Prüfung des Mangels der Vollmacht von Amts wegen
Gesetze: § 67 Abs 6 S 4 VwGO
Tatbestand
1Gegenstand des Verfahrens ist die Ablehnung des Antrags der Klägerin auf Stabilisierungsmaßnahmen nach dem Gesetz zur Errichtung eines Finanzmarktstabilisierungsfonds - Finanzmarktstabilisierungsfondsgesetz (FMStFG) vom (BGBl I S. 1982) i.d.F. der Änderung durch Art. 1 des Gesetzes vom (BGBl I S. 1980).
2Mit Schreiben vom beantragte die Klägerin bei dem Beklagten die Übernahme nicht bezifferter Garantien und eine Rekapitalisierung in Höhe von 100 000 €. Sie bezeichnete sich als Gründungsgesellschaft und erklärte, sie beabsichtige, eine Software zur Preisbestimmung und Preisanalyse sowie ein EDV-System komplexer Echtzeiterfassung und Echtzeitabrechnung zu vertreiben und weiterzuentwickeln. Da der geplante Geschäftsbetrieb einen bargeldlosen Zahlungs- und Abrechnungsverkehr sowie die Ausgabe und Verwaltung von elektronischem Geld einschließen solle, strebe sie die Erteilung einer Erlaubnis zum Betreiben von Bank- und Finanzdienstleistungsgeschäften nach § 32 des Kreditwirtschaftsgesetzes (KWG) an. Von ihr fest eingeplante Mittel der Existenzförderung in Höhe von 100 000 € seien ohne weitere Begründung ausgeblieben. Gleiches gelte für die bereits zugesagte unentgeltliche Nutzung von Räumlichkeiten für 12 Monate. Zwar sei die Bedeutung ihres Unternehmens für die Finanzmarktstabilität marginal. Dem entspreche jedoch die vergleichsweise geringe Höhe der begehrten Garantien.
3Mit Bescheid vom , der der Klägerin nach eigenen Angaben am zuging, lehnte der Beklagte die beantragten Maßnahmen ab, da die Klägerin nicht zu den Unternehmen des Finanzsektors im Sinne des § 2 Abs. 1 FMStFG zähle.
4Am hat Frau Rechtsanwältin Dr. Katharina V. B. für die Klägerin Klage erhoben. Mit Schriftsatz vom hat sie zunächst gebeten, den Ablehnungsbescheid aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, den Antrag der Klägerin positiv zu bescheiden und an diese 100 000 € zu zahlen. Mit Schriftsatz vom hat sie den Klageantrag im Hinblick auf § 13 Abs. 1 FMStFG, der Stabilisierungsmaßnahmen nur bis zum zulässt, auf eine von ihr so genannte "Stufenklage" umgestellt. Sie meint, der Anspruch der Klägerin auf die begehrten Maßnahmen sei durch eine rechtswidrige Verzögerung des Verwaltungsverfahrens vereitelt worden. Wegen der Verzögerung habe die Klägerin keinen effektiven Rechtsschutz erlangen können. Dies führe zur Unwirksamkeit des Ablehnungsbescheides und begründe einen Entschädigungsanspruch in Höhe von 100 000 €. Notfalls werde sie Amtshaftungsklage erheben.
5Die Rechtsanwältin beantragt sinngemäß,
1. festzustellen, dass der Ablehnungsbescheid des Beklagten vom unwirksam und daher aufzuheben ist,
2. für den Fall der Feststellung nach Ziffer 1 den Beklagten zu verpflichten, an die Klägerin den Betrag von 100 000 € zu zahlen,
3. die Kosten des Verfahrens dem Beklagten aufzuerlegen.
6Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
7Er meint, die Klägerin gehöre nicht zu den Unternehmen des Finanzsektors im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 1 FMStFG, denen die begehrten Stabilisierungsmaßnahmen hätten gewährt werden können.
8Trotz wiederholter gerichtlicher Aufforderungen, zuletzt mit Verfügung vom unter Fristsetzung bis zum und mit Hinweis auf die kostenrechtlichen Folgen einer vollmachtlosen Vertretung, hat die für die Klägerin handelnde Rechtsanwältin weder mitgeteilt, wer die Klägerin zu vertreten berechtigt ist, noch eine Prozessvollmacht vorgelegt.
9Mit Schriftsätzen vom 9. Mai und vom haben der Beklagte und die für die Klägerin handelnde Rechtsanwältin ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt.
Gründe
10Der Senat konnte gemäß § 101 Abs. 2 VwGO ohne mündliche Verhandlung entscheiden. Die Klage, für die das Bundesverwaltungsgericht gemäß § 16 FMStFG erstinstanzlich zuständig ist, ist unzulässig, da sie nicht ordnungsgemäß erhoben wurde und keine ordnungsgemäße Prozessvollmacht vorliegt.
111. Nach § 82 Abs. 1 Satz 1 VwGO muss die Klage unter anderem den Kläger bezeichnen. Wird im Namen einer Gesellschaft Klage erhoben, sind auch die zu ihrer Vertretung Berechtigten zu nennen (vgl. Geiger, in: Eyermann, VwGO, 13. Aufl. 2010, § 82 Rn. 3). Die Klageschrift bezeichnet als Klägerin jedoch nur die "Unternehmensgründung M.", ohne die Rechtsform oder die zur Vertretung der Gesellschaft Berechtigten anzugeben. Das ist aber unverzichtbar, um den Kläger einwandfrei identifizieren zu können.
12Das Klagevorbringen wurde auch nicht nachträglich gemäß § 82 Abs. 2 Satz 1 VwGO um die erforderliche Angabe der Vertretungsberechtigten ergänzt. Drei darauf gerichtete Aufforderungen des Gerichts, zunächst mit der Eingangsverfügung vom unter Fristsetzung zum sowie anschließend mit Verfügungen der Berichterstatterin vom 4. Mai und unter Fristsetzung jeweils zum 3. Juni und , sind erfolglos geblieben. Gründe, die einer fristgerechten Ergänzung entgegengestanden hätten, hat die für die Klägerin auftretende Rechtsanwältin nicht vorgetragen. Dass die Aufforderungen sie nicht rechtzeitig erreicht haben könnten, ist ausgeschlossen. Auf die Eingangsverfügung hin hat die Rechtsanwältin am die Klagebegründung vorgelegt. Die Verfügungen vom 4. Mai und sind ihr ausweislich der von ihr eigenhändig unterzeichneten Empfangsbekenntnisse jeweils am 10. Mai und zugegangen.
13Den für die Klägerin zu den Akten gereichten Unterlagen lassen sich die Namen der Vertretungsberechtigten ebenfalls nicht entnehmen. Der mit der gerichtlichen Verfügung vom unter Fristsetzung angeforderte Gesellschaftsvertrag wurde ebenso wenig vorgelegt wie eine schriftliche Prozessvollmacht. Dem im Verwaltungsverfahren vorgelegten Businessplan lassen sich keine Angaben zur aktuellen Vertretungsbefugnis entnehmen.
14Die ordnungsgemäße Bezeichnung der Klägerin ist schließlich nicht wegen der in der Klageschrift enthaltenen Versicherung anwaltlicher Vollmacht entbehrlich.
152. Unabhängig davon kann nicht vom Bestehen einer wirksamen Vollmacht ausgegangen werden. Die für die Klägerin auftretende Rechtsanwältin hat die nach § 67 Abs. 4 Satz 1, Abs. 6 Satz 1 VwGO erforderliche schriftliche Prozessvollmacht trotz entsprechender gerichtlicher Aufforderungen vom 4. Mai und unter Fristsetzung jeweils zum 3. Juni und nicht zu den Akten gereicht. Wie bereits festgestellt, sind beide Verfügungen ihr rechtzeitig vor Fristablauf zugegangen.
16§ 67 Abs. 6 Satz 4 VwGO hindert den Senat nicht, das Fehlen der Vollmacht ohne entsprechende Rüge des Beklagten zu berücksichtigen. Die Vorschrift verpflichtet das Gericht zur Berücksichtigung des Mangels der Vollmacht von Amts wegen, wenn nicht als Bevollmächtigter ein Rechtsanwalt auftritt. In diesem Fall entfällt die Pflicht, nicht jedoch auch die Befugnis, den Mangel der Vollmacht unabhängig von einer Rüge anderer Beteiligter zu prüfen und zu berücksichtigen. Vielmehr kann die Art und Weise der Prozessführung dem Gericht dazu berechtigten Anlass geben. Ob dafür genügt, dass die Prozessführung Zweifel am Bestehen einer Vollmacht weckt (so etwa Meissner/Schenk, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 67, Stand: Juli 2009, Rn. 101, im Anschluss an die Rechtsprechung zu §§ 67 a.F., 173 VwGO i.V.m. § 88 ZPO, vgl. BVerwG 9 C 105.84 - BVerwGE 71, 20 <23 f.> m.w.N. = Buchholz 310 § 67 VwGO Nr. 66; BVerwG 4 A 38.95 - Buchholz 310 § 67 VwGO Nr. 85 S. 5), muss hier nicht geklärt werden. Jedenfalls darf das Gericht den Mangel von Amts wegen berücksichtigen, wenn der auftretende Rechtsanwalt trotz gerichtlicher Aufforderung innerhalb der gesetzten Frist weder die Vollmacht nachreicht, noch auch nur den angeblich vertretenen Kläger ordnungsgemäß bezeichnet. In diesem Fall ist nicht zu erkennen, für wen der Prozess geführt wird und wer dem Rechtsanwalt eine wirksame Vollmacht erteilt haben oder die Prozessführung noch vor Ergehen einer die Instanz abschließenden Entscheidung wirksam genehmigen könnte (vgl. dazu GmS-OGB 2/83 - BVerwGE 69, 380 = Buchholz 310 § 67 VwGO Nr. 64). Wie bereits festgestellt, liegt ein solcher Fall hier vor.
173. Die Kosten des Verfahrens sind entsprechend § 89 Abs. 1 Satz 3 ZPO i.V.m. § 173 VwGO der für die Klägerin auftretenden Rechtsanwältin als vollmachtloser Vertreterin aufzuerlegen. Eine Anwendung des § 155 Abs. 4 VwGO kommt schon mangels Identifizierbarkeit der Klägerin nicht in Betracht.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
DAAAD-88606