BGH Urteil v. - X ZR 12/10

Europäisches Patent: Teilnichtigkeit eines aus mehreren Patentansprüchen bestehenden Patents betreffend eine Antriebseinheit für eine Trommelwaschmaschine;  Festlegung des Patentgegenstandes und Beschränkung des Patents durch Aufnahme einzelner Merkmale des Ausführungsbeispiels

Gesetze: Art 123 Abs 2 EuPatÜbk

Instanzenzug: Az: 2 Ni 52/07 (EU) Urteil

Tatbestand

1Die Beklagte ist Inhaberin des am unter Inanspruchnahme der Priorität zweier koreanischer Patentanmeldungen (4 508 899 und 4 508 999) vom angemeldeten und mit Wirkung auch für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 1 094 145 (Streitpatents), das 15 Patentansprüche umfasst. Patentanspruch 1 hat im Einspruchsverfahren in der Verfahrenssprache folgenden Wortlaut erhalten (im Folgenden nur: Patentanspruch 1):

"A driving unit for a drum type washing machine having a plastic tub (2) mounted inside a cabinet (1) and a drum (3) rotatably mounted in the tub (2) by means of a shaft (4) fixed to the drum for transmission of driving power from a motor (5) to the drum, the driving unit comprising:

said tub (2);

a hollow metal bearing housing (7);

said shaft (4);

said motor (5), comprising a rotor (13) connected to said shaft (4) and a stator (14); and

at least one bearing (6a, 6b) mounted between said shaft (4) and said bearing housing (7) for supporting the shaft,

c h a r a c t e r i s e d  i n  t h a t :

the bearing housing (7) is formed as an injection moulded insert within a central portion of a rear wall of the tub (2); and

the driving unit further comprises a supporter (17) fixed to the tub (2) and fitted between the rear wall of the tub and the stator, for supporting the stator (14)."

2Dieser Anspruch ist in der geänderten europäischen Patentschrift wie folgt in die deutsche Sprache übersetzt:

"Antriebseinheit für eine Trommelwaschmaschine, welche eine Kunststofftonne (2) aufweist, die innerhalb eines Gehäuses (1) montiert ist, und eine Trommel (3) aufweist, welche drehbar in der Tonne (2) mittels einer an der Trommel fixierten Welle (4) montiert ist, um Antriebskraft von einem Motor (5) zur Trommel zu übertragen, wobei die Antriebseinheit umfasst:

die Tonne (2);

ein hohles Metall-Lagergehäuse (7);

die Welle (4);

den Motor (5), der einen mit der Welle (4) verbundenen Rotor (13) und einen Stator (14) aufweist; und

wenigstens ein Lager (6a, 6b), welches zwischen der Welle (4) und dem Lagergehäuse (7) zum Lagern der Welle montiert ist,

d a d u r c h  g e k e n n z e i c h n e t ,  d a s s

das Lagergehäuse (7) als ein spritzgegossener Einsatz innerhalb eines Mittelabschnitts einer Rückwand der Tonne (2) gebildet ist, und

die Antriebseinheit ferner eine Stütze (17) aufweist, die an der Tonne (2) befestigt und zwischen die Rückwand der Tonne und den Stator eingesetzt ist, um den Stator (14) zu stützen."

3Wegen der Unteransprüche 2 bis 14 und des Anspruchs 15, der eine Trommelwaschmaschine mit einer nach einem der vorhergehenden Ansprüche gefertigten Antriebseinheit betrifft, wird auf die Streitpatentschrift Bezug genommen.

4Die aus dem Streitpatent in Anspruch genommene Klägerin hat dieses mit der Nichtigkeitsklage angegriffen und geltend gemacht, sein Gegenstand sei nicht patentfähig, weil er gegenüber dem Stand der Technik nicht neu sei, zumindest aber nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe. Dafür hat die Klägerin sich unter anderem auf die britischen Patentanmeldungen 2 332 212 (im Folgenden: D2) und 2 333 300 (im Folgenden: D3) berufen.

5Das Patentgericht hat das Streitpatent für nichtig erklärt, soweit es über eine Fassung von Patentanspruch 1 hinausgeht, die in deutscher Sprache um die nachfolgenden Merkmale ergänzt ist und an die sich die sich die erteilten Ansprüche 2 bis 15 anschließen:

"…

ein vorderes Ende der Stütze (17) in engen Kontakt mit einer Innenseite von Rippen (203) an einer Seite der Tonnenrückwand (200) gebracht ist, um eine Konzentrizität des Stators (14) beizubehalten, und ein hinteres Ende der Stütze (17) in engen Kontakt mit einem Außenumfang eines hinteren Endes des Lagergehäuses (7) gebracht ist, welches frei liegt, um die Konzentrizität des Stators (14) beizubehalten und

die Stütze (17) eine mit einer Kontur der Tonnenrückwand (200) fast identische Form aufweist, um eine Konzentrizität des Stators (14) beizubehalten,

wobei der Stator einen ringförmigen Rahmen (14) und Befestigungsrippen (143) an einer Innenseite des Rahmens (140) zum Befestigen des Stators (14) an der Tonnenrückwand (200) aufweist."

6Mit der gegen dieses Urteil eingelegten Berufung verfolgt die Beklagte in erster Linie ihren Klageabweisungsantrag weiter und verteidigt das Streitpatent hilfsweise mit beschränkten Fassungen von Patentanspruch 1, von denen diejenige nach Hilfsantrag II aus der Urteilsformel ersichtlich ist.

Gründe

7Die zulässige Berufung hat teilweise Erfolg.

8I. 1. Das Streitpatent betrifft eine Antriebseinheit für eine Trommelwaschmaschine. Bei diesen Maschinen wird die Wäsche in einer sich drehenden Trommel gewaschen, die ihrerseits von einem Plastikbehälter (in der Streitpatentschrift und im Folgenden als Kunststofftonne bezeichnet) umschlossen ist, in den das für den Waschvorgang benötigte Wasser hineinfließt und aus dem dieses abgepumpt wird.

9In der Beschreibung des Streitpatents werden zwei im Stand der Technik vorzufindende Antriebsarten für Trommelwaschmaschinen vorgestellt. Bei der Ersteren befindet sich der Motor unterhalb der Kunststofftonne. Auf einer mit ihm verbundenen Antriebswelle und einer konzentrisch im Bereich der Trommelrückwand angebrachten weiteren Welle sitzen mit einem Riemen verbundene Riemenscheiben, über welche die Trommel bei laufendem Motor angetrieben wird. An diesem Typ kritisiert die Streitpatentschrift einen erhöhten Montageaufwand, den Energieverlust bei der Übertragung der Antriebskraft, die Geräuschentwicklung während der Kraftübertragung und eine gesteigerte Reparaturanfälligkeit bei herabgesetzter Waschleistung. Bei der als Direktantrieb bezeichneten zweiten Antriebsart sind Trommel und Motor geradewegs durch die Welle verbunden, so dass der laufende Motor die Trommel direkt in Drehbewegungen versetzt.

10In der Streitpatentschrift wird die Überwindung der Begrenzungen und Nachteile des Standes der Technik als Aufgabe und die Bereitstellung einer Antriebseinheit, bei welcher Geräusche, Reparaturen und Energiebedarf bei verbesserter Waschleistung verringert werden können und die eine verbesserte Stützkraft (supporting force) aufweist, als erstrebenswert bezeichnet.

112. Dafür schlägt Patentanspruch 1 eine Antriebseinheit für eine Trommelwaschmaschine mit folgenden Merkmalen vor (in eckigen Klammern Gliederungsziffern der im angefochtenen Urteil verwendeten Merkmalsgliederung):

1. Die Trommelwaschmaschine weist auf:

1.1 ein Gehäuse (1) [1.2],

1.2 eine innerhalb des Gehäuses montierte Kunststofftonne (2) [1.2],

1.3 eine Trommel (3), welche [1.3]

1.3.1 drehbar [1.3]

1.3.2 mittels einer an ihr fixierten Welle (4) [1.4]

1.3.3 so in der Tonne montiert ist, dass damit Antriebskraft von einem

1.4 Motor (5) [1.4] zur Trommel übertragen werden kann;

2. und die Antriebseinheit umfasst:

2.1 die Tonne (2) [1.5],

2.2 ein hohles Metall-Lagergehäuse (7) [1.6],

2.2.1 das als ein spritzgegossener Einsatz [1.12]

2.2.2 innerhalb eines Mittelabschnitts einer Rückwand der Tonne (2) gebildet ist [1.12],

2.3 die Welle (4) [1.7],

2.4 wenigstens ein Lager (6a, 6b), welches zwischen der Welle und dem Lagergehäuse (7) zum Lagern der Welle montiert ist [1.11],

2.5 den Motor (5) [1.8], der

2.5.1 einen mit der Welle (4) verbundenen Rotor (13) [1.9]

2.5.2 und einen Stator (14) [1.10]

aufweist,

2.6 eine Stütze (17) [1.13],

2.6.1 die an der Tonne (2) befestigt und [1.13] (gemäß Hilfsantrag I: die separat an der Tonnenrückwand (200) befestigt und)

2.6.2 zwischen die Rückwand der Tonne und den Stator eingesetzt ist [1.13],

2.6.3 um den Stator zu stützen [1.13].

2.6.4 (nur nach Hilfsantrag II: und die Stütze (17) eine mit der Kontur der Tonnenrückwand (200) fast identische Form aufweist, um eine Konzentrizität des Stators (14) beizubehalten.)

123. Das Problem, dessen Lösung Patentanspruch 1 aus Sicht des Fachmanns, als den das Patentgericht einen Diplom-Ingenieur der Fachrichtung Maschinenbau mit langjähriger Berufserfahrung in der Waschmaschinenkonstruktion angesehen hat, dienen soll, besteht in der Verbesserung der Abstützung des Stators bei gleichzeitiger vereinfachter Befestigung des Lagergehäuses. Insoweit bedürfen einige Merkmale näherer Erläuterung.

13a) Die unter Schutz gestellte Antriebseinheit geht von einem Direktantrieb für die Waschtrommel aus. Das ergibt sich aus fachmännischer Sicht aus Merkmal 2.5.1, wonach der Rotor (13) des Motors mit der Welle (4) verbunden ist und die für einen indirekten Antrieb charakteristischen Mittel (Riemenscheiben, Zahnräder) fehlen, und daraus, dass die in den Figuren gezeigten Antriebseinheiten einen solchen Direktantrieb zeigen.

14b) Soweit das Lager als spritzgegossener Einsatz innerhalb eines Mittelabschnitts der Tonnenrückwand (Merkmalsgruppe 2.2) geformt ist ("... formed as an injection moulded insert ..."), ist dies aus fachmännischer Sicht ungeachtet der insoweit missverständlichen Formulierung des Anspruchs so zu verstehen, dass das aus Metall gefertigte Lager integraler Bestandteil einer im Spritzgussverfahren hergestellten Kunststofftonne bzw. deren Bodens ist.

15c) aa) Die in der Verfahrenssprache als "Supporter" (17) bezeichnete Stütze dient der Abstützung des Stators (Merkmal 2.6.3). Dem Anspruch ist dazu zu entnehmen, dass die Stütze einerseits an der Tonne befestigt und andererseits zwischen Tonnenboden und Stator eingesetzt ist (Merkmale 2.6.1 und 2.6.2). Wie die Stütze im Rahmen dieser Anordnung ausgestaltet werden soll, lässt Patentanspruch 1 offen. Konkretisierungen finden sich insoweit erstmals in der Fassung dieses Anspruchs gemäß Hilfsantrag II.

16bb) Nach den diesbezüglichen Anweisungen in dem gemäß Hilfsantrag II vorgesehenen Merkmal 2.6.4 weist die Stütze eine mit der Kontur der Tonnenrückwand (200) fast identische Form auf, um eine Konzentrizität des Stators (14) beizubehalten. Diese Zweckangabe weist den Fachmann darauf hin, dass die Anweisung darauf abzielt sicherzustellen, dass der Spalt zwischen Rotor und Stator möglichst konstant gehalten wird, was beim Betrieb der Maschine, namentlich beim Schleudergang, durch Auftreten von Kippbewegungen der Welle gefährdet ist. Um dem entgegenzuwirken, soll die konzentrische Fixierung des Stators im Betrieb verbessert werden.

17Soweit der Stütze entsprechend Merkmal 2.6.4 eine Form gegeben werden soll, die der jeweiligen Kontur des Tonnenbodens im Wesentlichen ("… fast identisch …") entspricht, erkennt der Fachmann in dieser Anweisung das Bestreben, die beim Betrieb auftretenden Kräfte möglichst vollständig in den Tonnenboden einzuleiten, um dadurch den Rundlauf des Motors zu stabilisieren. Ihm ist aus dem Stand der Technik bekannt, dass die Böden von Kunststofftonnen in Waschmaschinen verstärkt werden, um die bei der Rotation der Welle und der Trommel auftretenden mechanischen Belastungen besser aufzufangen. Wie dies im Einzelfall umgesetzt wird, hängt dementsprechend mit der Kontur zusammen, die dem Tonnenboden herstellerseitig gegeben wird. Diesbezügliche Festlegungen und Einschränkungen sieht das Streitpatent nicht vor. Dafür kann der Tonnenboden beispielsweise durch axial aufgebrachte Rippen in tortenstückähnliche Segmente (vgl. die Figuren in der D3) unterteilt oder solche Rippen können sonst in unterschiedlichen Ausformungen auf verschiedenen Radien des Tonnenbodens angebracht werden. Jedoch enthält der letzte Teil des Merkmals 2.6.4 über die Zweckangabe hinaus auch eine (mittelbare) Anforderung an die Kontur der Tonnenrückwand und die ihr folgende Kontur der Stütze: Jene muss - sei es durch Rippen, sei es durch eine konisch zulaufende Form - gewährleisten, dass eine Radialverschiebung der Stütze gegenüber dem Tonnenboden ausgeschlossen und die konzentrische Lage des Stators hierdurch gesichert wird.

18II. Das Patentgericht hat den Gegenstand von Patentanspruch 1 ohne nähere Begründung für neu erachtet. Dagegen werden im Berufungsrechtzug keine Bedenken vorgebracht und solche sind auch nicht ersichtlich.

19Seine Annahme, dass der Gegenstand dieses Anspruchs dem Fachmann durch den Stand der Technik nahegelegt war, hat das Patentgericht im Wesentlichen wie folgt begründet. Die D2 offenbare bis auf die Ausführung des hohlen Metall-Lagergehäuses als spritzgegossener Einsatz (Merkmale 2.2, 2.2.1) sämtliche Merkmale von Patentanspruch 1 einschließlich der Stütze für den Stator (Merkmalsgruppe 2.6). Die Hinzufügung dieses Merkmals rechtfertige nicht, die Patentfähigkeit zu bejahen. Der Fachmann, der  ausgehend von der D2 - um eine verbesserte Haltekraft für den Stator bemüht sei, werde, wenn - wie in der Schrift vorgeschlagen - eine Stütze bereits vorgesehen sei, zusätzliche, die Konstruktion stabilisierende Maßnahmen in Betracht ziehen. Dafür biete sich an, das Lagergehäuse in den Tonnenboden zu integrieren. Eine Verstärkung der Anbindung des Stators an den Tonnenboden sei vorteilhaft, wenn die Tonne aus Kunststoff und das Lagergehäuse - etwa wegen der großen Belastung der Lager beim Wäscheschleudern mit hoher Drehzahl - aus Metall hergestellt sei. Im Interesse einer vereinfachten, preiswerteren und zugleich präziseren Montage und der weiteren Stabilisierung des stark beanspruchten Anschlussbereichs der Antriebseinheit biete es sich an, das Lagergehäuse in den Werkstoff des Tonnenbodens einzuformen, zumal es in der Kunststofftechnik eine gängige Maßnahme sei, verstärkende Komponenten aus Metall an kritischen Stellen in Kunststoffteilen anzuordnen und sie dort durch Umgießen mittels Spritzgusses zu fixieren. Dieses Fachwissen sei ausweislich der D3, die eine Kunststofftonne für eine solche Maschine zum Gegenstand habe, auch auf dem Gebiet der Trommelwaschmaschinen verbreitet. Wenn es dort auch nicht ausdrücklich erwähnt sei, impliziere der Fachmann zumindest aufgrund der Figur 4, dass das als spritzgegossener Einsatz passgenau in der Tonnenrückwand gebildete und vom Kunststoffmaterial der Tonne umschlossene Lagergehäuse zur Stabilisierung der Verbindung zwischen dem Tonnenboden und dem Lagergehäuse beitrage. Es liege daher nahe, die Ausgestaltung des Tonnenbodens mit dem darin unmittelbar beim Spritzgießen integrierten Lagergehäuse auf die D2 zu übertragen, wenn es darum gehe, eine Antriebseinheit mit einer verbesserten Haltekraft für den Stator zu erhalten. In Zusammenschau mit dem Ausführungsbeispiel gemäß der Figur 2 der zuletzt genannten Patentanmeldung gelange der Fachmann auf dem Wege eines naheliegenden Austauschs der bisher eingesetzten Tonnenrückwand mit daran angeschraubtem Lagergehäuse gegen eine Tonnenrückwand mit demgegenüber ersichtlich stabilerem, mittels Spritzgießens integriertem Lagergehäuse zu einer Antriebseinheit, die die Merkmale des Patentanspruchs 1 aufweise. Technische Hindernisse, die gegen eine einfache Übertragung der Anordnung des Lagergehäuses sprächen, seien nicht erkennbar. Der Einwand der Beklagten, die D3 sei nicht für Maschinen mit Direktantrieb vorgesehen, überzeuge nicht. Synergistische überraschende Effekte durch die gemeinsame Anwendung einer gesonderten Stütze und eines zusätzlichen umspritzten Lagersitzes ergäben sich nicht. Damit sei der Kern der Lösung des Streitpatents durch den Stand der Technik bereits so weit vorweggenommen, dass es keiner erfinderischen Überlegungen mehr bedurft habe, um zu einer streitpatentgemäßen Antriebseinheit zu gelangen.

20III. Die gegen diese Beurteilung gerichteten Angriffe der Berufung bleiben im Ergebnis ohne Erfolg.

211. Auch wenn dem am Prioritätstag angesprochenen Fachmann entgegen der Ansicht des Patentgerichts nicht notwendigerweise langjährige, sondern, wie die Berufung meint, nur eine mehrjährige Erfahrung in der Konstruktion von Waschmaschinen zuzuordnen ist, ist dem Patentgericht im Ergebnis darin beizupflichten, dass die D3 aus fachmännischer Sicht auf der Suche nach einer Lösung für die sich stellenden Probleme (oben I 1 am Ende) auszuwerten war. Die Berufung weist zwar zu Recht darauf hin, dass die Antriebstechnik, von der der Fachmann am Prioritätstag ausging, der in der D2 offenbarte Direktantrieb war und nicht der indirekte, dem die D3 noch verhaftet ist. Damit schied die D3 zwar als unmittelbare Quelle für Anregungen zu einer modifizierten Anordnung des Stators aus. Aus fachmännischer Sicht ging es aber gleichzeitig um die Möglichkeit, die Lagerung der Welle möglichst einfach und sicher zu gestalten. Da die Antriebswelle auch beim indirekten Antrieb gegen mögliche Kippbewegungen insbesondere bei Rotation der Trommel mit hoher Drehzahl gesichert werden muss, schied die D3 nach fachmännischem Erfahrungswissen nicht von vornherein als mögliche Quelle übertragbarer konstruktiver Anregungen für die Lösung dieses Teilproblems aus (vgl. zu einer ähnlichen Ausgangslage , BlPMZ 2011, 192 = Mitt. 2011, 26 Rn. 27 - Gleitlagerüberwachung). Wie das Patentgericht ausgeführt hat, war die Integrierung des Lagers in den Tonnenboden im Spritzgussverfahren aus fachmännischer Sicht unabhängig von der Antriebsart vorteilhaft. Zwar war damit notwendigerweise ein konstruktives Umdenken bei der Anbringung des Stators verbunden, da dieser bei einem ganz in den Tonnenboden integrierten Lager nicht länger, wie in der D2 gezeigt, am Lager aufgehängt werden konnte. Diese Erkenntnis gab dem Fachmann jedoch keine Veranlassung, sich vom Lösungsansatz der D3 wieder abzuwenden. Dafür waren die damit verbundenen technisch-wirtschaftlichen Vorteile zu attraktiv. Dem Fachmann erschloss sich bei der aufgrund seiner Ausbildung zu erwartenden systematischen Betrachtung ohne weiteres, dass die Integration des Lagers in den Tonnenboden den Weg frei machte, den Motor auf der Welle axial zum Tonnenboden hin zu verschieben. Das gilt umso mehr, als dieser im Stand der Technik bereits als möglicher Anbringungsort erwähnt war (Veröffentlichung der japanischen Patentanmeldung 09188764 [D9], deren Priorität die D2 beansprucht Rn. 20).

222. Zwischen Tonnenboden und Stator eine Stütze so vorzusehen, wie dies in Patentanspruch 1 allgemein beansprucht wird, war dem Fachmann ebenfalls durch den Stand der Technik nahegelegt. Dazu gab die D2 hinreichend konkretisierte Anregung.

23Der Fachmann musste dafür lediglich erkennen, dass das dortige Element (35) für die Problemlösung (oben I 1 aE) auch dann von Nutzen war, wenn sein unmittelbarer Zweck, das Lager zu halten, entfiel. Zu dieser Erkenntnis musste er gelangen, wenn er bei seiner konstruktiven Loslösung von der D2 hin zu einem in den Tonnenboden integrierten Lager mit der zu erwartenden Systematik (vorstehend III 1) vorging. Denn bei solcher Herangehensweise stellte sich auch die Frage, ob auf das in Figur 2 der Veröffentlichung mit dem Bezugszeichen (35) versehene Element nunmehr ganz verzichtet und der Stator direkt am Tonnenboden angebracht werden konnte, oder ob dieses Bauteil nicht zur Förderung der Stabilität beizubehalten war. Für Letzteres gab die D2 selbst Anregung. Bereits die Bezeichnung als "Verstärkungsplatte" (reinforcing plate) deutet darauf hin, dass sich der Zweck dieses Teils nicht in der Halterung des Lagers erschöpft. Dementsprechend vermittelt die in Figur 2 der Schrift vorgestellte Ausführung bei fachmännischer Betrachtung, dass eine solche Platte allgemein zur Versteifung des Tonnenbodens beiträgt und folglich auch dann sinnvollerweise vorzusehen ist, wenn die primäre Funktion als Aufhängung des Lagergehäuses entfällt. Denn eine gemäß Figur 2 der D2 mit Bolzen (36) an den rückwärtigen Enden der am Tonnenboden vorgesehenen Rippen angebrachte Stütze bot sich aus fachmännischer Sicht dafür an, die Motoreinheit einschließlich des Stators stützend zu stabilisieren und Kippbewegungen entgegenwirken. Angesichts dieser aus der D2 leicht zu entnehmenden Erkenntnisse bedurfte es nicht der Entfaltung erfinderischer Tätigkeit, um in allgemeiner Form eine Stütze auch dann vorzusehen, wenn das Lager ganz in den Tonnenboden integriert wurde.

24III. Patentanspruch 1 hat auch in der Fassung von Hilfsantrag I keinen Bestand. Sie unterscheidet sich von der im Einspruchsverfahren aufrechterhaltenen lediglich dadurch, dass die Stütze separat am Tonnenboden befestigt wird. Dies vorzusehen war jedenfalls nahegelegt. Eine separate Anbringung der Stütze bedeutet im Zusammenhang der Merkmalsgruppe 2.6 lediglich, dass die Stütze und der Stator unabhängig voneinander montiert werden. Dass hierin mehr als eine im fachmännischen Ermessen liegende zweckmäßige Maßnahme zu sehen wäre, zeigt die Berufung nicht auf und ist auch nicht ersichtlich.

25IV. In der Fassung von Hilfsantrag II hat Patentanspruch 1 Bestand.

261. Die Verteidigung von Patentanspruch 1 in dieser Fassung ist zulässig.

27a) Die Ausgestaltung der Stütze gemäß Merkmal 2.6.4 ist in der Beschreibung offenbart (Rn. 23 der Anmeldung = Rn. 25 der Beschreibung = Rn. 35 der Übersetzung, drittletzter Satz: "Es ist ein Stützelement 17 zwischen der Rückwand 200 der Tonne und dem Stator (14) vorgesehen, welches eine mit der Kontur der Tonnenrückwand fast identische Form aufweist …").

28b) Patentanspruch 1 wird durch Hinzufügung von Merkmal 2.6.4 nicht deshalb unklar (Art. 84 EPÜ), weil nicht zugleich (unmittelbar) die Ausgestaltung der Kontur der Tonnenrückwand festgelegt ist. Dem Patentinhaber kann nicht vorgeschrieben werden, wie er den Gegenstand festzulegen hat, der unter Schutz gestellt werden soll, sondern er kann die Gewährung des Patents grundsätzlich in jeder Ausgestaltung verlangen, die der gegebenen technischen Lehre entspricht und patentfähig ist (, BGHZ 171, 167 Rn. 21 mwN  Pipettensystem). Dass Tonnenböden möglicherweise Konturen gegeben werden können, die für die vom Streitpatent vorausgesetzten Anforderungen (vgl. oben I 3 c bb aE) ungeeignet sind, ändert an der hinreichenden Klarheit dieser Lehre nichts. Es genügt, dass sich aus der Anweisung, mittels der (nahezu) identischen Form von Stütze und Tonnenbodenkontur die Konzentrizität des Stators zu sichern, mittelbar die Anforderungen an eine geeignete Tonnenbodenkontur ergeben (oben zu I 3 c bb).

29c) Die Klägerin erachtet die Beschränkung auch auf der Grundlage dieses Verständnisses von Merkmal 2.6.4 als unzulässig. Sie bezieht sich insoweit auf das im vorletzten Satz des genannten Absatzes der Beschreibung vorgestellte Ausführungsbeispiel, bei dem die Form der Stütze (und die korrespondierende Kontur des Tonnenbodens) näher dahin beschrieben ist, dass eine Stütze ein vorderes und ein hinteres Ende aufweist, von denen das Erstere in einen engen Kontakt mit der Innenseite von Rippen an einer Seite der Tonnenrückwand und das Letztere in einen engen Kontakt mit einem Außenumfang eines hinteren Endes des Lagergehäuses gebracht wird, und meint, dass nicht allein die abstrakte Übereinstimmung zwischen Stützenform und Tonnenbodenkontur zulässigerweise zum Gegenstand des Hilfsantrags gemacht werden könne.

30Dem kann nicht beigetreten werden. Dienen in der Beschreibung eines Ausführungsbeispiels genannte Merkmale, die für sich, aber auch zusammen den durch die Erfindung erreichten Erfolg fördern, der näheren Ausgestaltung der unter Schutz gestellten Erfindung, dann hat es der Patentinhaber nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in der Hand, sein Patent durch die Aufnahme einzelner oder sämtlicher dieser Merkmale zu beschränken (, BGHZ 110, 123, 126 - Spleißkammer). Die Kombination muss lediglich in ihrer Gesamtheit eine technische Lehre darstellen, die der Fachmann den ursprünglichen Unterlagen als mögliche Ausgestaltung der Erfindung entnehmen kann (, GRUR 2002, 49 - Drehmomentübertragungseinrichtung). Diese Voraussetzung ist erfüllt. Denn aus fachmännischer Sicht ist erkennbar, dass die nähere Ausgestaltung der Tonnenrückwand und der Stütze lediglich ein Ausführungsbeispiel dafür darstellt, wie mit einer fast identischen Form von Stützelement und Tonnenbodenkontur die in der Beschreibung ausdrücklich angesprochene Wirkung der Beibehaltung der Konzentrizität des Stators erzielt werden kann. Würde der Beklagten verwehrt, die zur Erzielung dieser Wirkung erforderlichen Maßnahmen in allgemeiner Form zu beanspruchen, würde sie in unbilliger Weise in der Ausschöpfung des Offenbarungsgehalts der ursprünglichen Anmeldung beschränkt.

312. Nach dem gesamten Inhalt der Verhandlungen vermag der Senat nicht die Wertung zu treffen, dass der Gegenstand von Patentanspruch 1 in der Fassung von Hilfsantrag II dem Fachmann durch den Stand der Technik nahegelegt war.

32Entgegen der Ansicht des Patentgerichts findet eine dieser Fassung entsprechende Ausgestaltung der Stütze kein Vorbild in Figur 2 der D2.

33Da bei Integration des Lagers in den Tonnenboden der in der D2 gezeigte Ringflansch, an dem die Stütze über die Bolzen (42) befestigt war, entfiel, musste der Fachmann, der einerseits an der Stütze zu Stabilisierungszwecken festhielt und andererseits mit dem Stator nunmehr an den Tonnenboden heranrückte, die beiden Bauteile konstruktiv miteinander in Einklang bringen. Als durch die D2 nahegelegt hätte gegebenenfalls eine Lösung angesehen werden können, bei der die Stütze zusammen mit dem Stator durch die Vorsprünge 55b am Innenumfang von dessen Kern (vgl. D2, Figur 3) am Tonnenboden befestigt wurde. Der damit erreichte Stabilisierungseffekt hätte darauf beruht, dass der Stator auf einem größeren Radius fixiert wird, als es seinem Außenumfang entspricht. Das Streitpatent geht aber einen anderen Weg und sieht eine Stütze vor, bei der der Stabilisierungseffekt dadurch hervorgerufen wird, dass ihr eine mit der Kontur der Tonnenrückwand im Wesentlichen ("fast") identische Form aufweist, um Radialverschiebungen der Stütze zu verhindern und die Konzentrizität des Stators zu sichern. Dem liegen gänzlich andere konstruktive Überlegungen betreffend die Stützfunktion zugrunde als diejenigen, die der Fachmann der D2 entnehmen konnte.

34Diesen Weg zu beschreiten war auch sonst nicht durch den Stand der Technik nahegelegt.

35V. Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO in Verbindung mit § 121 Abs. 2 Satz 2 PatG.

Meier-Beck                                 Gröning                                 Grabinski

                         Hoffmann                               Schuster

Fundstelle(n):
SAAAD-96471