BGH Beschluss v. - 3 StR 310/11

Gefährliche Körperverletzung: Anforderungen an den Gehilfenvorsatz

Gesetze: § 27 StGB, § 224 Abs 1 Nr 2 StGB, § 224 Abs 1 Nr 4 StGB

Instanzenzug: Az: 3 KLs 22/10 - 51 Js 4481/10

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten D.   wegen "schwerer räuberischer Erpressung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung" zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und elf Monaten verurteilt. Gegen die Angeklagte L.   hat es wegen "Beihilfe zur schweren räuberischen Erpressung in Tateinheit mit Beihilfe zur gefährlichen Körperverletzung" auf eine Freiheitsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten erkannt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat. Dagegen richten sich die auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Revisionen der Angeklagten.

21. Die Revision der Angeklagten L.     hat Erfolg.

3a) Nach den Feststellungen übersandte die Angeklagte in den frühen Morgenstunden des ihrem Bekannten G.   verschiedene Kurznachrichten auf sein Mobiltelefon, in denen sie ihn veranlasste, zu ihrer Wohnung zu kommen. Hintergrund waren Mutmaßungen, G.   habe einen Amphetaminvorrat des nichtrevidierenden Mitangeklagten K.   aus der Wohnung weggenommen.

4Nach dem Eintreffen des G.   kam es zu einer Auseinandersetzung zwischen K.   und G.   , in deren Verlauf K.   den G.   beschuldigte, das Amphetamin gestohlen zu haben. K.   verlangte eine "Entschädigung" von 1.000 €. Um dieser - von ihnen erkannt tatsächlich nicht bestehenden - Forderung Nachdruck zu verleihen, schlugen und traten K.   und der Angeklagte D.   den G.   . D.   stach dem G.       mit einem Küchenmesser in den rechten Oberschenkel. Anschließend äußerte die Angeklagte mehrfach: "Komm, rück die Kohle schon raus", wobei sie wollte, dass G.     - durch die körperlichen Misshandlungen, insbesondere den Messerstich, eingeschüchtert - eine "Entschädigung" zahle. Aus Angst vor weiteren Misshandlungen überließ G.   dem K.   den Kraftfahrzeugbrief und die Schlüssel zu seinem Pkw.

5Zum Gehilfenvorsatz hat das Landgericht festgestellt, die Angeklagte habe bei Versendung der Kurznachrichten gegen den G.     "bzw. gegen dessen körperliche Integrität und Vermögen" gerichtete vorsätzliche Haupttaten "der beiden im Vorfeld schon 'aufgestachelten'" K.    und D.      "konkret und nicht nur allgemein für möglich" gehalten. Dabei habe sie "einen entsprechenden Tatvorsatz bei den beiden bzw. dessen Förderung durch ihre Mitwirkung billigend in Kauf" genommen. Einen gemeinsamen Tatplan sämtlicher Angeklagter zu einer körperlichen Misshandlung des G.     oder einen Entschluss, von ihm eine "Entschädigung" für das nicht auffindbare Amphetamin zu fordern, habe es zu diesem Zeitpunkt allerdings noch nicht gegeben. Bei der Strafzumessung hat das Landgericht zugunsten sämtlicher Angeklagter - auch der Angeklagten L.    - berücksichtigt, dass "die Tat nicht von vornherein geplant war, die 'Klärung' der Situation vielmehr spontan entglitten ist".

6b) Diese Feststellungen tragen den Schuldspruch wegen Beihilfe (auch) zur gefährlichen Körperverletzung nicht.

7aa) Soweit das Landgericht die Verurteilung wegen Beihilfe zur gefährlichen Körperverletzung auf die Übersendung von Kurznachrichten in den frühen Morgenstunden des gestützt hat, ergeben seine widersprüchlichen Feststellungen einen Gehilfenvorsatz nicht.

8Zwar kann Beihilfe schon vor der Entschließung des Haupttäters zur Tat geleistet werden (, BGHSt 2, 344, 345 f.; LK/Schünemann, StGB, 12. Aufl., § 27 Rn. 38 a.E.). Auch genügt in subjektiver Hinsicht für eine Strafbarkeit als Gehilfe bedingter Vorsatz, d.h. der Gehilfe muss seinen eigenen Tatbeitrag sowie die wesentlichen Merkmale der Haupttat, insbesondere deren Unrechts- und Angriffsrichtung, zumindest für möglich halten und billigen. Einzelheiten der Haupttat braucht der Gehilfe hingegen nicht zu kennen und auch keine bestimmte Vorstellung von ihr zu haben (, NStZ 2011, 399, 400 mwN).

9Hier sprechen indessen die Ausführungen des Landgerichts zu einem spontanen Entgleiten der Situation gegen ein billigendes Fürmöglichhalten der Haupttaten zum Nachteil des G.     bei der Versendung der Kurznachrichten. Jedenfalls lassen die gegensätzlichen Feststellungen keinen sicheren Schluss auf den Gehilfenvorsatz der Angeklagten zu.

10bb) Beihilfe zur gefährlichen Körperverletzung konnte die Angeklagte durch ihre Äußerungen in ihrer Wohnung nicht mehr leisten.

11Nach den Feststellungen war die gefährliche Körperverletzung in beiden vom Landgericht ausgeurteilten Varianten (§ 224 Abs. 1 Nr. 2 und 4 StGB) beendet, als sich die Angeklagte mit der Aufforderung, G.     solle "die Kohle herausrücken", in das Geschehen einschaltete. Für das, was schon vollständig abgeschlossen ist, vermag das nachträgliche Einverständnis die strafrechtliche Verantwortlichkeit aber nicht mehr zu begründen (, BGHSt 2, 344, 346 f.; Beschluss vom - 2 StR 606/93, BGHR StGB § 46 Abs. 2 Beihilfe 1). Da die Gewaltanwendung mit der Körperverletzung bereits abgeschlossen war, konnte die Angeklagte mithin nur noch Beihilfe zur besonders schweren räuberischen Erpressung, aber nicht mehr zur gefährlichen Körperverletzung leisten (vgl. LK/Schünemann, StGB, 12. Aufl., § 27 Rn. 43 a.E.).

12c) Für die neue Hauptverhandlung gegen die Angeklagte weist der Senat darauf hin, dass die Strafbarkeit wegen Beihilfe gemäß § 27 StGB zwar nicht voraussetzt, dass die auf Unterstützung des Haupttäters gerichtete Handlung des Gehilfen sich auf die Begehung der Haupttat im Sinne der Bedingungstheorie kausal auswirkt. Ausreichend ist vielmehr, dass sie die Haupttat zu irgendeinem Zeitpunkt zwischen Versuchsbeginn und Beendigung erleichtert oder fördert (, BGHSt 46, 107, 109; Urteil vom - 2 StR 535/07, NStZ 2008, 284). Eine solche Erleichterung oder Förderung der besonders schweren räuberischen Erpressung vermittels der Äußerungen der Angeklagten in ihrer Wohnung bedarf indessen einer ausdrücklichen Feststellung.

132. Die Revision des Angeklagten D.    ist unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO). Die unterlassene Anordnung nach § 64 StGB ist aufgrund der wirksamen Ausnahme vom Revisionsangriff nicht mehr Gegenstand der revisionsgerichtlichen Überprüfung (, BGHSt 38, 362 ff.). Allerdings hat der gegenüber § 250 Abs. 1 StGB erhöhte Unrechtsgehalt der vom Angeklagten verwirklichten Qualifikation des § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB in der Urteilsformel zum Ausdruck zu kommen ( mwN). Der Senat hat den Urteilstenor deshalb entsprechend § 354 Abs. 1 StPO ergänzt.

Becker                               von Lienen                                  Schäfer

                    Mayer                                     Menges

Fundstelle(n):
DAAAD-97234