Verhängung einer Jugendstrafe: Anforderungen an die Beurteilung der Schwere der Schuld
Gesetze: § 17 Abs 2 Alt 2 JGG, § 18 Abs 2 JGG, § 27 StGB
Instanzenzug: LG Hildesheim Az: 14 KLs 5 Js 31461/10
Gründe
1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Beihilfe zur schweren räuberischen Erpressung zu der Jugendstrafe von zehn Monaten verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Die hiergegen gerichtete, auf eine Beanstandung des Verfahrens und die Sachbeschwerde gestützte Revision des Angeklagten hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg.
2Die erhobene Verfahrensrüge greift aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts nicht durch; die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Sachrüge hat zum Schuldspruch keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten erbracht. Der Strafausspruch hat indes keinen Bestand.
3Die Verhängung der Jugendstrafe wegen der Schwere der Schuld hält der Nachprüfung nicht stand. Die Kammer stützt ihre Bewertung maßgeblich darauf, dass der Angeklagte sich an einer schweren Straftat, einem Verbrechen (§ 250 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b StGB), beteiligt hat und der Strafrahmen nach Erwachsenenstrafrecht sechs Monate bis zu elf Jahren und drei Monaten wäre. Bei der Beurteilung der Schuldschwere im Sinne von § 17 Abs. 2 2. Alt. JGG kommt jedoch dem äußeren Unrechtsgehalt der Tat und ihrer Einstufung im Strafgesetzbuch als Verbrechen keine selbständige Bedeutung zu. Entscheidend ist vielmehr, inwieweit sich die charakterliche Haltung und die Persönlichkeit sowie die Tatmotivation des Jugendlichen oder Heranwachsenden in vorwerfbarer Schuld niedergeschlagen haben. Der äußere Unrechtsgehalt der Tat ist nur insofern von Belang, als aus ihm Schlüsse auf die Persönlichkeit des Täters und die Höhe der Schuld gezogen werden können (vgl. , NStZ 2010, 281 mwN). Diese ermisst sich aus dem Gewicht der Tat und der persönlichkeitsbegründenden Beziehung des Täters zu dieser. Dabei ist bei einer Teilnahme vorrangig auf die Schuld des Teilnehmers abzustellen (vgl. , wistra 2000, 463). Nähere Ausführungen zu alledem enthält das Urteil nicht. Die Jugendkammer bemerkt lediglich, dass selbst seine untergeordnete Tatbeteiligung das Gewicht seiner Tat und die Beziehung des Angeklagten zu dieser Tat nicht derart zu verändern vermöge, dass hier die Schwere der Schuld entfiele. Diese Annahme hätte angesichts der Gehilfenstellung des Angeklagten und seiner unbedeutenden Tatbeteiligung näher begründet werden müssen. Das Fehlen einer solchen Begründung lässt besorgen, dass die Jugendkammer maßgeblich vom äußeren Unrechtsgehalt der Haupttat - einem Überfall auf eine Spielothek - auf die Schwere der Schuld des als Gehilfen beteiligten Angeklagten im Sinne von § 17 Abs. 2 2. Alt. JGG geschlossen hat.
4Auch die konkrete Strafzumessung begegnet rechtlichen Bedenken. Die Jugendkammer hat zwar ausgeführt, dass sie sich bei der Bemessung der Höhe der Jugendstrafe vorrangig am Erziehungszweck orientiert habe (§ 18 Abs. 2 JGG). Dies ist aus den Urteilsgründen indes nicht erkennbar. Den für die Frage des Erziehungsbedarfs bedeutsamen Umständen, dass bei dem Angeklagten "zwischenzeitlich ein Umdenken stattgefunden hat" und "er einer ordentlichen Schulausbildung entgegenstrebt", hat das Landgericht im Rahmen der Strafzumessung allein gegenübergestellt, dass gegen ihn Anfang Mai 2008, also rund zweieinhalb Jahre vor Begehung der gegenständlichen Tat und drei Jahre vor dem Erlass des angefochtenen Urteils, wegen gefährlicher Körperverletzung in zwei Fällen ein Freizeitjugendarrest verhängt und vollstreckt wurde. Dies entspricht einer Abwägung wie sie im Erwachsenenstrafrecht maßgeblich ist. Auch im Übrigen finden sich in den Urteilsgründen keine Hinweise darauf, dass die Jugendkammer bei der Bemessung der Jugendstrafe den Vorrang des Erziehungszwecks ausreichend beachtet hat. Dem steht nicht entgegen, dass das Landgericht am Ende seiner Strafzumessung festgestellt hat, die zugemessene Jugendstrafe sei "für die erzieherische Einwirkung auf den Angeklagten mindestens notwendig". Diese lediglich formelhafte Erwähnung des Erziehungsgedankens genügt hier den Anforderungen nicht (vgl. , StV 1993, 531). Angesichts all dieser Umstände kann der Senat nicht ausschließen, dass das Landgericht bei der Bemessung der Jugendstrafe den Erziehungsgedanken tatsächlich nicht vorrangig berücksichtigt hat.
5Der Strafausspruch bedarf daher neuer Verhandlung und Entscheidung.
Becker von Lienen Hubert
Schäfer Menges
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IAAAD-98239