Anlasslose Auskunftserhebung der Eisenbahnaufsichtsbehörde; Ermächtigungsgrundlage
Leitsatz
Die Eisenbahnaufsichtsbehörden sind nach § 5a Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 AEG befugt, die für die Durchführung der Eisenbahnaufsicht erforderlichen Auskünfte ohne besonderen Anlass durch vollstreckbaren Auskunftsbescheid einzufordern.
Gesetze: § 5a Abs 5 S 1 Nr 1 AEG, § 9 Abs 1b AEG, § 12 Abs 5 GüKG 1998
Instanzenzug: Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen Az: 13 A 29/10 Urteilvorgehend Az: 18 K 5401/08 Urteil
Tatbestand
1Die Beteiligten streiten über die Befugnis des Eisenbahn-Bundesamtes, von der Klägerin, der ... , durch vollstreckbaren Bescheid Auskünfte einzufordern, um überprüfen zu können, ob die Klägerin entgegen dem in § 9 Abs. 1b AEG geregelten Verbot öffentliche Gelder aus ihrem Infrastrukturbereich in den Verkehrsbereich des DB Konzerns übergeleitet hat.
2Nach dem Geschäftsbericht 2006 des DB Konzerns erhielten die Klägerin und zwei weitere Infrastrukturunternehmen des Konzerns im Berichtsjahr Investitionszuschüsse in einer Höhe von insgesamt 3,683 Milliarden Euro, wovon auf die Klägerin 3,226 Milliarden Euro entfielen. Nach den textlichen Erläuterungen dieser Zahlen handelte es sich um Zuschüsse von Dritten sowie um Bundeszuschüsse und Zuschüsse der Europäischen Union. Im Hinblick auf die Zuschüsse von Dritten unterschieden die Erläuterungen zwischen "Zuschüsse(n) von Dritten - AHK-mindernd" und "Zuschüsse(n) Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz - GVFG (außer Bund)". Diese Darstellung wich von der Art der Zuschussausweisung im Geschäftsbericht 2005 des DB Konzerns ab. Dort waren die Zuschüsse zwar nicht bestimmten Unternehmen des DB Konzerns zugeordnet, im Übrigen aber nach ihren Beträgen in einer differenzierteren Weise ausgewiesen worden.
3Auf Nachfrage des Eisenbahn-Bundesamtes legte die Klägerin zunächst eine Übersicht vor, in der die Zuschüsse für das Jahr 2006 in Anlehnung an die Darstellung in dem Geschäftsbericht 2005 ausgewiesen waren. Mit Schreiben vom bat das Eisenbahn-Bundesamt unter Verweis auf seine Aufgabe, die Einhaltung des Verbots der Überleitung öffentlicher Gelder aus § 9 Abs. 1b AEG aufsichtsbehördlich zu überwachen, um eine weitergehende Aufschlüsselung der Zuschüsse von Dritten des Geschäftsjahres 2006 nach Zuschussgebern und geförderten Projekten. Dies lehnte die Klägerin ab.
4Daraufhin verpflichtete das Eisenbahn-Bundesamt die Klägerin mit auf § 5a Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 AEG und §§ 5 Abs. 1 Nr. 1, 9 Abs. 1b AEG gestütztem Bescheid vom dazu, binnen eines Monats schriftlich Auskunft über die im Jahr 2006 erhaltenen "Zuschüsse von Dritten", "Zuschüsse von Dritten - AHK mindernd" und "Zuschüsse GVFG (außer Bund)", jeweils aufgeschlüsselt nach Zuschussgebern und der Nutzung in Einzelprojekten zu erteilen (Ziffern 1 bis 3 des Bescheids). Die in dem Bescheid ferner enthaltenen Anordnungen zur Angabe von Zahlungen im DB Konzern (Ziffern 4 und 5 des Bescheids) hat das Eisenbahn-Bundesamt im weiteren Verlauf des Verfahrens aufgehoben.
5Die nach erfolgloser Durchführung des Widerspruchsverfahrens von der Klägerin erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Oberverwaltungsgericht das verwaltungsgerichtliche Urteil und den angefochtenen Auskunftsbescheid aufgehoben: Für den Erlass dieses Bescheids stehe dem Eisenbahn-Bundesamt keine hinreichende Ermächtigungsgrundlage zur Verfügung. Die Vorschrift des § 5a Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 AEG verleihe ihm nicht die Befugnis, eine Auskunftsverpflichtung mit Hilfe eines Verwaltungsakts durchzusetzen. Auf § 5a Abs. 2 AEG könne es sein Auskunftsverlangen nicht stützen, da sich dieses im vorliegenden Fall als anlasslose Gefahrenabwehr- bzw. Gefahrerforschungsmaßnahme darstelle und als solche von der allgemeinen Befugnisnorm der Eisenbahnaufsichtsbehörde nicht gedeckt werde.
6Zur Begründung ihrer von dem Oberverwaltungsgericht zugelassenen Revision macht die Beklagte geltend: Der angefochtene Auskunftsbescheid werde entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts durch § 5a Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 AEG getragen. Die Vorschrift ermächtige zum Erlass von Verwaltungsakten. Hierdurch werde dem in Art. 6 Abs. 1 Satz 2 der Richtlinie 91/440/EWG enthaltenen Verbot, zu Gunsten des Infrastruktur- oder des Verkehrsbereichs eines Eisenbahnunternehmens ausgekehrte öffentliche Gelder auf den jeweils anderen Bereich zu übertragen, zu praktischer Wirksamkeit verholfen.
7Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom zu ändern und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Köln vom zurückzuweisen.
8Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
9Sie trägt vor, § 5a Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 AEG sei keine Ermächtigungsgrundlage zum Erlass von Auskunftsbescheiden, sondern begründe nur Handlungspflichten der Aufsichtsadressaten, die der behördlichen Sachverhaltsermittlung zugeordnet seien und nur durch Erlass einer Ordnungsverfügung nach § 5a Abs. 2 AEG einseitig durchgesetzt werden könnten. Auch auf diese allgemeine Befugnisnorm könne der angegriffene Auskunftsbescheid aber nicht gestützt werden, weil die Vorschrift nicht zu einer verdachtsunabhängigen Kontrolle ermächtige, wie sie das Eisenbahn-Bundesamt vornehmen wolle. Zulässig seien allenfalls Gefahrerforschungseingriffe bei Anhaltspunkten für einen Gefahrenverdacht, an denen es hier fehle. Unabhängig von alledem erweise sich das Auskunftsverlangen als unvereinbar mit dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im weiteren Sinne.
10Der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht tritt den Ausführungen der Beklagten bei.
Gründe
11Die zulässige Revision der Beklagten ist begründet. Das angefochtene Urteil verletzt Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 VwGO) und stellt sich auch nicht aus anderen Gründen im Ergebnis als richtig dar (§ 144 Abs. 4 VwGO). Bei zutreffender Auslegung des § 5a Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 AEG in seiner hier anwendbaren Fassung durch Art. 1 Nr. 3 des Fünften Gesetzes zur Änderung eisenbahnrechtlicher Vorschriften vom (BGBl I S. 522) hätte das Oberverwaltungsgericht die Berufung der Klägerin zurückweisen müssen.
12Die mit dem angefochtenen Bescheid geltend gemachte Verpflichtung zur Auskunftserteilung berührt den Rechtskreis der Klägerin in Gestalt der ihr als Eisenbahninfrastrukturunternehmen zustehenden Handlungs- und Organisationsfreiheit, die von dem Allgemeinen Eisenbahngesetz vorausgesetzt wird (vgl. BVerwG 3 C 21.09 - BVerwGE 137, 58 = Buchholz 442.09 § 9a AEG Nr. 1 Rn. 20). Die gesetzliche Grundlage, die hierfür nach dem Grundsatz des Vorbehalts des Gesetzes erforderlich ist, bildet die Vorschrift des § 5a Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 AEG. Diese Bestimmung ermächtigt das gemäß § 5 Abs. 1a Nr. 1a, Abs. 2 Satz 1 AEG, § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BEVVG für die Eisenbahnaufsicht über die Eisenbahnen des Bundes zuständige Eisenbahn- Bundesamt zum Erlass von Auskunftsbescheiden (1.). Sie verpflichtet die Klägerin auch materiell-rechtlich, die verlangten Auskünfte zu erteilen (2.).
131. Die Berechtigung des Eisenbahn-Bundesamtes, auf der Grundlage des § 5a Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 AEG Auskünfte durch Verwaltungsakt einzufordern, ist im Wege der Auslegung zu ermitteln (a)). Bereits der Wortlaut des § 5a Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 AEG legt die Annahme dieser Befugnis nahe (b)). Nach der historischen, systematischen und teleologischen Auslegung der Norm unterliegt sie keinem Zweifel (c) bis e)).
14a) In der Rechtsprechung des BVerwG 1 C 25.91 - Buchholz 451.20 § 14 GewO Nr. 5 S. 8, BVerwG 7 VR 5.10 - juris Rn. 11 - für Handlungs- und Duldungspflichten; BVerwG 1 C 22.92 - BVerwGE 97, 117 <119 ff.> = Buchholz 437.1 BetrAVG Nr. 12 S. 25 ff., vom - BVerwG 1 C 33.97 - BVerwGE 108, 1 <3 f.> = Buchholz 402.240 § 84 AuslG Nr. 2 S. 6 f. und vom - BVerwG 3 C 19.10 - NVwZ 2011, 1193 ff. - für Leistungsbescheide; BVerwG 8 C 105.83 - BVerwGE 72, 265 <266 ff.> = Buchholz 11 Art. 20 GG Nr. 94 S. 13 ff., BVerwG 1 B 131.90 - Buchholz 451.20 § 34c GewO Nr. 4 S. 2 f.; BVerwG 3 C 2.01 - BVerwGE 114, 226 <227 f.> = Buchholz 451.90 Sonstiges Europäisches Recht Nr. 187 S. 22 f., vom - BVerwG 7 C 9.02 - BVerwGE 117, 133 <134 f.> = Buchholz 406.25 § 18 BImSchG Nr. 2 S. 2 und vom - BVerwG 6 C 23.02 - BVerwGE 119, 123 <124 f.> = Buchholz 442.066 § 90 TKG Nr. 1 S. 2 - für feststellende Verwaltungsakte) ist anerkannt, dass die Befugnis der Verwaltung, sich zur Erfüllung ihrer Aufgaben des Mittels des Verwaltungsakts zu bedienen (sog. Verwaltungsaktbefugnis), nicht ausdrücklich in der gesetzlichen Grundlage erwähnt sein muss, die in materieller Hinsicht zu einem Eingriff ermächtigt. Denn als Handlungsform, in der die Verwaltung Privatpersonen in der Regel gegenübertritt, ist der Verwaltungsakt allseits bekannt. Es reicht deshalb aus, wenn sich die Verwaltungsaktbefugnis dem Gesetz im Wege der Auslegung entnehmen lässt.
15Dieses Verständnis steht nicht in Widerspruch zu dem rechtsstaatlichen Gebot der Gesetzesbestimmtheit, das den Grundsatz des Vorbehalts des Gesetzes ergänzt und konkretisiert (vgl. BVerwG 6 CN 8.01 - BVerwGE 116, 347 <349> = Buchholz 402.41 Allgemeines Polizeirecht Nr. 71 S. 25). Diesem Gebot ist Genüge getan, wenn die Rechtsunterworfenen in zumutbarer Weise den Regelungsinhalt einer Rechtsnorm erkennen können. Auch hierfür ist hinreichend, dass sich der Norminhalt im Wege der Auslegung mit Hilfe der anerkannten Auslegungsregeln feststellen lässt ( - BVerfGE 45, 400 <420>; a.a.O. S. 128 bzw. S. 4 f.).
16b) Wenngleich § 5a Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 AEG nicht ausdrücklich zum Erlass von Auskunftsbescheiden ermächtigt, weist doch bereits der Gesetzeswortlaut deutlich in diese Richtung.
17Die Vorschrift ist aus der Sicht der von ihr in Anspruch genommenen Adressaten - das sind diejenigen des § 5a Abs. 2 AEG, die in der hier anwendbaren Gesetzesfassung noch im Einzelnen aufgezählt werden - formuliert. Diese und die für sie tätigen Personen haben den Eisenbahnaufsichtsbehörden und ihren Beauftragten alle für die Durchführung der Eisenbahnaufsicht erforderlichen Auskünfte zu erteilen. Es liegt nahe, von der derart beschriebenen Auskunftspflicht der verantwortlichen Unternehmen bzw. der für sie tätigen Personen auf eine entsprechende, in der Form des Verwaltungsakts wahrnehmbare behördliche Auskunftserhebungsbefugnis zu schließen (so Hermes/Schweinsberg, in: Hermes/Sellner, Beck'scher AEG-Kommentar, 2006, § 5a Rn. 44 f.; dem Sinn nach auch: Wittenberg/Heinrichs/Mittmann/Zwanziger, Allgemeines Eisenbahngesetz, 1. Aufl. 2004, § 5a Rn. 14).
18Dieser Schluss wird für vergleichbar formulierte Vorschriften - etwa § 29 Abs. 1 GewO und § 12 Abs. 5 GüKG - ohne Weiteres gezogen (Marcks, in: Landmann/Rohmer, GewO, Bd. 1, Stand: Mai 2011, § 29 Rn. 13; Ennuschat, in: Tettinger/Wank/Ennuschat, GewO, 8. Aufl. 2011, § 29 Rn. 12; Hein/Eichhoff/Pukall/Krien, Güterkraftverkehrsrecht, 4. Aufl., Bd. 3, Stand 2010, § 12 GüKG Anm. 16). Der Umstand, dass nach diesen Vorschriften Auskünfte nur auf behördliches Verlangen erteilt werden müssen, stellt keinen erheblichen Unterschied im Vergleich zum Gesetzeswortlaut des § 5a Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 AEG dar. Denn durch die in dieser Vorschrift nicht enthaltene Wendung wird lediglich klargestellt, dass die Auskunftsverpflichteten nicht von sich aus tätig werden müssen (vgl. Ennuschat, a.a.O. § 29 Rn. 12; Marcks, a.a.O. § 29 Rn. 6). Sie stellt zwar ein Indiz für die Annahme einer Verwaltungsaktbefugnis dar, ist für deren Annahme jedoch nicht ausschlaggebend.
19Hinzu kommt, dass § 5a Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 AEG die Pflicht zur Erteilung von Auskünften als Mittel zur Durchführung der Eisenbahnaufsicht umschreibt. Dem Rechtsbegriff der Aufsicht entspricht es, dass Pflichten von Privatpersonen gegenüber der Aufsichtsbehörde von dieser in der Form des Verwaltungsakts durchgesetzt werden können. Dies hat das BVerwG 7 VR 10.94 - Buchholz 407.3 § 5 VerkPBG Nr. 3 S. 7) für die Eisenbahnaufsicht bereits vor Erlass der Auskunftsnorm des § 5a Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 AEG der Sache nach festgestellt.
20c) Entstehungsgeschichtlich kann die Einfügung des § 5a Abs. 5 AEG in das Allgemeine Eisenbahngesetz durch Art. 1 Nr. 3 des Zweiten Gesetzes zur Änderung eisenbahnrechtlicher Vorschriften vom (BGBl I S. 2191) als Reaktion des Gesetzgebers auf die genannte Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, die die mangelnde Stringenz der bis dahin geltenden Regelungen hinsichtlich der Befugnisse der Eisenbahnaufsichtsbehörden verdeutlicht hatte, angesehen werden (zu diesem Zusammenhang: Kramer, in: Kunz <Hrsg.>, Eisenbahnrecht, Bd. 1, Stand: , § 5a AEG Rn. 1; Wittenberg/Heinrichs/Mittmann/Zwanziger, a.a.O. § 5a Rn. 11).
21Dementsprechend lassen die Gesetzesmaterialien das Ziel des Gesetzgebers, § 5a Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 AEG als eine den Erlass von Verwaltungsakten umfassende Befugnisnorm auszugestalten, deutlich erkennen. Die Begründung des Gesetzentwurfs bezeichnet in ihrem allgemeinen Teil die Normierung der bisher nur bruchstückhaft geregelten Eingriffskompetenzen der Eisenbahnaufsichtsbehörden als eines der mit der Novellierung verfolgten wesentlichen Ziele. Sie wendet sich sodann diesen Kompetenzen im Einzelnen zu und benennt als erstes § 5a Abs. 2 AEG, der den Behörden die Befugnis verleihe, den Eisenbahnen zur Durchführung der Aufsicht die erforderlichen Anweisungen zu geben. In der Reihung folgt § 5a Abs. 4 AEG mit der Anmerkung, die Eisenbahnen müssten den Aufsichtsbehörden das Betreten ihrer Räumlichkeiten und Anlagen und die Einsichtnahme in ihre Geschäftsunterlagen gestatten. Sie hätten zudem - so die anschließende Beschreibung des nicht ausdrücklich bezeichneten § 5a Abs. 5 AEG - alle für die Durchführung der Eisenbahnaufsicht erforderlichen Auskünfte zu erteilen, Nachweise zu erbringen, Hilfsmittel zu stellen und Hilfsdienste zu leisten. Die Aufzählung schließt mit dem Hinweis auf das - in dem wiederum nicht ausdrücklich benannten § 5a Abs. 7 AEG (nunmehr: § 5a Abs. 9 AEG) - vorgesehene Zwangsgeld zur Durchsetzung der erforderlichen Verwaltungsmaßnahmen (BTDrucks 14/6929 S. 12).
22Für den gesetzgeberischen Willen, eine Verwaltungsaktbefugnis - auch - für die behördliche Erhebung von Auskünften zu verleihen, spricht ferner, dass in dem besonderen Teil der Gesetzesbegründung ausgeführt wird, die Regelung des § 5a Abs. 5 AEG entspreche derjenigen des § 12 Abs. 5 GüKG, wobei das Verlangen der Eisenbahnaufsichtsbehörden durch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit auf das jeweils Erforderliche eingeschränkt sei (BTDrucks 14/6929 S. 15). Wie bereits dargelegt, wird die derart in Bezug genommene Vorschrift des § 12 Abs. 5 GüKG, nach deren Nr. 1 den Beauftragten des Bundesamts für Güterverkehr auf Verlangen Auskünfte zu erteilen sind, als Ermächtigungsgrundlage zum Erlass von Verwaltungsakten verstanden. Beachtenswert ist weiter, dass der im Normtext des § 5a Abs. 5 AEG nicht verwandte, für die Annahme einer Verwaltungsaktbefugnis indizielle Begriff des Verlangens jedenfalls in die Gesetzesbegründung für diese Vorschrift Eingang gefunden hat.
23d) Aus der Gesetzessystematik ergibt sich ebenfalls, dass § 5a Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 AEG zum Erlass von Auskunftsverwaltungsakten ermächtigt.
24Nach der Überschrift des § 5a AEG regelt diese Bestimmung einerseits die Aufgaben und andererseits die Befugnisse der Eisenbahnaufsichtsbehörden. Während die Aufgaben in Absatz 1 umschrieben werden, findet sich in Absatz 2 zunächst die allgemeine Befugnisnorm der Eisenbahnaufsicht, auf deren Grundlage nach einhelliger Ansicht eisenbahnspezifische Rechtspflichten durch den Erlass von gebietenden oder verbietenden Verwaltungsakten durchgesetzt werden können (vgl. nur: Hermes/Schweinsberg, a.a.O. § 5a Rn. 33; Kramer, a.a.O. § 5a AEG Rn. 9). Das Vorhandensein einer solchen ausdrücklichen Ermächtigungsnorm steht allgemein (vgl. Beschluss vom a.a.O. S. 8, Urteil vom a.a.O. S. 121 bzw. S. 26 f.) und so auch hier der Auslegung weiterer Vorschriften im Sinne impliziter Ermächtigungen nicht entgegen. Sie finden sich in § 5a AEG für spezielle Regelungsbereiche in den Absätzen 4, 5 und 6 und enthalten ebenso wie die allgemeine Eingriffsbefugnis des Absatzes 2 die Befugnis zum Erlass von Verwaltungsakten. Dies verdeutlicht § 5a Abs. 7 AEG (nunmehr: § 5a Abs. 9 AEG), der ohne Unterschied die Eisenbahnaufsichtsbehörden zur Durchsetzung ihrer Anordnungen im Wege der Verwaltungsvollstreckung ermächtigt. Als weiterer, in dieselbe Richtung weisender Aspekt aus der Binnensystematik des § 5a AEG tritt hinzu, dass Absatz 3, der sich mit den kompetenzmäßigen Auswirkungen der in § 5 Abs. 1c AEG geregelten sog. netzbezogenen Aufsicht befasst, unter anderem ausdrücklich die Befugnisse nach § 5a Abs. 5 AEG in Bezug nimmt.
25Das Gebot zur Auskunftserteilung in § 5a Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 AEG ist danach systematisch als eine in einem eigenständigen Verwaltungsverfahren in der Form des Verwaltungsakts isoliert durchsetzbare Pflicht und nicht als bloße Mitwirkungslast oder Obliegenheit im Rahmen eines anderen, etwa auf der Grundlage des § 5a Abs. 2 AEG durchzuführenden Verfahrens ausgestaltet.
26Etwas anderes folgt nicht aus einem gesetzessystematischen Vergleich mit den regulierungsrechtlichen Auskunftsnormen des Telekommunikations-, Post- und Energierechts, die in Gestalt der §§ 127 Abs. 2 TKG, 45 Abs. 2 PostG und 69 Abs. 7 EnWG die Befugnis zum Erlass von Auskunftsbescheiden ausdrücklich einräumen (vgl. zu § 45 Abs. 2 PostG: BVerwG 6 C 14.08 - Buchholz 442.041 PostG Nr. 10 Rn. 10). Ein hieran geknüpfter Umkehrschluss, aus § 5a Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 AEG könne eine solche Befugnis mangels wörtlicher Erwähnung nicht hergeleitet werden, ginge bereits im Ansatz fehl. Zwar steht das eisenbahnrechtliche Verbot der Überleitung öffentlicher Gelder, auf das sich das behördliche Auskunftsverlangen im vorliegenden Fall bezieht, als Teil der Entflechtungsvorschriften der §§ 9, 9a AEG in einem auch regulierungsrechtlichen Kontext. Der Gesetzgeber hat die Kontrolle der Einhaltung dieser Vorschriften gleichwohl nicht nach Maßgabe der §§ 14b ff. AEG, 4 Abs. 1 BEVVG der Bundesnetzagentur für Elektrizität, Gas, Telekommunikation, Post und Eisenbahnen als Regulierungsbehörde übertragen, sondern der allgemeinen Eisenbahnaufsicht anheimgegeben, für die auf Bundesebene das Eisenbahn-Bundesamt zuständig ist. Dem Gesetzgeber stand diese Entscheidung frei. Es stünde in Widerspruch zu ihr, im Rahmen der Ausübung der allgemeinen Eisenbahnaufsicht auf spezifisch regulierungsrechtliche Verfahrensvorschriften abzustellen. Denn diese Aufsicht ist nicht regulierungsrechtlich geprägt, sondern besteht gemäß § 5a Abs. 1 AEG "insbesondere" in der Gefahrenabwehr und der Untersuchung gefährlicher Ereignisse. Sie ist nach hierauf ausgerichteten einheitlichen Maßstäben wahrzunehmen.
27e) Auch nach dem Sinn und Zweck des § 5a Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 AEG ist die Annahme einer Verwaltungsaktbefugnis zur Erhebung von Auskünften sinnvoll und geboten.
28§ 5a Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 AEG erlegt den Aufsichtsunterworfenen die Pflicht zur Erteilung der für die Aufsichtsdurchführung erforderlichen Auskünfte auf. Die Vorschrift wurde, wie dargelegt, zum Zweck der Effektuierung der Eingriffskompetenzen der Aufsichtsbehörden geschaffen. In Anbetracht dieses Gesetzeszwecks ist nicht nachvollziehbar, dass es den Aufsichtsbehörden verwehrt sein sollte, sich die Informationen, ohne die sie ihrer gesetzlichen Überwachungsaufgabe nicht nachkommen können, auf möglichst einfache, effektive und zugleich einen wirksamen Rechtsschutz gewährleistende Weise - eben durch den Erlass von vollstreckbaren Auskunftsbescheiden - zu verschaffen. In einer Vielzahl denkbarer Fallgestaltungen sind diese Informationen notwendig, um den zuständigen Behörden überhaupt erst die Prüfung zu ermöglichen, ob es geboten ist, auf der Grundlage des § 5a Abs. 2 AEG Maßnahmen zur Beseitigung festgestellter oder zur Verhütung künftiger Verstöße gegen die eisenbahnrechtlichen Vorschriften im Sinne des § 5 Abs. 1 AEG zu treffen.
29Der auf die Stärkung der Eisenbahnaufsicht zielende Normzweck des § 5a Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 AEG, der die Annahme einer Verwaltungsaktbefugnis rechtfertigt, erlangt dann besondere Bedeutung, wenn die Aufsicht auf die Einhaltung eisenbahnrechtlicher Vorschriften des Unionsrechts oder in Umsetzung des Unionsrechts ergangener Regelungen gerichtet ist. Nach dem Grundsatz des effet utile ist dem Unionsrecht praktische Wirksamkeit zu verschaffen (zum effet utile im Eisenbahnrecht: Urteil vom a.a.O. Rn. 28). In dem zur Entscheidung stehenden Fall ist eine solche Konstellation gegeben, da das in § 9 Abs. 1b AEG enthaltene eisenbahnrechtliche Verbot der Überleitung öffentlicher Gelder in Umsetzung der Regelung des Art. 6 Abs. 1 Satz 2 der Richtlinie 91/440/EWG des Rates vom zur Entwicklung der Eisenbahnunternehmen der Gemeinschaft (ABl Nr. L 237 S. 25) ergangen ist.
302. Die Klägerin ist nach § 5a Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 AEG materiell-rechtlich zur Erteilung der Auskünfte verpflichtet, die das Eisenbahn-Bundesamt mit dem angefochtenen Bescheid eingefordert hat. Für den Erlass eines solchen Bescheids bedarf es keines konkreten Anlasses bzw. Verdachts (a)). Die von dem Eisenbahn-Bundesamt begehrten Auskünfte sind auch im Sinne der Vorschrift für die Durchführung der Eisenbahnaufsicht erforderlich (b)).
31a) Ein Auskunftsverlangen der Eisenbahnaufsichtsbehörde nach § 5a Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 AEG setzt nicht voraus, dass ein konkreter Anlass im Sinne des Verdachts einer Verletzung der dem Verlangen zu Grunde liegenden Verpflichtung - hier des Verbots der Überleitung öffentlicher Gelder aus § 9 Abs. 1b AEG - besteht.
32Nach dem Wortlaut der Vorschrift besteht eine derartige Voraussetzung nicht. Aus ihrer Entstehungsgeschichte ergibt sich ebenfalls kein Anhalt dafür, dass über den Gesetzeswortlaut hinaus in dem beschriebenen Sinn ein besonderer Anlass als Anknüpfungspunkt für ein Auskunftsbegehren zu fordern wäre.
33Die Gesetzessystematik spricht deutlich gegen eine entsprechende Verengung des Anwendungsbereichs der Auskunftsnorm. Die Eisenbahnaufsicht ist zwar, wie bereits ausgeführt, gefahrenabwehrrechtlich geprägt, jedoch nicht entsprechend beschränkt. Aus der Verwendung der Formulierung "insbesondere" in der Beschreibung der Aufgaben der Eisenbahnaufsichtsbehörden in § 5a Abs. 1 AEG ergibt sich für die in den folgenden Absätzen der Vorschrift geregelten Befugnisse, dass über den Kernbereich der reinen Gefahrenabwehr hinausgehend systematische, stichprobenartige Überprüfungen sowie verdachts- und anlass-unabhängige Kontrollen zulässig und geboten, weil dem Begriff der Aufsicht immanent sind (Hermes/Schweinsberg, a.a.O., § 5a Rn. 5, 7 und 43; Kramer, a.a.O., § 14c AEG Rn. 6; der Sache nach bereits: Beschluss vom a.a.O. S. 7). Diese Gesetzesverständnis wird durch den Umstand bestätigt, dass die Auskunftspflicht aus § 5a Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 AEG zwar in der Regel diejenigen Unternehmen und Personen treffen wird, die auch Adressaten der jeweils durchzusetzenden materiellen Verpflichtungen - hier des § 9 Abs. 1b AEG - sind, dass dieser Zusammenhang jedoch nicht zwingend ist, vielmehr Auskünfte auch bei Dritten erhoben werden können (Hermes/Schweinsberg, a.a.O., § 5a Rn. 46).
34Nur die Annahme einer Kompetenz der Eisenbahnaufsichtsbehörden zur anlasslosen Auskunftserhebung sichert schließlich die Wirksamkeit der Aufsicht und entspricht damit dem Normzweck des § 5a Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 AEG. Je nach dem Ergebnis der ohne Anlass durchgeführten Auskunftserhebung wird in der Folge ein Anlass für weitere Maßnahmen nach § 5a Abs. 2 AEG bestehen oder aber von ihnen abzusehen sein.
35b) Indem § 5a Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 AEG die Auskunftspflicht der Normadressaten auf die für die Durchführung der Eisenbahnaufsicht erforderlichen Auskünfte beschränkt, nimmt er auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im weiteren Sinne Bezug (vgl. BTDrucks 14/6929 S. 15).
36Die mit dem noch streitgegenständlichen Teil des angefochtenen Bescheids verlangten Auskünfte sind für die Kontrolle des Überleitungsverbots öffentlicher Gelder aus § 9 Abs. 1b AEG geeignet, weil die Zuordnung empfangener Zuschussbeträge an bestimmte Zuschussgeber und an konkrete Nutzungen jedenfalls den Ausgangspunkt einer Überprüfung im Hinblick auf einen eventuellen Mittelabfluss aus dem Infrastrukturbereich der Klägerin in den Verkehrsbereich des DB Konzerns bildet.
37Die geforderten Auskünfte sind auch für die Aufsichtstätigkeit des Eisenbahn-Bundesamts erforderlich, weil sie mit dieser in einem innerem Zusammenhang stehen und die behördliche Aufgabenerfüllung erleichtern (vgl. zu diesem Maßstab: Kramer, a.a.O., § 5a AEG Rn. 24). Die Auskunftserhebung führt nicht dazu, dass die Verwendung, der die Klägerin die empfangenen Zuschüsse zugeführt hat, einer doppelten Kontrolle - zunächst nach haushaltsrechtlichen Vorschriften und sodann im Hinblick auf das Überleitungsverbot des § 9 Abs. 1b AEG - unterzogen wird. Bei der haushaltsrechtlichen Verwendungsprüfung einerseits und der Kontrolle des Verbots der Überleitung öffentlicher Gelder im Rahmen der eisenbahnrechtlichen Entflechtungsvorschriften andererseits handelt es sich um selbstständige Rechtsinstitute mit einem jeweils eigenen Prüfungsansatz. Zur Einführung des letztgenannten Instituts war der nationale Gesetzgeber auf Grund des Art. 6 Abs. 1 Satz 2 der Richtlinie 91/440/EWG unionsrechtlich verpflichtet. Eine Rechtfertigung dafür, seine Anwendung im Wege einer teleologischen Reduktion einzuschränken, ist nicht erkennbar.
38Schließlich besteht kein Anhaltspunkt für eine Unangemessenheit der Auskunftserhebung. Die mit ihr verbundene Beeinträchtigung der Rechtsstellung der Klägerin ist von geringer Intensität. Auf Grund der erhaltenen Informationen kann das Eisenbahn-Bundesamt weitere Maßnahmen nur nach Maßgabe der einschlägigen Ermächtigungsgrundlagen - insbesondere des § 5a Abs. 2 AEG - ergreifen.
Fundstelle(n):
HAAAE-00684