufwand an Zeit und Kosten abzustellen, den die Erteilung der hiernach geschuldeten Auskunft erfordert (Senat, Beschluss vom - III ZB 28/10, BeckRS 2010, 27752 Rn. 5 und Urteil vom - III ZR 338/09, NJW 2011, 926, 927 Rn. 9; BGH, Beschlüsse vom - GSZ 1/94, BGHZ 128, 85, 87 ff; vom - XII ZB 192/06, NJW 2008, 2036 Rn. 8; vom - XII ZB 49/07, NJW 2009, 2218 Rn. 9; vom - XII ZB 128/09, NJW-RR 2010, 934, 935 Rn. 10 und vom - XII ZB 436/10, NJW-RR 2011, 998 f Rn. 9). Dies gilt ebenso für den Fall der Verurteilung zur Rechnungslegung (s. etwa BGH, Beschlüsse vom - VIII ZB 87/06, BeckRS 2008, 13574 Rn. 6 und vom - IV ZR 250/10, BeckRS 2011, 29729 Rn. 5). Zur Bewertung des Zeitaufwands kann grundsätzlich auf die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Regelungen des Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetzes zurückgegriffen werden (s. etwa BGH, Beschlüsse vom aaO S. 2038 Rn. 18; vom aaO S. 999 Rn. 9 und vom aaO Rn. 7).
8b) Diese Maßgaben hat das Berufungsgericht beachtet. Seine Bewertung, die im Rahmen der Rechtsbeschwerde nur daraufhin überprüft werden kann, ob die Grenzen des ihm eröffneten Ermessens (§§ 2, 3 ZPO) überschritten worden sind oder ob das Ermessen fehlerhaft ausgeübt worden ist (s. etwa Senatsbeschluss vom aaO; , NJW 2008, 218, 219 Rn. 9 mwN; Beschlüsse vom aaO S. 2036 Rn. 9; vom aaO Rn. 10 und vom - VI ZB 31/10, NJW-RR 2011, 1079 Rn. 8), lässt eine Rechtsverletzung nicht erkennen.
9Das Berufungsgericht hat den aus dem Akteninhalt ersichtlichen relevanten Sachverhalt vollständig gewürdigt und hinreichend berücksichtigt. Dabei ist es von dem Tenor des angefochtenen Teilurteils des Landgerichts ausgegangen und hat die darin ausgesprochene Verurteilung unter dem Eindruck des eigenen schriftsätzlichen Vorbringens des Beklagten nur als Verpflichtung zur Zusammenstellung und Übermittlung bereits vorhandener Aufzeichnungen und Unterlagen aufgefasst. Entgegenstehende Anhaltspunkte waren im Zeitpunkt des Erlasses des Verwerfungsbeschlusses des Berufungsgerichts weder vorgetragen worden noch sonst erkennbar. Auf die Auflage des Berufungsgerichts, den Beschwerdewert glaubhaft zu machen, hat der Beklagte keine konkreten Angaben mitgeteilt. Vor dem Landgericht hatte der Beklagte vorgebracht, er habe (aufgrund der ihm erteilten Generalvollmacht der Erblasserin) "das Unternehmen S. wie einen Kleinbetrieb geführt mit Aufzeichnung der Daten auf 88 Journalseiten mit Ablage der Bankkontenauszüge sowie der sonstigen Belege in 21 Leitzordnern". Hieraus hat das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei entnommen, dass der Beklagte die von ihm bereits zusammengestellten Daten lediglich noch an die Erbengemeinschaft übermitteln müsse. Der Vortrag des damals noch als Steuerberater tätig gewesenen Beklagten, die Vermögensverwaltung der Erblasserin - gerade auch buchhalterisch - "wie einen Kleinbetrieb" geführt zu haben, rechtfertigt ohne Weiteres den Schluss, dass hiernach die von der Klägerin verlangte "geordnete Zusammenstellung aller Einnahmen und Ausgaben" nebst Belegsammlung bereits vorlag, und zwar in eben derjenigen Gestalt, die sie unter Berücksichtigung der sich aus dem Zweck der Rechnungslegung ergebenden Anforderungen an Verständlichkeit, Übersichtlichkeit und Nachvollziehbarkeit aufweisen musste (§ 259 Abs. 1 BGB; s. hierzu , NJW 1982, 573, 574).
102. Ohne Erfolg bleibt die Rechtsbeschwerde auch mit ihrer Rüge, das Berufungsgericht habe die Voraussetzungen für die Zulassung der Berufung nach § 511 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 ZPO rechtsfehlerhaft verneint.
11a) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs muss das Berufungsgericht - bevor es die Berufung mangels ausreichender Beschwer verwerfen darf - eine Entscheidung über die Zulassung der Berufung nachholen, wenn das erstinstanzliche Gericht hierzu keine Veranlassung gesehen hat, weil es von einer Beschwer der unterlegenen Partei ausgegangen ist, die 600 € übersteigt, das Berufungsgericht diesen Wert aber nicht für erreicht hält (Senatsurteil vom aaO Rn. 15; aaO Rn. 12; Beschlüsse vom - VIII ZB 101/07, BeckRS 2008, 13573 Rn. 5; vom aaO Rn. 13; vom aaO Rn. 18; vom - VIII ZB 91/09, NJW-RR 2010, 1582 Rn. 3; vom - VI ZB 74/08, NJW 2011, 615 Rn. 12; vom aaO Rn. 14; vom aaO Rn. 11; vom aaO Rn. 13; vom - V ZB 72/11, WuM 2011, 698 Rn. 6 und vom - XII ZB 561/10, BeckRS 2011, 26811 Rn. 12).
12b) Diese Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hat das Berufungsgericht, was die Rechtsbeschwerde auch nicht in Abrede nimmt, erkannt und berücksichtigt.
13Dabei kann dahingestellt bleiben, ob das Landgericht im Hinblick auf die Höhe der von ihm festgesetzten Sicherheitsleistung von 2.500 € von der Anfechtbarkeit seiner Entscheidung ausgegangen ist und deshalb über die Zulassung der Berufung nicht ausdrücklich entschieden hat. Denn das Berufungsgericht, das die Beschwer auf bis zu 300 € festgesetzt hat, hat die Entscheidung über eine Zulassung der Berufung nach § 511 Abs. 4 ZPO jedenfalls nachgeholt. In den Gründen des angegriffenen Beschlusses führt das Berufungsgericht aus, dass eine nachträgliche Zulassung der Berufung nicht veranlasst sei, weil die Voraussetzungen hierfür nicht vorlägen.
14c) Soweit die Rechtsbeschwerde die Auffassung vertritt, das Berufungsgericht habe die Berufung zulassen müssen, weil das Landgericht ein unzulässiges Teilurteil erlassen habe und sich die rechtsgrundsätzliche, vom Landgericht fehlerhaft verneinte Frage nach der wirksamen Abbedingung des Anspruchs aus § 666 BGB für die Erben stelle, kann sie damit im Rechtsbeschwerdeverfahren nicht gehört werden.
15Das Rechtsbeschwerdegericht kann zwar die Erheblichkeit einer fehlenden Zulassungsentscheidung durch die Instanzgerichte prüfen (s. BGH, Beschlüsse vom aaO S. 936 Rn. 21; vom aaO Rn. 15 und vom aaO Rn. 12). Es kann aber nicht überprüfen, ob das Berufungsgericht bei der von ihm nachgeholten Zulassungsentscheidung die Voraussetzungen des § 511 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 ZPO zutreffend beurteilt hat und die Zulassung der Berufung geboten gewesen wäre. Da eine Anfechtung der Entscheidung über die Zulassung der Berufung von Gesetzes wegen nicht eröffnet ist und dies auch dann gilt, wenn die Zulassungsentscheidung vom Berufungsgericht nachgeholt wurde, ist eine inhaltliche Überprüfung durch das Rechtsbeschwerdegericht grundsätzlich ausgeschlossen (s. BGH, Beschlüsse vom aaO und vom aaO Rn. 16).
Schlick Dörr Wöstmann
Seiters Tombrink
Fundstelle(n):
OAAAE-03184