Vererbbarkeit von Verlusten; Auswirkungen des Beschlusses des Großen Senats des ; BStBl 2008 II S. 608) auf den Verlustausgleich; Übertragbarkeit des Beschlusses auf andere Verrechnungskreise
Der Große Senat des (a. a. O.) entschieden, dass der Erbe einen vom Erblasser nicht ausgenutzten Verlustabzug (Verlustvortrag nach § 10d EStG) nicht bei seiner eigenen Einkommensteuerveranlagung geltend machen kann.
In Ergänzung der (BStBl 2008 I S. 809) und vom (BStBl 2004 I S. 1097) zur Anwendung des o. g. Beschlusses gelten die nachfolgenden Ausführungen:
I. Verlustausgleich/-abzug
1. Grundsatz
1 Im Todeszeitpunkt nicht aufgezehrte Verluste des Erblassers können im Todesjahr nur in den Verlustausgleich nach § 2 Abs. 3 EStG und unter Beachtung der Mindestbesteuerung nach § 10d EStG bei der Veranlagung des Erblassers einfließen (Ausgleich mit positiven Einkünften des Erblassers). Sie können grundsätzlich nicht im Rahmen des Verlustausgleichs und -abzugs bei der Veranlagung des Erben berücksichtigt werden. Die einzelne natürliche Person ist das Zurechnungssubjekt der von ihr erzielten Einkünfte (§ 2 Abs. 1 EStG), so dass die persönliche Steuerpflicht auf die Lebenszeit einer Person beschränkt ist und mit dem Tod endet.
2. Verlustausgleich und Verlustabzug bei Ehegatten
2 Ehegatten können im Todeszeitpunkt noch nicht ausgeglichene Verluste des Erblassers bei der Veranlagung für das Todesjahr im Rahmen der Zusammenveranlagung (§§ 26, 26b EStG) mit positiven Einkünften des überlebenden Ehegatten ausgleichen.
Werden die Ehegatten für das Todesjahr zusammen veranlagt und erfolgte für das Vorjahr ebenfalls eine Zusammenveranlagung, ist ein Rücktrag des nicht ausgeglichenen Verlusts des Erblassers in das Vorjahr möglich. Werden die Ehegatten für das Todesjahr zusammen veranlagt und erfolgte für das Vorjahr eine getrennte Veranlagung, ist ein Rücktrag des noch nicht ausgeglichenen Verlusts des Erblassers nur bei der getrennten Veranlagung des Erblassers zu berücksichtigen (§ 62d Abs. 1 EStDV).
Werden die Ehegatten für das Todesjahr getrennt veranlagt und erfolgte für das Vorjahr eine Zusammenveranlagung, ist ein Rücktrag des nicht ausgeglichenen Verlusts des Erblassers in das Vorjahr möglich (§ 62d Abs. 2 Satz 1 EStDV). Werden die Ehegatten für das Todesjahr getrennt veranlagt und erfolgte auch für das Vorjahr eine getrennte Veranlagung, ist ein Rücktrag des noch nicht ausgeglichenen Verlusts des Erblassers nur bei der getrennten Veranlagung des Erblassers zu berücksichtigen.
Für den überlebenden Ehegatten sind für die Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags auf den Schluss des Todesjahres des Erblassers und die Anwendung der sog. Mindestbesteuerung nach § 10d Abs. 2 EStG in den Folgejahren allein die auf den überlebenden Ehegatten entfallenden nicht ausgeglichenen negativen Einkünfte maßgeblich.
II. Anwendung bei besonderen Verlustverrechnungskreisen
3 Der Beschluss des Großen Senats zum Verlustabzug nach § 10d EStG in Erbfällen hat auch Auswirkungen auf die gesonderten Verlustverrechnungskreise des Einkommensteuergesetzes. Diese sind in der nachfolgenden tabellarischen Übersicht zusammengefasst dargestellt:
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Verlustverrechnungskreis | Anwendbarkeit
der Grundsätze des BFH-Beschlusses (Ausschluss der Vererbbarkeit von Verlusten
bzw. Hinzurechnungspotential) | |||
JA | NEIN | ANMERKUNGEN | ||
X | Siehe
Rn. 4 | |||
§ 2a
Absatz 3 EStG a. F. oder
§ 2 AuslInvG | X | Siehe
Rn. 5 und 6 | ||
X | Siehe
Rn. 8; Ausnahme: Aufgabe oder Veräußerung des verlustbehafteten Betriebs, Mit-unternehmeranteils oder Teilbetriebs bereits vor dem Erbfall | |||
X | Siehe
Rn. 8 | |||
X | Siehe
Rn. 9 | |||
X | Siehe
Rn. 9 | |||
X | Siehe
Rn. 10; ab VZ 2009 | |||
§ 22
Nummer 2 i. V. m. § 23 Absatz 3
Satz 7
bis
10 EStG | X | Siehe
Rn. 11; Ausnahme: Eintritt des Erbfalls vor verlustbehafteter Veräußerung | ||
X | Siehe Rn. 12 |
1. Negative ausländische Einkünfte nach § 2a Abs. 1 EStG
4 Die Grundsätze des Beschlusses des Großen Senats zur Nichtvererblichkeit von Verlusten nach § 10d EStG sind auch auf die Regelungen des § 2a Abs. 1 EStG anzuwenden, da diese wie § 10d EStG an das Prinzip der individuellen Leistungsfähigkeit anknüpfen und insoweit vergleichbar sind. Eine Differenzierung der einzelnen, in § 2a Abs. 1 EStG genannten Tatbestände kommt nicht in Betracht.
2. Hinzurechnung zuvor abgezogener ausländischer Betriebsstättenverluste nach § 2a Abs. 3 EStG a. F. oder § 2 AusllnvG
a) § 2a Abs. 3 EStG a. F.
5 Beim Erben hingegen ist gemäß § 2a Abs. 3 EStG a. F. eine Hinzurechnung der vom Erblasser erzielten Verluste vorzunehmen (Nachversteuerungsregelung). Denn bei § 2a Abs. 3 EStG a. F. handelt es sich um eine Nachversteuerungsregelung, die einen anderen Rechtscharakter als § 10d EStG hat. Dieser kommt daher eine Sonderstellung bei den Verlustverrechnungsvorschriften zu.
b) § 2 AusllnvG
6 Dem entsprechend ist auch nach § 2 AusllnvG – der Vorgängervorschrift von § 2a Abs. 3 EStG a. F. – eine Hinzurechnung der vom Erblasser erzielten Verluste beim Erben vorzunehmen.
3. Verluste bestimmter Einkunftsarten und Quellen, § 15 Abs. 4, §§ 15a und 15b EStG
7 Die Grundsätze der o. g. Entscheidung des Großen Senats sind nicht auf andere Vorschriften übertragbar, wenn der Verlust einer bestimmten Einkunftsquelle zuzuordnen ist. Daher ist in derartigen Fällen eine Verlustübertragung zwischen Erblasser und Erben weiterhin möglich.
Im Einzelnen gilt:
a) § 15 Abs. 4 EStG
8 In den Fällen, in denen ein Betrieb, Mitunternehmeranteil oder Teilbetrieb nach § 6 Abs. 3 EStG auf den Erben übergeht, geht auch ein nach § 15 Abs. 4 Satz 1 und 2 EStG (Verluste aus gewerblicher Tierzucht oder gewerblicher Tierhaltung) festgestellter Verlust auf den Erben über.
In Fällen, in denen der Betrieb, Mitunternehmeranteil oder Teilbetrieb jedoch bereits durch den Erblasser zu Lebzeiten aufgegeben oder veräußert wurde und in den Fällen des § 15 Abs. 4 Satz 3 bis 5 EStG (Verluste aus Termingeschäften) gehen die verrechenbar festgestellten Verluste nicht auf den Erben über. Es ist kein Betrieb, Mitunternehmeranteil oder Teilbetrieb mehr vorhanden, mit dem der Verlust untrennbar verknüpft werden kann.
b) § 15a und § 15b EStG
9 Die Grundsätze der o. g. Entscheidung des Großen Senats sind auf Verluste, die nach § 15a und § 15b EStG verrechenbar sind, aufgrund der Quellenbezogenheit nicht übertragbar. Diese Verluste gehen daher weiterhin auf den Erben über.
c) Verluste aus Kapitalvermögen nach § 20 Abs. 6 EStG/Verlustverrechnung nach § 43a Abs. 3 EStG (ab Veranlagungszeitraum 2009)
10 Die Grundsätze der o. g. Entscheidung des Großen Senats sind auf Verluste, die nach § 20 Abs. 6 EStG bzw. § 43a Abs. 3 EStG verrechenbar sind, übertragbar.
d) Private Veräußerungsgeschäfte nach § 22 Nummer 2 i. V. m. § 23 Abs. 3 Satz 7 bis 10 EStG
11 Die Grundsätze der o. g. Entscheidung des Großen Senats sind auf Verluste, die nach § 22 Nummer 2 i. V. m. § 23 Abs. 3 Satz 7 bis 10 EStG verrechenbar sind, übertragbar. Die vor dem Erbfall entstandenen Verluste aus privaten Veräußerungsgeschäften nach § 23 Abs. 3 EStG sind nicht vererblich.
Anders ist aber der Fall zu beurteilen, in dem der Erbfall nach dem Anschaffungsvorgang und vor dem Veräußerungsgeschäft i. S. d. § 23 EStG eintritt. Wird der Tatbestand der verlustbehafteten Veräußerung erst durch den Erben verwirklicht, ist dem Erben der nach dem Erbfall tatsächlich realisierte Verlust zuzurechnen. Mit dem Erbvorgang wird der Erbe Gesamtrechtsnachfolger und tritt in die Rechtsstellung des Erwerbers ein.
e) Einkünfte aus sonstigen Leistungen nach § 22 Nummer 3 Satz 4 bis 6 EStG
12 Die Grundsätze der o. g. Entscheidung des Großen Senats sind auf Verluste, die nach § 22 Nummer 3 Satz 4 bis 6 EStG verrechenbar sind, übertragbar.
III. Auswirkungen auf den Schuldzinsenabzug nach § 4 Abs. 4a EStG
13 In Bezug auf die Anwendung des § 4 Abs. 4a EStG gelten die Grundsätze des § 6 Abs. 3 EStG entsprechend. Die Grundsätze des Beschlusses sind damit hierauf nicht übertragbar.
IV. Spendenvortrag nach § 10b Absatz 1 Satz 9 und 10 EStG
14 Die Grundsätze der o. g. Entscheidung des Großen Senats sind auf den Spendenvortrag nach § 10b Absatz 1 Satz 9 und 10 EStG übertragbar (, BFH/NV 2009 S. 375). Dies bedeutet, dass im Todesfall des Spenders ein nicht ausgenutztes Spendenvolumen nicht auf den Erben übergeht. Der Bundesfinanzhof ließ es bereits vor Ergehen des Beschlusses des Großen Senats nicht zu, dass ein vom Erblasser nicht aufgebrauchter Spendenvortrag vom Erben fortgeführt werden kann. Die Vererblichkeit ist in diesen Fällen nicht gegeben, unabhängig davon, zu welchem Zeitpunkt der Erbfall eingetreten ist (bis zum Ablauf des oder nach dem ).
V. Anwendungsregelung
15 Diese Verfügung ist in allen offenen Fällen anzuwenden, soweit der Erbfall nach dem (Tag der Veröffentlichung des o. a. Beschlusses des Großen Senats des Bundesfinanzhofs im Bundessteuerblatt) eingetreten ist.
Die Ausführungen in Karte 1.2 zu § 10d EStG sind weiterhin auf alle Erbfälle anzuwenden, die bis zum Ablauf des eingetreten sind (vgl. auch H 10d, Verlustabzug im Erbfall” EStH 2010).
Der Bundesfinanzhof hat mit BStBl 2011 II S. 826 entschieden, dass es ernstlich zweifelhaft ist, ob die sog. Mindestgewinnbesteuerung gem. § 10d Abs. 2 S. 1 EStG 2002 n. F. verfassungsrechtlichen Anforderungen auch dann standhält, wenn eine Verlustverrechnung in späteren Veranlagungszeiträumen aus rechtlichen Gründen (hier: nach § 8c KStG) endgültig ausgeschlossen ist.
Zur Frage der Gewährung einer Aussetzung der Vollziehung wird auf das hierzu ergangene , BStBl 2011 I S. 974 verwiesen.
Bayerisches Landesamt für
Steuern v. - S 2225.2.1-7/7
St32
Fundstelle(n):
ESt-Kartei
BY § 10d
EStG Karte 1.3 - 86/2011 -
PAAAD-96929