BGH Urteil v. - NotZ (Brfg) 3/11

Berufsrecht der Notare: Wiederbestellungsanspruch des Anwaltsnotars bei mehr als einjähriger Amtsniederlegung wegen Kinderbetreuung oder Angehörigenpflege

Leitsatz

Legt ein Anwaltsnotar sein Amt gemäß § 48b BNotO für mehr als ein Jahr nieder, so hat er keinen Anspruch auf eine erneute Übertragung des Notaramtes. Nach Ablauf der Pflege- bzw. Betreuungszeit kann der Betroffene gemäß § 6b Abs. 1 Halbsatz 1 BNotO nur dann erneut zum Notar bestellt werden, wenn eine neue Notarstelle ausgeschrieben worden ist und er das Bewerbungsverfahren erfolgreich durchlaufen hat. Er hat keinen Anspruch auf Schaffung einer neuen Notarstelle.

Gesetze: § 6b Abs 1 Halbs 1 BNotO, § 48b BNotO, Art 6 GG

Instanzenzug: OLG Celle Az: Not 18/10 Urteilnachgehend Az: 1 BvR 63/12 Nichtannahmebeschluss

Tatbestand

1Die am geborene Klägerin ist seit November 1982 als Rechtsanwältin zugelassen. Mit Wirkung vom wurde sie zur Notarin mit Amtssitz in U. bestellt. Mit Schriftsatz vom beantragte sie unter Hinweis auf die Notwendigkeit der Betreuung ihrer zwei minderjährigen Kinder die Genehmigung, ihr Notaramt ab gemäß § 48b BNotO vorübergehend niederzulegen. Fernmündlich stellte sie klar, dass sie ihr Amt für die gesetzlich vorgesehene Höchstdauer niederlegen wolle. Mit Bescheid vom gestattete der Beklagte zu 1 der Klägerin, ihr Notaramt länger als ein Jahr, höchstens jedoch bis zum Eintritt der Volljährigkeit ihres jüngsten Sohns am niederzulegen.

2Mit Schreiben vom beantragte die Klägerin, ihr das Notaramt mit Wirkung vom wiederzuerteilen. Der Beklagte zu 1 wies sie daraufhin, dass ihr Notaramt mit der Amtsniederlegung gemäß § 47 Nr. 7 BNotO erloschen sei und sie sich deshalb erneut um eine Notarstelle bewerben müsse. Mit Schriftsatz vom beantragte die Klägerin die erneute Übertragung des Notaramts mit sofortiger Wirkung. Diesen Antrag lehnte der Beklagte zu 1 mit Verfügung vom ab.

3Mit der Klage begehrt die Klägerin die Verpflichtung der Beklagten, ihr das Amt als Notarin nach vorübergehender Amtsniederlegung gemäß § 48b BNotO wiederzuerteilen. Hilfsweise begehrt sie, den Beklagten zu 2 zu verpflichten, eine Notarstelle im Amtsgerichtsbezirk U. auszuschreiben, und den Beklagten zu 1 zu verpflichten, die Stelle mit ihr zu besetzen. Das Oberlandesgericht hat die Klage mit Urteil vom , auf das wegen der weiteren tatsächlichen Feststellungen gemäß § 111d Satz 2 BNotO, § 130b Satz 1 VwGO Bezug genommen wird, abgewiesen.

4Mit ihrer Berufung verfolgt die Klägerin ihr erstinstanzliches Begehren in vollem Umfang weiter. Sie beantragt darüber hinaus hilfsweise, die vom Beklagten zu 2 für das kommende Jahr angekündigte auszuschreibende Notarstelle im Amtsgerichtsbezirk U., gleich ob als "Altersstruktur-" oder als "Bedürfnisstelle" ausgeschrieben, der Klägerin zuzuweisen, ohne dass diese die übrigen nach Landes- und Bundesrecht notwendigen Voraussetzungen für die Besetzung zu erfüllen hat. Ferner beantragt sie höchsthilfsweise, ihr eine der im Landgerichtsbezirk L. ausgeschriebenen Stellen zuzuweisen.

5Sie ist der Auffassung, ihr stehe ein Anspruch auf Wiederbestellung zur Notarin am bisherigen Amtssitz aus § 48b BNotO, Art. 6 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1 GG zu. Dies gelte insbesondere vor dem Hintergrund, dass seit der vorübergehenden Niederlegung ihres Amts durch die Klägerin im Amtsgerichtsbezirk U. unstreitig kein neuer Notar bestellt worden sei. Eine Auslegung des § 48b BNotO, nach der derjenige Amtsinhaber, der sein Amt wegen der Betreuung eines minderjährigen Kindes vorübergehend niedergelegt habe, im Zusammenhang mit der Wiederbestellung nicht anders behandelt werde als derjenige, der auf sein Amt aus anderen Gründen verzichtet habe oder seine erste Bestellung zum Notar verfolge, verletze die aus Art. 6 Abs. 1 GG folgende Pflicht des Staats, Ehe und Familie durch geeignete Maßnahmen zu fördern. Selbst wenn der Klägerin das Notaramt nur nach Ausschreibung wiedererteilt werden könne, müssten die Beklagten diese Stelle mit der Klägerin besetzen. Ihr Auswahlermessen sei in diesem Fall auf Null reduziert.

Gründe

6Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg. Die Entscheidung des Oberlandesgerichts erweist sich als richtig. Der Klägerin steht der mit den Hauptanträgen verfolgte Anspruch auf erneute Bestellung zur Notarin an ihrem bisherigen Amtssitz nicht zu. Die auf Ausschreibung einer Notarstelle im Amtsgerichtsbezirk U. und auf Besetzung dieser bzw. einer künftig auszuschreibenden Stelle mit der Klägerin gerichteten Hilfsanträge sind unzulässig. Der auf Besetzung einer der im Landgerichtsbezirk L. ausgeschriebenen Notarstellen mit der Klägerin gerichtete Hilfsantrag ist unbegründet.

71. Die auf die erneute Erteilung des Notaramts gerichteten Verpflichtungsklagen sind zulässig. Sie sind insbesondere rechtzeitig erhoben worden. Insoweit wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die zutreffenden Ausführungen des Oberlandesgerichts Bezug genommen, die sich der Senat nach Überprüfung zu Eigen macht. Die erfolglose Durchführung eines Vorverfahrens (§ 111d Abs. 1 Satz 1 BNotO, § 68 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 VwGO) war gemäß § 8a Abs. 1 und 2 des Niedersächsischen Ausführungsgesetzes zur Verwaltungsgerichtsordnung in der Fassung vom (Nds. GVBl. S. 175) in Verbindung mit § 68 Abs. 1 Satz 2 Fall 1 VwGO entbehrlich.

82. Die Verpflichtungsklagen sind jedoch unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf erneute Bestellung zur Notarin an ihrem bisherigen Amtssitz. Nach der derzeitigen Gesetzeslage ist die von der Klägerin begehrte erneute Ernennung zur Notarin ohne vorherige Bedarfsprüfung, Ausschreibung und vorausgegangenes Auswahlverfahren nicht zulässig.

9a) Der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch ergibt sich nicht aus § 48c Abs. 1 Satz 1 BNotO. Nach dieser Bestimmung wird der Notar an seinem bisherigen Amtssitz erneut bestellt, wenn er mit dem Antrag auf Genehmigung der vorübergehenden Amtsniederlegung erklärt, sein Amt innerhalb von höchstens einem Jahr wieder antreten zu wollen. Eine derartige Erklärung hat die Klägerin nicht abgegeben. Vielmehr hat sie ihr Amt für einen längeren Zeitraum als ein Jahr niedergelegt.

10b) Die Bestimmung des § 48b BNotO gewährt entgegen der Auffassung der Klägerin keinen Anspruch auf eine erneute Bestellung zur Notarin.

11aa) Zwar legt der Wortlaut der Bestimmung, wonach der Notar, der ein Kind unter 18 Jahren oder einen nach amtsärztlichem Gutachten pflegebedürftigen sonstigen Angehörigen tatsächlich betreut oder pflegt, das Amt mit Genehmigung der Aufsichtsbehörde vorübergehend niederlegen kann, auf den ersten Blick die Annahme nahe, der Notar könne nach Ablauf des Zeitraums der Niederlegung sein Amt ohne weiteres wieder aufnehmen.

12bb) Ein derartiges Verständnis der Norm ließe aber den bei der Auslegung einer Gesetzesbestimmung zu berücksichtigenden Gesamtzusammenhang des Gesetzes sowie Sinn, Zweck und Entstehungsgeschichte der Bestimmung in unzulässiger Weise außer Acht. § 48b Abs. 1 BNotO darf nicht isoliert betrachtet werden, sondern ist im Zusammenhang mit den Bestimmungen der §§ 48c, 47 Nr. 7, § 56 Abs. 3, § 6 Abs. 4 Satz 1, § 6b Abs. 1 Halbs. 2 BNotO zu sehen. § 48b Abs. 1 BNotO regelt allgemein, dass der Notar unter den dort genannten Voraussetzungen sein Amt vorübergehend für höchstens zwölf Jahre niederlegen kann. Gemäß § 47 Nr. 7 BNotO führt die vorübergehende Amtsniederlegung zum Erlöschen des Amts mit der Folge, dass der Notar, will er sein Amt wiedererlangen, erneut zum Notar bestellt werden muss. § 48c BNotO räumt dem Notar, der mit dem Antrag auf Genehmigung der vorübergehenden Amtsniederlegung nach § 48b BNotO erklärt, sein Amt innerhalb von höchstens einem Jahr am bisherigen Amtssitz wieder antreten zu wollen, eine Wiederbestellungsgarantie am bisherigen Amtssitz ein. In diesem - und nur in diesem - Fall wird die Notarstelle für den ehemaligen Amtsinhaber "frei gehalten", indem gemäß § 56 Abs. 3 BNotO ein Verwalter bestellt wird; eine Ausschreibung der Stelle vor der Stellenbesetzung ist abweichend von dem allgemeinen Grundsatz des § 6b Abs. 1 Halbs.1 BNotO aufgrund der ausdrücklichen Regelung in § 6b Abs. 1 Halbs. 2 BNotO nicht erforderlich.

13Legt der Notar sein Amt dagegen für mehr als ein Jahr nieder, wird seine Stelle entweder neu ausgeschrieben oder - sofern, wie im Streitfall, kein Bedürfnis für die Bestellung eines Notars im Sinne des § 4 BNotO besteht - eingezogen. Nach Ablauf der Pflege- bzw. Betreuungszeit kann der Betroffene gemäß § 6b Abs. 1 Halbs. 1 BNotO nur dann erneut zum Notar bestellt werden, wenn eine neue Notarstelle ausgeschrieben worden ist und er das Bewerbungsverfahren erfolgreich durchlaufen hat. Er hat dagegen keinen Anspruch auf Schaffung einer neuen Notarstelle (vgl. Custodis in Eylmann/Vaasen, BNotO, BeurkG, 3. Aufl., §§ 48b, 48c BNotO Rn. 11; Lerch in Arndt/Lerch/Sandkühler, BNotO, 6. Aufl., 2008, § 48b BNotO Rn. 12). Die Zeiten der vorübergehenden Amtsniederlegung wegen der Betreuung von Angehörigen werden im Auswahlverfahren in dem Umfang angerechnet, den die Rechtsverordnungen der Länder nach § 6 Abs. 4 Satz 1 BNotO vorsehen. Dass diesen Anrechnungsbestimmungen für den Bereich des Anwaltsnotariats seit Inkrafttreten der Neuregelung des Zugangs zum Anwaltsnotariat zum keine Bedeutung mehr zukommt, ist im vorliegenden Zusammenhang unerheblich, da in den §§ 48b und 48c BNotO nicht zwischen dem hauptberuflichen und dem Anwaltsnotariat unterschieden wird. Der Umstand, dass ein Bewerber um eine Stelle als Anwaltsnotar schon einmal eine Notarstelle innehatte und sein Amt gemäß § 48b BNotO für mehr als ein Jahr vorübergehend niedergelegt hatte, wird allerdings bei einer künftigen Auswahlentscheidung gemäß § 6 BNotO Berücksichtigung finden müssen.

14cc) Dieses Auslegungsergebnis wird durch die Entstehungsgeschichte der §§ 48b, 48c BNotO bestätigt. Danach hat sich der Gesetzgeber bewusst dafür entschieden, dem Notar, der sein Amt für mehr als ein Jahr aus familiären Gründen niederlegt, keinen Wiederbestellungsanspruch einzuräumen, sondern seine Interessen lediglich durch die Anrechnungsmöglichkeit im Auswahlverfahren zu schützen (§ 6 Abs. 4 Satz 1 BNotO). Ausweislich der Begründung des Entwurfs eines Dritten Gesetzes zur Änderung der Bundesnotarordnung und anderer Gesetze vom war es ein Anliegen des Entwurfs, die Vereinbarkeit von Beruf und Familie für Notarinnen und Notare zu verbessern (BT-Drucks. 13/4184, S. 19). Den Notarinnen und Notaren sollte die Möglichkeit eingeräumt werden, ihr Amt vorübergehend niederzulegen, um sich familiären Aufgaben zu widmen (BT-Drucks. 13/4184, S. 28 f). Eine Wiederbestellungsgarantie am bisherigen Amtssitz sollte aber nur den Notaren eingeräumt werden, die gemäß § 48c Abs. 1 BNotO mit dem Antrag auf Genehmigung der vorübergehenden Amtsniederlegung nach § 48b BNotO erklären, das Amt innerhalb von höchstens einem Jahr am bisherigen Amtssitz wieder antreten zu wollen (BT-Drucks. 13/4184, S. 19, 20, 28 f). Diese Befristung war aus Sicht des Gesetzgebers unabweisbar, um die kontinuierliche Qualität der notariellen Amtsausübung durch Bestellung eines qualifizierten Verwalters sicherzustellen. Durch die entsprechende Erklärung des Notars sollte die Landesjustizverwaltung in die Lage versetzt werden zu entscheiden, ob die Notarstelle neu ausgeschrieben oder - im Fall des § 48c BNotO - gemäß § 56 Abs. 3 BNotO ein Notariatsverwalter bestellt werden soll (vgl. BT-Drucks. 13/4184, S. 20, 29).

15Die Konsequenz, dass bei einer mehr als einjährigen Amtsniederlegung nach § 48b BNotO der erneuten Bestellung zum Notar eine Stellenausschreibung und ein Auswahlverfahren voranzugehen hat, ist im Gesetzgebungsverfahren erkannt worden. Der vom Bundesministerium der Justiz vorgelegte Referentenentwurf vom hatte in Art. 1 Nr. 22 vorgesehen, § 39 BNotO um einen Absatz 2 zu ergänzen, wonach die Aufsichtsbehörde der Notarin oder dem Notar auf Antrag aus familiären Gründen einen ständigen Vertreter für die Dauer von bis zu drei Jahren bestellen kann. Aufgrund der Einwände mehrerer Landesjustizverwaltungen, dass diese Regelung die Gefahr einer Verpachtung der Notarstelle herbeiführe und es im Bereich des hauptberuflichen Notariats an der erforderlichen Anzahl geeigneter Vertreter fehle, wurde dieser Vorschlag fallen gelassen. Der von der Bundesregierung am beschlossene Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Änderung der Bundesnotarordnung und anderer Gesetze (BR-Drucks. 890/95) sah stattdessen die Einfügung der §§ 48b und 48c BNotO-E vor, die abgesehen von redaktionellen Änderungen der später in Kraft getretenen Regelung entsprachen. Trotz der im weiteren Gesetzgebungsverfahren geäußerten Bedenken des federführenden Rechtsausschusses, des Ausschusses für Frauen und Jugend und des Ausschusses für Familie und Senioren (BR-Drucks. 890/1/95) sowie der Länder Hessen und Schleswig-Holstein (BR-Drucks. 890/2/95), dass die vorgeschlagenen Regelungen keine entscheidende Verbesserung hinsichtlich der Vereinbarung von Beruf und Familie im Bereich des Notariats brächten, weil die Betroffenen das Bewerbungsverfahren neu durchlaufen müssten, hat der Gesetzgeber bei der Verabschiedung dieser Normen mit Ausnahme von redaktionellen Änderungen an der Entwurfsfassung festgehalten (vgl. auch Protokoll der 693. Sitzung des Bundesrats vom , Abschn. C, S. 39). Er hat damit bewusst in Kauf genommen, dass er das von ihm angestrebte Ziel, die Vereinbarung von Beruf und Familie auch im Notariat zu verbessern und den Notarinnen und Notaren die Möglichkeit zu verschaffen, sich familiären Aufgaben zu widmen, nur in beschränktem Umfang erreichen würde und sich von der - an sich als Leitbild ins Auge gefassten (vgl. BT-Drucks. 13/4184, S. 29) - Regelung über die Beurlaubung von Richtern und Beamten entfernen würde.

16dd) Bei dieser Sachlage kann § 48b BNotO entgegen der Auffassung der Klägerin auch nicht im Wege einer verfassungskonformen Auslegung ein Anspruch auf Wiederbestellung am bisherigen Amtssitz entnommen werden. Denn eine verfassungskonforme Auslegung kommt nur dann in Betracht, wenn eine Norm mehrere Auslegungen zulässt, die teils zu einem verfassungswidrigen, teils zu einem verfassungsmäßigen Ergebnis führen würden (BVerfG NJW 2001, 2160, 2161). Sie findet ihre Grenze dort, wo sie - wie im Streitfall - zu dem klar erkennbaren Willen des Gesetzgebers in Widerspruch treten würde (BVerfG, DNotZ 2005, 931, 935; NJW 2007, 2977, 2980; , NJW 2009, 2744 Rn. 28).

17c) Der Rechtsstreit war auch nicht gemäß Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG auszusetzen und eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Frage der Verfassungsmäßigkeit des § 48b BNotO einzuholen. Der erkennende Senat hält die Bestimmung nicht für verfassungswidrig. Sie verstößt insbesondere nicht gegen Art. 6 Abs. 1 GG oder Art. 3 Abs. 1 GG.

18aa) Als Freiheitsrecht verpflichtet Art. 6 Abs. 1 GG den Staat, Eingriffe in die Familie zu unterlassen. Darüber hinaus enthält die Bestimmung eine wertentscheidende Grundsatznorm, die für den Staat die Pflicht begründet, Ehe und Familie zu schützen und zu fördern (BVerfGE 87, 1, 35; 103, 242, 257 f.; BVerfG NVwZ-RR 2008, 723, 724). In diesem Zusammenhang folgt aus der Bestimmung auch eine gewisse Verpflichtung des Staates, die Kinderbetreuung in der jeweils von den Eltern gewählten Form in ihren tatsächlichen Voraussetzungen zu ermöglichen und zu fördern (BVerfGE 99, 216, 234; 121, 241, 263 f.; FamRZ 2011, 1209 Rn. 9). Der Staat hat grundsätzlich dafür Sorge zu tragen, dass es Eltern möglich ist, zeitweise auf eine eigene Erwerbstätigkeit zugunsten der persönlichen Betreuung ihrer Kinder zu verzichten (BVerfGE 99, 216, 234; 121, 241, 263 f.). Bei der Erfüllung dieser Schutzpflicht kommt dem Gesetzgeber aber ein Einschätzungs-, Wertungs- und Gestaltungsfreiraum zu, der auch Raum für die Berücksichtigung konkurrierender öffentlicher und privater Interessen lässt (vgl. BVerfGE 77, 170, 214 f.; 82, 60, 81; 85, 191, 212; BVerfG NVwZ-RR 2008, 723, 724). Durch die Schaffung des § 48c BNotO wurde die Möglichkeit der Eigenbetreuung von Kindern bereits in nicht unerheblichem Umfang gefördert. Auch wenn diese Regelung die Vereinbarkeit von Familie und Beruf in geringerem Umfang herstellt, als wünschenswert erscheinen mag, war der Gesetzgeber zu einer weitergehenden Förderung der Kindesbetreuung innerhalb der Familie verfassungsrechtlich nicht verpflichtet. Er durfte bei der Entscheidung, für welchen Zeitraum die Stelle eines sein Amt aus familiären Gründen niederlegenden Notars für diesen "freizuhalten" ist, vielmehr auch das Interesse der Bevölkerung an einer angemessenen Versorgung mit Notariaten und an einer kontinuierlichen Qualität der notariellen Amtsausübung durch qualifizierte Verwalter sowie das Interesse der Landesjustizverwaltung an Planungssicherheit berücksichtigen.

19bb) Eine Verletzung von Art. 3 Abs. 1 GG ist ebenfalls nicht ersichtlich. § 48b BNotO verstößt entgegen der Auffassung der Klägerin insbesondere nicht deshalb gegen Art. 3 Abs. 1 GG, weil die familiär bedingte vorübergehende Amtsniederlegung mit einem Verzicht auf die Möglichkeit der Einkünfteerzielung verbunden und das berufliche Einkommen, das die Klägerin bei Fortführung ihres Amtes hätte erzielen können, den übrigen Amtsinhabern zugeflossen sei. Diese hätten ihre Tätigkeit ungehindert ausüben können, weil sie nicht der Doppelbelastung durch Berufsausübung und Kindererziehung ausgesetzt gewesen seien. Denn der Umstand, dass die Klägerin während der Kindererziehungszeit kein Einkommen erzielt hat, ist darauf zurückzuführen, dass sie sich entschieden hat, ihr Amt (für mehr als ein Jahr) niederzulegen, und deshalb keine notariellen Leistungen erbracht hat. Hierin liegt keine verfassungswidrige Ungleichbehandlung im Verhältnis zu kinderlosen Amtsinhabern, die ihr Amt ausgeübt haben.

203. Das Oberlandesgericht hat auch zu Recht angenommen, dass die auf Ausschreibung einer Notarstelle im Amtsgerichtsbezirk U. und auf Besetzung der ausgeschriebenen Stelle mit der Klägerin gerichteten Hilfsanträge unzulässig sind, weil es an der erforderlichen Klagebefugnis der Klägerin fehlt.

21a) Soweit der Hilfsantrag auf die Ausschreibung einer neuen Notarstelle gerichtet ist, ist statthafte Klageart die allgemeine Leistungsklage. Die Verpflichtungsklage scheidet aus, da die von der Klägerin begehrte Errichtung und Ausschreibung einer neuen Notarstelle keine Verwaltungsakte, sondern verwaltungstechnische Vorbereitungsmaßnahmen ohne Regelungscharakter darstellen, die nicht auf unmittelbare Außenwirkung gerichtet sind (vgl. Senatsbeschlüsse vom - NotZ 31/97, DNotZ 1999, 251; vom - NotZ 24/02, DNotZ 2003, 782; vom - NotZ 30/05, DNotZ 2006, 384, jeweils mwN).

22b) Der Klägerin fehlt aber die - auch für die allgemeine Leistungsklage gemäß § 111b Abs. 1 Satz 1 BNotO, § 42 Abs. 2 VwGO analog erforderliche (vgl. Senatsbeschluss vom - NotZ 24/02, DNotZ 2003, 782; Sächsisches Oberverwaltungsgericht, Urteil vom - 3 A 224/10, zitiert nach Juris, Rn. 31; , zitiert nach Juris, Rn. 53 f.; Kopp/Schenke, VwGO, 17. Aufl., § 42 Rn. 62 mwN) - Klagebefugnis. Die unterlassene Ausschreibung einer Notarstelle im Amtsgerichtsbezirk U. vermag die Klägerin nicht in ihren Rechten zu verletzen.

23Die Ausschreibung von Notarstellen richtet sich gemäß § 4 BNotO an den Erfordernissen einer geordneten Rechtspflege aus, wobei das Bedürfnis nach einer angemessenen Versorgung der Rechtsuchenden mit notariellen Leistungen und die Wahrung einer geordneten Altersstruktur des Notarberufs zu berücksichtigen sind. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats steht der Verpflichtung der Justizverwaltung, ihr dadurch eröffnetes Ermessen fehlerfrei auszuüben, kein subjektives Recht von Bewerbern um eine Notarstelle gegenüber. Die Bedürfnisprüfung dient vielmehr ausschließlich dem Interesse der Allgemeinheit am Funktionieren der vorsorgenden Rechtspflege (z.B. Senatsbeschlüsse vom - NotZ 24/02, NJW 2003, 2458, 2459; vom - NotZ 10/97, NJW-RR 1998, 849, 850; vom - NotZ 46/94, NJW 1996, 123, 124; vom - NotZ 118/07, DNotZ 2008, 865). In die Freiheit der Berufswahl (Art. 12 Abs. 1 GG) wird dadurch nicht eingegriffen, denn diese besteht nur nach Maßgabe der vom Staat zur Verfügung gestellten Ämter (BVerfGE 73, 280, 292; Senatsbeschluss vom - NotZ 24/02, aaO; siehe auch BVerfGE 80, 257, 263). Bei der Bestimmung der Zahl und des Zuschnitts der auszuschreibenden Notarstellen (§ 4 BNotO) handelt die Landesjustizverwaltung in Ausübung dieser allein objektiven Interessen dienenden Organisationsgewalt (Senatsbeschlüsse vom - NotZ 34/05, BGHZ 165, 146, 149; vom - NotZ 24/02, aaO; vom - NotZ 118/07, aaO; vom - NotZ 42/07, DNotZ 2008, 311; vom - NotZ 4/10, DNotZ 2011, 391). Eine Leistungsklage auf Stellenausschreibung ist deshalb nach der Rechtsprechung des Senats grundsätzlich unzulässig (vgl. Senatsbeschlüsse vom - NotZ 10/03, NJW-RR 2004, 274; vom - NotZ 24/02, aaO).

24Dies gilt auch dann, wenn ein Notar sein Amt gemäß § 48b BNotO für mehr als ein Jahr niedergelegt hat. Wie oben ausgeführt ist sein Amt in diesem Fall gemäß § 47 Nr. 7 BNotO erloschen; seine Stelle wird - anders als im Fall des § 48c BNotO - nicht für ihn "freigehalten". Ob nach Ablauf der Pflege- bzw. Betreuungszeit eine neue Stelle auszuschreiben ist, beurteilt sich ausschließlich nach den Bedürfnissen einer geordneten Rechtspflege und ist der Organisationsgewalt des Staates vorbehalten.

254. Der auf Verpflichtung der Beklagten zur Besetzung einer im kommenden Jahr im Amtsgerichtsbezirk U. möglicherweise auszuschreibenden Notarstelle mit der Klägerin gerichtete Hilfsantrag ist unzulässig. Da noch nicht feststeht, ob diese Stelle tatsächlich ausgeschrieben werden wird, fehlt es jedenfalls an dem erforderlichen Rechtsschutzinteresse.

265. Der auf Verpflichtung der Beklagten zur Besetzung einer der im Landgerichtsbezirk L. ausgeschriebenen Notarstellen mit der Klägerin gerichtete Hilfsantrag ist zulässig. Er hat jedoch in der Sache keinen Erfolg. Wie unter Ziffer 2. ausgeführt, hat die Klägerin keinen Anspruch auf Übertragung einer Notarstelle, ohne zuvor ein Auswahlverfahren erfolgreich durchlaufen zu haben.

276. Die Kostenentscheidung beruht auf § 111b Abs. 1 Satz 1 BNotO, § 154 Abs. 2 VwGO.

Galke                                                   Wöstmann                                            von Pentz

                        Müller-Eising                                                  Frank

Fundstelle(n):
DNotZ 2012 S. 310 Nr. 4
NJW 2012 S. 531 Nr. 8
NJW 2012 S. 6 Nr. 3
HAAAD-98744