Restschuldbefreiung: Versagung bei Verweigerung der Mitwirkung seitens des Schuldners
Leitsatz
Verweigert der Schuldner seine Mitwirkung im Versagungsverfahren nach § 296 Abs. 2 InsO, kann ihm die Restschuldbefreiung nur versagt werden, wenn diesem Verfahren ein statthafter Versagungsantrag nach § 296 Abs. 1 InsO zugrunde liegt ; zulässig muss der Antrag nicht sein .
Gesetze: § 296 Abs 1 InsO, § 296 Abs 2 InsO
Instanzenzug: LG Aschaffenburg Az: 43 T 161/10 Beschlussvorgehend AG Aschaffenburg Az: 4 IN 336/04 Beschluss
Gründe
I.
1Das im Oktober 2004 eröffnete Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners wurde nach Ankündigung der Restschuldbefreiung im April 2008 aufgehoben, § 200 InsO. Im Mai 2010 hat der Treuhänder dem Insolvenzgericht mitgeteilt, dass trotz Aufforderung seinerseits der Schuldner keine Erklärungen über seine Einkommensverhältnisse abgegeben habe. Nachdem der Schuldner auch gegenüber dem Insolvenzgericht trotz entsprechenden Verlangens und einer Belehrung über die Folgen der unterlassenen Mitwirkung die angeforderten Auskünfte nicht erteilt hatte, hat das Amtsgericht die Restschuldbefreiung versagt und die Stundung der Verfahrenskosten aufgehoben. Die dagegen eingelegte sofortige Beschwerde hat das Landgericht zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich der Schuldner mit seiner Rechtsbeschwerde, mit der er die Aufhebung der angefochtenen Beschlüsse über die Versagung der Restschuldbefreiung und die Aufhebung der Stundung der Verfahrenskosten begehrt.
II.
2Dem Schuldner ist nach Gewährung von Prozesskostenhilfe zur Durchführung des Rechtsbeschwerdeverfahrens wegen der Versäumung der Frist zur Einlegung und Begründung der Rechtsbeschwerde Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren (§§ 233, 234 Abs. 2, § 575 ZPO).
III.
3Die gemäß §§ 7, 6 Abs. 1, § 296 Abs. 3 Satz 1 InsO, § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO statthafte und auch sonst zulässige Rechtsbeschwerde (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO) ist begründet.
41. Das Beschwerdegericht hat ausgeführt, der Schuldner sei ausweislich der Auskunft des Treuhänders seinen Auskunfts- und Mitwirkungspflichten nicht nachgekommen. Die ihm gerichtlich gesetzte Frist habe er ungenutzt verstreichen lassen. Die Versagung der Restschuldbefreiung werde auf § 296 Abs. 2 Satz 3 InsO gestützt; in diesem Fall sei die Restschuldbefreiung von Amts wegen zu versagen.
52. Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung nicht stand. Einem Schuldner kann nach § 296 Abs. 2 Satz 3 InsO die Restschuldbefreiung nur versagt werden, wenn ein hierzu berechtigter Gläubiger einen Versagungsantrag nach § 296 Abs. 1 InsO gestellt hat, der zu dem Auskunftsverlangen des Absatzes 2 der Vorschrift geführt hat.
6a) Gemäß § 296 Abs. 1 Satz 1 InsO bedarf es zur Versagung der Restschuldbefreiung zwingend eines Gläubigerantrages. Ein solcher Antrag ist nur zulässig, wenn die Versagungsvoraussetzungen glaubhaft gemacht werden, die sich aus § 296 Abs. 1 Satz 1 und 2 InsO ergeben. Nach § 296 Abs. 1 Satz 1 InsO muss der Schuldner während der Laufzeit der Abtretungserklärung gemäß § 287 Abs. 2 InsO eine seiner Obliegenheiten schuldhaft verletzt haben. Weiter muss die Befriedigung der Insolvenzgläubiger durch die Obliegenheitsverletzung beeinträchtigt sein (, ZInsO 2010, 1558 Rn. 7).
7Die Vorschrift des § 296 Abs. 2 Satz 3 InsO enthält gegenüber § 296 Abs. 1 InsO einen eigenständigen Versagungstatbestand, der an die Mitwirkungspflichten des Schuldners im Versagungsverfahren nach § 296 Abs. 2 Satz 1 InsO anknüpft. Wegen seiner einschneidenden Wirkungen ist der Schuldner in geeigneter Weise darüber aufzuklären, dass seine Mitwirkung, die allerdings nicht erzwungen werden kann, sanktionsbewehrt ist und im Falle einer unentschuldigten Verweigerung schon deshalb die Versagung der Restschuldbefreiung droht (vgl. , ZInsO 2009, 1268 Rn. 9; vom - IX ZB 67/09, ZInsO 2010, 391 Rn. 22).
8b) Das Verhältnis dieser beiden Versagungstatbestände zueinander ist in Rechtsprechung und Literatur umstritten. Einerseits wird aus der Gesetzessystematik des § 296 InsO geschlossen, dass die Restschuldbefreiung nach § 296 Abs. 2 Satz 3 InsO nur dann auch ohne Antrag eines Gläubigers versagt werden könne, wenn der Schuldner in dem sich an einen zulässigen Versagungsantrag eines Gläubigers gemäß § 296 Abs. 1 InsO anschließenden Verfahren seinen Auskunftspflichten nach § 296 Abs. 2 Satz 2 InsO nicht nachgekommen sei (vgl. FK-InsO/Ahrens, 6. Aufl., § 296 Rn. 39, 45; MünchKomm-InsO/Stephan, 2. Aufl., § 296 Rn. 24, 33; Uhlenbruck/Vallender, InsO, 13. Aufl., § 296 Rn. 31; HK-InsO/Landfermann, 5. Aufl., § 296 Rn. 12, 14). Voraussetzung für die Versagung der Restschuldbefreiung gemäß § 296 Abs. 2 Satz 3 InsO sei ein Verstoß gegen die dort geregelten Verfahrensobliegenheiten. Erst ein solcher Verstoß stelle den von Amts wegen zu berücksichtigenden Versagungsgrund nach § 296 Abs. 2 Satz 3 InsO dar. Diese besonderen Obliegenheiten träfen den Schuldner jedoch erst, nachdem der Gläubiger einen nach § 296 Abs. 1 InsO zulässigen Versagungsantrag gestellt habe (vgl. LG Freiburg, Beschluss vom - 3 T 312/10 Rn. 7; Rn. 5, 6; AG Wuppertal, Beschluss vom - 145 IK 723/08 Rn. 12; alle Entscheidungen nur in juris veröffentlicht; FK-InsO/Ahrens, 6. Aufl., § 296 Rn. 39).
9Andererseits wird die Ansicht vertreten, die Restschuldbefreiung könne dem Schuldner ohne jeden Gläubigerantrag versagt werden, wenn er schuldhaft seine Verfahrensobliegenheiten nicht erfülle. Dies soll sich aus Sinn und Zweck der Obliegenheiten des § 295 InsO auf der einen und des § 296 Abs. 2 Satz 2 InsO auf der anderen Seite ergeben. § 295 InsO sichere die Gläubigerbefriedigung, § 296 Abs. 2 Satz 3 InsO die Verfahrensförderung. Diese stehe nicht zur Disposition der Gläubiger, und auf ihre Verletzung könne ein Gläubiger einen Versagungsantrag nicht stützen. Die Verfahrensobliegenheiten des Schuldners dienten der Entlastung der Insolvenzgerichte, nur diese seien die Betroffenen, die im Nichterfüllungsfall von Amts wegen darauf reagieren könnten (vgl. AG Mannheim, NZI 2010, 490 f; AG Hamburg, NZI 2010, 446 f; Jacobi, ZVI 2010, 289, 290 f).
10c) Nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut des § 296 Abs. 2 Satz 1 InsO kann es eine Versagung der Restschuldbefreiung ohne einen Gläubigerantrag nicht geben.
11aa) Ohne den Antrag eines hierzu berechtigten Gläubigers setzt die Amtsermittlungspflicht des Insolvenzgerichts zum Vorliegen von Versagungsgründen nicht ein (vgl. , BGHZ 156, 139, 142). Mit seinem Antrag bestimmt der Gläubiger zugleich den Verfahrensgegenstand. Das Insolvenzgericht darf die Entscheidung über die Versagung der Restschuldbefreiung nicht von Amts wegen auf andere als die vom Antragsteller geltend gemachten Versagungsgründe stützen (vgl. , ZInsO 2010, 391 Rn. 11). Dies belegt, dass das Verfahren auf Versagung der Restschuldbefreiung der Gläubigerautonomie unterliegt. Ausdrücklich wird in der Begründung zum Regierungsentwurf des Einführungsgesetzes zur Insolvenzordnung (BT-Drucks. 12/3803 S. 65) darauf verwiesen, dass die Entscheidung über die Restschuldbefreiung in einem kontradiktorischen Verfahren nach Anhörung der Beteiligten ergehe (vgl. FK-InsO/Ahrens, aaO, § 296 Rn. 21).
12bb) Da es für den Insolvenzgläubiger in der Regel schwierig ist, Erkenntnisse darüber zu erlangen, ob der Schuldner seinen Obliegenheiten in der Treuhandzeit nachkommt, begründet § 296 Abs. 2 Satz 2 InsO besondere Auskunftspflichten für den Schuldner (vgl. FK-InsO/Ahrens, aaO, § 296 Rn. 39), die jedoch erst entstehen, wenn ein Gläubiger einen Antrag nach § 296 Abs. 1 InsO gestellt hat (vgl. die Begründung zu § 245 RegE-InsO, BT-Drucks. 12/2443, S. 193). Wenn der Schuldner diesen besonderen, sich aus § 296 Abs. 2 Satz 2 InsO ergebenden Auskunftspflichten nicht nachkommt, ist ihm die Restschuldbefreiung zu versagen, ohne dass es eines zusätzlichen Antrages, der diesen Tatbestand aufgreift, bedarf (vgl. , ZInsO 2009, 1268 Rn. 9).
13cc) Allerdings tritt das Insolvenzgericht nach § 5 Abs. 1 Satz 1 InsO grundsätzlich erst auf der Grundlage eines zulässigen Gläubigerantrages in die Amtsermittlung ein (vgl. , BGHZ 156, 139, 142). Dem entspricht es, dass die besonderen Auskunftspflichten des Schuldners regelmäßig auch erst nach einem zulässigen Gläubigerantrag entstehen (, ZInsO 2009, 1268 Rn. 9). Jedoch kann ein zunächst zulässiger Versagungsantrag im Laufe des Verfahrens unzulässig werden, wenn etwa aufgrund von Vortrag des Schuldners der Versagungsgrund nicht mehr glaubhaft erscheint. Auch mag die Bewertung des Gerichts, ob nach umfassender Würdigung aller Umstände mehr für das Vorliegen eines Versagungsgrundes spricht, sich im Laufe des Verfahrens ändern, schließlich kann es verschiedene vertretbare Bewertungen geben. Deswegen kann es für die Versagung nach § 296 Abs. 2 Satz 3 InsO nicht darauf ankommen, ob der Versagungsantrag nach Auffassung des Beschwerdegerichts zum Zeitpunkt der Versagungsentscheidung zulässig war. Es widerspräche Sinn und Zweck der Anhörung nach § 296 Abs. 2 Satz 1 InsO, wenn in diesem Termin über die Zulässigkeit des Versagungsverfahrens gestritten werden könnte. Anderenfalls wäre dem Schuldner die Möglichkeit eröffnet, sich unter Hinweis auf eine nach seiner Ansicht nicht ausreichende Glaubhaftmachung des Gläubigerantrags den Anordnungen des Insolvenzgerichts - gegebenenfalls auch das Verschulden ausschließend - zu widersetzen und das Verfahren zu verzögern. Dem Schuldner, der die Rechtswohltat der Restschuldbefreiung erstrebt, ist es zuzumuten, über die Erfüllung seiner Obliegenheiten Auskunft zu erteilen, selbst wenn der Versagungsantrag des Gläubigers unzureichend ist.
14d) Vorliegend fehlt es an einem Gläubigerantrag. Das Insolvenzgericht hat das Versagungsverfahren nach § 296 Abs. 2 InsO von Amts wegen eingeleitet. Dies sieht die Insolvenzordnung nicht vor. Der Versagungsbeschluss kann deswegen keinen Bestand haben und ist aufzuheben.
153. Da die Aufhebung der bewilligten Stundung der Verfahrenskosten allein mit der Versagung der Restschuldbefreiung begründet worden ist (§ 4c Nr. 5 InsO), war der Beschluss auch insoweit aufzuheben.
Kayser Gehrlein Fischer
Grupp Möhring
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
Fundstelle(n):
DB 2011 S. 8 Nr. 26
NJW-RR 2011 S. 1680 Nr. 24
WM 2011 S. 1280 Nr. 27
VAAAD-86348