Leitsatz
Leitsatz:
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Instanzenzug: LG Bückeburg vom
Gründe
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen
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schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in sechs Fällen, in einem Falle in Tateinheit mit Freiheitsberaubung,
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sexuellen Missbrauchs von Kindern in vier Fällen und
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sexuellen Missbrauchs von Jugendlichen in drei Fällen
zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von elf Jahren verurteilt und gegen ihn die Sicherungsverwahrung angeordnet. Die auf die Rügen der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg.
1. Auf Antrag des Generalbundesanwalts stellt der Senat das Verfahren im Falle II. C) Tat 9 der Urteilsgründe gemäß § 154 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 StPO ein, denn die Feststellungen tragen nicht den Schuldspruch wegen sexuellen Missbrauchs von Jugendlichen (§ 182 Abs. 2 Nr. 1 StGB aF). Danach ist nicht auszuschließen, dass der Angeklagte bei der Tatbegehung aufgrund zuvor genossenen Alkohols "in seiner Einsichts- und Steuerungsfähigkeit noch erheblich vermindert war". Ist indes die Fähigkeit des Täters, das Unrecht seiner Tat einzusehen, erheblich vermindert, so kommt es für die Beurteilung seiner Schuldfähigkeit entscheidend darauf an, ob ihm deswegen diese Einsicht fehlt oder ob er gleichwohl über sie verfügt. Hat der Täter nicht die Einsicht in das Unerlaubte seines Handelns und kann ihm dies auch nicht vorgeworfen werden, so handelt er nach § 17 Satz 1 StGB ohne Schuld (; Fischer, StGB, 58. Aufl., § 21 Rn. 3 mwN). Das Landgericht stellt aber weder fest, dass der Angeklagte das Unerlaubte seines Handelns ungeachtet der erheblichen Beeinträchtigung seiner Einsichtsfähigkeit erkannte, noch, dass ihm diese Einsicht aus vorwerfbaren Gründen fehlte.
Die Einstellung führt zu der in der Entscheidungsformel enthaltenen Änderung des Schuldspruchs. Die ausgesprochene Gesamtfreiheitsstrafe von elf Jahren hat gleichwohl Bestand. Angesichts der verbleibenden zwölf Einzelfreiheitsstrafen - unter anderem sechs Jahre und sechs Monate, sechs Jahre, dreimal vier Jahre sowie drei Jahre - kann der Senat ausschließen, dass das Landgericht die Gesamtstrafe bei Wegfall der für diese Tat verhängten Freiheitsstrafe von acht Monaten milder bemessen hätte.
2. Auch im Falle II. B) Tat 7 der Urteilsgründe hat der Schuldspruch wegen sexuellen Missbrauchs von Jugendlichen (§ 182 Abs. 2 Nr. 1 StGB aF) keinen Bestand. Dazu, ob der hier Geschädigte auf Grund altersbedingter Unreife außerstande war, eine verantwortliche Entscheidung über die Duldung der sexuellen Handlungen des Angeklagten zu treffen (vgl. Fischer aaO § 182 Rn. 12), verhält sich das Urteil nicht. Nach den Feststellungen führte der Angeklagte sein Glied vielmehr unter Ausnutzung des Umstands in den After des Geschädigten ein, dass dieser nach Alkoholgenuss eingeschlafen war.
Die rechtsfehlerfreien Feststellungen tragen insoweit jedoch eine Verurteilung des Angeklagten wegen sexuellen Missbrauchs einer widerstandsunfähigen Person (§ 179 Abs. 1 Nr. 1 StGB). Der Senat ändert deshalb den Schuldspruch entsprechend ab. § 265 StPO steht dem nicht entgegen, da sich der Angeklagte, der diesen Tatvorwurf eingeräumt hat, bei dessen zutreffender rechtlicher Bewertung nicht anders hätte verteidigen können. Mit Blick auf den im Vergleich zu § 182 Abs. 2 StGB aF höheren Strafrahmen des § 179 Abs. 1 StGB ist auszuschließen, dass das Landgericht bei zutreffender rechtlicher Würdigung auf eine geringere Einzel- und Gesamtstrafe erkannt hätte.
3. Die weitergehende Revision ist unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
a) Insbesondere ist die Anordnung der Sicherungsverwahrung auch auf der Grundlage der Entscheidung des u.a., NJW 2011, 1931) nicht zu beanstanden. Ohne Rechtsfehler geht das Landgericht davon aus, dass der Angeklagte eine ausgeprägte, tief verwurzelte Neigung zum Geschlechtsverkehr mit Kindern und Jugendlichen hat, der er nun über mehrere Jahre hinweg mit sich steigernder Intensität und Gewaltbereitschaft nachgegangen ist. Sachverständig beraten kommt es zu dem Ergebnis, dass der Angeklagte mit hoher Wahrscheinlichkeit weiterhin sexuelle Praktiken wie Oral- und Analverkehr mit männlichen Kindern und Jugendlichen ausüben und diese dadurch seelisch und auch körperlich schädigen wird. Danach begründen konkrete, aus Person und Verhalten des Angeklagten abzuleitende Umstände die Gefahr, dass er weitere, auch schwere Sexualstraftaten im Sinne der Maßgabe des Bundesverfassungsgerichts zur Weitergeltung von § 66 StGB begehen wird. Nach Ansicht des Senats ist sexueller Missbrauch eines Kindes nach § 176a Abs. 2 StGB wegen der dafür angedrohten Mindeststrafe von zwei Jahren sowie der für die Tatopfer damit regelmäßig verbundenen erheblichen psychischen Auswirkungen grundsätzlich als "schwere Sexualstraftat" im vorbezeichneten Sinne anzusehen (vgl. zu Taten nach § 177 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 StGB).
b) Ebenso wenig ist die vom Landgericht im Rahmen seiner Ermessensentscheidung (§ 66 Abs. 2 und 3 StGB) angestellte Erwägung zu beanstanden, auch der - überhaupt erstmalige - Vollzug einer Freiheitsstrafe von elf Jahren lasse beim Angeklagten keine durchgreifende, die Sicherungsverwahrung entbehrlich machende Haltungsänderung erwarten. Ohne Rechtsfehler schließt das Landgericht aus der Entwicklung der Einlassungen des Angeklagten, dass sein (Teil-)Geständnis und die Bekundung von Therapiebereitschaft bislang eher prozesstaktischer Motivation entsprangen. Sind zum Zeitpunkt der Aburteilung positive Veränderungen durch den nachfolgenden Strafvollzug zwar denkbar, aber nicht sicher zu erwarten, so muss die Prüfung, ob der Zweck der Maßregel die Unterbringung (noch) erfordert, dem späteren Verfahren nach § 67c Abs. 1 StGB vorbehalten bleiben (Fischer aaO § 66 Rn. 36).
Fundstelle(n):
MAAAD-91444