BAG Urteil v. - 3 AZR 669/09

Betriebsrentenanwartschaft - Neuberechnung

Gesetze: § 4a BetrAVG, § 2 BetrAVG, § 242 BGB, § 551 Abs 3 S 1 Nr 2 Buchst a ZPO

Instanzenzug: Az: 15 Ca 4227/07 Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht Nürnberg Az: 7 Sa 120/08 Urteil

Tatbestand

1Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, die Versorgungsanwartschaften der Klägerin auf der Basis ungezillmerter Versicherungstarife neu zu berechnen.

2Die Klägerin war vom bis zum bei der Beklagten als Leiterin Personalwesen tätig. Sie hatte mit ihrer früheren Arbeitgeberin eine Entgeltumwandlungsvereinbarung geschlossen. Die Arbeitgeberin hatte als Versicherungsnehmerin zugunsten der Klägerin bei der D-AG (künftig: D) eine Direktversicherung abgeschlossen. In diese Versicherung trat die Beklagte ein. Die Parteien vereinbarten am eine weitere Entgeltumwandlung hinsichtlich des Weihnachtsgeldes in Höhe von 1.200,00 DM. Dazu wurde eine Direktversicherung bei der D abgeschlossen. Im Januar 2004 und im März 2005 schlossen die Parteien vier weitere Entgeltumwandlungsverträge für eine über die N e.V. als Unterstützungskasse abzuwickelnde Altersversorgung. Die Leistungen aus diesen vier Vereinbarungen sind durch eine Rückdeckungsversicherung abgedeckt. Außerdem wurden unter dem 12. Januar und im Wege der Entgeltumwandlung Rentenverträge über „Metallrente“ bei der A AG abgeschlossen. Nach ihrem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis mit der Beklagten stellte die Klägerin die Versicherungen beitragsfrei.

3Sowohl der Direktversicherung bei der D, den Rückdeckungsversicherungen, an deren Bedingungen sich die entsprechenden Versorgungszusagen orientieren, als auch den Verträgen bei der A AG liegen gezillmerte Tarife zugrunde, so dass die vollen Provisions- und Abschlusskosten jeweils durch die ersten Beitragszahlungen beglichen wurden. Nach den der Klägerin aus Anlass ihres Ausscheidens gegebenen Auskünften lag deshalb der jeweilige Rückkaufswert der Versicherungen unter den gezahlten Beiträgen.

4Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, gezillmerte Tarife seien im Rahmen der betrieblichen Altersversorgung unzulässig. Ihr stünden daher gegen die Beklagte in der Höhe Versorgungsansprüche zu, als wären die Abschlusskosten der Verträge auf die gesamte Vertragslaufzeit verteilt. Deshalb sei die Beklagte zur Neuberechnung ihrer Versorgungsanwartschaften auf der Basis einer Verteilung der Abschlusskosten auf die gesamte Vertragslaufzeit verpflichtet.

Die Klägerin hat zuletzt beantragt:

6Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, ein Anspruch auf Neuberechnung bestehe nicht. Sie sei so lange berechtigt, von den von ihr für richtig gehaltenen Berechnungsgrundlagen auszugehen, bis gerichtlich etwas Gegenteiliges festgestellt worden sei.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die dagegen gerichtete Berufung zurückgewiesen. Mit ihrer Revision verfolgt die Klägerin die zuletzt gestellten Klageanträge weiter. Die Beklagte begehrt die Zurückweisung der Revision.

Gründe

8Die Revision ist zulässig, aber unbegründet.

9I. Gegen die Zulässigkeit der Revision bestehen keine Bedenken. Ihre Begründung entspricht den an eine Revisionsbegründung zu stellenden Anforderungen.

101. Nach § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a ZPO muss die Revisionsbegründung die Umstände bezeichnen, aus denen sich die Rechtsverletzung ergeben soll. Dazu hat sich die Revisionsbegründung mit den tragenden Gründen des Berufungsurteils auseinanderzusetzen und konkret die Gründe darzulegen, aus denen das angefochtene Urteil rechtsfehlerhaft sein soll (st. Rspr. des BAG, vgl. nur - 3 AZR 970/06 - Rn. 14, AP BGB § 242 Ruhegehalt - Pensionskassen Nr. 6). Allerdings kann von einem Rechtsmittelführer nicht mehr an Begründung erwartet werden, als sie die Vorinstanz selbst aufgewendet hat (vgl. für die Berufungsbegründung:  - Rn. 18, AP ZPO § 520 Nr. 2).

112. Das Landesarbeitsgericht hat einen Anspruch der Klägerin auf Auskunftserteilung mit der Begründung abgelehnt, die sich aus § 4a Abs. 1 BetrAVG ergebende Auskunftspflicht diene nicht dazu, Meinungsverschiedenheiten zwischen dem Versorgungsberechtigten und dem Arbeitgeber über den Inhalt der Versorgungszusage auszutragen. Eine andere Anspruchsgrundlage für die begehrte Auskunft bestehe nicht. Mit dieser Argumentation hat sich die Klägerin in der Revisionsbegründung zwar nicht auseinandergesetzt. Sie hat jedoch in der Revision ihren Anspruch erstmals auch auf § 2 BetrAVG gestützt. Dies hat sie zwar im Einzelnen nicht näher begründet. Im Hinblick darauf, dass das Landesarbeitsgericht diese Vorschrift nicht als mögliche Anspruchsgrundlage herangezogen hat, waren weitergehende Ausführungen der Klägerin zur Begründung ihrer Rechtsansicht jedoch nicht erforderlich.

12II. Die Revision ist unbegründet. Zu Recht haben die Vorinstanzen der Klage nicht stattgegeben. Die Klägerin verlangt die Neuberechnung ihrer Versorgungsanwartschaften nach dem von ihr für richtig gehaltenen Berechnungsweg in der Weise, dass die Anwartschaften unter Zugrundelegung ungezillmerter Versicherungsverträge berechnet, also die Abschlusskosten für die Versicherungen auf die gesamte Vertragslaufzeit verteilt werden. Alleiniges Ziel des Klagebegehrens ist deshalb die Erteilung einer Auskunft in Form der Neuberechnung der Versorgungsanwartschaften. Auf eine derartige Auskunft hat die Klägerin keinen Anspruch.

131. Der Anspruch folgt nicht aus § 4a BetrAVG.

14Nach § 4a Abs. 1 Nr. 1 BetrAVG hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer bei einem berechtigten Interesse auf dessen Verlangen schriftlich mitzuteilen, in welcher Höhe aus der bisher erworbenen unverfallbaren Anwartschaft bei Erreichen der in der Versorgungsregelung vorgesehenen Altersgrenze ein Anspruch auf Altersversorgung besteht. Diese Bestimmung wurde mit Wirkung vom durch das Alterseinkünftegesetz vom (BGBl. I S. 1427, Art. 8 Nr. 3 und Nr. 6, Art. 18) anstelle des früheren, nahezu inhaltsgleichen § 2 Abs. 6 BetrAVG in das Gesetz eingefügt. Sie begründet ebenso wenig wie die Vorgängerregelung einen Anspruch auf Neuberechnung mit dem Ziel der Klärung von Streitfragen bei der Berechnung einer Versorgungsanwartschaft.

15Die Auskunft nach § 4a Abs. 1 Nr. 1 BetrAVG ist weder ein abstraktes noch ein deklaratorisches Schuldanerkenntnis. Vielmehr handelt es sich um eine Wissenserklärung, die dem Arbeitnehmer Klarheit über die Höhe der zu erwartenden Betriebsrente verschaffen soll ( - EzA BetrAVG § 2 Nr. 20). Entsprechend ihrem Zweck muss die Auskunft so ausgestaltet sein, dass der Arbeitnehmer sie überprüfen kann. Die Bemessungsgrundlagen und der Rechenweg sind so genau zu bezeichnen, dass der Arbeitnehmer die Berechnung nachvollziehen kann ( - zu III 2 a der Gründe, BAGE 87, 250). Die Auskunft dient nicht dazu, einen Streit über den Inhalt des Versorgungsanspruchs zu beseitigen. Sie soll lediglich Meinungsverschiedenheiten über die Berechnungsgrundlagen aufdecken und dem Arbeitnehmer Gelegenheit geben, derartige Streitigkeiten noch vor dem Eintritt des Versorgungsfalls durch eine Klage auf Feststellung des Inhalts und der Höhe der Versorgungsanwartschaft zu bereinigen. Eine Klage auf Erteilung einer anderen Auskunft ist dazu nicht geeignet ( - zu III 2 b der Gründe, aaO). Der Arbeitgeber ist nicht an den Inhalt der Auskunft gebunden. Eine unrichtige Auskunft kann ihn allenfalls zum Schadensersatz verpflichten ( - AP BetrAVG § 2 Nr. 3 = EzA BetrAVG § 2 Nr. 4). Daher kann der Arbeitgeber bei der Erteilung der Auskunft so lange von den seiner Ansicht nach geltenden Berechnungsgrundlagen ausgehen, bis die Geltung anderweitiger Bestimmungen rechtskräftig festgestellt ist oder über sie zwischen den Parteien Einigkeit erzielt wurde. Bei Streitigkeiten über die Höhe der Verpflichtung ist der Arbeitnehmer gehalten, solange der Versorgungsfall noch nicht eingetreten ist, im Wege der Feststellungsklage seine Rechte zu verfolgen ( - zu III 2 der Gründe, aaO).

162. Der Anspruch folgt auch nicht aus § 2 BetrAVG. Diese Bestimmung regelt nur die Höhe der gesetzlich unverfallbaren Versorgungsanwartschaft eines vorzeitig aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschiedenen Arbeitnehmers. Aus dieser Vorschrift ergibt sich kein Anspruch auf Auskunft.

173. Schließlich folgt der Anspruch nicht aus Treu und Glauben (§ 242 BGB). Dabei kann dahingestellt bleiben, inwieweit ein Rückgriff auf diese Grundsätze im Hinblick auf den gesetzlich ausdrücklich geregelten Auskunftsanspruch in § 4a Abs. 1 Nr. 1 BetrAVG noch in Betracht kommt. Jedenfalls verlangen Treu und Glauben nicht, eine Vertragspartei zu verpflichten, vor der endgültigen Klärung der zutreffenden Berechnungsgrundlagen eine unter Umständen komplizierte Neuberechnung der Versorgungsanwartschaft vorzunehmen. Dazu kann sie nach Treu und Glauben allenfalls dann verpflichtet sein, wenn die Berechnungsgrundlagen endgültig geklärt sind.

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Fundstelle(n):
DB 2012 S. 527 Nr. 9
GAAAD-98698