Eingruppierung in der Flugsicherung - Tatbestandsmerkmal "Qualifikation als Lotse" im Überleitungstarifvertrag 2007 der Deutschen Flugsicherung
Gesetze: § 1 TVG
Instanzenzug: ArbG Offenbach Az: 5 Ca 68/08 Urteilvorgehend Hessisches Landesarbeitsgericht Az: 18 Sa 1532/08 Urteil
Tatbestand
1Die Parteien streiten um die richtige Eingruppierung des Klägers und die sich daraus ergebenden möglichen Vergütungsdifferenzen nach Maßgabe des Eingruppierungstarifvertrages 2007 für die bei der DFS Deutsche Flugsicherung GmbH beschäftigten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter (ETV 2007) vom sowie des Überleitungstarifvertrages 2007 für die bei der DFS Deutsche Flugsicherung GmbH beschäftigten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter (ÜTV 2007) vom gleichen Tage.
2Die Beklagte ist ein aus der Privatisierung der ehemaligen Bundesanstalt für Flugsicherung hervorgegangenes Flugsicherungsunternehmen mit bundesweit mehr als 5.000 Arbeitnehmern. Sie nimmt die operativen Flugsicherungsaufgaben für den gesamten deutschen Luftraum wahr und unterhält Niederlassungen an allen bedeutenden deutschen Verkehrsflughäfen.
3Bis zum Inkrafttreten des ETV 2007 galt bei der Beklagten der Vergütungstarifvertrag Nr. 2 für die bei der DFS Deutsche Flugsicherung GmbH beschäftigten Mitarbeiter/innen (VTV Nr. 2) vom und der Zulagentarifvertrag Nr. 2 (ZTV Nr. 2) vom gleichen Tage. Mit diesen Tarifverträgen war die Entgeltstruktur ua. dergestalt geregelt, dass alle Arbeitnehmer ein Grundgehalt bezogen und das Personal im operativen Bereich - flugsicherungs-technisches Personal, Fluglotsen, Flugberater und Flugdatenbearbeiter - darüber hinaus eine operative Zulage nach § 2 ZTV Nr. 2 erhielten, die zB bei Fluglotsen mehr als 3.000,00 Euro betrug. Mit dem Abschluss des ETV 2007 und des ÜTV 2007 sowie eines Vergütungstarifvertrages (VTV Nr. 3) entfielen die bisherige Zulage und die Funktionszulage als gesondert ausgewiesene Leistungen. Sie wurden in das tarifliche Grundgehalt integriert. Abweichend vom bisherigen Tarifvertrag wurde nunmehr innerhalb der einzelnen - grundsätzlich aufrechterhaltenen - Vergütungsgruppen differenziert und die Zulagen in einzelne sog. „Bänder“ der jeweiligen Vergütungsgruppen aufgenommen (§ 4 Abs. 1 und Abs. 2 ETV 2007). Die bereits bei der Beklagten beschäftigten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer wurden nach Maßgabe des ÜTV 2007 in das neue Entgeltsystem übergeleitet.
4Der Kläger trat im Jahr 1970 als Beamtenanwärter im mittleren Dienst bei der damaligen Bundesanstalt ein und wurde sodann als Flugdatenbearbeiter eingesetzt. Im September 1984 schloss er ein Studium an der Fachhochschule des Bundes als Diplom-Verwaltungsbetriebswirt ab. Im Oktober 1986 wurde er als Flugdatenbearbeiter aus dem mittleren Dienst in den gehobenen Dienst übernommen. Anlässlich der Privatisierung der Beklagten wechselte er zum als sogenannter FS Sachbearbeiter in ein Arbeitsverhältnis. Im Arbeitsvertrag der Parteien vom ist ua. geregelt, dass sich das Arbeitsverhältnis nach dem Manteltarifvertrag für die bei der DFS Deutsche Flugsicherung GmbH beschäftigten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vom bestimmt und den diesen ergänzenden, ändernden oder an seine Stelle tretenden Tarifverträgen in der jeweils gültigen Fassung.
1997 bewarb sich der Kläger, der keine Ausbildung zum Fluglotsen absolviert hat und nicht über die für eine solche Tätigkeit notwendigen Erlaubnisse und Berechtigungen verfügt, erfolgreich auf eine intern ausgeschriebene Stelle als Sachbearbeiter/-in Air Traffic Flow Management (FDF 15). In der Stellenausschreibung war als Voraussetzung ua. angegeben:
6Der Kläger ist seitdem als Sachbearbeiter Air Traffic Flow Management tätig. Er wurde zunächst nach der Vergütungsgruppe 9 Stufe 3, seit dem nach der Vergütungsgruppe 10 Stufe 2 des seinerzeitigen Eingruppierungstarifvertrages vergütet. Der Kläger arbeitet in der Center-Niederlassung der Beklagten in L. Bis einschließlich erhielt er ein monatliches Bruttogehalt von 7.483,98 Euro, das neben dem tariflichen Grundbetrag eine Zulage gemäß § 2 des ZTV Nr. 2 und eine Funktionszulage in Höhe von 3 % enthielt.
7Die Beklagte teilte dem Kläger mit Schreiben vom mit, dass er mit Wirkung vom der Vergütungsgruppe 10 Band C Stufe 3 ETV 2007 zugeordnet worden sei, woraus sich eine Bruttomonatsvergütung von 7.543,72 Euro ergibt. In dem darauf folgenden Schriftverkehr machte der Kläger unter Berufung auf § 8 Abs. 15 ÜTV 2007 erfolglos eine Vergütung nach der Vergütungsgruppe 10 Band G Stufe 3 geltend.
8Der Kläger hat die Auffassung vertreten, ihm stehe gemäß § 8 Abs. 15 ÜTV 2007 eine Vergütung nach der Vergütungsgruppe 10 Band G ETV 2007 zu, da er die dort genannten Anforderungen erfülle. Insbesondere werde er auf einer Stelle beschäftigt, die die vom Tätigkeitsmerkmal vorausgesetzte „Qualifikation als Lotse“ erfordere. Dies ergebe sich aus dem von der Beklagten zugrunde gelegten Anforderungsprofil in der Stellenausschreibung vom . Das in § 8 Abs. 15 ÜTV 2007 für die von ihm begehrte Eingruppierung vorausgesetzte Tatbestandsmerkmal einer Stelle, die die „Qualifikation als Lotse“ voraussetze, sei nicht nur durch eine abgeschlossene Ausbildung als Flugverkehrslotse, sondern auch ein gleich zu bewertendes Know-how zu erfüllen. Deshalb stehe ihm auch die Differenz zwischen der ihm gezahlten und der ihm zustehenden tariflichen Vergütung in Höhe von monatlich 1.873,57 Euro bzw. 1.929,19 Euro zu, deren jeweiligen Gesamtbetrag er im Laufe des Rechtsstreits mehrere Male durch Klageerweiterungen aktualisiert hat.
Der Kläger hat in der Berufungsverhandlung beantragt,
10Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, § 8 Abs. 15 ÜTV 2007 regele durch das Tatbestandsmerkmal „Qualifikation als Lotse“ zwingend, dass Voraussetzung für die Vergütung nach Band G eine erfolgreich abgeschlossene Ausbildung zum Flugverkehrslotsen sei. Diese Voraussetzung hinsichtlich der Stelle des Klägers sei nicht erfüllt. Es werde auch bestritten, dass der Kläger über ein einem Lotsen entsprechendes Know-How verfüge. Ausweislich der Stellenausschreibung sei es gerade möglich gewesen, eine Qualifikation als Lotse durch Kenntnisse und Fähigkeiten einer gleich zu bewertenden Ausbildung und Berufspraxis zu ersetzen. Dieses Ergebnis werde auch dadurch bestätigt, dass eine Erhöhung der Vergütung um mehr als 1.800,00 Euro monatlich durch die Einführung der neuen tariflichen Vergütungsstruktur nicht beabsichtigt worden sei. Die vorgenommene Überführung der Funktionszulage in das Grundgehalt spiegele sich in den unterschiedlichen Bändern des ETV 2007 bzw. ÜTV 2007 wieder. Dem folgend könne der Kläger nicht so behandelt werden, als habe ihm vor dem eine Zulage entsprechend dem Anspruch eines ausgebildeten Flugverkehrslotsen zugestanden.
11Lediglich vorsorglich sei darauf hinzuweisen, dass der Kläger auch unter Zugrundelegung seiner Auffassung nicht sofort eine Überführung in das Band G verlangen könne, sondern dass die Vergütung gemäß § 2 Abs. 4 ETV 2007 stufenweise in fünf Jahresschritten angehoben werden würde.
Das Arbeitsgericht hat die Klage insgesamt abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Berufung des Klägers blieb erfolglos. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt er sein Klagebegehren weiter. Im Laufe des Revisionsverfahrens hat der Kläger seinen Zahlungsantrag in mehreren Klageerweiterungen auf insgesamt 102.855,71 Euro nebst Zinsen erweitert. Die Beklagte beantragt die Zurückweisung der Revision.
Gründe
13Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung gegen das klageabweisende Urteil des Arbeitsgerichts rechtsfehlerfrei zurückgewiesen.
14I. Die in der Revision gestellten Klageanträge sind nur teilweise zulässig.
151. Der Feststellungsantrag zu 1) ist als allgemein üblicher Eingruppierungsfeststellungsantrag nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zulässig. Das notwendige Feststellungsinteresse des Klägers ergibt sich aus der Zukunftsgerichtetheit seines Begehrens.
162. Der Zahlungsantrag zu 2) ist in Höhe des in der Berufungsverhandlung gestellten Antrages zulässig. Die nach Ergehen der Berufungsentscheidung erfolgten Klageerweiterungen sind im Revisionsverfahren grundsätzlich unzulässig ( - Rn. 14, ZTR 2008, 227; - 3 AZR 172/07 - Rn. 24, AP ZPO § 253 Nr. 48). Antragsänderungen können zwar aus prozessökonomischen Gründen zugelassen werden, wenn es sich dabei um Fälle des § 264 Nr. 2 ZPO handelt, der neue Sachantrag sich auf den in der Berufungsinstanz festgestellten Sachverhalt stützt und berechtigte Interessen des Gegners nicht beeinträchtigt werden ( - Rn. 13; - 1 AZR 105/03 - zu III der Gründe, AP ArbGG 1979 § 64 Nr. 35 = EzA ArbGG 1979 § 64 Nr. 39; - 3 AZR 431/02 - zu A der Gründe, BAGE 107, 197). Im vorliegenden Fall ergeben sich die der Klageerweiterung zugrunde liegenden Tatsachen, nämlich die Erfüllung der weiteren Voraussetzungen, die über die Feststellung der Vergütungspflicht nach einer bestimmten Vergütungsgruppe hinaus einen Zahlungsanspruch des Arbeitnehmers für die jeweiligen neu erfassten Zeitabschnitte begründen, namentlich der Fortbestand des Arbeitsverhältnisses, die vertragsgemäße Erfüllung der Vorleistungspflicht des Arbeitnehmers (§ 614 BGB), das Nichtvorliegen von unverschuldeten Arbeitsunfähigkeitszeiten von mehr als sechs Wochen (§ 3 Abs. 1 Satz 1 EFZG) und anderes mehr, nicht aus dem in der Berufungsinstanz festgestellten Sachverhalt. Die Beklagte hat einer Berücksichtigung der weiteren Anträge im Übrigen ausdrücklich widersprochen. Soweit die Rechtsprechung in diesem Zusammenhang davon spricht, dass auch in der Revision noch neuer Sachverhalt berücksichtigt werden kann, wenn er „unstreitig“ ist, ist diese Voraussetzung jedenfalls dann als nicht erfüllt anzusehen, wenn die beklagte Partei dem ausdrücklich widerspricht, auch ohne dass der neue Sachvortrag im Einzelnen bestritten wird. Ansonsten würde man einer beklagten Partei im Revisionsverfahren zumuten, jeweils neuen Sachvortrag des Revisionsklägers im Revisionsverfahren ausdrücklich und substantiiert zu bestreiten, da andernfalls dessen Berücksichtigung im Revisionsurteil zu gewärtigen wäre. Dies stellte die Revision im Hinblick auf den zu berücksichtigenden Sachverhalt in unzutreffender Weise den Tatsacheninstanzen gleich und widerspräche dem Grundsatz, dass das Revisionsgericht die Entscheidung des Berufungsgerichts allein auf Rechtsfehler zu überprüfen hat (§ 545 ZPO).
17II. Soweit die Klage zulässig ist, ist sie unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers gegen das klageabweisende Urteil des Arbeitsgerichts im Ergebnis und in der Begründung rechtsfehlerfrei zurückgewiesen. Die Klage wäre nur dann begründet, wenn der Kläger nach dem ÜTV 2007 in die Vergütungsgruppe 10 Band G ETV 2007 hätte übergeleitet werden müssen oder wenn er die Anforderungen eines Tätigkeitsmerkmales der Vergütungsgruppe 10 Band G ETV 2007 unmittelbar erfüllte. Beides ist nicht der Fall.
1. Auf das Arbeitsverhältnis finden aufgrund arbeitsvertraglicher Verweisung der VTV Nr. 3, der ETV 2007 und der ÜTV 2007 Anwendung. Im VTV Nr. 3 heißt es hierzu ua.:
Der ETV 2007 enthält ua. folgende Bestimmungen:
Schließlich ist im ÜTV 2007 geregelt:
212. Aus dem ÜTV 2007 iVm. dem ETV 2007 ergibt sich kein Anspruch des Klägers auf Überleitung in die Vergütungsgruppe 10 Band G ETV 2007. Die in § 8 ÜTV 2007 hierfür genannten Voraussetzungen werden vom Kläger nicht erfüllt. Insbesondere war er entgegen der Revision nicht auf einer Stelle beschäftigt, die nach dem von der Beklagten zugrunde gelegten Anforderungsprofil die Qualifikation als Lotse voraussetzte.
22a) Das Landesarbeitsgericht ist davon ausgegangen, dass die „Qualifikation als Lotse“ iSd. § 8 Abs. 15 ÜTV 2007 die formale Befähigung erfasse, eine Tätigkeit als Fluglotse oder Fluglotsin auszuüben, und nicht nur das Vorhandensein des Know-hows eines Fluglotsen oder einer Fluglotsin. Die Systematik der Tarifbestimmungen in § 7 und § 8 ÜTV 2007 zeige, dass die Tarifvertragsparteien bestimmte Tätigkeiten einheitlich hätten regeln wollen, differenziert nur nach dem Schwierigkeitsgrad (qualifizierte Sachbearbeitung, besonders qualifizierte Sachbearbeitung) und dem Tätigkeitsort und seinen Anforderungen. Daher sei das Tatbestandsmerkmal „Qualifikation als Lotse“ einheitlich auszulegen. In Zusammenhang mit dem Anforderungsprofil einer Stelle sei der Begriff „Qualifikation“ eher formal als Befähigung denn als Fähigkeit zu verstehen. Die Beklagte habe bestimmte Stellen, so auch die 1997 vom Kläger besetzte Stelle, in erster Linie mit ausgebildeten Fluglotsen besetzen wollen; da aber nicht genügend geeignete Personen zur Verfügung stünden, werde ein Teil dieser Stellen alternativ mit der Anforderung „durch gleichzubewertende Ausbildung und Berufspraxis erworbene Kenntnisse und Fähigkeiten“ ausgeschrieben. Da der ÜTV 2007 ein Firmentarifvertrag sei, hätte es allerdings nahegelegen, das Tatbestandsmerkmal: „Stelle, die nach dem Anforderungsprofil die Qualifikation als Lotse voraussetzte“ um die Klarstellung „oder gleich zu bewertende Kenntnisse und Fähigkeiten“ zu erweitern, wenn eine solche Regelung beabsichtigt gewesen sei. Wenn die formale Erlaubnis und Berechtigung eines Fluglotsen entbehrlich sei, wie der Kläger meine, dann dürfe auch kein unmittelbarer Einsatz in der Flugverkehrskontrolle erfolgen. Nur das unterschiedliche Flugaufkommen der verschiedenen Flughäfen bei ansonsten identischer Tätigkeit rechtfertige aber eine Staffelung der Vergütung nach der Belastung der Arbeitnehmer durch die unterschiedliche Bandzuordnung. Die Zusammenschau des ÜTV 2007 und des ETV 2007 rechtfertige ferner ebenfalls die Auslegung des Begriffs „Qualifikation“ im Sinne von (formaler) „Befähigung“. In § 4 Abs. 3 ETV 2007 werde bei den Vergütungsgruppen 9 und 10 zwischen der besonders qualifizierten bzw. qualifizierten FDB/FB/PK/ATM-Sachbearbeitung in Band C einerseits und der besonders qualifizierten bzw. qualifizierten FVK-Sachbearbeitung für die Bänder D bis G andererseits unterschieden. Dies lasse den Schluss zu, dass im ETV 2007 grundsätzlich nur solche Tätigkeiten der Flugverkehrskontrolle den Bändern D bis G zugeordnet werden sollten, die eine Flugverkehrskontrolle im engeren Sinne meinen, welche von Flugverkehrslotsen oder ehemaligen Flugverkehrslotsen mit entsprechender Ausbildung ausgeübt werden. Des Weiteren werde aus § 2 Abs. 4 ETV 2007 deutlich, dass die Tarifvertragsparteien die Möglichkeit, dass es wegen eines „Band-Aufstiegs“ zu einer merklichen Vergütungserhöhung kommen könnte, durchaus gesehen haben, aber nur als Ausnahmefall einer Regelung zugeführt hätten.
23b) Diese Erwägungen lassen keinen Rechtsfehler erkennen. Die hiergegen gerichteten Angriffe der Revision bleiben erfolglos.
24aa) Entscheidungserheblich ist in diesem Zusammenhang die Auslegung des Begriffs „Qualifikation als Lotse“, mit der vom ÜTV 2007 die Anforderung des Arbeitgebers für die Stelle eines Arbeitnehmers bezeichnet wird, die zu einer Überleitung in die Vergütungsgruppe 10 Band G ETV 2007 führt. Die Revision macht geltend, von diesem Begriff sei auch die Stellenausschreibung für die Stelle des Klägers umfasst, in der die abgeschlossene Ausbildung als Flugverkehrslotse oder gleich zu bewertende sonstige Kenntnisse und Fähigkeiten verlangt worden sei. Diese Anforderung sei unter dem Begriff der „Qualifikation als Lotse“ zusammenzufassen. Die Auslegung des Landesarbeitsgerichts, die „Qualifikation als Lotse“ sei formell im Sinne von Befähigung gemeint und erfasse von daher nur Stellen, in denen die abgeschlossene Ausbildung eines Lotsen vorausgesetzt werde, sei nicht abgeleitet worden und setze das Ergebnis voraus.
25bb) Dies ist unzutreffend. Das Landesarbeitsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass die vom Kläger besetzte Stelle nicht die tarifliche Anforderung erfüllt, eine „Qualifikation als Lotse“ vorauszusetzen.
26(1) Entgegen der Auffassung der Revision ergibt sich aus der Stellenausschreibung, die der Bewerbung des Klägers im Jahre 1997 zugrunde lag, keine von der Beklagten angenommene allgemeine Gleichwertigkeit der „Ausbildung als Flugverkehrslotse“ mit den für die Stelle vorausgesetzten und vom Kläger offenbar erfüllten Anforderungen von „durch gleichzubewertende Ausbildung und Berufspraxis erworbenen Kenntnissen und Fähigkeiten“.
27In der Stellenausschreibung aus dem Jahre 1997 ging es um eine Tätigkeit als Sachbearbeiter Air Traffic Flow Management (ATM). Für eine solche Stelle ist die abgeschlossene Ausbildung als Flugverkehrslotse keine zwingende Voraussetzung. Die Beklagte hat an die Stellenbewerber seinerzeit die Anforderung gestellt, dass sie eine „abgeschlossene Ausbildung als Flugverkehrslotse oder durch gleichzubewertende Ausbildung und Berufspraxis erworbene Kenntnisse und Fähigkeiten“ aufweisen sollten. Bereits aus dem Wortlaut wird deutlich, dass die Beklagte für die auszuübende Tätigkeit eine Ausbildung als Fluglotse nicht voraussetzt. Dies wäre nur dann der Fall, wenn eine solche Ausbildung als notwendig bezeichnet worden wäre. Dies ist aber nicht geschehen. Die Fluglotsenausbildung ist von der Beklagten insoweit lediglich als hinreichend angesehen worden, nicht aber als notwendig. Das ergibt sich aus dem Stufenverhältnis der beiden alternativen Anforderungsprofile. Die Gleichwertigkeit der Bewertung war dabei erkennbar auf die konkrete Tätigkeit bezogen. Denn die Ausbildung eines Fluglotsen ist nicht allgemein und in jeder Hinsicht durch sonstige Fähigkeiten und Kenntnisse zu substituieren. Bezogen auf die Tätigkeit eines Supervisors FVK oder einer unmittelbaren operativen Tätigkeit als Fluglotse gibt es ohne die entsprechende formale Ausbildung keine Gleichwertigkeit. Auf die konkret zu besetzende Stelle eines Sachbearbeiters Air Traffic Flow Management hätten sich Flugverkehrslotsen ohne den Nachweis weiterer individueller Kenntnisse und Fähigkeiten bewerben können, während andere Bewerber die Gleichwertigkeit ihrer Kenntnisse und Fähigkeiten mit denen, welche die Ausbildung eines Fluglotsen vermittelt, hinsichtlich der Anforderungen gerade dieser Stelle inhaltlich hätten dartun müssen. Bei diesen Anforderungen handelt es sich um solche, die ein ausgebildeter Lotse bereits durch seine Ausbildung erfüllt, die aber erkennbar über die Anforderungen der ausgeschriebenen Stelle hinausgehen. Die Gleichwertigkeit der alternativen Anforderungsprofile bezieht sich nicht auf eine „Qualifikation als Lotse“, sondern auf die konkreten Anforderungen eines Sachbearbeiters Air Traffic Flow Management, die ein ausgebildeter Fluglotse - ua. - ohne weiteres erfüllt. Dies wird durch die Kontrollüberlegung unterstrichen, dass dann, wenn nicht wie geschehen ausgeschrieben worden wäre, sondern nur die „Qualifikation als Lotse“ verlangt worden wäre, der unbefangene Leser davon ausgegangen wäre, dass sich ausgebildete Flugverkehrslotsen bewerben sollten, nicht aber auch andere Personen, die der Auffassung sind, sie seien zwar keine Lotsen, erfüllten aber die Anforderung einer „Qualifikation als Lotse“.
28(2) Das Landesarbeitsgericht entnimmt der Systematik des ÜTV 2007 zu Recht ein unterstützendes Argument für die Auslegung im Sinne der Beklagten. Denn die Bänder D bis G der Vergütungsgruppen 9 und 10 sind nach den übrigen Absätzen der §§ 7 und 8 ÜTV 2007 nur für solche Tätigkeiten vorgesehen, die von Fluglotsen oder ehemaligen Fluglotsen ausgeübt werden, soweit sie nicht das Tatbestandsmerkmal enthalten: „Stelle …, die nach dem … Anforderungsprofil die Qualifikation als Lotse voraussetzte“. Andere Tätigkeiten hingegen werden nur von den Bändern A bis C erfasst. Es liegt daher nahe, dass nach dem ÜTV 2007 generell nur aktive oder ehemalige Fluglotsen eine Vergütung nach den Bändern D bis G erhalten sollen.
29§ 8 Abs. 1 bis Abs. 4 ÜTV 2007 regelt die Zuordnung bis einschließlich Band C innerhalb der Vergütungsgruppe 10. § 8 Abs. 5, Abs. 8, Abs. 11 und Abs. 14 ÜTV 2007 regelt die Vergütung von bestimmten Supervisoren FVK in Vergütungsgruppe 10 Band D aufwärts. Hierzu hat das Landesarbeitsgericht festgestellt, dass ein Supervisor FVK (Flugverkehrskontrolle) eine mehrjährige Praxis als Lotse in der Flugverkehrskontrolle benötige, also auch ausgebildeter Flugverkehrslotse sei. In den Absätzen 7, 10, 13 und 16 des § 8 ÜTV 2007 werden Sachbearbeitertätigkeiten nach einer Tätigkeit als Lotse, Senior-Lotse oder Supervisor FVK im operativen FS-Dienst dem Band D aufwärts der Vergütungsgruppe 10 zugeordnet. Es entspricht der von den Tarifvertragsparteien geschaffenen Systematik, hinsichtlich der übrigen Absätze des § 8 ÜTV 2007, nämlich der Absätze 6, 9, 12, 15 und 17, in denen eine „Qualifikation als Lotse“ bzw. „Qualifikation als Supervisor FVK …“ gefordert wird, davon auszugehen, dass die betreffenden Arbeitnehmer tatsächlich ebenfalls die Lotsenbefähigung aufweisen müssen.
30Eine vergleichbare Systematik findet sich ferner in § 7 ÜTV 2007, der die Vergütung nach Vergütungsgruppe 9 regelt. Von den die Vergütung ab Band D aufwärts regelnden zwölf Absätzen beziehen sich vier (Absätze 4, 7, 10 und 13) auf die Eingruppierung von Senior-Lotsen, vier weitere (Absätze 6, 9, 12 und 15) regeln nach einer Tätigkeit von Lotsen oder Senior-Lotsen die Bewertung bestimmter Sachbearbeitertätigkeiten und vier Absätze (Absätze 5, 8, 11 und 14) handeln von Sachbearbeitern, deren Stelle nach dem Anforderungsprofil die „Qualifikation als Lotse“ voraussetzte. Auch diese Regelungstechnik der Tarifvertragsparteien unterstützt die systematische Auslegung des Landesarbeitsgerichts.
31(3) Ferner spricht auch der Hinweis des Landesarbeitsgerichts auf § 2 Abs. 4 ETV 2007 für die Auslegung, dass § 8 Abs. 3 und Abs. 15 ÜTV 2007 im Sinne der Beklagten auszulegen sind. In § 2 Abs. 4 ETV 2007 ist der Sonderfall geregelt, dass Flugdatenbearbeiter oder Flugdatenbearbeiterinnen vor Inkrafttreten dieses Tarifvertrages in eine qualifizierte und/oder besonders qualifizierte FVK-Sachbearbeitung wechselten. Für sie soll die sich ergebende Vergütungssteigerung gestreckt über fünf Jahre erfolgen und das Gehalt sukzessive angepasst werden.
32Diese Personen erhalten nach den Regelungen in § 4 Abs. 3 ETV 2007 in der Vergütungsgruppe 9 bzw. der Vergütungsgruppe 10 je nach Einsatzort eine Vergütung der Bänder D bis G. Zutreffend weist das Landesarbeitsgericht darauf hin, dass es sich wegen der Systematik der Vergütungsgruppen 9 und 10 gemäß § 4 Abs. 3 ETV 2007 nur um eine Flugverkehrssicherung im engeren Sinne handeln kann, zumindest ohne die gesondert geregelte ATM-Sachbearbeitung. Die Tarifvertragsparteien haben die Möglichkeit einer signifikanten Gehaltsveränderung in bestimmten Fallgestaltungen also gesehen, zu denen die des Klägers aber nicht gehört, da die ATM-Sachbearbeitung gesondert im ETV 2007 geregelt ist. Ferner ist auch nicht dargelegt worden, dass und inwiefern beim Kläger überhaupt ein Wechsel in die in § 2 Abs. 4 ETV 2007 angesprochene Tätigkeit eingetreten ist.
33(4) Ein weiteres schwer wiegendes Argument für die vom Landesarbeitsgericht vorgenommene Auslegung ist die Tatsache, dass kein plausibler Grund vorgetragen oder in sonstiger Weise erkennbar ist, warum dem Kläger bei gleich bleibender Tätigkeit allein durch die bloße Tarifumstellung eine Gehaltssteigerung von mehr als 1.800,00 Euro, also etwa einem Viertel seines zum Umstellungszeitpunkt erhaltenen Gehalts zukommen sollte. Der Kläger erhielt vor der Einführung des neuen ETV zum eine Vergütung iHv. 7.483,98 Euro, die sich zusammensetzte aus dem tariflichen Grundbetrag von 5.714,00 Euro plus der operativen Zulage (FDB i. FVK-Zulage § 2 ZTV) von 1.552,00 Euro plus der dreiprozentigen Funktionszulage (bezogen auf die Summe beider vorstehenden Beträge) von 217,98 Euro. Mit den neuen Tarifverträgen ist die ehemalige operative Zulage in das Grundgehalt integriert worden. Bei einer Überführung in die Vergütungsgruppe 10 Band C Stufe 3 ETV 2007 hatte der Kläger 7.543,72 Euro zu beanspruchen, die sich aus einem Grundgehalt von 7.324,00 Euro und einer Funktionszulage von 219,72 Euro zusammensetzte. Die sich daraus ergebende Gehaltssteigerung von knapp 60,00 Euro ist ohne weiteres als von den Tarifvertragsparteien hingenommene, mit der Umstellung verbundene Vergütungsanpassung verständlich. Für eine Steigerung um ca. 25 % von 7.483,98 Euro auf 9.417,29 Euro als Vergütung nach der Vergütungsgruppe 10 Band G ETV 2007 gibt es im beschriebenen Kontext keine plausible Erklärung. Hinweise darauf, dass die Tarifvertragsparteien meinten, die Tätigkeit des Klägers sei signifikant unterbewertet, wurden nicht vorgetragen und sind auch nicht ersichtlich. Der Kläger behauptet auch nicht etwa, vor der Umstellung der Tarifverträge zum sei er tarifvertragswidrig unterbezahlt gewesen.
343. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf die begehrte Vergütung aus einer unmittelbaren Erfüllung der Anforderungen des in § 4 Abs. 3 Vergütungsgruppe 10 Band G ETV 2007 genannten Tätigkeitsmerkmales.
35a) Der Kläger beruft sich auch darauf, dass seine Tätigkeit die entsprechenden tariflichen Anforderungen erfüllt. Er übe „besonders qualifizierte FVK-Sachbearbeitung … an der Center-Niederlassung … L“ aus. In dem als Oberbegriff anzusehenden Merkmal der „FVK-Sachbearbeitung“ sei die vom Kläger ausgeübte „ATM-Sachbearbeitung“ enthalten.
36b) Dies ist unzutreffend. Der Kläger übt ausweislich der Stellenausschreibung und der Schreiben der Beklagten vom und ATM-Sachbearbeitung aus, die nach übereinstimmender Auffassung der Parteien jedenfalls als besonders qualifiziert zu bewerten ist. Wie das Landesarbeitsgericht zutreffend ausführt, ist im Rahmen des ETV 2007 die ATM-Sachbearbeitung aus dem weiteren Begriff der Sachbearbeitung in der Flugverkehrskontrolle (FVK-Sachbearbeitung) herausgenommen und im Band C speziell geregelt. Angesichts dieser speziellen Vergütungsregelung für die vom Kläger ausgeübte Tätigkeit scheidet eine Vergütung nach Vergütungsgruppe 10 Band G ETV 2007 aus.
37Sofern sich der Kläger für seine Auffassung darauf beruft, dass eine Spezialität im Hinblick auf den Einsatzort bestehe - für Band G ist ua. die Niederlassung Langen genannt, für Band C ist keine Örtlichkeit genannt -, knüpft der Tarifvertrag an diese „örtliche Spezialität“ der eingruppierungsrelevanten Tätigkeit nur für die ausdrücklich in Band G genannte Tätigkeit der besonders qualifizierten FVK-Sachbearbeitung an. Die vom Kläger ausgeübte - besonders qualifizierte - ATM-Sachbearbeitung ist aber abschließend durch Band C geregelt, so dass es insofern auf den Einsatzort nicht ankommt.
III. Die Kosten der erfolglosen Revision hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO der Kläger zu tragen.
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IAAAD-99840