BFH Beschluss v. - IV B 120/10 BStBl 2011 II S. 855

AdV: Festsetzung von Verzögerungsgeld im Rahmen einer Außenprüfung

Leitsatz

Es ist nicht ernstlich zweifelhaft, dass ein Verzögerungsgeld auch verhängt werden kann, wenn ein Steuerpflichtiger einer Aufforderung des Finanzamts zur Erteilung von Auskünften oder zur Vorlage von Unterlagen im Rahmen einer Außenprüfung nicht fristgerecht nachkommt.

Es bestehen indes ernstliche Zweifel, ob eine mehrfache Festsetzung eines Verzögerungsgelds wegen fortdauernder Nichtvorlage derselben Unterlagen zulässig ist.

Gesetze: AO § 146 Abs. 2bAO § 200 Abs. 1AO § 332 Abs. 3

Instanzenzug: FG des Landes Sachsen-Anhalt vom 3 V 1296/10 (EFG 2011, 298)

Gründe

I.

1Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit der Festsetzungen von Verzögerungsgeldern.

2Im Rahmen der Durchführung einer Außenprüfung forderte der Antragsgegner und Beschwerdeführer (das Finanzamt —FA—) die Antragstellerin und Beschwerdegegnerin (Antragstellerin) mit Schreiben vom , 8. und —Letzteres unter Fristsetzung bis zum — gemäß § 200 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO) auf, Buchführungsunterlagen und Datenträger vorzulegen. Für den Fall der nicht fristgerechten Vorlage drohte das FA in dem Schreiben vom die Festsetzung eines Verzögerungsgelds in Höhe von jeweils 2.500 € an.

3Bis zum Fristablauf überreichte die Antragstellerin lediglich einen Datenträger.

4Mit Bescheid vom setzte das FA der Antragstellerin gegenüber ein Verzögerungsgeld in Höhe von 2.500 € fest.

5Den dagegen eingelegten Einspruch und den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung (AdV) lehnte das FA ab.

6Die gegen den Bescheid vom in der Gestalt der Einspruchsentscheidung erhobene Klage ist beim Finanzgericht (FG) unter dem Aktenzeichen 3 K 1235/10 anhängig.

7Mit weiterem Schreiben vom forderte das FA die Antragstellerin erneut auf, die Buchführungsunterlagen bis zum vorzulegen. In dem Schreiben wies das FA auf die Möglichkeit der Festsetzung eines Verzögerungsgelds gemäß § 146 Abs. 2b AO hin.

8Mit Bescheid vom setzte das FA der Antragstellerin gegenüber ein (weiteres) Verzögerungsgeld in Höhe von 3.000 € fest, da diese der (erneuten) Aufforderung vom nicht nachgekommen sei.

9Dagegen hat die Antragstellerin Sprungklage erhoben, der das FA jedoch nicht zugestimmt hat. Eine Einspruchsentscheidung ist bislang nicht ergangen. Den gleichfalls gestellten Antrag auf AdV lehnte das FA ab.

10Am beantragte die Antragstellerin die AdV der Bescheide vom und vom beim FG.

11Während des anhängigen Verfahrens ersetzte das FA mit Bescheiden vom die Bescheide vom und vom , jeweils verbunden mit der ausdrücklichen Feststellung, dass die Festsetzung des Verzögerungsgelds nach erneuter Überprüfung bestehen bleibe. In den Bescheiden vom hat das FA umfassend zu seinen Ermessenserwägungen Stellung genommen.

12Das FG hat die Vollziehung der Bescheide vom ausgesetzt. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt:

13Die Bescheide vom seien in entsprechender Anwendung des § 68 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zum Gegenstand des Verfahrens geworden. Der Antrag sei angesichts des Begehrens der Antragstellerin dahingehend auszulegen, dass nunmehr die AdV der Bescheide vom begehrt werde.

14Der Antrag sei begründet, da ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Bescheide bestünden.

15Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheids vom in der geänderten Fassung vom bestünden deshalb, weil das FA im Rahmen der neuerlichen Ausübung seines Ermessens unberücksichtigt gelassen habe, dass zwischenzeitlich mit der Festsetzung eines höheren Verzögerungsgelds ein relevantes Ereignis eingetreten sei. Es treffe deshalb nicht zu, wenn das FA von einer erstmaligen Sanktionsmaßnahme ausgehe.

16Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheids vom in der geänderten Fassung vom bestünden insoweit, als das FA die mehrfache Festsetzung eines Verzögerungsgelds wegen fortdauernder Nichtvorlage derselben angeforderten Unterlagen i.S. des § 200 Abs. 1 AO auf § 146 Abs. 2b AO gestützt habe. Eine ausdrückliche diesbezügliche Regelung finde sich in § 146 Abs. 2b AO nicht. Es sei auch kein Verweis auf § 332 Abs. 3 AO enthalten, wonach eine erneute Zwangsgeldandrohung wegen derselben Verpflichtung möglich sei. Eine analoge Anwendung dieser Regelung verbiete sich wegen der unterschiedlichen Zielsetzung von Verzögerungsgeld und Zwangsgeld.

17Zudem seien ernstliche Zweifel dadurch begründet, dass das FA mit den seiner Auffassung nach aussichtslosen Anträgen auf AdV der Prüfungsanordnung bei der Ermessensentscheidung sachfremde Umstände berücksichtigt habe.

18Mit der vom FG zugelassenen (§ 128 Abs. 3 Satz 2 i.V.m. § 115 Abs. 2 FGO) Beschwerde macht das FA geltend, dass die Änderungsbescheide vom rechtmäßig seien.

19Im Rahmen der Ermessensausübung bei dem Änderungsbescheid vom , soweit er die erstmalige Festsetzung des Verzögerungsgelds betroffen habe, sei die weitere Festsetzung eines Verzögerungsgelds nicht zu berücksichtigen gewesen. Beide Festsetzungen hätten auf verschiedenen Mitwirkungsverlangen beruht und seien daher unabhängig voneinander zu beurteilen.

20Auch die Festsetzung eines erneuten Verzögerungsgelds sei rechtmäßig, da die Sanktion nach dem Wortlaut des § 146 Abs. 2b AO an die jeweilige Aufforderung anknüpfe. Anders als beim Zwangsgeld werde daher nicht dieselbe Pflichtverletzung sanktioniert.

21Auch habe das FA zu Recht im Rahmen der Ermessensentscheidung berücksichtigt, dass die Antragstellerin durch eine Reihe von Anträgen auf AdV der Prüfungsanordnung, welche wegen der eingetretenen Bestandskraft aussichtslos gewesen seien, die Durchführung der Außenprüfung zu verhindern gesucht habe. Vollstreckungsmaßnahmen hätten grundsätzlich zu unterbleiben, soweit über einen Aussetzungsantrag noch nicht entschieden worden sei. Im Übrigen seien diese Ausführungen erkennbar nur ergänzend und nicht tragend gewesen.

22Das FA beantragt sinngemäß,

den Beschluss des FG aufzuheben und die Anträge auf AdV der Bescheide vom als unbegründet abzulehnen.

23Die Antragstellerin beantragt sinngemäß,

die Beschwerde zurückzuweisen.

24Zur Begründung führt sie im Wesentlichen aus:

Solange der Verwaltungsakt —hier Anforderung von Buchführungsunterlagen— nicht bestandskräftig und über ein diesbezügliches Aussetzungsverfahren noch nicht entschieden worden sei, könne kein Verzögerungsgeld festgesetzt werden. Es sei auch nicht zulässig, das Verzögerungsgeld zu vervielfachen, indem es auf mehrere Verpflichtungen atomisiert werde - hier Datenträger und Buchführungsunterlagen.

25Die Ermessenserwägungen hätten spätestens im Rahmen der Einspruchsentscheidung dargelegt werden müssen. Eine Nachholung in einem finanzgerichtlichen Verfahren sei nicht möglich. Das FA habe zudem nicht dargelegt, welche konkrete zeitliche Verzögerung eingetreten sei.

26Die Verzögerungsgelder seien auch fehlerhaft gegen die Antragstellerin festgesetzt worden. Zutreffend hätten sich die Bescheide gegen die gemäß § 34 AO für die Erfüllung der steuerlichen Pflichten zuständigen Geschäftsführer (hier die Gesellschafter) der Antragstellerin richten müssen.

27Die Festsetzung eines erneuten Verzögerungsgelds sei auch deshalb unzulässig, weil über die erste Festsetzung noch nicht bestandskräftig entschieden worden sei. Auch sei die Zeitspanne zwischen den beiden Festsetzungsbescheiden zu kurz bemessen. Zudem sei zweifelhaft, ob die mehrfache Festsetzung eines Verzögerungsgelds wegen fortdauernder Nichtvorlage derselben Unterlagen von § 146 Abs. 2b AO gedeckt sei.

28Im Übrigen könne ein Verzögerungsgeld nur im Zusammenhang mit einer Buchführungsverlagerung nach § 146 Abs. 2a AO festgesetzt werden.

II.

291. Nach § 69 Abs. 3 Satz 1 FGO kann das Gericht der Hauptsache die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsakts ganz oder teilweise aussetzen.

30a) Die Aussetzung soll erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte (§ 69 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 FGO). Ernstliche Zweifel i.S. des § 69 Abs. 2 Satz 2 FGO sind zu bejahen, wenn bei summarischer Prüfung des angefochtenen Verwaltungsakts neben für seine Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung der entscheidungserheblichen Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung von Tatfragen bewirken (vgl. , BFHE 87, 447, BStBl III 1967, 182, seitdem ständige Rechtsprechung). Die AdV setzt nicht voraus, dass die für die Rechtswidrigkeit sprechenden Gründe überwiegen (vgl. , BFHE 223, 294, BStBl II 2009, 156).

31b) Die Entscheidung über einen Antrag auf AdV ergeht wegen dessen Eilbedürftigkeit aufgrund des Prozessstoffs, der sich aus den dem Gericht vorliegenden Unterlagen, insbesondere den Akten der Finanzbehörde und präsenten Beweismitteln ergibt (, BFH/NV 1995, 116). Aus diesen Unterlagen hat das Gericht seine Feststellungen zum Sachverhalt zu treffen. Im Beschwerdeverfahren gegen die Entscheidung über einen Antrag auf AdV durch das FG hat der BFH als Tatsachengericht grundsätzlich selbst die Befugnis und Pflicht zur Tatsachenfeststellung (BFH-Beschluss in BFHE 223, 294, BStBl II 2009, 156, m.w.N.).

32c) Die Beschwerde ist statthaft, weil das FG sie zugelassen hat (§ 128 Abs. 3 FGO). Der BFH ist daran —abgesehen von Fällen greifbarer Gesetzeswidrigkeit— gebunden (, BFH/NV 2009, 760, m.w.N.).

33d) Zutreffend ist das FG davon ausgegangen, dass die Bescheide vom in entsprechender Anwendung des § 68 Satz 1 FGO zum Gegenstand des Verfahrens geworden sind.

34§ 68 Satz 1 FGO greift u.a. dann ein, wenn ein angefochtener Verwaltungsakt aus formellen Gründen aufgehoben und inhaltsgleich wiederholt wird. Dies gilt gleichermaßen auch dann, wenn der ursprüngliche Bescheid keine hinreichenden Ausführungen zur Ermessensausübung enthält und diese in dem „ersetzenden” Bescheid nachgeholt werden (, BFHE 224, 195, BStBl II 2009, 539, m.w.N.). Der Anwendungsbereich des § 68 FGO ist auch eröffnet, wenn die Hauptsache sich noch im Vorverfahren befindet und der Änderungsbescheid gemäß § 365 Abs. 3 AO Gegenstand des Vorverfahrens geworden ist (, BFH/NV 1995, 611).

35Die Bescheide vom sind in ihrem Regelungsausspruch inhaltsgleich mit den Bescheiden vom und vom . In den Bescheiden vom sind lediglich die Ermessenserwägungen nachgeholt worden. Die ersetzenden Bescheide sind daher entsprechend § 68 Satz 1 FGO zum Gegenstand des Verfahrens geworden.

362. Vorliegend bestehen bei summarischer Prüfung keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheids vom in der geänderten Fassung vom .

37Das FA hat die Festsetzung des Verzögerungsgelds in Höhe von 2.500 € wegen Nichtvorlage der Buchführungsunterlagen zu Recht auf § 146 Abs. 2b AO gestützt.

38a) Nach der Regelung des § 146 Abs. 2b AO kann ein Verzögerungsgeld von 2.500 € bis 250.000 € festgesetzt werden, wenn ein Steuerpflichtiger der Aufforderung zur Rückverlagerung seiner elektronischen Buchführung oder seinen Pflichten nach § 146 Abs. 2a Satz 4 AO, zur Einräumung des Datenzugriffs nach § 147 Abs. 6 AO, zur Erteilung von Auskünften oder zur Vorlage angeforderter Unterlagen i.S. des § 200 Abs. 1 AO im Rahmen einer Außenprüfung innerhalb einer ihm bestimmten angemessenen Frist nach Bekanntgabe durch die zuständige Finanzbehörde nicht nachkommt oder er seine elektronische Buchführung ohne Bewilligung der zuständigen Finanzbehörde ins Ausland verlagert hat.

39Das Verzögerungsgeld wurde durch Art. 10 Nr. 8 des Jahressteuergesetzes 2009 vom (BGBl I 2008, 2794) —JStG 2009— mit Wirkung vom (Art. 39 Abs. 1, Abs. 8 JStG 2009) als neue steuerliche Nebenleistung (§ 3 Abs. 4 AO) eingeführt. Die Einführung des Verzögerungsgelds stand im engen Kontext mit der ebenfalls durch das JStG 2009 eingeführten Regelung in § 146 Abs. 2a AO. Danach kann das Finanzamt dem Steuerpflichtigen unter bestimmten Voraussetzungen bewilligen, seine Buchführung in das Ausland zu verlagern. Für den Fall, dass die Voraussetzungen nicht oder nicht mehr vorliegen, kann die Bewilligung widerrufen und die unverzügliche Rückverlagerung verlangt werden (§ 146 Abs. 2a Satz 3 AO). Um den Steuerpflichtigen in diesem Fall zu einer zeitnahen Rückverlagerung der Buchführung anzuhalten, ist die Möglichkeit der Festsetzung eines Verzögerungsgelds normiert worden.

40Über diesen direkten Normzusammenhang hinaus kann nach dem zuvor dargelegten Wortlaut ein Verzögerungsgeld aber auch dann verhängt werden, wenn ein Steuerpflichtiger einer Aufforderung des Finanzamts zur Erteilung von Auskünften oder zur Vorlage angeforderter Unterlagen i.S. von § 200 Abs. 1 AO im Rahmen einer Außenprüfung innerhalb einer angemessenen Frist nicht nachkommt (Urteil des Schleswig-Holsteinischen , Entscheidungen der Finanzgerichte 2011, 846; ebenso Geißler, Neue Wirtschaftsbriefe 2009, 4076; Klein/Rätke, AO, 10. Aufl., § 146 Rz 5b; Gebbers, Die steuerliche Betriebsprüfung 2009, 130). Es erscheint zwar systematisch missglückt, die Regelung des Verzögerungsgelds wegen der Verletzung von Mitwirkungspflichten bei einer Außenprüfung mit einem Verzögerungsgeld im Zusammenhang mit anderen Verpflichtungen zu verbinden. Sie hätte, worauf Drüen in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 146 AO Rz 51 zutreffend hinweist, besser in § 200 AO verortet werden sollen. Angesichts des eindeutigen Wortlauts kann aber allein aus der unzureichenden systematischen Verortung nicht darauf geschlossen werden, dass ein Verzögerungsgeld nur im Zusammenhang mit einer ohne Bewilligung der Finanzbehörde erfolgten Verlagerung der Buchführung ins Ausland oder unterbliebener Rückverlagerung der Buchführung aus dem Ausland festgesetzt werden darf (so aber Drüen in Tipke/Kruse, a.a.O., § 146 AO Rz 51). Dieses Verständnis der Norm wird durch die Gesetzesbegründung gestützt. Danach soll das Verzögerungsgeld im Falle der Verletzung von Mitwirkungspflichten gleichermaßen gelten, um eine Ungleichbehandlung von Steuerpflichtigen, die ihre Bücher und sonstigen Aufzeichnungen im Ausland führen, gegenüber solchen Steuerpflichtigen, die dies im Inland tun, zu vermeiden (vgl. BTDrucks 16/10189, S. 81). Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, ob eine Erstreckung des Verzögerungsgelds auch auf Fälle sonstiger Mitwirkungsverletzungen aus Gründen der Gleichbehandlung überhaupt erforderlich gewesen wäre (ablehnend Drüen in Tipke/Kruse, a.a.O., § 146 AO Rz 51).

41b) Der Tatbestand des § 146 Abs. 2b AO ist vorliegend erfüllt. Gegenüber der Antragstellerin ist mit Bescheid vom eine Außenprüfung angeordnet worden. Der Bescheid ist nach Abschluss des dagegen gerichteten Klage- und Revisionszulassungsverfahrens bestandskräftig (siehe , BFH/NV 2010, 595).

42aa) Das FA durfte deshalb die Aufforderung an die Antragstellerin vom , 8. und zur Vorlage der Buchführungsunterlagen zuletzt bis zum erlassen. Die relativ kurze Frist war angesichts der besonderen Umstände des Streitfalls noch angemessen. Zum einen war die Antragstellerin bereits mehrmals zur Vorlage der Buchführungsunterlagen aufgefordert worden. Zum anderen hat die Antragstellerin durch selbst mit nicht statthaften Anträgen verbundene Rechtsbehelfe gegen sämtliche Mitwirkungsverlangen des Prüfers fortwährend Verzögerungen bewirkt.

43bb) Der Festsetzung des Verzögerungsgelds steht nicht entgegen, dass die Antragstellerin die Aufforderung zur Vorlage der Buchführungsunterlagen mit Rechtsmitteln angegriffen hat. Maßgeblich ist allein, dass die Aufforderung vollziehbar war. Nach Aktenlage wurden die Anträge auf AdV der Aufforderungen zur Vorlage der Buchführungsunterlagen abgelehnt.

44cc) Im Streitfall bedarf es keiner Ausführungen dazu, ob und inwieweit § 146 Abs. 2b AO eine Vervielfachung der Festsetzung des Verzögerungsgelds dadurch ermöglicht, dass sich die vorherige Aufforderung auf eine Vielzahl von Unterlagen erstreckt. Denn das FA hat in dem Bescheid vom in der geänderten Fassung vom nur den Mindestbetrag von 2.500 € festgesetzt, so dass sich das Problem einer Vervielfachung des Verzögerungsgelds nicht stellt.

45dd) Der Bescheid über die Festsetzung des Verzögerungsgelds ist ebenso wie die Aufforderung zur Vorlage der Buchführungsunterlagen zutreffend an die Antragstellerin als Inhaltsadressatin gerichtet worden. Insoweit kann für diese Bescheide nichts anderes gelten als für die Prüfungsanordnung. Unterhält eine Personengesellschaft einen Gewerbebetrieb (§ 193 Abs. 1 AO), ist sie selbst Prüfungssubjekt und damit Inhaltsadressatin der Prüfungsanordnung nicht nur für die Steuern, die sie persönlich schuldet (z.B. Gewerbesteuer und Umsatzsteuer), sondern gleichermaßen im Hinblick auf die gesondert und einheitlich festzustellenden Einkünfte ihrer Gesellschafter (, Deutsches Steuerrecht/ Entscheidungsdienst 2008, 341). Auch im Streitfall war die Prüfungsanordnung zutreffend an die Antragstellerin als Inhaltsadressatin gerichtet. Entsprechend oblagen ihr auch die Mitwirkungspflichten im Zusammenhang mit der Durchführung der Außenprüfung.

46ee) Der Senat hat bei summarischer Prüfung schließlich auch keine ernstlichen Zweifel daran, dass das FA sein Entschließungsermessen im Hinblick auf das Ob einer Festsetzung des Verzögerungsgelds und sein Auswahlermessen im Hinblick auf die Höhe des Verzögerungsgelds zutreffend ausgeübt hat.

47Das FA musste beim Erlass des Bescheids vom , mit dem der Bescheid vom geändert bzw. ersetzt worden ist, im Rahmen der Ermessensausübung nicht berücksichtigen, dass zwischenzeitlich ein höheres Verzögerungsgeld festgesetzt worden ist. Anders als das FG meint, ist die Festsetzung eines weiteren Verzögerungsgelds jedenfalls im Streitfall kein relevantes Ereignis, welches in die Ermessenserwägungen des ersten Bescheids miteinzubeziehen gewesen wäre.

48Zutreffend weist das FA darauf hin, dass beide Bescheide auf voneinander unabhängigen Mitwirkungsverlangen beruhen, nämlich einerseits den Aufforderungen vom , 8. und und andererseits der Aufforderung vom . Zwar liegt es nahe, dass die erstmalige Festsetzung eines Verzögerungsgelds in die Ermessenserwägung (Auswahlermessen) im Rahmen der betragsmäßigen Festsetzung eines weiteren Verzögerungsgelds einzufließen hat, soweit eine weitere Festsetzung dem Grunde nach überhaupt zulässig ist (dazu unter II.3.). Umgekehrt kann die Festsetzung eines weiteren Verzögerungsgelds aber keinerlei Einfluss auf die erstmalige Festsetzung eines Verzögerungsgelds haben. Die Ermessenserwägungen sind vielmehr ausschließlich auf diesen erstmalig verwirklichten Sachverhalt zu beziehen. Später eintretende Umstände sind auch nicht dann im Rahmen der Ermessensausübung zu berücksichtigen, wenn, wie im Streitfall, das FA die zunächst unterlassenen Ermessenserwägungen in einem Änderungs- bzw. Ersetzungsbescheid zu einem Zeitpunkt nachholt, in dem ein weiteres Verzögerungsgeld bereits festgesetzt worden ist. Denn ungeachtet der zwischenzeitlich eingetretenen Änderungen müssen sich die Ermessenserwägungen ausschließlich auf den Sachverhalt beziehen, der im Zeitpunkt des Erlasses des ersten Festsetzungsbescheids verwirklicht war.

493. Bei summarischer Prüfung bestehen indes ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheids vom in der Fassung vom .

50a) Es ist ernstlich zweifelhaft, ob die mehrfache Festsetzung eines Verzögerungsgelds wegen fortdauernder Nichtvorlage derselben angeforderten Unterlagen i.S. des § 200 Abs. 1 AO von § 146 Abs. 2b AO gedeckt ist (für zulässig erachtet von tom Suden, § 146 Abs. 2a und 2b AO: Das trojanische Pferd im Steuerrecht, Die Steuerberatung 2009, 207; , Deutsches Steuerrecht 2011, 676).

51Die Zulässigkeit einer mehrfachen Festsetzung wegen derselben Verpflichtung lässt sich weder aus dem Wortlaut noch aus dem Sinn und Zweck der Regelung des § 146 Abs. 2b AO entnehmen. Das Verzögerungsgeld soll nach der Gesetzesbegründung den Steuerpflichtigen zur zeitnahen Mitwirkung anhalten. Es steht damit in einem Konkurrenzverhältnis zu dem Zwangsgeld gemäß § 328 Abs. 1, § 329 AO. Für das Zwangsgeld enthält § 332 Abs. 3 AO die ausdrückliche gesetzliche Ermächtigung, es erneut wegen derselben Verpflichtung anzudrohen, wenn das zunächst angedrohte Zwangsgeld erfolglos geblieben ist. Das Schweigen des Gesetzgebers zu der Möglichkeit einer erneuten Festsetzung eines Verzögerungsgelds deutet daher darauf hin, dass ein Verzögerungsgeld wegen derselben Verpflichtung nur einmal festgesetzt werden kann. Eine analoge Anwendung des § 332 Abs. 3 AO kommt nach Auffassung des Senats nicht in Betracht, weil nicht zu erkennen ist, dass das Fehlen einer Regelung zur wiederholten Festsetzung eines Verzögerungsgelds auf einem Versehen des Gesetzgebers beruht. Es fehlt damit an der für eine analoge Gesetzesanwendung erforderlichen planwidrigen Regelungslücke.

52b) Da das FA noch nicht über den Einspruch gegen den Bescheid vom in der Fassung vom entschieden hat, beschränkt der Senat in Ausübung seines Ermessens die AdV des Bescheids vom in der geänderten Fassung vom bis zum Abschluss des Einspruchsverfahrens.

Fundstelle(n):
BStBl 2011 II Seite 855
AO-StB 2011 S. 228 Nr. 8
BB 2011 S. 1813 Nr. 30
BB 2011 S. 2275 Nr. 37
BBK-KN Nr. 213/2011 (Erste BFH-Entscheidung zum Verzögerungsgeld)
BFH/NV 2011 S. 1549 Nr. 9
BFH/PR 2011 S. 392 Nr. 10
BStBl II 2011 S. 855 Nr. 18
DB 2011 S. 14 Nr. 29
DB 2011 S. 1619 Nr. 29
DB 2011 S. 6 Nr. 29
DStR 2011 S. 10 Nr. 29
DStR 2011 S. 1423 Nr. 30
DStRE 2011 S. 1105 Nr. 17
DStZ 2011 S. 621 Nr. 17
KÖSDI 2011 S. 17543 Nr. 8
NWB-Eilnachricht Nr. 30/2011 S. 2526
StB 2011 S. 302 Nr. 9
StBW 2011 S. 741 Nr. 16
StC 2011 S. 12 Nr. 10
StuB-Bilanzreport Nr. 15/2011 S. 598
wistra 2011 S. 4 Nr. 10
DAAAD-87151