Eingruppierung eines Facharztes - fakultative Weiterbildung oder Schwerpunkt- oder Zusatzweiterbildung i.S.d. Entgeltgr Ä5 TV-Ärzte HE
Gesetze: § 1 TVG, § 10 Abs 1 S 1 Entgeltgr Ä5 Buchst a TV-Ärzte HE
Instanzenzug: ArbG Frankfurt Az: 14 Ca 7124/07 Urteilvorgehend Hessisches Landesarbeitsgericht Az: 3 Sa 710/08 Urteil
Tatbestand
1Die Parteien streiten über die zutreffende Eingruppierung des Klägers nach dem Tarifvertrag für die Ärztinnen und Ärzte an den hessischen Universitätskliniken vom (TV-Ärzte Hessen).
2Der Kläger ist seit dem anerkannter Facharzt für Kinderheilkunde. In der Kinderklinik der jetzigen Beklagten ist er seit dem beschäftigt. Er wurde als Oberarzt für die Bereiche „pädiatrische Stoffwechselmedizin sowie Diabetes“ eingestellt und ist in der Ambulanz der Klinik I der Beklagten tätig. Seit dem wurde der Kläger nach der VergGr. Ia des Bundes-Angestelltentarifvertrages (BAT) vergütet. Unter dem Datum des erhielt der Kläger eine „Anerkennung“ der Deutschen Diabetes-Gesellschaft (DDG), dass er „nach den Übergangsbestimmungen des Curriculums für den Diabetologen DDG die ärztliche Qualifikation als DIABETOLOGE DDG besitzt“. Seit dem ist der Kläger für die ärztlichen Behandlungen auf den Gebieten pädiatrische Stoffwechselerkrankung und Diabetes verantwortlich. Im Organigramm der Klinik sind innerhalb der Ambulanz neben anderen auch die Bereiche „Stoffwechsel“ und „Diabetes mellitus“ als eigene Organisationseinheiten aufgeführt.
3Für die von ihm betreuten Bereiche Stoffwechselerkrankung und Diabetologie sind ihm ein Assistent und drei Teilassistentinnen sowie eine Krankenschwester mit einer Arbeitszeit von 75 vH einer Vollzeitbeschäftigten zugewiesen.
4Die Beklagte vergütet den Kläger seit dem nach der Entgeltgruppe Ä 4 TV-Ärzte Hessen. Die vom Kläger begehrte Vergütung nach der Entgeltgruppe Ä 5 TV-Ärzte Hessen lehnte die Beklagte mit Schreiben vom ab. Der Kläger leite keinen Funktionsbereich.
5Mit seiner Klage verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Einschlägig sei die Entgeltgruppe Ä 5 Buchst. a TV-Ärzte Hessen. Er verfüge über die notwendige Weiterbildung. Die Mitarbeit von Teilzeitassistenzärzten der endokrinologischen Ambulanz beziehe sich überwiegend auf den Bereich der Diabetologie, um ihnen die Weiterbildung entsprechend der Weiterbildungsordnung der Landesärztekammer Hessen zu ermöglichen. Die Leitung des entsprechenden Funktionsbereiches sei ihm auch ausdrücklich übertragen worden, wie sich aus dem Organigramm der Beklagten ergebe. Der höhere Vergütungsanspruch ergebe sich auch aus dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung. Ein Kollege des Klägers leite eine vergleichbare Funktionseinheit im ambulanten Bereich und werde nach der Entgeltgruppe Ä 5 TV-Ärzte Hessen vergütet. Gleiches treffe auf die Leiter der übrigen Bereiche zu, die Professoren seien.
Der Kläger hat zuletzt beantragt
7Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Der Kläger verfüge nicht über die erforderliche Weiterbildung. Die Weiterbildung der Deutschen Diabetesgesellschaft sei keine von der Hessischen Landesärztekammer anerkannte Weiterbildung. Auch gebe es im Fachgebiet des Klägers keine Zusatzweiterbildung „Kinderendokrinologie und Diabetologie“. Die Beklagte habe weiterhin keinen Funktionsbereich „Diabetes und Stoffwechselerkrankungen“ geschaffen. Dieser Bereich sei zudem kein anerkanntes Fachgebiet innerhalb der Kinder- und Jugendmedizin. Schließlich sei dem Kläger auch kein Funktionsbereich ausdrücklich übertragen worden.
Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Begehren hinsichtlich der Entgeltgruppe Ä 5 TV-Ärzte Hessen weiter. Die Beklagte beantragt die Zurückweisung der Revision.
Gründe
9Die zulässige Revision ist unbegründet. Die auf die Entgeltgruppe beschränkte und damit zulässige Feststellungsklage ist unbegründet. Das hat das Landesarbeitsgericht jedenfalls im Ergebnis zutreffend entschieden.
10I. Das Landesarbeitsgericht hat seine Entscheidung damit begründet, es fehle an einer ausdrücklichen Übertragung der medizinischen Verantwortung durch den Arbeitgeber. Da tariflich eine „ausdrückliche Anordnung“ gefordert werde, sei ein lediglich konkludentes Handeln nicht ausreichend. Vielmehr müsse der Rechtserfolg aus der Erklärung des Arbeitgebers mit hinreichender Deutlichkeit hervorgehen. Zudem sei allein der Träger des Krankenhauses als „Arbeitgeber“ für die Übertragung zuständig. Eine rechtsgeschäftliche Vertretung iSd. §§ 164 ff. BGB sei ausgeschlossen. Da es an einem ausdrücklichen Beschluss des zuständigen Organs fehle, sei die Klage ohne Erfolg.
11II. Das ist rechtsfehlerhaft. Das Landesarbeitsgericht hat das Tarifvertragsmerkmal der „ausdrücklichen Anordnung“ der medizinischen Verantwortung „durch den Arbeitgeber“ verkannt. Der Senat kann jedoch selbst in der Sache entscheiden, weil der Rechtsstreit zur Endentscheidung reif ist (§ 563 Abs. 3 ZPO). Der Kläger, der sein Begehren in der Revisionsinstanz nicht mehr auf den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz stützt und seine Revision damit beschränkt hat, erfüllt nicht die Anforderungen des Tätigkeitsmerkmales der Entgeltgruppe Ä 5 Buchst. a TV-Ärzte Hessen.
121. Der TV-Ärzte Hessen findet nach dem übereinstimmenden Vorbringen der Parteien auf das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis Anwendung.
2. Die maßgebenden Tarifnormen des TV-Ärzte Hessen lauten:
143. Die vorstehenden tarifvertraglichen Bestimmungen sehen entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts nicht vor, dass allein der Träger eines Krankenhauses als juristische Person „persönlich“ für eine Übertragung der Leitungsfunktion iSd. Entgeltgruppe Ä 5 TV-Ärzte Hessen zuständig ist. Es handelt sich bei der Tarifregelung vielmehr um eine Klarstellung der Tarifvertragsparteien über die zivilrechtliche Zurechenbarkeit der entsprechenden Aufgabenzuweisung, die keine von allgemeinen zivilrechtlichen Regelungen abweichende besondere Anforderung an die Wirksamkeit von Willenserklärungen oder rechtsgeschäftsähnlichen Handlungen aufstellt. Das hat der Senat für den TV-Ärzte Hessen bereits entschieden und ausführlich begründet ( - 4 AZR 63/09 - Rn. 13 mwN; s. auch - 4 AZR 166/09 - Rn. 16; - 4 AZR 112/09 - Rn. 28; - 4 AZR 495/08 - Rn. 56 ff., AP TVG § 1 Tarifverträge: Arzt Nr. 8).
154. Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts ist im Ergebnis gleichwohl zutreffend. Der als Facharzt tätige Kläger erfüllt mit der von ihm angeführten ärztlichen Qualifikation „Diabetologe DDG“ nicht das Merkmal „fakultative Weiterbildung, Schwerpunkt- oder Zusatzweiterbildung“ iSd. beanspruchten tariflichen Tätigkeitsmerkmales.
16a) Das Merkmal „fakultative Weiterbildung, Schwerpunkt- oder Zusatzweiterbildung“ iSd. Entgeltgruppe Ä 5 Buchst. a TV-Ärzte Hessen, welches der Tarifvertrag selber nicht näher bestimmt, ist dahin auszulegen, dass es sich um eine Weiterbildung nach der aktuellen oder zumindest einer früheren Weiterbildungsordnung der Landesärztekammer handeln muss ( - Rn. 23; - 4 AZR 827/08 - Rn. 29, AP TVG § 1 Tarifverträge: Arzt Nr. 7; - 4 AZR 841/08 - Rn. 32).
17Das Tätigkeitsmerkmal nimmt Bezug auf die Vorgaben der Ärztekammern in den Weiterbildungsordnungen zum Erwerb von Kompetenzen, die Gegenstand einer Schwerpunkt- und Zusatzweiterbildung sind (vgl. für § 12 TV-Ärzte/TdL - Rn. 40; - 4 AZR 841/08 - Rn. 32). Bereits die Sachnähe zwischen dem Regelungsgegenstand des TV-Ärzte Hessen und der Weiterbildungsordnung spricht dafür, dass die Tarifvertragsparteien an die Begriffe der Weiterbildungsordnung und die Anforderungen angeknüpft haben, die dort für den erfolgreichen Abschluss einer Weiterbildung aufgestellt werden. Die Entgeltgruppen des TV-Ärzte Hessen verwenden mit den Begriffen Schwerpunkt- und Zusatzweiterbildung Fachbegriffe der Weiterbildungsordnung, wie sie sich in den aktuellen Weiterbildungsordnungen der Landesärztekammern finden. Regelmäßig werden entsprechend der (Muster-)Weiterbildungsordnung 2003 der Bundesärztekammer die Schwerpunktweiterbildungen in Abschnitt B und die Zusatzweiterbildungen in Abschnitt C der jeweiligen Weiterbildungsordnungen der Landesärztekammern aufgeführt. Dem entspricht auch die vorliegend einschlägige Weiterbildungsordnung für Ärztinnen und Ärzte in Hessen vom (HÄBl. Sonderheft 10/2005 S. 1 bis 73 idF vom , nachfolgend WBO 2005). Eine Zusatzweiterbildung beinhaltet danach die Spezialisierung in Weiterbildungsinhalten, die zusätzlich zu den Facharzt- und Schwerpunktweiterbildungsinhalten abzuleisten sind, sofern nichts anderes in Abschnitt C der WBO 2005 geregelt ist, § 2 Abs. 4 Satz 1 WBO 2005.
18Dieser Auslegung entspricht auch die Protokollnotiz zur Entgeltgruppe Ä 4 Buchst. a und Ä 5 Buchst. a TV-Ärzte Hessen. Sie stellt darauf ab, dass die geforderte Schwerpunkt- oder Zusatzweiterbildung den erfolgreichen Abschluss des Weiterbildungsgangs voraussetzt und daher von der Existenz eines anderen Regelungswerks ausgeht (der einschlägigen WBO), welches die Abschlussvoraussetzungen regelt.
19b) Bei der erworbenen ärztlichen Qualifikation des Klägers handelt es sich nicht um eine Zusatzweiterbildung im Tarifsinne, weil sie nicht den Voraussetzungen der für ihn einschlägigen WBO 2005 entspricht.
20aa) Zwar ist nach dem Abschnitt C der WBO 2005 eine Zusatzweiterbildung mit dem Weiterbildungsinhalt „Diabetologie“ und „Kinder-Endokrinologie und -Diabetologie“ möglich.
21bb) Die Zusatzweiterbildung erfordert aber eine erfolgreiche Prüfung vor der Landesärztekammer. Nach § 2 Abs. 1 WBO 2005 ist der erfolgreiche Abschluss der Weiterbildung erforderlich, um die Zusatzbezeichnung erlangen zu können. Gemäß § 2 Abs. 5 WBO 2005 wird der erfolgreiche Abschluss der Weiterbildung durch eine vor der Landesärztekammer bestandene Prüfung entsprechend der §§ 12 bis 16 WBO 2005 nachgewiesen. Das erfordert den erfolgreichen Abschluss einer Prüfung vor dem Prüfungsausschuss der Landesärztekammer. § 11 WBO 2005 bestimmt für die Anerkennung einer Bezeichnung den Nachweis der erforderlichen Kompetenz und eine bestandene Prüfung vor der Ärztekammer. Dem entspricht auch die Zusatzweiterbildung Diabetologie nach Abschnitt C der Weiterbildungsordnung. Danach wird die Weiterbildung mit einer Prüfung abgeschlossen.
22cc) Eine diesen Anforderungen genügende Zusatzweiterbildung hat der Kläger nicht absolviert. Bei der von ihm nach dem Curriculum der Deutschen Diabetes-Gesellschaft, einer privaten Fachgesellschaft, abgeleisteten ärztlichen Qualifikation handelt es sich nicht um eine Zusatzweiterbildung im Tarifsinne, weil sie nicht nach Maßgabe der WBO 2005 erlangt wurde.
23c) Der Kläger verfügt durch die „Anerkennung“ der DDG aus dem Jahre 1997 auch nicht über eine fakultative Weiterbildung iSd. Entgeltgruppe Ä 5 Buchst. a TV-Ärzte Hessen nach der damals einschlägigen Weiterbildungsordnung der Landesärztekammer Hessen vom (WBO 1995).
aa) Der tarifliche Begriff der fakultativen Weiterbildung knüpft an die früheren Weiterbildungsordnungen der Landesärztekammern an. Im Bereich der Landesärztekammer Hessen ist dies die WBO 1995. § 3 Abs. 1 WBO 1995 bestimmt die fakultative Weiterbildung in den einzelnen Gebieten wie folgt:
25Auf dem Gebiet der Kinderheilkunde, welches für den Kläger einschlägig ist, ist demzufolge eine fakultative Weiterbildung lediglich im Bereich der speziellen pädiatrischen Intensivmedizin möglich. Das ergibt sich auch aus § 2 Nr. 15 iVm. Abschnitt I Nr. 15. B. WBO 1995, der die Inhalte der fakultativen Weiterbildungen näher spezifiziert.
26bb) Danach verfügt der Kläger nicht über eine fakultative Weiterbildung in seinem Fachgebiet, wie es die Entgeltgruppe Ä 5 Buchst. a TV-Ärzte Hessen fordert.
27cc) Die Diabetologie gehört schließlich weder zu den Bereichen, in denen sich ein Arzt nach § 2 Abs. 2 WBO 1995 zum Führen einer Zusatzbezeichnung weiterbilden konnte noch zu den Schwerpunkten iSd. § 2 Abs. 1 Nr. 15 iVm. Abschnitt I Nr. 15. C. WBO 1995. Das sind lediglich die Kinderkardiologie und die Neonatologie.
285. Ob der Kläger die Voraussetzungen der Entgeltgruppe Ä 5 Buchst. b Fallgr. 1 TV-Ärzte Hessen erfüllt, kann dahinstehen. Der Kläger hat die von ihm begehrte Eingruppierung ausschließlich auf die angebliche Erfüllung der Voraussetzungen nach der Entgeltgruppe Ä 5 Buchst. a TV-Ärzte Hessen gestützt. Im Übrigen ist auch nicht ersichtlich, dass es sich auf Grundlage der ihm zugewiesenen Mitarbeiter um eine größere Organisationseinheit im Tarifsinne handelt.
III. Der Kläger hat die Kosten der erfolglosen Revision nach § 97 ZPO zu tragen.
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
Fundstelle(n):
NAAAD-83938