BGH Urteil v. - XI ZR 368/09

Insolvenzanfechtung: Konkludente Genehmigung von Lastschriftbuchungen

Leitsatz

1. Zur Frage der konkludenten Genehmigung von Einzugsermächtigungslastschriften bei vereinbarter Führung des Kontos auf Guthabenbasis .

2. Zum Einwand der Vorsatzanfechtung bei Genehmigung von Einzugsermächtigungslastschriften .

Gesetze: § 684 S 2 BGB, § 133 Abs 1 InsO

Instanzenzug: LG Paderborn Az: 5 S 47/09 Urteilvorgehend AG Lippstadt Az: 6 C 119/08

Tatbestand

1Der Kläger begehrt als Insolvenzverwalter über das Vermögen der P.                      GmbH (im Folgenden: Schuldnerin) von der beklagten Bank die Auszahlung von Beträgen, die zwischen dem 3. April und dem im Wege des Einzugsermächtigungsverfahrens von dem Girokonto der Schuldnerin abgebucht worden sind.

2Die Schuldnerin unterhielt bei der Beklagten ein Girokonto, das vereinbarungsgemäß auf Guthabenbasis geführt werden sollte. Der Schuldnerin wurden jeweils am Ende eines Quartals Rechnungsabschlüsse erteilt. Nach den für diesen Girovertrag geltenden damaligen Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten (im Folgenden: AGB) galt eine Lastschrift als genehmigt, wenn der Kunde nicht innerhalb von sechs Wochen nach Zugang eines Rechnungsabschlusses Widerspruch erhoben hatte.

3Die Beklagte belastete das Girokonto der Schuldnerin im Zeitraum vom 3. April bis zum in Höhe von insgesamt 4.310,31 € aufgrund von 15 Lastschriften, denen in 12 Fällen Dauerschuldverhältnisse zugrunde lagen. Mit Beschluss vom wurde der Kläger zum vorläufigen Insolvenzverwalter mit Zustimmungsvorbehalt über das Vermögen der Schuldnerin bestellt. Er versagte im Schreiben vom sämtlichen seit dem gebuchten Lastschriften die Genehmigung und forderte die Beklagte auf, das sich aus dem Widerruf ergebende Guthaben an die Insolvenzmasse auszuzahlen. Am wurde das Insolvenzverfahren eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt.

4Das Amtsgericht hat der auf Zahlung von 4.310,21 € nebst Zinsen gerichteten Klage stattgegeben. Die Berufung der Beklagten ist erfolglos geblieben. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.

Gründe

5Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I.

6Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:

7Der Kläger habe am den streitigen Lastschriftbuchungen wirksam widersprochen. Diese seien nicht zuvor von der Schuldnerin konkludent genehmigt worden. In der Fortsetzung der verkehrsüblichen Kontonutzung durch die Schuldnerin könne keine konkludente Genehmigung der Lastschriftbuchungen gesehen werden. Auch aus dem bloßen Schweigen des Bankkunden sei keine konkludente Genehmigung von Buchungen zu folgern. Dem Bankkunden müsse der Widerspruch trotz gleichzeitiger Nutzung des Kontos offen stehen, da ansonsten die durch die AGB eingeräumte Widerspruchsfrist praktisch erheblich verkürzt werde. Der Widerruf des Klägers sei auch nicht deshalb unbeachtlich, weil er keine sachlichen Gründe gegen die einzelnen Lastschriften vorgebracht habe.

II.

8Dies hält rechtlicher Überprüfung nicht stand. Die Feststellungen des Berufungsgerichts zum Fehlen einer konkludenten Genehmigung der Lastschriftbuchungen durch die Schuldnerin sind nicht rechtsfehlerfrei, sodass ungeklärt ist, ob der Lastschriftenwiderruf des Klägers wirksam war.

91. Rechtsfehlerfrei ist das Berufungsgericht allerdings davon ausgegangen, dass ein vorläufiger Insolvenzverwalter mit Zustimmungsvorbehalt in der Lage ist, eine Genehmigung der Lastschrift durch den Schuldner und den Eintritt der Genehmigungsfiktion zu verhindern, indem er - wie der Kläger am - solchen Belastungsbuchungen widerspricht (siehe , BGHZ 186, 269 Rn. 11, vom - XI ZR 370/08, WM 2011, 63 Rn. 13 und vom - XI ZR 171/09, WM 2011, 454 Rn. 11; jeweils mwN). Ein Widerruf des Insolvenzverwalters bleibt jedoch wirkungslos, soweit zuvor Lastschriftbuchungen von dem Lastschriftschuldner genehmigt worden sind (, BGHZ 186, 269 Rn. 41 und vom - XI ZR 261/09, WM 2011, 688 Rn. 11).

102. Keinen Bestand hat hingegen die Feststellung des Berufungsgerichts, die Schuldnerin habe die streitbefangenen Lastschriften nicht durch schlüssiges Verhalten genehmigt.

11a) Zwar trifft es zu, dass die kontoführende Bank der weiteren Nutzung eines Girokontos als solcher nicht entnehmen kann, der Kontoinhaber billige vorausgehende Lastschriften und den um die früheren Lastschriftbuchungen geminderten Kontostand (vgl. , BGHZ 186, 269 Rn. 45, 47, vom - XI ZR 562/07, WM 2010, 2307 Rn. 19 und vom - XI ZR 370/08, WM 2011, 63 Rn. 17).

12b) Jedoch schöpft das Berufungsgericht damit den ihm von den Parteien zur Frage einer konkludenten Genehmigung von Lastschriftbuchungen unterbreiteten Sachverhalt nicht aus. Feststellungen zu einer konkludent erklärten Genehmigung sind zwar als Ergebnis tatrichterlicher Auslegung im Revisionsverfahren nur beschränkt darauf überprüfbar, ob gesetzliche Auslegungsregeln, anerkannte Auslegungsgrundsätze, Denkgesetze oder Verfahrensvorschriften verletzt worden sind (, NJW 2010, 1133 Rn. 12 mwN). Zu klären ist jedoch, ob alle erheblichen Umstände umfassend gewürdigt worden sind (Senatsurteil vom - XI ZR 66/08, WM 2009, 402 Rn. 25 mwN). Dieser Überprüfung hält die tatsächliche Würdigung des Berufungsgerichts nicht stand.

13aa) Nach Erlass des Berufungsurteils hat der Senat entschieden, dass eine konkludente Genehmigung von Lastschriftbuchungen in Betracht kommt, wenn diese der Erfüllung von Forderungen aus laufender Geschäftsbeziehung dienen. Erhebt der Schuldner in Kenntnis eines erneuten Lastschrifteinzugs, der sich im Rahmen des bereits genehmigten bewegt, gegen diesen nach einer angemessenen Überlegungsfrist keine Einwendungen, so kann auf Seiten der Zahlstelle die berechtigte Erwartung entstehen, auch diese Belastungsbuchung solle Bestand haben. Dies gilt jedenfalls dann, wenn das Konto im unternehmerischen Geschäftsverkehr geführt wird. In diesem Fall kann nämlich die Zahlstelle damit rechnen, dass die Kontobewegungen zeitnah nachvollzogen und überprüft werden (, BGHZ 186, 269 Rn. 48, vom - XI ZR 562/07, WM 2010, 2307 Rn. 21, vom - XI ZR 370/08, WM 2011, 63 Rn. 16, vom - XI ZR 171/09, WM 2011, 454 Rn. 20 und vom - XI ZR 152/09, WM 2011, 1267 Rn. 11 mwN).

14Das Berufungsgericht hat zwar festgestellt, dass den streitigen Lastschriftbuchungen überwiegend laufende Verpflichtungen aus Dauerschuldverhältnissen im unternehmerischen Geschäftsverkehr zugrunde lagen. Es hat jedoch nicht erwogen, dass deswegen eine zeitnahe Überprüfung der streitigen Lastschriften durch die Schuldnerin zu erwarten sein könnte und nach einer angemessenen Überlegungsfrist die vollständige oder teilweise konkludente Genehmigung der Buchungen durch die Schuldnerin in Betracht kam. Der Erklärungswert dieser Umstände geht über die Tatsache einer schlichten Kontoführung hinaus.

15bb) Weiter hat das Berufungsgericht rechtsfehlerhaft nicht in Betracht gezogen, dass es, wie der Senat ebenfalls nach Erlass des Berufungsurteils entschieden hat, - jedenfalls nach Ablauf einer angemessenen Prüfungsfrist - für eine Genehmigung einzelner Lastschriften sprechen kann, wenn der Schuldner in Kenntnis laufender Abbuchungen von Lieferanten durch konkrete Einzahlungen oder Überweisungen erst ausreichende Kontodeckung sicherstellt, ohne die die kontoführende Bank diese Lastschriften nicht ausgeführt hätte (, WM 2010, 2307 Rn. 23 und vom - XI ZR 261/09, WM 2011, 688 Rn. 24). Dies liegt insbesondere nahe, wenn der Kontoinhaber - wie hier vom Berufungsgericht festgestellt - aufgrund einer Vereinbarung mit der kontoführenden Bank gehalten war, das betreffende Konto ausschließlich auf Guthabenbasis zu führen. Das Berufungsgericht hat entsprechende Anhaltspunkte, die - worauf die Revision zutreffend hinweist - durch die vom Berufungsurteil in Bezug genommenen Kontoauszüge belegt sind, nicht in seine Erwägungen einbezogen.

III.

16Die angefochtene Entscheidung des Berufungsgerichts stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO).

17Es fehlt bereits Vortrag des Klägers in den Tatsacheninstanzen zu den tatsächlichen Voraussetzungen der erstmals im Revisionsverfahren geltend gemachten Insolvenzanfechtung nach § 133 Abs. 1 InsO. Diese richtet sich im Fall der Genehmigung einer Lastschriftbuchung ohnehin im Allgemeinen gegen den Gläubiger als Empfänger der Leistung und nicht gegen die Schuldnerbank als bloße Zahlungsmittlerin, die sich darauf beschränkt, ihren Verpflichtungen aus dem Giro- bzw. Zahlungsdienstevertrag (vgl. Lastschriftabkommen 2002, Abschn. I Nr. 6 und Abschn. II Nr. 1; van Gelder in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 3. Aufl., § 58 Rn. 55, 107; neuerdings Art. 65 Abs. 2 der Richtlinie 2007/64/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom über Zahlungsdienste im Binnenmarkt, Abl. 2007 L 319 vom , S. 1 ff., § 675o Abs. 2 BGB) nachzukommen (vgl. , BGHZ 174, 84 Rn. 44; Bork in Festschrift Fischer, 2008, S. 37, 46 f.; ders., ZIP 2008, 1041, 1048 f.; Obermüller/Kuder, Insolvenzrecht in der Bankpraxis, 8. Aufl., Rn. 3.680). Die Revisionserwiderung behauptet nicht, dass Vortrag des Klägers zum Benachteiligungsvorsatz der Schuldnerin und zu entsprechender Kenntnis der Beklagten vom Berufungsgericht übergangen worden wäre.

18Unabhängig davon könnte sich der Kläger im vorliegenden Fall auch nicht mit Erfolg auf eine Vermutung nach § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO berufen. Diese setzt voraus, dass die Beklagte als Anfechtungsgegner die - drohende - Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin und die Benachteiligung von Insolvenzgläubigern durch die angefochtene Rechtshandlung kannte. Dazu hat der Kläger ebenfalls nichts vorgetragen, insbesondere keine Umstände dargetan, die aus Sicht der Beklagten im Zeitpunkt einer etwaigen konkludenten Genehmigung einzelner Lastschriften zweifelsfrei auf eine drohende oder bereits eingetretene Zahlungsunfähigkeit hingewiesen hätten (vgl. , WM 2009, 2229 Rn. 10). Er nennt weder den Zeitpunkt, zu dem die Schuldnerin für die Beklagte erkennbar nicht mehr in der Lage gewesen sein soll, ihre fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen, noch stellt er dar, wann bei der Schuldnerin unter Berücksichtigung bestehender und künftig fällig werdender Verbindlichkeiten eine erhebliche Liquiditätslücke eingetreten ist (vgl. , WM 2008, 452 Rn. 21 und vom - IX ZR 173/07, WM 2009, 2229 Rn. 11). Fehlender Vortrag zur - zumindest drohenden - Zahlungsunfähigkeit wird nicht durch den Hinweis der Revisionserwiderung auf die Führung des Geschäftskontos der Schuldnerin auf Guthabenbasis ersetzt, da dadurch die Schuldnerin lediglich keinen Kredit auf dem Geschäftskonto erhält, eine allgemeine Liquiditätslücke aber nicht feststeht. Die pauschale, nicht weiter konkretisierte Darstellung des Klägers, aus Kontounterlagen seien einzelne Rücklastschriften ersichtlich, nennt zwar ein gewichtiges Beweisanzeichen für Zahlungsunfähigkeit (vgl. , WM 2010, 1756 Rn. 10), belegt aber für sich weder sachlich die - drohende - Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin noch liefert sie zeitliche Angaben dazu, ob die drohende Zahlungsunfähigkeit vor Genehmigung der streitgegenständlichen Lastschriften erkennbar war (vgl. dazu , NZI 2011, 17 Rn. 13).

IV.

19Da weitere tatsächliche Feststellungen, insbesondere zu früheren Widersprüchen der Schuldnerin gegen Lastschriftbuchungen aus solchen Dauerschuldverhältnissen, die den streitigen Lastschriften zugrunde liegen, sowie zur Zuführung von Liquidität auf dem Schuldnerkonto erforderlich sind und hierzu den Parteien im weiteren Verfahren Gelegenheit zu ergänzendem Vortrag zu geben sein wird, ist die Sache nicht zur Endentscheidung reif. Sie ist deswegen unter Aufhebung des angefochtenen Urteils zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 ZPO).

Wiechers                                           Mayen                                        Ellenberger

                         Maihold                                         Pamp

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

Fundstelle(n):
DB 2011 S. 2906 Nr. 51
NJW-RR 2012 S. 243 Nr. 4
WM 2011 S. 2316 Nr. 49
ZIP 2011 S. 2398 Nr. 50
OAAAD-96510