BGH Beschluss v. - 2 StR 90/11

Leitsatz

Leitsatz:

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

Instanzenzug: LG Aachen vom

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt. Die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat den aus dem Tenor ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist sie unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).

1. Die Feststellungen des Landgerichts tragen nicht die Bewertung des mehraktigen Tatgeschehens als einheitliche Tat. Im Übrigen hält der Schuldspruch rechtlicher Überprüfung stand.

a) Das Landgericht hat das Tatgeschehen vom Eindringen des Angeklagten in die Wohnung der Geschädigten bis zu deren Verlassen rund 10 Stunden später als einheitliche Tat gewürdigt und den Angeklagten, der nach den Feststellungen die Geschädigte unmittelbar nach seinem Eindringen bis zur Bewusstlosigkeit würgte, wegen gefährlicher Körperverletzung gemäß §§ 223, 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB verurteilt. Einen kurz vor Verlassen der Wohnung erfolgten zweiten Würgevorgang und "weitere Körperverletzungsdelikte" hat das Gericht als nicht gesondert verfolgbare Teilakte angesehen (UA S. 25).

b) Für die Annahme von Tateinheit fehlt es bereits an einer zumindest teilweisen Identität der Ausführungshandlungen in einem für die verwirklichten Körperverletzungsdelikte notwendigen Teil. Die beiden Würgevorgänge liegen zeitlich weit auseinander, dazwischen gab es wiederholt friedliche Phasen, in denen die Beteiligten auch Zärtlichkeiten austauschten; weitere Körperverletzungen, deren Ausführungshandlungen diesen Zeitraum überdauert haben könnten, hat die Kammer nur seitens der Geschädigten festgestellt. Auch die Annahme einer natürlichen Handlungseinheit liegt fern (vgl. ).

c) Der Angeklagte ist wegen des anfänglichen lebensbedrohlichen Würgens der gefährlichen Körperverletzung (§§ 223, 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB) und wegen des späteren Würgens der vorsätzlichen Körperverletzung (§ 223 Abs. 1 StGB) schuldig. Die insoweit mangels Strafantrags der Geschädigten gemäß § 230 StGB erforderliche Annahme des besonderen öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung wurde seitens der Strafverfolgungsbehörde im Rahmen des Revisionsverfahrens erklärt.

Der Senat hat den Schuldspruch in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO selbst geändert, da ergänzende Feststellungen - auch im Hinblick auf weitere Körperverletzungsdelikte - nicht zu erwarten sind. § 358 Abs. 2 StPO steht der Ergänzung des Schuldspruchs nicht entgegen, da er das Risiko einer Verschlechterung des Schuldspruchs nicht ausschließt (vgl. BGH NStZ 2011, 212, 213; Beschluss vom - 4 StR 165/10). Auch § 265 Abs. 1 StPO steht dem nicht entgegen. Der Angeklagte hätte sich insoweit nicht anders verteidigen können.

2. Wegen der veränderten Bewertung der Konkurrenzverhältnisse war der Angeklagte im Übrigen freizusprechen um klarzustellen, dass die angeklagte Vergewaltigung dem Angeklagten nicht nachgewiesen werden konnte.

Im Eröffnungsbeschluss war für alle Gesetzesverletzungen Tateinheit angenommen worden, weil dort, in Übereinstimmung mit der Anklage, ein die ganze Zeit über andauerndes Verbrechen der Geiselnahme gemäß § 239b StGB angenommen wurde. Da aber die Geiselnahme in der Hauptverhandlung nicht erwiesen werden konnte, ist die durch sie bewirkte rechtliche Klammer zwischen den untereinander in Tatmehrheit stehenden Körperverletzungen und der mit diesen in keinem Zusammenhang stehenden, angeklagten Vergewaltigung entfallen. Erweist sich aber nach dem Ergebnis der Hauptverhandlung die Annahme von Tateinheit als offensichtlich fehlerhaft und ist eine der Taten nicht erwiesen, so ist jedenfalls aus Billigkeitsgründen ein Teilfreispruch geboten (BGH NStZ 1992, 398; Meyer-Goßner StPO 53. Aufl. § 260 Rn. 12 mwN). Dies gilt auch für den Fall des Wegfalls einer Dauerstraftat, wenn dadurch der tateinheitliche Zusammenhang mit mehreren rechtlich selbständigen Taten, von denen eine nicht erwiesen werde konnte, verloren geht (vgl. BGH VRS 21, 341, 343). Der Senat hat aus diesem Grunde den Teilfreispruch mit der Kostenfolge aus § 467 Abs. 1 StPO nachgeholt.

3. Die auf Grundlage der Annahme des Vorliegens einer einheitlichen Tat für die gefährliche Körperverletzung verhängte Freiheitsstrafe war wegen des zu Lasten des Angeklagten zugrunde gelegten, erhöhten Schuldumfangs aufzuheben. Zwar muss allein eine fehlerhafte Beurteilung der Konkurrenzen bei insgesamt gleich bleibenden Schuld- und Unrechtsgehalt nicht zwingend auch den Strafausspruch im Ergebnis gefährden (BGH NJW 1996, 936, 938; vgl. Fischer StGB 58. Aufl. § 46 Rn. 58). Hier muss der Strafausspruch aber schon deshalb aufgehoben werden, weil für die vorsätzliche Körperverletzung noch eine Einzelstrafe festzusetzen ist.

Fundstelle(n):
AAAAD-88338