Zur Rechtskrafterstreckung eines Urteils im Vermögensrecht; zum Tatbestandsmerkmal der werbenden Tätigkeit
Leitsatz
1. Auch im Vermögensrecht erstreckt sich die materielle Rechtskraftwirkung eines Urteils nicht auf Vorfragen, sofern diese nicht Gegenstand einer besonderen Zwischenfeststellung (z.B. über die Berechtigtenstellung) gewesen sind.
2. Ein Restunternehmen übt nur dann eine werbende Tätigkeit im Sinne von § 6 Abs. 1a Satz 4 VermG aus, wenn es wirtschaftliche Aktivitäten in Verfolgung seiner Unternehmenszwecke entfaltet; die bloße Vermögensverwaltung reicht, wenn sie nicht selbst Gesellschaftszweck ist, dafür nicht aus.
Gesetze: § 1 Abs 3 VermG, § 2 Abs 1 VermG, § 6 Abs 1a S 2 VermG, § 6 Abs 1a S 4 VermG, § 121 VwGO, § 63 Nr 3 VwGO, § 256 Abs 2 ZPO, § 322 Abs 1 ZPO
Instanzenzug: VG Gera Az: 3 K 238/06 Urteil
Tatbestand
1Der Kläger begehrt als Insolvenzverwalter über das Vermögen der L. - im Folgenden: Hauptgenossenschaft - die Verpflichtung des Beklagten festzustellen, dass die Insolvenzschuldnerin Berechtigte im Sinne des Gesetzes zur Regelung offener Vermögensfragen ist.
2Mit Schreiben vom 24. April und machte die Liquidatorin der Hauptgenossenschaft für diese vermögensrechtliche Ansprüche geltend. Mit Bescheid vom stellte der Beklagte in Ziffer 1 fest, dass die Hauptgenossenschaft nicht Berechtigte hinsichtlich des früheren Unternehmens der L. - im Folgenden: Hauptgenossenschaft (alt) - ist. Ferner lehnte er in Ziffer 2 des Bescheides die Rückübertragung bzw. Entschädigung der drei im Grundbuch von E. Blatt ..., Flur ..., verzeichneten Grundstücken T.straße ... (Flurstück ..., ehemals ... und ...), T.straße ... (Flurstück ...) und R.straße ... (Flurstück ...) ab.
3Auf die gegen Ziffer 2 des Bescheides erhobene Klage der Hauptgenossenschaft hob das Verwaltungsgericht Weimar mit Urteil vom Ziffer 2 des Bescheides auf und verpflichtete den Beklagten zur Zurückübertragung des Eigentums an den darin aufgeführten Grundstücken. Das Urteil wurde rechtskräftig. Der Beklagte übertrug daraufhin mit Bescheid vom das Eigentum an diesen Grundstücken auf die Hauptgenossenschaft. In der Begründung des Bescheides wird ergänzend ausgeführt, der Beklagte komme im Übrigen der Anregung der Antragstellerin, den Bescheid vom insgesamt aufzuheben, nicht nach. Eine Berechtigung für das Unternehmen könne nicht festgestellt werden.
4Auf die gegen Ziffer 1 des Bescheides vom erhobene Klage der Hauptgenossenschaft, über deren Vermögen mit Beschluss des Amtsgerichts Erfurt vom das Insolvenzverfahren eröffnet wurde, hat das Verwaltungsgericht Gera mit dem angefochtenen Urteil antragsgemäß den Bescheid vom aufgehoben und den Beklagten verpflichtet festzustellen, dass die Hauptgenossenschaft Berechtigte im Sinne des Vermögensgesetzes ist. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Der vermögensrechtliche Antrag sei im Jahre 1991 fristgerecht und auch im Übrigen ordnungsgemäß gestellt worden. Insbesondere sei die Hauptgenossenschaft antragsbefugt. Die Erfüllung des Quorums nach § 6 Abs. 1a Satz 2 VermG sei hierfür nicht erforderlich gewesen; denn jedenfalls seien die Voraussetzungen des § 6 Abs. 1a Satz 4 VermG erfüllt. Der Vermögensverlust der Hauptgenossenschaft im Beitrittsgebiet liege auf der Hand. Außerhalb dieses Gebiets belegenes Vermögen des Unternehmens sei vorhanden gewesen und bis heute vorhanden. Das Restunternehmen sei im damaligen Bundesgebiet auch werbend tätig gewesen. Mit der Bestellung des D. e.V. in Bonn zum Pfleger durch das Amtsgericht Bonn im Jahr 1954 sei es in ausreichendem Maße handlungsfähig gewesen. Das frühere Unternehmen der Hauptgenossenschaft (alt) sei auch einer schädigenden Maßnahme im Sinne des § 1 Abs. 3 VermG ausgesetzt gewesen. Dies habe das Verwaltungsgericht Weimar in seinem Urteil vom rechtskräftig festgestellt; daran seien die Beteiligten gebunden.
5Mit ihrer Revision macht die Beigeladene zu 2 im Wesentlichen geltend: § 6 Abs. 1a Satz 4 VermG sei vorliegend nicht anwendbar. Es fehle an einer werbenden Tätigkeit der Restgesellschaft im Bundesgebiet, so dass das Quorum nach § 6 Abs. 1a Satz 2 VermG für eine wirksame Anmeldung erfüllt sein müsse, woran es hier aber fehle. Eine Bindungswirkung des Urteils des Verwaltungsgerichts Weimar vom bestehe schon deshalb nicht, weil sie an jenem Verfahren nicht beteiligt gewesen sei.
6Die Beigeladene zu 2 beantragt,
das Urteil des Verwaltungsgerichts Gera vom aufzuheben und die Klage abzuweisen.
7Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
8Er verteidigt das angegriffene Urteil.
9Der Beklagte und die Beigeladene zu 1 haben keine Anträge gestellt.
Gründe
10Die Revision ist begründet. Das angefochtene Urteil ist aufzuheben, und die Sache ist zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Verwaltungsgericht zurückzuverweisen (§ 137 Abs. 1, § 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO).
111. Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens ist die vom Kläger begehrte Feststellung, dass die L. - die Hauptgenossenschaft - Berechtigte im Sinne des § 2 Abs. 1 VermG ist, weil das Unternehmen der L. - der Hauptgenossenschaft (alt) - einer Schädigung im Sinne von § 1 VermG ausgesetzt gewesen sei. Dies ergibt sich aus dem vom Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht Gera gestellten Antrag, der sich allein auf die in Ziffer 1 des Bescheides des Beklagten vom getroffene Regelung bezieht. Darin hatte der Beklagte entschieden, dass die Hauptgenossenschaft nicht Berechtigte wegen einer Schädigung des Unternehmens sei, weil die Auflösung dieses Unternehmens im Jahre 1950 nicht auf eine unlautere Machenschaft deutscher Stellen zurückzuführen sei. Dementsprechend hat das Verwaltungsgericht im angefochtenen Urteil auch allein über den Anspruch der Hauptgenossenschaft auf Feststellung ihrer Restitutionsberechtigung im Sinne des § 2 Abs. 1 VermG entschieden. Dagegen war die in Ziffer 2 dieses Bescheides getroffene Regelung bereits Gegenstand des vor dem Verwaltungsgericht Weimar geführten Rechtsstreits, der mit rechtskräftigem Urteil vom beendet wurde. Diese Regelung betraf die vom Kläger beantragte Rückübertragung bzw. Entschädigung der im Grundbuch von E., Blatt ..., Flur ..., verzeichneten drei Grundstücke T.straße ..., T.straße ... und R.straße ...; der Beklagte hatte entschieden, dass die Überführung dieser Grundstücke in Volkseigentum, die erst einige Jahre nach der Liquidation der Hauptgenossenschaft (alt), nämlich erst 1953 erfolgt war, ebenfalls nicht auf einer unlauteren Machenschaft beruhte.
12Im vorliegenden Verfahren ist damit über den vom Kläger als Insolvenzverwalter geltend gemachten Anspruch auf Unternehmensrestitution nach § 6 VermG zu entscheiden, nicht aber über einen Anspruch auf Singularrestitution nach § 3 VermG.
132. Die Revision ist zulässig. Die Beigeladene zu 2 ist aufgrund der vom Verwaltungsgericht vorgenommenen Beiladung gemäß § 63 Nr. 3 VwGO Beteiligte am Verfahren; sie kann Sachanträge stellen und Rechtsmittel einlegen (§§ 135, 132 Abs. 1 VwGO, § 37 Abs. 2 VermG). Sie ist auch beschwert, weil sie durch das angegriffene Urteil in ihren rechtlichen Interessen nachteilig berührt wird (vgl. dazu BVerwG 6 C 8.94 - BVerwGE 98, 210 <213 f.> = NVwZ-RR 1996, 32). Würde das angefochtene Urteil und damit die Verpflichtung des Beklagten rechtskräftig, die Hauptgenossenschaft als Berechtigte im Sinne des Vermögensgesetzes in Ansehung des ehemaligen Unternehmens der Hauptgenossenschaft (alt) festzustellen, könnte dies nachteilige rechtliche Wirkungen auch für die Beigeladene zu 2 haben. Die Beigeladene hat dargelegt, dass ihre Rechtsvorgängerin, die Treuhandanstalt, Verfügungsberechtigte hinsichtlich wenigstens eines Grundstücks war, das zu den zu Zeiten der DDR in Volkseigentum überführten und später in die Verfügungsgewalt der Treuhandanstalt übergegangenen Vermögenswerten der Hauptgenossenschaft (alt) gehörte, die durch vermögensrechtliche Ansprüche des Klägers belastet seien. Dieses Grundstück sei zwischenzeitlich verkauft worden, so dass die Beigeladene im Falle der Berechtigung des Klägers Ansprüche auf Erlösauskehr zu gewärtigen habe. Der Kläger hat diese Darlegung zwar mit Nichtwissen bestritten, der Vertreter des Beklagten hat sie jedoch bestätigt. Der Senat sieht keinen Anlass, an der Richtigkeit dieser Bestätigung zu zweifeln. Der Vertreter des Beklagten hat zu den in seinem Amt geführten Grundstücksverzeichnissen Zugang und ist mit ihnen dienstlich befasst. Er hat seine Angaben mit einschlägigen schriftlichen Unterlagen belegt. Das genügt für die Beschwer der Beigeladenen. Einer abschließenden Prüfung der Eigentumsverhältnisse an dem in Rede stehenden Grundstück bedarf es hierfür nicht. Sie kann und muss dem dafür vorgesehenen Verfahren nach dem Vermögensgesetz vorbehalten bleiben. Bereits der Umstand, dass die Beigeladene im Falle der Rechtskraft des angefochtenen Urteils ihrerseits Ansprüchen des Klägers auf Auskehr des von der Treuhandanstalt oder ihrer Rechtsnachfolgerin durch den Verkauf des in Rede stehenden Grundstücks erzielten Erlöses ausgesetzt sein kann, begründet die Annahme, dass sie durch das angefochtene Urteil in ihren rechtlichen Interessen nachteilig berührt ist.
143. Das angefochtene Urteil verstößt gegen revisibles Recht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO).
15a) Zu Recht rügt die Beigeladene zu 2, dass das Verwaltungsgericht § 6 Abs. 1a Satz 4 VermG verletzt hat. Denn es geht im angefochtenen Urteil zu Unrecht davon aus, die Hauptgenossenschaft (alt) sei nach ihrer Liquidation im Jahre 1950 und dem nachfolgenden Verlust ihres gesamten im Beitrittsgebiet befindlichen Vermögens in Ansehung ihres im damaligen Bundesgebiet belegenen Restvermögens weiterhin im Bundesgebiet als Restgesellschaft werbend tätig gewesen. Das Verwaltungsgericht hat den Begriff der werbenden Tätigkeit im Sinne der Vorschrift verkannt.
16§ 6 Abs. 1a Satz 4 VermG bezieht sich nach seinem Wortlaut auf Gesellschaften, die ihr im Beitrittsgebiet belegenes Vermögen verloren haben und hinsichtlich ihres außerhalb des Beitrittsgebiets belegenen Vermögens als Gesellschaft oder Stiftung "werbend tätig" sind. Er erfasst damit im Falle der Vollenteignung des Unternehmensträgers in der DDR Restgesellschaften oder im Fall der Enteignung von Mitgliedschaftsrechten Spaltgesellschaften (vgl. dazu BVerwG 7 C 69.96 - BVerwGE 106, 51 <54 f.> = Buchholz 428 § 6 VermG Nr. 31; - BGHZ 33, 195 <198 f.> m.w.N.), sofern diese jeweils im Bundesgebiet weiterhin werbend tätig sind. Ruhende Rest- oder Spaltgesellschaften können die Regelung dagegen nicht für sich in Anspruch nehmen ( BVerwG 7 B 46.93 - Buchholz 428 § 2 VermG Nr. 2 m.w.N.; Messerschmidt, in: Fieberg u.a., Kommentar zum VermG, § 6 Rn. 175). Ein Unternehmen übt nur dann eine werbende Tätigkeit im Sinne der Vorschrift aus, wenn es wirtschaftliche Aktivitäten in Verfolgung seiner Unternehmenszwecke entfaltet. Denn nur dann wirbt es darauf gerichtete Geschäftsaufträge ein und fördert den Unternehmenserfolg. Die bloße Verwaltung von (Rest-)Vermögen des früher im Beitrittsgebiet tätigen Unternehmens reicht, wenn sie nicht selbst Gesellschaftszweck ist, dafür nicht aus. Dies gilt insbesondere dann, wenn es sich um relativ geringfügige Werte handelt (vgl. Drobnig, in: Huber/Jayme <Hrsg.>, Festschrift für Rolf Serick zum 70. Geburtstag, 1992, S. 37 <52>).
17So liegt der Fall hier. Die Hauptgenossenschaft (alt) war nach ihrem Statut von 1948, den Feststellungen des angefochtenen Urteils zufolge, auf den "Bezug und Absatz landwirtschaftlicher Bedarfsartikel und Erzeugnisse, die Organisation der Be- und Verarbeitung derselben sowie die Erziehung der Mitglieder der ihr angeschlossenen Genossenschaften im demokratischen Geist und Hebung ihres allgemeinen Bildungsstandes" gerichtet. Diesen Gesellschaftszweck konnte sie nach ihrer Liquidation im Jahre 1950 nicht mehr verfolgen. Dementsprechend richtete sich auch die Tätigkeit des vom als Abwesenheitspfleger bestellten D. e.V. nur noch auf die Verwaltung des im Bundesgebiet und West-Berlin vorhandenen Vermögens. Darin kann keine werbende Tätigkeit der Restgesellschaft im Sinne von § 6 Abs. 1a Satz 4 VermG gesehen werden. Deshalb war für die Anmeldung und Geltendmachung eines auf eine Schädigung des Unternehmens der früheren Hauptgenossenschaft (alt) bezogenen Restitutionsanspruches deren "Wiederbelebung" erforderlich, die die Erfüllung des Quorums nach § 6 Abs. 1a Satz 2 VermG voraussetzte.
18b) Das angefochtene Urteil verletzt auch § 121 VwGO. Denn das Verwaltungsgericht hat in seinem Urteil das Vorliegen der Voraussetzungen des § 1 Abs. 3 VermG unter Verkennung der Rechtskraftwirkung des Urteils des Verwaltungsgerichts Weimar vom bejaht. Es ist davon ausgegangen, die Ausführungen des Verwaltungsgerichts Weimar zur schädigenden Maßnahme im Sinne von § 1 Abs. 3 VermG würden gemäß § 121 VwGO von der Rechtskraft jenes Urteils erfasst und seien deshalb seinem Urteil als bindend zugrunde zu legen. Damit sei ohne weitere Feststellungen davon auszugehen, das frühere Unternehmen der Hauptgenossenschaft (alt) sei - entgegen der Auffassung des Beklagten - einer schädigenden Maßnahme im Sinne des § 1 VermG ausgesetzt gewesen.
19Damit hat das Verwaltungsgericht die Bindungswirkung des § 121 VwGO verkannt. Nach dieser Vorschrift binden rechtskräftige Urteile, soweit über den Streitgegenstand entschieden worden ist, namentlich die Beteiligten und ihre Rechtsnachfolger. Das Verwaltungsgericht hat schon übersehen, dass die Beigeladene zu 2 im Vorprozess vor dem Verwaltungsgericht Weimar nicht beteiligt war und schon deshalb von der Rechtskraftwirkung des dort ergangenen Urteils nicht erfasst werden konnte. Vor allem aber hat das Verwaltungsgericht die objektive Reichweite der Rechtskraft dieses Urteils verkannt. Das Urteil des Verwaltungsgerichts Weimar bindet im vorliegenden Rechtsstreit auch die anderen Beteiligten nicht.
20Rechtskräftige Urteile binden nur insoweit, als über den Streitgegenstand entschieden worden ist. Streitgegenstand ist der prozessuale Anspruch, der durch die erstrebte, im Klageantrag zum Ausdruck gebrachte Rechtsfolge sowie durch den Klagegrund, nämlich den Sachverhalt, aus dem sich die Rechtsfolge ergeben soll, gekennzeichnet ist ( BVerwG 9 C 501.93 - BVerwGE 96, 24 <25> = Buchholz 310 § 121 VwGO Nr. 68; BVerwG 8 B 81.07 - ZOV 2008, 53; jeweils m.w.N.). Die gerichtliche Entscheidung ist demgemäß die im Entscheidungssatz des Urteils sich verkörpernde Rechtsfolge als Ergebnis der Subsumtion des Sachverhalts unter das Gesetz (Urteil vom a.a.O. <26>; BGH, Großer Senat für Zivilsachen, - BGHZ 13, 265 <279>; - BGH NJW 1983, 2032 = juris Rn. 13), also der konkrete Rechtsschluss vom Klagegrund auf das Vorliegen oder Nichtvorliegen der begehrten Rechtsfolge anhand des die Entscheidung unmittelbar tragenden Rechtssatzes. Auf diesen unmittelbaren Gegenstand des Urteils ist die Rechtskraft beschränkt. § 121 VwGO verhindert damit, dass eine derartige gerichtliche Entscheidung in einem weiteren Verfahren zwischen denselben Beteiligten einer erneuten Sachprüfung zugeführt werden kann. Hingegen erstreckt sich die Rechtskraft nicht auf die einzelnen Urteilselemente, also nicht auf die tatsächlichen Feststellungen, die Feststellung einzelner Tatbestandsmerkmale und sonstige Vorfragen oder Schlussfolgerungen, auch wenn diese für die Entscheidung tragend gewesen sind (Urteil vom a.a.O. <26>; a.a.O. <279>; Urteile vom - Ia ZR 193/63 - BGHZ 42, 340 <350>, vom - VIII ZR 81/71 - BGH NJW 1972, 2268 <2269> und vom - V ZR 125/79 - BGH NJW 1981, 1045).
21Hiernach liegt eine Identität desjenigen prozessualen Anspruchs, über den das Verwaltungsgericht Weimar mit dem Urteil vom rechtskräftig entschieden hat, mit dem hier in Rede stehenden Anspruch nicht vor. Jener war auf die Verpflichtung des Beklagten gerichtet, die im Tenor des Urteils näher bezeichneten drei Grundstücke an die Hauptgenossenschaft zurück zu übertragen, während dieser auf die Verpflichtung des Beklagten abzielt, festzustellen, dass die Hauptgenossenschaft Berechtigte im Sinne des Vermögensgesetzes in Ansehung des Unternehmens der Hauptgenossenschaft (alt) ist. Der im Urteil vom rechtskräftig bejahte Anspruch der Hauptgenossenschaft auf Rückübertragung der drei Grundstücke bildet zu dem im vorliegenden Rechtsstreit behaupteten Anspruch der Hauptgenossenschaft auf Feststellung ihrer Berechtigung am Unternehmen auch keine vorgreifliche Vorfrage (vgl. hierzu BVerwG 8 C 353.63 - BVerwGE 25, 7 <10> = Buchholz 310 § 121 VwGO Nr. 22; vom a.a.O. <26> m.w.N. und vom - BVerwG 9 C 53.97 - BVerwGE 108, 30 <33> = Buchholz 402.25 § 73 AsylVfG Nr. 3), weshalb jenem Urteil für den vorliegenden Rechtsstreit keine präjudizielle Wirkung zukommen kann. Das hat das Verwaltungsgericht auch nicht angenommen. Es hat vielmehr umgekehrt gemeint, dass das Verwaltungsgericht Weimar einen Anspruch auf Rückübertragung der drei Grundstücke nur bejahen konnte, wenn es - seinerseits als Vorfrage - die Berechtigtenstellung der Hauptgenossenschaft am Unternehmen selbst bejahte. Das verkennt die Reichweite der Rechtskraft in mehrfacher Hinsicht.
22Die Entscheidung einer Vorfrage nimmt an der Rechtskraft nicht teil, sofern sie nicht Gegenstand einer besonderen Zwischenfeststellung ist (vgl. § 322 Abs. 1, § 256 Abs. 2 ZPO; BVerwG 3 B 91.76 - Buchholz 310 § 121 VwGO Nr. 40; BVerwG 1 C 4.01 - BVerwGE 115, 111 <116 f.> = Buchholz 310 § 121 VwGO Nr. 82; Rennert, in: Eyermann, VwGO, 13. Aufl. 2010, § 121 VwGO <Rn. 20>). Das gilt auch im Vermögensrecht. Zwar ermächtigt das Vermögensgesetz die Behörden zum Erlass von Teilentscheidungen über den Rückübertragungsanspruch. Gegenstand einer solchen Teilentscheidung kann namentlich die Feststellung sein, dass der Anspruchsteller Berechtigter im Sinne des Vermögensgesetzes in Ansehung einer bestimmten Vermögensschädigung ist. Eine derartige Berechtigtenfeststellung bindet die Verfahrensbeteiligten auch in weiteren Verfahren. Voraussetzung ist aber stets, dass eine Teilentscheidung im Sinne einer abschichtenden Teilregelung getroffen wurde, die - wenn sie unangefochten blieb - der Bestandskraft, bei gerichtlicher Überprüfung der Rechtskraft fähig ist (vgl. BVerwG 7 C 39.92 - BVerwGE 94, 195 <199> = Buchholz 112 § 6 VermG Nr. 3; vom - BVerwG 7 C 32.97 - BVerwGE 106, 310 <312 f.> = Buchholz 428 § 30 VermG Nr. 9; vom - BVerwG 7 C 84.99 - BVerwGE 111, 129 = Buchholz 428 § 37 VermG Nr. 26 und vom - BVerwG 8 C 14.08 - Buchholz 428 § 2 VermG Nr. 94). Der Beklagte hatte in seinem Bescheid vom unter Ziffer 1 ausdrücklich eine derartige gesonderte - wenn auch negative - Berechtigtenfeststellung getroffen. Diese war als solche aber nicht Gegenstand des Rechtsstreits vor dem Verwaltungsgericht Weimar, sondern ist - allein - Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits, den der Kläger gemäß der ihm vom Beklagten erteilten - gespaltenen - Rechtsmittelbelehrung beim Verwaltungsgericht Gera anhängig gemacht hat.
23Hinzu kommt, dass das Verwaltungsgericht Weimar auch der Sache nach nicht über den Streitgegenstand des vorliegenden Rechtsstreits entschieden hat. Wie eingangs (oben 1.) erwähnt, ist Streitgegenstand des vorliegenden Rechtsstreits der behauptete Anspruch der Hauptgenossenschaft auf Feststellung ihrer Berechtigung an dem Unternehmen, das die Hauptgenossenschaft (alt) vor und nach dem Krieg in Erfurt werbend betrieben hatte und das im Juli 1950 liquidiert und in der Folge abgewickelt wurde. Klagegrund ist ihre Behauptung, die Liquidation und nachfolgende Abwicklung des Unternehmens sei von den damaligen deutschen Stellen durch unlautere Machenschaften im Sinne von § 1 Abs. 3 VermG erzwungen worden. Damit stellt sie sich gegen die tatsächlichen Feststellungen zu Ziffer 1 des angefochtenen Bescheides, demzufolge die Liquidation von der Hauptgenossenschaft (alt) freiwillig und allenfalls als Folge einer Auszehrung des wirtschaftlichen Betätigungsfeldes des Unternehmens beschlossen worden sei, die auf Maßnahmen der sowjetischen Besatzungsmacht zurückzuführen sei. Zu diesem Klagegrund verhält sich das Urteil des Verwaltungsgerichts Weimar nicht. Es hat nicht die Ereignisse vor und bis Juli 1950 im Blick, sondern die Ereignisse von 1953. Zwar leitet es die Gründe seiner Entscheidung, dass der Hauptgenossenschaft die drei 1953 in Volkseigentum überführten Grundstücke zurückzugeben seien, mit der Bemerkung ein, es handele sich um eine Unternehmensresterestitution im Sinne des § 6 Abs. 6a Satz 1 VermG; doch liegt dieser Bemerkung nicht die Feststellung zugrunde, dass der Hauptgenossenschaft ein lebendes Unternehmen entzogen worden sei, zu dessen Vermögen die drei Grundstücke gehört hätten. Stattdessen leitet es den Restitutionsanspruch aus einem ganz anderen Schädigungstatbestand, nämlich daraus her, dass die Behörden der DDR die Überführung der Grundstücke in Volkseigentum im Jahre 1953 zum Ausgleich einer in Wahrheit nicht bestehenden Geldforderung gegen das - bereits in Liquidation befindliche - Unternehmen erzwungen hätten. Diese Feststellung trägt seine Entscheidung. Sie erfüllt den Tatbestand der Singularrestitution, dessen Berechtigter auch der Träger eines bereits in Abwicklung befindlichen Unternehmens sein kann; sie setzt eine zusätzliche Unternehmensschädigung nicht voraus (vgl. BVerwG 7 B 15.93 - Buchholz 428 § 6 VermG Nr. 1; BVerwG 8 C 6.00 - Buchholz 428 § 6 VermG Nr. 42).
24c) Das angefochtene Urteil beruht auf der fehlerhaften Anwendung von § 6 Abs. 1a Satz 4 VermG und von § 121 VwGO. Daran ändert auch nichts, dass das Verwaltungsgericht im angefochtenen Urteil (UA S. 23 f.) eine eigene Würdigung des Vorliegens der Voraussetzungen von § 1 Abs. 3 VermG nachgeschoben hat. Denn das Verwaltungsgericht hat insoweit unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, es stütze seine Entscheidung nicht auf diese ergänzenden Ausführungen.
253. Das angefochtene Urteil ist auch nicht gemäß § 144 Abs. 4 VwGO aus anderen Gründen richtig. Das käme ohnehin nur in Betracht, wenn auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen des Verwaltungsgerichts sowohl die Antragsberechtigung der Hauptgenossenschaft nach § 6 Abs. 1a VermG als auch deren Berechtigung in Ansehung des Unternehmens nach § 1 Abs. 3 VermG feststünde. Davon kann keine Rede sein. Es lässt sich schon nicht erkennen, dass die für einen ordnungsgemäßen Antrag auf Unternehmensrestitution erforderlichen Voraussetzungen des § 6 Abs. 1a Satz 2 VermG erfüllt sind.
26Dazu bedarf es zunächst der Bestimmung des Schädigungszeitpunktes. Dem angefochtenen Urteil lässt sich nicht entnehmen, worin das Verwaltungsgericht die gegen das (lebende) Unternehmen in der damaligen DDR gerichtete(n) Schädigungsmaßnahme(n) im Sinne des § 1 Abs. 3 VermG gesehen hat. Insbesondere ist im Unklaren geblieben, ob das Verwaltungsgericht die Schädigung in der Herbeiführung des Liquidationsbeschlusses vom mit unlauteren Mitteln gesehen hat oder ob es von einer bis zur Vollbeendigung des Unternehmens im Jahre 1953/54 gestreckten Unternehmensschädigung ausgegangen ist. Auch wenn die Vorschriften der Unternehmensrestitution nach § 6 VermG nicht nur bei der Rückgabe eines lebenden Unternehmens oder Betriebsteils eines solchen, sondern auch dann eingreifen, wenn sich der Rückgabeanspruch auf die nach der Stilllegung eines geschädigten Unternehmens verbliebenen Vermögensgegenstände richtet (§ 6 Abs. 6a Satz 1 VermG), setzen sie die Schädigung eines lebenden Unternehmens voraus. Dies erfordert zwar nicht notwendig einen einheitlichen Entzugsakt. So können etwa auch Fälle von einem Schädigungstatbestand nach § 1 VermG erfasst sein, in denen das wesentliche Betriebsvermögen eines Unternehmens durch einzelne, unter Umständen auch zeitlich gestreckte Veräußerungsvorgänge an Dritte übertragen wurde. In jedem Falle muss bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise von einem durch Veräußerung, Enteignung oder durch eine vergleichbare Maßnahme bewirkten Entzug eines lebenden Unternehmens gesprochen werden können (stRspr, vgl. u.a. Beschluss vom a.a.O. = juris Rn. 6). Die Unternehmensrestitution nach § 6 VermG hat nur Vorrang (§ 3 Abs. 1 Satz 3 VermG) vor der Singularrestitution gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 VermG, wenn die Schädigungsmaßnahme im Sinne von § 1 VermG eine lebensfähige werbende Organisationseinheit getroffen hatte ( BVerwG 7 C 11.94 - BVerwGE 98, 154 <158 f.> = Buchholz 111 Art. 22 EV Nr. 10 und vom a.a.O. = juris Rn. 25). Die Vorschriften über die Unternehmensrestitution finden deshalb keine Anwendung, wenn der Geschäftsbetrieb des Unternehmens bereits vor der Durchführung schädigender Maßnahmen endgültig eingestellt und mit seiner Wiederaufnahme nicht zu rechnen war (vgl. Urteile vom a.a.O. S. 35 m.w.N. und vom - BVerwG 7 C 61.02 - Buchholz 428 § 6 VermG Nr. 60 Rn. 11). Dazu fehlt es im Urteil des Verwaltungsgerichts an näheren Feststellungen.
27Bezogen auf den Schädigungszeitpunkt müssen die vor der Schädigung vorhandenen Mitglieder der Hauptgenossenschaft (alt) ermittelt werden. Dabei muss vermieden werden, auch diejenigen als Mitglieder anzusehen, die erst infolge der Schädigung in die Genossenschaft eingetreten sind. Auch wenn viel dafür spricht, ist bislang nicht abschließend geklärt, ob das bei den Verwaltungsvorgängen (BA 4 Bl. 76) befindliche "Verzeichnis der persönlichen Genossen der Thüringer Hauptgenossenschaft, Erfurt" vom den zum Schädigungszeitpunkt maßgeblichen Mitgliederbestand wiedergibt. Ebenso steht nicht fest, ob die dort aufgeführten Mitglieder, unter denen sich sowohl drei natürliche Personen mit 12 Anteilen als auch 35 juristische Personen (Genossenschaften, Vereine) mit 217 Anteilen befanden, oder ihre - ordnungsgemäß bestimmten - Rechtsnachfolger ausnahmslos namentlich bekannt sind und ob sie mit dem in § 6 Abs. 1a Satz 2 VermG vorgesehenen Quorum von mehr als 50 vom Hundert der Anteile oder Mitgliedschaftsrechte des geschädigten Unternehmens den Anspruch auf Rückübertragung an das Unternehmen oder von Anteilen oder Mitgliedschaftsrechten fristgerecht angemeldet haben.
28Der Anwendung des § 6 Abs. 1a Satz 2 VermG steht nicht entgegen, dass das dort vorgeschriebene Quorum erst durch das Gesetz zur Beseitigung von Hemmnissen bei der Privatisierung von Unternehmen und zur Förderung von Investitionen (Investitionshemmnisse-Beseitigungsgesetz) vom (BGBl I S. 766) mit Wirkung vom eingeführt worden ist. Denn die durch dieses Gesetz bewirkten Änderungen des Vermögensgesetzes finden entgegen der Auffassung des Klägers auch auf solche Restitutionsverfahren Anwendung, die bei dessen Inkrafttreten bereits anhängig waren ( BVerwG 7 C 20.93 - BVerwGE 95, 155 <157 f.> = Buchholz 428 § 6 VermG Nr. 5). Die sofortige Geltung von Rechtsänderungen auch für die bei ihrem Inkrafttreten bereits anhängigen Verwaltungsverfahren ergibt sich schon aus dem allgemeinen Geltungsanspruch des jeweiligen Änderungsgesetzes, sofern dieser Anspruch nicht ausdrücklich auf später beginnende Verfahren beschränkt ist (vgl. - für Änderungen des Prozessrechts - BVerfGE 87, 48 <64> m.w.N.). Eine solche Beschränkung enthält das vorgenannte Gesetz vom nicht. Unabhängig davon ist das Restitutionsverfahren ohnehin erst durch den Antrag vom eingeleitet worden. Dass die Liquidatorin, die den Antrag für die Hauptgenossenschaft gestellt hat, bereits in der Generalversammlung vom bestellt und mit der Antragstellung beauftragt worden war, ändert daran nichts.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
UAAAD-95805